Ter Prozeß Killinger.

Dsfenburg, 8. Juni. Zu Beginn der heutigen Vor- Mittagssitzung des Schwurgerichts gab der bekannte Ge- jrichtSchemiker Dr. Popp aus Frankfurt a. M., der vor allem das am Tatort gefundene Blut untersucht hatte, ein Gutachten ab. Darauf wurde eine größere Reihe von Zeugen vernommen, die über die Täter und ihr Aussehen aussagen sollten. Einer dieser Zeugen er­zählte, wie er mit seinem Wagen vom Kniebis ge­kommen sei und wie er auf der Kniebisstraße etwa um Vs 11 Uhr vormittags 2 Herren begegnete, von denen einer eine Landkarte in der Hand trug. Er traf dann später auch 2 ältere Herren, von denen er einen später als den Abgeordneten Diez erkannte. Auf dem Wege von der Alexanderschanze bis Griesbach ist er sonst niemandem begegnet. Weiter wurde ein Straßen- wart vernommen. Er sah die beiden jungen Herren und hörte die Schüsse. Er gibt an, er habe schnell hintereinander 8 Schüsse und dann noch 2 Schüsse fal­len hören. Ferner befanden sich unter den Zeugen einige Holzarbeiter, die über dis Wegverhältnisse Aus­sagen machten und die unter Mordverdacht stehenden ^Schulz und Tillessen gesehen haben. Auch Eisen­bahninspektor Jung aus Ludwigshafen wurde ver­nommen, der am 25. Mai in OPPenau mit seinem Sohn ankam und im Gasthaus zumHirschen" ein Zimmer genommen hatte. Das Abendessen nahm er mit 2 jungen Herren ein, die am gleichen Tisch saßen. Nach seiner Beschreibung dürften es Schulz und Til­lessen gewesen sein.

Als weiterer Zeuge wurde Frau Spinner aus OP- penau vernommen. Sie sagte u. a. aus: Ich habe 2 junge Leute etwa um 4 Uhr vom Berg herunter­kommen sehen. Den Größeren habe ich nicht betrach­tet, der Kleine, den ich beobachtete, trug Sportsanzug und Sportsstrümpfe. Aus dem Arm trug er einen Man­tel. Ich habe nichts mit ihm gesprochen. Ich nehme an, daß die beiden zusammengehörten. Der Kleine war sehr aufgeregt. Ich wußte damals noch nichts von dem Mord, sagte mir aber trotzdem, worum dieser Mensch Wohl so aufgeregt sei. Die beiden kamen von Zuflucht herunter.

Zeuge Postbote Josef Huber aus OPPenau: Ich schaute aus dem Fenster und sprach mit Frau Huber über den Mord. Dann kamen 2 junge Leute, die ein sehr verstörtes Aussehen hatten. Sie müssen an­scheinend von unserer Unterhaltung gehört haben. Als ein Mädchen aus dem Hause lief, sah sich einer von ihnen um.

Kriminal-Oberinspektor Rückert aus Stuttgart, der die Untersuchung führte, erzählte, was er bei ferner Anwesenheit am ^Tatort von den Leuten erfahren hatte. Der Vorsitzende besprach an Hand der Karte die Zeu­genaussagen und machte kurze Ausführungen über den Weg, den die der Tat Verdächtigen bei ihrer Rückkehr von Zuflucht nach OPPenau genommen haben müssen.

Kriminal-Oberinspektor Haslacher äußerte sich er­gänzend über Einzelheiten des Tatorts.

Gegen 12 Uhr trat die Mittagspause ein. Der Vor­sitzende machte bekannt, daß am Freitag die Lokal- t s '' m ine stattfinden werden. Außer dem Gerichts- ho den Geschworenen nehmen an den Lokal-

ter>.. er Angeklagte und seine Verteidiger teil.

Die Antwort der Reparationskormnission.

Paris, 8. Juni. Das Sekretariat des Wiedev- gutmachungsausschusses übergab der Presse folgende Mit­teilung: Äm Donnerstag, den 1. Juni, hat das. An­leihe-Komitee seinen Vorsitzenden gebeten, dem Wieder-- gutmachungsausschuß folgende Frage vorzulegen. Nach ihrer Instruktion hat das Komitee das Studium der Frage einer äußeren Anleihe begonnen, das

Die Wirtin z. goldenen Lamm.

Kriminalroman von Otto Höcker.

>48) (Nachdruck vrrdotM.)

