Die deutsche Antwort auf die Neparationsnote.
Tic deutsche Antwortnote auf die Entscheidung' der Re- parattonskommission vom 21. März d. I. hat folgenden Wortlaut:
„Die deutsche Regierung beehrt sich, den Empfang der Entscheidung der Reparationskommission vom 21. März d. I. und des Schreibens an den Reichskanzler vom glei- chen Tage zu bestätigen. Seit dem 14. Dezember 1921, als die deutsche Regierung ihr Stundungsgesuch an die Reparationskommission richtete, ist eine über alle Erwartungen hin ausgehende Verschärfung der finanziellen Schwierigkeiten Deutschlands eingelreten. Der Dollarkurs an der Berliner Börse der sich durchschnittlich im Januar um 180, im F. bruar um 200 bewegt hatte, ist infolge der Tekadenzahlrngen im März zunächst allmählich weiter gestiegen und har dann unter dem Eindruck der Entscheidung der Reparationskommission den Stand von 300 dauernd überschritten. Gleichzeitig mit dieser Zerstörung der äußeren Kaufkraft der Mark ist auch ihre innere Kaufkraft iveiter gesunken. Ties hat zu großen wirtschaftlichen und sozialen Bedrängnissen geführt. Tie Teuerung ist von Woche zu Woche fortgeschritten und beträgt für viele unentbehrliche Lebensbedürfnisse das 60- oder 70fache oder noch mehr. Selbst Brot, dessen Preis noch heute künstlich niedergehalten wird, war Ende März für den Verbraucher gegenüber der Zeit vor dem Kriege auf mehr als das 25fache gestiegen. Bei Kohle trat von Januar bis Ende März eine SSeigerung einschließlich der Steuer vom 35fachen auf das 60fache, bei Baumwolle eine solche vom 60sachen auf das 95fache ein. Auch die Haushaltungsgegenstände, Möbel, Wäsche usw., sind Ende März gegenüber dem Januar um weit über 100 v. H. gestiegen. Diese Teuerung hal zu einer erschreckenden Notlage weiter-deutscher Kreise geführt. Das wirkt umso schlimmer, als Deutschland trotz des seit 1913 eingetretenen Rückganges des Fleischverbrauchs um 55—60 v. H. einen jährlichen Zuschuß von Lebensmitteln aus dem Auslande im Werte von 2i/o Milliarden Goldmark bezog. Die zur Aufrechterhaltung der Brotration erforderliche Einfuhr von Getreide wird im Jahre 1922 allein noch rund 500 Millionen Goldmark kosten. Können die hierfür notwendigen Devisen nicht aufgebracht werden, so steht eine Hungersnot bevor.
Tie deutsche Regierung sieht der Entwicklung im Sommer mit größter Besorgnis entgegen. Gelingt es nicht, die weitere Geldentwertung aufzuhalten, so wird die Mark im Ausland? als Währung bald keine Geltung mehr haben und damit die Lebens- und Leistungsunfähigkeit Deutschlands eintrcten. Diesen Zusammenbruch zu verhindern, liegt im gemeinschaftlichen Interesse nicht nur Mitteleuropas, sondern der ganzen Welt.
Tie Gefahr liegt hauptsächlich in den Goldzahlungen. Die deutsche Regierung lieht sich daher genötigt, die Re- paralionskom Mission zu bitten, in eine Nachprüfung der Entscheidung vom 21. März d. I. ein zu treten. Sie ist überzeugt, daß di? Repara- tionskomMission diesen Antrag aus Grund einer eingehenden Prüfung der deutschen Leistungsfähig.'eit gemäß Art. 234 des Versailler Vertrages als berechtigt anerkennen wird. Di? erbetene umfassende Nachprüfung der deutschen Leistungsfähigkeit auf Grund des Artikels 234 ist überaus schwierig und bedeutungsvoll. Dabei sind die zu prüfenden Fragen wirtschaftlich und praktisch neu und unerfaßt. Infolgedessen schlägt di? deutsche Regierung vor, daß diese Prüfung unter Leitung der Reparations- kommissiou durch eine Anzahl von Sachkennern vor- nenommen wird, die nickt lediglich den unmittelbar be-
krMgken Staaten angehören. Die Kommission würde ihre Prüfung insbesondere auch auf die im Vertrag von Versailles hervorgehobene Frage der Vergleichung des deutschen Steuersystems mit den Systemen der in der Re- parationskcmw.iuionen vertretenen Mächten zu erstrecken haben. Tiefe Frage muß in einer so überzeugenden Weife beraten werden, wie das bei der gerade iit^letzter Zeit aus alliierter Seite wiederholt anerkannten Schwierigkeit des Problems überhaupt möglich ist. Mit Zahlen belegte Ausführung, n find in der Anlage 1 zur deutschen Note vom 20. Januar d. I. und den zugehörigen Unterlagen enthalten. Diese Ausführungen sind in den Mitteilungen der Reparationskommission vom 21. März nicht erwähnt und bisher nicht widerlegt worden.
