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Amtsblatt für den Bezirk Nagold und für Altensteig-Ltad!. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirke Nagold, Lalw und Freudenstadt

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M. 183.

Atterrstelg, Samstag ks« 10. Juni

Jahrgang Lvrr.

Zur Lage.

eb. Me letzten Tage brachten wieder schwere Sorgen. Der Gang der Anleihe-Verhandlungen in Paris geriet ins Stocken, man weiß heute noch nicht genau, was Morgan schließlich erreichen wird. Denn er hat Frank­reich gegenüber einen Trumpf in der Hand, der, einmal ansgespielt, wie eine Bombe in die Elttsee-Regierung einWagen würde. Poincares nimmermüde Haß- und Hetzpolitik wird letzten Endes noch der Totengräber seiner Regierung werden. Das alte gute deutsche Sprichwort vom Kruge, der so lange zu Wasser geht, bis er bricht, wird seine Nutzanwendung schließlich auch hier finden. Der unter Morgans Leitung stehende Ausschuß hat der Reparationskommission bestimmte Fragen vorgelegt, ins­besondere die nach einer Herabsetzung der deutschen Ent­schädigungen. Natürlich fehlt es in Paris an Vernunft, im diesem Hauptpunkte näher treten zu können. Das A und O für die Herren an der Seine ist nach wie vor der gemeine Vertrag von Versailles, der allem Völker­rechte höhnend ins Gesicht schlägt. Und sollte man uns wirklich eine kleine Anleihe gewähren, die uns eine Atempause von 12 Jahren ermöglichte, so wäre uns damit nicht viel geholfen, zumal letzten Endes nur eine künstliche Ueberbewertung der Mark eintreten könnte. Unsere wirtschaftliche Unabhängigkeit wie die politische wäre damit noch keineswegs garantiert. So kann man heute nur trüben Sinnes die politische Lage betrachten, auch der Optimist wird schwerlich am trüben Himmel

lichtes Blau zu erblicken vermögen.-

Der Reichskanzler ist in Stuttgart eingetroffen, er kam das erste Mal als oberster Minister -in Schwabens schöne Hauptstadt. Der- Badenser fühlt sich wesensver­wandt mit dem Nachbarlande. So ist wieder ein Konnex gegeben für Nord und Süd, denn der Kanzler kommt ja ans Berlin und wird seinen Ministerkollegen viel Wichtiges zu berichten haben. Man darf mit Spannung die Rede erwarten, die er in derLiederhalle" vor ge­ladenem Publikum zu halten gedenkt. Auch Dr. Rathenau

und der badische Staatspräsident werden erwartet.-

Ein Ereignis war es vor allem, das die Welt auf- hnchen ließ. In Kassel verübte ein junger Mensch ein Attentat auf Scheidemann. Der Oberbürgermeister blieb unverletzt, obwohl festgestellt wurde, daß der auf ihn geschleuderte Ballon Blausäure enthielt. Wie die Blätter- mcldungcn besagen, ist man des Täters bereits habhaft geworden. Strengste Bestrafung soll ihm zuteil werden, derartige Nichtswürdigkeiten können nicht schwer genug, geahndet werden. Unwillkürlich erinnerte das Attentat vem 1. Psingstfeiertag an Erzbergers Ermordung. In O mburg begann der Prozeß gegen den der Hclferschaft cwgebagten Kapitänleutnant von Killinger. Der sonst st ruhige Ort gleicht einem aufgestörten Schwarme. Ein Magenaufgebot von Polizei und Gendarmerie sorgt für Ordnung und Sicherung. Die beiden ersten Sitzungstage des Schwurgerichts brachten Aufklärung über die viel­genannte Geheimorganisation 6, der die beiden Erzberger­mörder Schultz und Tillessen sowie der Angeklagte Killin­ger angehörten. 87 Zeugen sind zunächst geladen, der gesamte Zeugenapparat beläuft sich auf weit über IM .Personen. Die äußerst sensationelle Schilderung des miminaloberinspektors Schuhmacher, der die Ergebnisse seiner Feststellungen über den Aufenthalt der Ercherger- vlörder in Budaw'st erregte allgemeines Auf­

sehen.