Er nahm Martini ans Fenster und sprach stUsternv aus ihn ein.Ich traue dem Burschen nicht, er weiß mehr als er zugeben Will. So höllisch ihm auch der Schädel brummen mag, so ist er doch genügend bei Bewußtsein, um logisch denken und antworten zu kön­nen. Gerade darum ist er zurückhaltend. Erinnern Sie sich, sein Verhalten kam mir bereits gestern abend nicht recht sauber vor. Nun dieser Kognakraub. Ich meine, der Bursche hätte schwerlich gewagt, sich ins Wirtszimmer einzuschleichen und den Flaschenschrank zu erbrechen, hätte er nicht genau gewußt, daß für ihn die Gefahr, von Franz auf frischer Tat ertappt zu werden, nicht mehr existierte, mit anderen Worten: er wußte bereits um das Schicksal des Hausdieners und gerade darum glaubte er seinem Saufgelüste un­bedenklich nachgehen zu können. Ich halte ihn für den Täter. Seine täglichen Botengänge durch Wind und Wetter haben ihn abgehärtet und seinen Körper gestählt, aus jeden Fall ist er an Kräften dem Haus­diener überlegen."

Sicherlich aber nicht dem Lammwirt, diesem Hü­nen an Erscheinung und Krafffülle," siel Martini trocken ein.

Was wollen Sie damit sagen?"

Der Mörder des Lammwirts hat zweifellos auch den nächtlichen Einbruch verübt, das geht schon aus dem Inhalt des Bündels hervor, das die Tochter des Burschen dort gefunden haben will; di« Früchte beider Verbrechen bilden eben den Inhalt. Bindewald ist Ihrer Aussage nach durch einen furchtbaren Knüttel­hieb, der ihm rücklings beigebracht worden sein mag, getötet worden. Sie wollen aber auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen wissen, daß der Lammwirt viel­leicht au fdem von ihm benutzten, glatteisbedeckten »utzWLlitten und in den Abgrund gestürzt sei

Mn 'durch die Kommission anvertraut worden ist- Ehe das Komitee weiter geht, hält es indessen für notwendig, den Wiedergutmachungsausschuß zu fragen, ob die Worte im Verhältnis seiner Verpflichtungen, wie sie durch den Versailler Vertrag und besonders durch die Zahlungsbe­dingungen vom 16. Mai 1921 fcstgestellt sind" in dem Sinne ansgelegt werden müssen, daß das Komitee für seine Entscheidung die durch die Zahlungsbedingungen vovgeschriebenen Zahlungen Deutschlands als eine unab­änderliche Verpflichtung betrachten muß, mit dem einzigen Vorbehalt, daß der Wiedergutmachungsausschuß sie von Zeit zu Zeit in Zukunft ändern kann in Uebereinssimmung mit den Festsetzungen des Artikels 234 des Versailler Vertrages, oder ob (selbstverständlich ohne irgendwie die Verantwortlichkeit des Ausschusses zu beeinträchtigen) es dem Komitee freisteht, die Möglichkeit von Lösungen ins Auge zu fassen, die die Wanderung der obigen Arrange­ments einschließen. Mittwoch, 7. Juni, hat der Wie- dergutmachnngsausschuß dem Anleihe-Komitee folgende Antwort zugestellt: In Beantwortung der im Namen des Anleihe-Ausschusses gestellten Fragen hat der Wie- dergutmachnngsausschuß die Ehre, dem Komitee mitzu­teilen, daß in einer offiziellen Sitzung, die heute früh stattsand, folgende Entscheidung getroffen worden ist: Die Ansicht des Ausschusses ist die, daß das Mandat des Komitees nicht so aufgesaßt werden soll, als ob es irgend etwas enthält, was dem entgegenstände, daß der Ausschuß, der. die zur lieber gäbe äußerer Anleihen für Deutschland möglichen Bedingungen stu­diert, diejenige nicht angenommen hat, die sich im allgemeinen mit der Wiederher­stellung seines Kredits im Ausland befaßt. Tatsächlich wird jede Anregung des Komitees sehr wert­voll sein, ohne irgendwie eine Verantwortung für den Wiedergutmachungsausschuß festzustellen. Obige Entschei­dung ist durch Stimmenmehrheit gefaßt, in dem die Dele­gierten Englands, Belgiens, Japans, Italiens dafür, der französische Delegierte dagegen gestimmt hat. Der offizielle amerikanische Delegierte hat sein persönliches Einverständnis mit der Mehrheit zum Ausdruck gebracht. Indem Herr Lafontaine diese Mitteilung machte, erklärte er gleichzeitig, daß der Präsident des Ausschusses, nachdem er die Erklärung abgegeben hatte, sich der Ansicht seiner Kollegen nicht anschließ-en zu können, weil er sich verpflichtet halte, die Meinung aufrecht zu erhalten, die er bereits Inder ersten Sitzung ausgedrückt hatte, und hinzu­fügte, daß die Entscheidung, obgleich sie nicht mit Stim­menmehrheit gefaßt sei, twch vollständig gültig sei und das Komitees sich auf dieses Votum stützen könne, um sein Studium in erwartetem Maße durchführen zu können und daß er andererseits davon überzeugt sei, daß das Komitee dies mit der nötigen Impressum tun werde. Nachdem das Komiteee diese erwähnte Antwort erhalten hatte, beschloß es, heute Donnerstag nachmittags 3 Uhr von neuem zusammenzutreten, um die durch diese Note geschaffene Lage zu prüfen.