Bereits in der Note vom 28. Januar hat die deutsche Regierung ihre Ueberzeugung dahin zum Ausdruck gebracht, daß nur auf dem Wege einer äußeren Anleihe die erforderlichen Mittel zur Teilung der Reparationslasten beschafft werden können und daß nur eine derartige Anleihe die Stabilisierung der Wechselkurse herbeiführen mnn. Tie seither eingetretene Entwicklung hat die deutsche Regierung in ihrer Auffassung bestärkt. Nur eine solche Anleihe würde es ermöglichen, daß die Barzahlungen für das Jahr 1922 bewirkt werden können. Ein Teil der Anleihe könnte zur Regulierung der deutschen Valuta ab- geteilt werden. Tie Reparationskommijsion hat inzwischen die Berufung einer besonderen Sachverständigenkonferenz unter Zuziehung eines neutralen und eines deutschen Vertreters zur Prüfung Vieser Frage beschlossen. Die deutsche Regierung gibt dein Wunsch Ausdruck, daß die Arbeiten dieser Kommission so bald wie möglich zu praktischen Ergebnissen führen. Allerdings erscheint der deutschen Regierung das Gelingen jeder Reparationsanleihe nur möglich, wenn die Geldgeber damit rechnen, daß mit dem Ertrag der Anleihe nicht nur eine Reihe von Jahreszahlungen, sondern auch die sonstigen, nach, dem Vertrag von Versailles neben den Reparationen beitebcnden T ?" i - nv ? r -- -Pflichtungen finanziert werden. Insbesondere wären durch die Anleihe auch die Verpflichtungen ans dem Ausgleichsverfahren zu decken und es müßten etwaige Verpflichtungen zu Barzahlungen ans dem Artikel 297 des Vertrages von Versailles solsnge gestundet werden, bis ihre Ausgleichung nach eingelretener Erhöhung der deutschen Leistungsfähigkeit mög ich ist.
Im Zusammenhang mit der endgültigen Festsetzung der deutschen Reparationsleistungen auf Grund der Nachprüfung der Leistungsfähigkeit Deutschlands wird zweckmäßig die Frage der Garantien zu regeln sein. Tie deutsche Regierung vermag den in den Mitteilungen der Reparationskommission vom 21. März d. I. verlangten Garantien nicht zuzustimmen, soweit sie über das Angebot der deutschen Note vom 28. Januar hinausgehen. Sowohl di? Forderung ans Schaffung von 60 Milliarden neuer Steuern, wie die vorgeschlagenen Zollmaßnahmen flehen im Widerspruch zu den unzweideutigen Zusagen der Alliierten in ihrer Note vom 16. Juni 1919. Die Mehrforderungen sind auch praktisch undurchführbar. Das gilt insbesondere von den 60 Milliarden neuer Steuern über das Steuerkompromiß hinaus. Die steuerliche Belastung, wie sie das Steuerkompromiß vorsieht, ,ist nach Lage der gegenwärtigen Verhältnissen das höchste, was dem deutschen Volke und der deutschen Wirtschaft an Steuern zugemutet werden kann. Infolge des ValutastnrzeS werden sich überdies die Ansätze des Haushaltes bei wichtigen Steuern und Abgaben erhöben, außerdem ist die Auflegung der in der No'e vom 28. Januar angckündi. ten
Welch ein Schwirren, welch rin Klug?
Lei willkommen, Lerchenzug!
Jene streift der Wiese Saum,
Diese rauschet durch den Baum.
Manche schwingt sich himmelan.
Jauchzend auf der lichten Bahn;
Tine voll von Liedeslust,
Flattert hier in meiner Brust.
L. Uhland.
Die Wirtin z. goldenen Lamm.
Kriminalroman von Otto Höcker.
<S) (NachdrnckhRvbok«.)
Ein Stöhnen ging über die verkniffenen Lippen des Alten. „Herr Doktor, das halt ich nicht aus," wimmerte er kläglich.
„Seid doch keine Memme, Mehlig, das bissel Schmerz, es sind ja nur Hautrisse," mahnte der Kreisarzt.