Bangen Herzens blicken wir nach Oberschlesien. Dort imd wieder ruchlose Banditen am Werke, denRuhm" der Polen als Greueltäter und Schikaneure zu mehren. "Hst- und Hilferufe dringen an unser Ohr, und wir Msen tatlos beiseite stehen, müssen zuschen, wie unsere deutschen Brüder all die Unbill ertragen, die ihnen zu- gesügt wird. Was werden die Aermsten aber noch in den "betretenden Gebieten zu leiden haben! Der Vertrag, da zwischen Deutschland und Polen abgeschlossen wurde, spricht zwar von Duldung aller Art, aber wir kennen doch vre Polen viel zu genau, um ihnen glauben zu können. Glaubhaftigkeit und Treue, das sind zwei Begriffe, die es m diesem schmutzigen Laude überhaupt nicht gibt. Dort, tvv man schon unsere Soldaten hinterrücks erschloß, wrrd man vor neuen Gewalttaten niemals zurückschrek- len. Uns kann nur die eine Hoffnung trösten, die an dreier Stelle schon ausgesprochen wurde, daß unsere deut- 'sG"n Brüder für und für dem Väterlande die Treue wahren, daß sie deutsch bleiben in ihrem Denken und

Fühlen allezeit. Wir brauchen in diesen Gebieten deutsche Lehrer, die ihre Schulkinder erziehen nach echt deutscher Weise, die sie lehren, das Vaterland niemals zu vergessen. Und wir brauchen Frauen und Männer treuer Art, die die Heimat, die deutsche Heimat im Herzen tragen! Dann können wir hoffen, hoffen auf den Tag der Wie- - dervereinigung, der, liegt er auch im Dämmergrau wei­ter Ferne, doch einmal kommen wird.-

Das Buch des deutschen Kronprinzen hat überall Staub

Besetzung der drei Rheinstädte noch nicht rückgängig ge« macht sei. Durch die Politik ehrlicher Verständigung sei man je« ^ doch über die Atmosphäre hiuaukgekommen, aus der die Politik der Sanktionen geboren sei. Genua habe gezeigt, daß Deutsch­land wieder eigenen Boden unter den Füßen habe. Der Vertrag von Rapallo bedeute deu ersten Schritt. Neber die Frage der Reparationen sei in Genua zwar nicht offiziell gesprochen worden, aber wo ernste Menschen zusammen kamen, stand sie im Vordergrund der Unterhaltung. Die Konferenz der

aufgewirbelt. Es ist viel kommentiert word-.n, von jeder HFinanzsachverständigen in Paris bedeute eine wirtschaftliche

Partei beinahe in mehr oder minder strenger Kritik. Nun soll auch von des früheren Kaisers Hand ein Werk er­scheinen, das Gegenstück zu dem des Sohnes und eine Ver­teidigung gegen dessen Vorwürfe. Es wird interessant sein, die beiden Bücher neben einander zu lesen und zu vergleichen.

Im übrigen hat sich viel Sonderliches nicht ereignet. Ein Gerücht von neuen Putschplänen der E kaiserin Zita tauchte auf, verschwand aber bald wieder, ohne daß Tat­sachenmaterial zutage gefördert worden wäre. Diese Frau ist pathologisch und psychologisch ein Rätsel, Ehr­geiz allein kann nicht die Triebfeder ihrer Handlungen sein. Jetzt ist Spanien ihr Zufluchtsort geworden, das Nachbarland Frankreichs. Vielleicht wird eines Tages auch Herr Poincare die Fürstin willkommen heißen oder sein Nachfolger, das bleibt dasselbe. Jedenfalls wird die spanische Regierung ein Auge aus den Gast haben müssen, dem die Schweiz kein Obdach mehr gewährte.