Neues vom Tage.

Die Prstestdsrmmstration irr Kassel.

Kassel, 8. Juni. Als Protest gegen das Attentat auf Oberbürgermeister Scheidemann ruhte gestern zwi­schen 12 und 1 Uhr mittags die Arbeit in sämtlichen' Betrieben. Auch die Straßenbahn stand still. Am Nach­mittag hatten sich auf sozialistischen Aufruf viele tau­sende Menschen aus dem Frisdrichsplatz eingesunden, um gegen das Attentat und die Mordhstze zu demon­strieren. Nach der Kundaebuna zog die Menge nach

oem Rathaus, wo Oberbürgermeister Scheid-mann ^ Ansprache hielt. Einige 100 Menschen zogen d^n noch zur Rosastraße und demonstrierten vor dem der KasselerAllgemeinen Zeitung". ' ^

Zusammentritt des Aukeihekomrtess.

Paris, 8. Juni. Das Anleihskomitee ist gestern nach­mittag zusammengetreten, um von der Antwort der Reparationskommission Kenntnis zu nehmen. Das Hg. mitee ist in eine Prüfung des Textes eingetreten, dp gestern noch nicht zu Ende geführt worden ist. Py» einigen Mitgliedern des Anleihekomitess wurden Be­denken in der Richtung erhoben, daß die französische Regierung dem Beschluß der Reparationskommission ihre Unterschrift verweigert hat. Dis Verhandlungen sollen heute fortgesetzt werden. Abends ^and ein sehr lebhafter Meinungsaustausch statt. Es verlautet, daß vor allem Morgan auf eins Aufhebung des französi­schen Widerstands drängt. Er soll damit gedroht ha­ben, daß wenn man von seiten Frankreichs kein Ent­gegenkommen bekunde, Amerika dis Mittel in der Ha-.ch habe, um von Frankreich die Rückerstattung der wäh­rend des Krieges aufgenommenen Anleihe zu ver­langen.

Minister Schanzer über die Konferenz von Gen», und vom Haag.

Rom, 8. Juni. Außenminister Schanzer gab ge­stern rn der Kammer einige Erklärungen über die Ko nferenz von Genua und vom Haag ab i denen er u. a. zum Memorandum Poincares über'die Haager Verhandlungen erklärte, auch er halte es für richtig, daß die Sachverständigen un­ter einander sich vor her über die Verhand­lungsmethode verständigten, jedoch rate er von einem Ultimatum an die Russen ab, weil ein solches alle weiteren Ver­handlungen zwecklos machen würde. Zudem seren ja auch die Aufgaben und Grenzen der Haager Verhandlungen bereits in Genua festgelegt worden Auf jeden Fall werde die italienische Regierung über dre durch das Memorandum Poincares geschaffene Lage einen Meinungsaustausch mit den anderen Mächten herbeiführen, Bezüglich der Konferenz von Genua erklärte Schanzer, daß man noch geraume Zeit brauche, bevor man über die Konferenz von Genua ein end­gültiges Urteil fällen könne. In Genua habe Italien eine doppelte Aufgabe zu lösen gehabt, nämlich die Organisation dieser großen Konfere n zund die loyale Mitwirkung an der Erreichung Ziele dieser Zusammkunft. Beide Aufga­ben habe Italien erfüllt. Auch die technischen Resultate der Konferenz seien bemerkenswert. Mit Rußland habe Italien eine allgemeine Verständigung über die Vergangenheit und Zukunft ins Auge gefaßt. Bezüglich der verschiedentlich vertretenen Auffassung, als habe sich Italien in das Schlepptau Englands nehmen lassen, bemerkte Schanzer, Italien habe stets eine eigens Politik befolgt, die von keiner Macht ab­hängig gewesen sei. Das enge Zusammenwirken Eng­lands und Italiens, das von hoher Bedeutung sei und in der Natur der Dinge liege, habe niemals den selb­ständigen Charakter der italienischen Politik angeta­stet und richte sich in keiner Weise gegen Frankreich. Hinsichtlich der Friedensverträge könne die italienische Negierung keiner Revisionsvölitik zustimmen. Zum Schluß sprach Schanzer noch seine Genugtuung über den Abschluß des Burgfriedens-Ver­trages aus. Der sicherlich eine Verlängerung er­fahren dürfte.

Erkrankung des Papstes.