„Das meine ich ja nicht, Herr Doktor," stöhnte der Lechzende dumpf, „auf die Schmerzen pfeif' ich — aber der schöne Branntwein, der verriecht ja, es ist ja so schade um ihn — ach, nur die Lippen naß machen —"
„Alter Schluckspecht!" mußte der Kreisarzt lachen. „Wer abgestochen ist, soll nicht trinken, das muß schon dek jüngste Brandfuchs wissen —"
„Nur ein Hauch, Herr Doktor ... ich kann's nicht länger riechen," ächzte der Alte, und wie der Arzt das Handgelenk ein wenig locker ließ, da packte der Gierige auch schon zu und mit einem einzigen durstigen Schluck hatte er das Wasserglas voll örtus. ,
„Prosit!" sagte Findler unter dem Gelächter der Umstehenden. „Nun setzt geht's wohl besser, he?"
„Nur noch einmal riechen, Herr Doktor, es tut gar so gut
„Und hinterher aussaufen, was?" knurrte der Arzt. „Na, meinetwegen, der Kerl hat ohnehin eine ansge- vichte Gurgel." Er gab ihm zu trinken. Dann, als der Alte gierig das zweite Glas voll getrunken, wehrte er seinem weiteren Verlangen. „Nichts da. heraus mit der Sprache, was hat's mit euch gegeben, he?"
Der Alte rappelte sich zusammen und hob zu jammern an. „Ach, du mein liebes Herrgöttle," stöhnte er, „Leutle, wie soll ich's euch nur kund tun.... unterwegs nach Höhenbronn ist heut' aufs Dunkelwerden auf der Landstraß' ein gar gruselig's Unglück geschehen!"
Eben hörte man die Stimme der Lammwirtin im Torweg draußen. „Wer ist heimgekommen in meines Mannes Schlitten? Der alte Mehlig, sagt ihr? Und wo ist mein Mann? . . . Nur Mehlig ist gekommen, und drinnen in der Wirtsstube ist er?"
Da erschien sie auch schon im Rahmen der offenstehenden Tür und bebend vor Erregung näherte sie sich mit fliegendem Atem dem alten Landbriesträger. „Was ist meinem Mann, Mehlig?" rief sie ungestüm schon von weitem. „Wie kommt Ihr zu seinem Schlitt'n?"
„Ich fürchte es Hai ein Unglück gegeben, Frau Bindewrld," sagte der Alte darauf mit kläglichem Ausdruck. „Vielleicht halb fünf Uhr ist's gewesen, ich' war grad vor dem letzten steilen Berg unterwegs nach Höhenbronn, da kam der Schlitten auf mich zugesaust — leer, es war keiner drinnen —, und der alte Braune war rein wie toll — hörte auf kein Anrufen . . . und wie ich mich vor ihm in den Weg Werse, um ihn beim Zügel zu greifen und aufzuhalten, da kennt er mich nicht, der Schinder — rei ht mich UM-Md schleicht
! Mangs-anleihe in den letzten Tagen gesetzlich'beschloßt ' worden. Ihr Ertrag dürft? der von d?r Reparationskyw- ! Mission geforderten Erhöhung des Steuerertraaes ent°
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l Die Zwangsanleihe soll drei Jahre unverzinslich bleiben. Sie wirkt deshalb wie eine Steuer, die ausschließlich das Kapital belastet. Was die von der Reparationskommission in Aussicht genommene Kontrolle cmbetrisft so würde sich die deutsche Regierung mit keiner Kon- ' trolle einverstanden erklären können, welche mit der deutschen Finanzhohcit nicht vereinbar ist. Tie deutsche Regierung ist bereit, der Reparationskommission alle notwendigen Aufklärungen über di? Finanzlage Deutschlands ? und ihre finanziellen Maßnahmen zu geben. Es wäre j aber für keine Regierung tragbar, oem Aus-
i lande einenm aßgeben den Einfluß auf die
z Gestaltung und Anwendung der Gesetz ge. ! billig im einzelnen zuz »gestehen. Tie deutsch ! Rcgwrung glaube, sich auf diese grundsätzlichen Vorschläge ! und Erklärung?» beschränken zu können, indem sie annimmt, daß Einzelheiten, sowie die sonst in den Mitteilungen der Reparationskommission berührten Punkte demnächst in besonderen Verhandlungen zu erörtern sein werden." gez. Wirth.
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k WTB. Pari-, 11. Npril. Dir deutsche Antwort «ns die Note der Reparation! kcwmissien wird i» der gesamten Abend, presse mißbilligend besprochen.
sprechen. Sie soll zu einem großen Teil bereit ; Kalenderjahr 1922 einaehen.