In Polen demissionierte das Kabinett, das längst keinen festen Boden mehr unter deu Füßen hatte. Die Polen sind noch unerfahrene Leute in Regierungsgeschäften, ein

Betrachtung der ReparaiionSfrage. Die Bankiers würden ! finden, daß die Anleihe mindestens ebenso notwendig sei für ' Frankreich wie für die übrigen Ententelävder. An dem Ur« j teil der Bank von England zu Ende des letzten Jahres, daß Deutschland unter den Zahlungsbedingungen des Ultimatums j nicht kreditfähig sei, könne mau in Paris nicht Vorbeigehen. ! Amerika müsse für die Mitarbeit an den europäische» Pro- - blemen gewonnen werden. Zu dieser Arbeit sei Ged«ld und j opferfreudige Mitarbeit nötig von allen Richtungen und so« ! ziale« Schichte«. Ein selbständiges, unabhängiges, in seiner , politischen «nd wirtschaftlichen Wirksamkeit wieder freies ' Deutschland, dar im friedlichen Wiederaufbau Europas seine ! große politische Aufgabe steht, sei sei« Ziel. Reichsmiuißer Dr. Rathrnau, ebenfalls freundlich begrüßt, behandelte einige ! Abschnitte der äußeren Politik des letzteuJahreS. Man sei eine« ! Schritt vorwärts gekommen auf dem Wege zur wirtsch. Vernunft.

! Der Anfang war die Anerkennung, daß nicht Gold unser ! Zahlungsmittel sein könne, sondern Ware. In England ! habe man zuerst die schädliche« Wirkungen der deutschen i Gefängniswirtschaft erkannt. Die weltwirtschaftliche Ver­flochtenheit wurde zum Erlebnis. Der Redner behandelte

Vasallenstaat wird nicht über Nacht souverän. Umso j dann die Vorgänge in Cannes und Genna und die Erkennt«

besser versteht man sich dort auf Schikane und dergleichen andere edle Eigenschaften.

In China scheint es auch! noch zu rumoren. Bedenk­lich aber lauten die Nachrichten von dem Hottentotten­aufstand in Südwestafrika. Dieses Voll sehnt die deutsche Herrschaft und Oberhoheit zurück, ein Zeichen, daß wir es verstanden haben, den Eingeborenen unserer Kolonie richtig zu begegnen. Man wird leicht bitter im Gedenken an die Zeit kolonialer Blüte, an die Zeit Dr. Peters, Wißmanns, Nachtigalls und der anderen deutschen

nis der Völker, daß man aus dem gegenseitigen Schuld« ! Verhältnis der großen Nationen heraasmüsse. In Haag ! würde sich Deutschland nicht aufdrängeu, aber zu ehrlicher ! Vermittler- und Mitarbeit brreitstehen. Dem russischen Wirt- j fchaftssystem hätte» wir uns sicht verschrieben. Die Politik i des letzten Jahres sei nicht erfolglos gewesen. Eine Politik ! des Widerstands hätte sich bitter gerächt, vor allem die Ein« - heit von Volk und Reich gefährdet. Von der Geschichte > werde Deutschland dar Zeugnis bekommen, daß es deu ent­scheidenden Schritt zur Ueberwindung der Völkerhaffes und

all den Erwerbungen ist uns geblieben, was deutsche Ar­beit schuf, erntet der Engländer, der kaum noch den deut­schen Farmern ihren Hof gönnt, wenn er sie nicht braucht bei besonders schwierigen Kulturen, die nur deutschier Fleiß und deutsche Geschicklichkeit auszuführeu verstehen. Wir haben diesen Boden mit deutschem Blute getränkt, viele Brave liegen unterm Dornbusch im einsamen Hel­dengrab. Und in Swakopmund und in Windhuk gibt es deutsche Realschulen, die Männer heranbilden für die Zukunft unserer verlorenen deutschen Kolonie. Es werden auch einmal andere Zeiten kommen, in denen Deutschland wieder aufwärts streben kann. Wir wollen auch in der trüben Jetztzeit den Kopf nicht hängen lassen, das ist nicht deutsche Ärt!-

Reichskanzler Dr Wirth in Stuttgart.