Paris 8. Juni. Nach einer Meldung derDaily Mail" ist der Papst erkrankt. Der fortwährende Auf­enthalt im Vatikan soll seinem Gesundheitszustand schädlich sein.

sind seine tödlichen Verletzungen auch durch spitze Fels­stücke auf durchaus natürliche Weise erlitten haben könne. Wir wollen vorläufig die Frage ganz unerör- tert lassen, wie und warum der Lammwirt auf den steilen Fußpfad gelangt sein soll, bisher wiesen alle Indizien auf seine im Hohlweg erfolgte Ermordung und die spätere Fortschaffung der Leiche durch den Täter, etwa in der Richtung des Steinernen Meeres Hin."

Schienen hinzuweisen," unterbrach ihn der Kreis­arzt mit starker Betonung.Mir kamen diese Spu­ren von Anfang an recht verdächtig, um nicht zu sagen, nur zum Zwecke der Irreführung absichtlich hervorgebracht vor. Vergessen Sie hübsch auch nicht, daß Krämer Jungnickel den Lammwirt noch in der ersten Morgenstunde vor dem Tor des Gasthauses hier angetroffen haben will."

Sehen wir davon ganz ab, halten wir uns an Tatsachen," mahnte der Amtsrat.Sie verdächtigen Mehlig. Nun hatten Sie ihn gestern um zehn Uhr in völlig erschöpftem Zustande selbst unter den Fin­gern, mag sein, er hat übertrieben, aber körperlich aufgebraucht war er und sicherlich unfähig, noch in derselben Nacht bis Höhenbronn und wieder zurück zu marschieren, dort in aller Geschwindigkeit einen bärenstarken Mann um die Ecke zu bringen und seinen Körper bis zu einer Felsspalte zu schleppen, in die er ihn werfen konnte"

Bitte, wer behauptet das?" warf Dr. Findler kühl ein.Nach dem Zustand der Leiche des Lammwirtes, deren Autopsie ich heute abend noch vornehmen werde, kann der Tod sehr leicht schon am gestrigen Frühabend eingetreten sein."

Merkwürdig! Vorhin schienen Sie der Jungnickel- schen Behauptung, Bindewald noch um die ersten Morgenstunden hier vor dem Lammwirtshaus gesehen und gesprochen zu haben, zuzuneigen."

Ich sage auch nicht, daß der Tod notwendig schon gestern abend erfolgt sein muß. Bei einer derartig im Freien ausgesuxchenen und unter dem Einfluß von

Kälte und Eis gestandenen Leiche ist eine sichere Be­stimmung der Todesstunde überhaupt ausgeschlossen. Je­denfalls halte ich dafür, daß Bindewald seinen Tod nicht an jenem Ort und zu jener Zeit gefunden hat, wie man uns hat glauben machen wollen. Bis zu der Auffindung seiner Leiche war ich der Ueberzeu- gung, daß er und kein anderer der Urheber dieser frivolen Irreführung sei, und zwar aus Gründen, die sich meiner Kenntnis entziehen. Ich glaube auch noch jetzt, daß der brave Mehlig dort bei der Bereitung dieser Spuren wacker mitgeholsen hat, also gewisser­maßen der Komplitze des Lammwirts gewesen ist. Was nun allerdings des letzteren Tod anbetrifft und rot ist er, gewaltsam durch Unglücksfall oder fremde Hand gestorben so lassen mich meine Vermutungen m Stich, da sind unlösbare Widersprüche, nicht nur dre verschiedenen Aussagen, sondern die Tatsachen selbst widersprechen einander. Daß Mehlig seinen vielleiast nur verunglückten Herrn ausgeplündert und dann de>- sen Körper bis zu einer Felsschlucht geschleppt und hineingeworfen hat, erscheint mir wahrscheinlich; dann ist auch der Stundenverlauf erklärt, während dessen be Gute bewußtlos im Schnee gelegen haben will, nahm ihm eben Zeit, den schweren Körper striz ^ schleppen. In solchem Fall kann Mehlig in den Bis des ihm offenbar von Ansehen bekannten Bindew ' scheu Kassenschrankschlüssels gelangt, der Versuch 8 erlegen sein, sich an dem Vermögen seines bisherig Brotherrn zu vergreifen. Die Gelegenheit war günstigste. Frau Bindewald war fort, und deren M kehrte auch nicht zurück, das wußte Mehlig am ve; - Als ihn dann bei Ausführung der Tat der alte Frans doch wider Erwarten überraschte, schlug er diesen ^ fach tot, und um seine Nerven zu besänftigen, nahm dann aus dem Flaschenschrank einige Püllchen Seine Tochter mag mit im Einverständnis gew 1 sein, jedenfalls macht sie die Zähigkeit verdächtig, - der sie den Besitz ihrer Handtasche zu behaupten suchte." -- -

FsrtschlML folgt.