Msues vom LaHe.
Beibehaltung des Achtstundentages.
Berlin, 11. April. Der Reichswirtschaftsrat hatte vor einiger Zeit eine Besprechung darüber Veranstalter, ob der Achtstundentag im Hinblick auf die schwierige Lage des deutschen Wirtschaftslebens noch weiter durchgeführt werden kann. Die Vernehmungen de? SachvsrstSndigen in dieser Frage sind nunmehr zum ' Abschluß gekommen. In der letzten Sitzung des sozialpolitischen Ausschusses erklärte Dr. Hilfsrding, in der Eisen- und Textilindustrie habe sich der Achtstundentag bewährt. Es sei durch die Verkürzung der Arbeitszeit eine Erhöhung der Intensität eingetreten. Außerdem habe der Achtstundentag die Wirkung gehabt, daß er zu einer Verbesserung der Organisation in den Be- ! trieben beitrug. In den anschließenden Aussprachen i erklärten die Arbeitgeber, daß sie absolut nicht gegen den Achtstundentag und dessen gesetzliche Beibehaltung arbeiten. Sie halten aber die Durchführung in diesem Zeitpunkt aus wirtschaftlichen Gründen nicht für angebracht und müssen deshalb die vorläufige Suspendierung des Gesetzes auf 5 Jahre verlangen. Die Arbeiter forderten, man solle den Organisationen freie ? Hand lassen. :
^ Ein deutsches Flugzeug in Belgien beschlagnahmt.
1 Brüssel, 11. April. In der Nacht zum 8. April ! wurde bei Wilskenoat in Belgien ein dort meder- j gegangenes Flugzeug beschlagnahmt und seine beiden Insassen den Behörden von Berviers übergeben. Hier erklärte der Flugzeugpassagier, der Chefredakteur der - Berlins! „Freien Presse" Heinrich Wandt, der Verfasser der Broschüre „Etappenbilder", in Berlin unter der Beschuldigung des Hochverrats verhaftet worden zu sein. Es sei ihm aber gelungen, dem ihn begleitenden Kriminalbeamten zu entkommen und nach Leipzig ^ zu fahren. Von hier wollte er mit dem Flugzeug nach r Holland. Bei den Schneetreiben haben sie aber die Flugrichtung verloren und seien wider Willen gelandet. Wandt und der Führer des Flugzeuges, Flte- gerlentncmt Möbius, wurden nach Brüssel abtrarrs- porrisrt.
mich emc ganze Strecke. Wie's weiter war, weiß ich selbst nicht, muß wohl von Sinnen gekommen sein, s denn wie ich die Augen wieder aufgsschlagen habe, i da war e>1 Nacht um mich und die Glieder waren mir wie erfroren, kaum daß ich mich regen konnte ^ und wie ick auf alle Vieren krabble, da merke ich erst, . daß ich auf der Landstraße liege, und dicht neben mw hält der Braune mit dem Schlitten als ob nichts geschehen wäre — nun ja, da habe ich mir den Kopf ! verbunden, so gut ich konnte, und dann bin ich in den Schlitten gekraxelt und hieher gefahren — oder viel- ^ mehr der Braune ist dem Stall zugelaufen, denn mir ist so dösig gewesen, daß ich beinahe gedacht Hab', rch . hätt' einen Rausch — nichts für uncnt, Frau Bindewald, aber die Post für Höhenbronn habe ich mcht bestellen können, die ist noch in meiner Tasche."
Der Amtsrat war inzwischen einmal hinausgegangen,
^ um den Schlitten zu besichtigen; nun kam er zurm. „Dem Schlitten ist nichts anzumerken, nur unten an den Kufen scheint etwas Blut hingespritzt zu M das rührt Wohl von der Verwundung des alten hier her." .. ^
r „Wahrscheinlich," bemerkte der Kreisarzt.
Z zwar nur ganz leichte Hautabschürfungen und ich greife nicht, daß sie so stark geblutet haben könn - um stundenlange Bewußlosigceit hervorzurusen — ka
freilich noch die Kälte in Betracht ... unser gun
Mehlig mag sich unterwegs auch ausgiebig geistig stärkt haben. Was, Alter?" Er schlug dem Zvsammen- zuckenden derb aus die Schulter.
Dieser protestierte, verstummte aber kläglich, 6» Findler ihm aus der Manteltasche eine große Weinflasche zog, in der sich nur noch ein Bo ei Inhalt befand. „Herr Doktor, wenn man so ^ Wind und Wetter marschieren muß, da tut ern n Zuspruch Wunder."
§Mvtz««s felgt-