WTB. St»tt-»rt, 9. Juni. Anläßlich -rrs Besuches bei der württ. StaatSregierung sprachen S.üchSkanzler Dr. Wirth und ReichSminister Dr. Rathenau vor einem großen KreiS geladener Gäste. Der württ. Staitsp äideit Dr. Lie­ber begrüßte beide im Namen der ti. Volke- auf ; herzlichste und dankte den Staatsmännern für ihr Komme-. Für das württ. Volk sei die 9 M?ue über alle Partei­schranken hinweg eine absolute S wrrständlick'eit. Reichs­kanzler Dr. Wirth, lebhaft begrüß rhcmdelte einige Fragen der äußeren und inneren Politik. BüS Ziel ssmer Politik sei immer gewesen, die Wohlfahrt de- deutsche« Volkes und die Erhallung der deutsches Einheit. Die Gefahren einer Reichszerstörung seien noch nicht gebannt. TS gebe in Deutschland ein paar armselige Tröpfe, die den Plänen un- serer Gegner in die Hände arbeiten. LKe überwältigende Mehrheit der deutschen Volkes in allen Schichten stehe mit der Regierung zusammen in dem Äemühen, Deutschlands Einheit zu behaupten.^ Man streite sich über die Methoden der Politik, aber nicht über das Ziel. Neben der Einheit habe die deutsche Mannigfaltigkeit Raum und Recht, aber j er war notwendig, neue starke Klammern u« die Länder , und Stämme zu lege» «nd das Voll in dem km" - i Ginn zusammenznbinden. In der äußeren Politik er - n er das ganze jdentsche Volk als bitteres Unrecht, daß

Dar geistige Leben sei zwar gefährdet, aber nicht zu Tode ! getroffen. Darauf baue sich die Hoffnung auf Deutschlands j Zukunft, daß aus der Jugend und der .inneren Vertiefung , Kräfte erwachsen. Staatspräsident Dr. Hreber sprach noch i Dank-sworte.

j Stuttgart, r». Juni. Reichskanzler Br. Wirth und, Außenminister Dr. Rathenau nahmen bei ihremj heutigen Besuch Ke' der württ. Regierung Gelegenbllly ' sich in einer zwanglv'en Besprechung mit Vertreter» der württ. Presse zu verschiedenen politischen Fra-I . gen zu äußern Der Besprechung wohnten auch Staats^ - Präsident Dr. Hieber und der Arbeitsminister Keil,, ^ sowie der Re'chspreffechef Miniswrialdirektor Müller- , an. Sowohl Reichskanzler Dr. Wirth als auch Außen- ! minister Dr. Rathenau aaben auf verschiedene Fragen,

! die an sie aus den Kreisen der Pressevertreter gerich- > tet wurden, bereitwilligst und eingehend, zum Teil j allerdings in vertraulichen Ausführungen. Auskunft.

! Zur Frage der Notlage der Presse, die in erster Linie angeschnitten wurde, teilte der Reichskanzler mit,

, daü der diesbezügliche Gesetzentwurf bereits ausge- arwitw sei und daß die Entscheidung über denselben voraussichtlich schon in nächster Zeit getroffen werden müsse. Da die Frage der Aufbringung der erforder­lichen Mittel indessen noch einer eingehenden Prü­fung unterzogen werden müsse, könne über den 5lnb -t des Gesekes vorläufia noch keine Mitteilung gema lt werden. Voraussichtlich werden aber der demnächst in Mamburg stattffndenden Taaung des Vereins deutscher Zeitunasverleger die HaubGichtlinien des Entwu'üs mitgeteilt werden können. Auf eine weitere Frcws, was Deutschland von der Haager Konferenz er- wa-ten dürfe, antwortete Außenminister Dr Rathenau. Er wies darauf hin. daß es sich bei dieser Konferenz, auf der die Perbandlungen von Genua in gewiss'M Sinn fortgesetzt werden sollen, um eine Zusammen­kunft von Sachverständigen, in erster Lime Rußlands, sodann von denjenigen Ländern, die sich mit Deutsch­land wieder in Verbindung zu setzen wünschen. handle. Da Deutschland seine Beziehungen zu Rnß^and diu-ch den Vertraa von Ravallo bereits gereg L habe. Kobe es auch nicht auf eine Zulassung zur smager Kon­ferenz asw'öngt. In der A n leih e fr a g e. mc ' te der Reichskanzler, sei vorläufia noch eine gewisse Lu-

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