Deutscher Reichstag.
Be'lin, 27. Jan.
(161 Ssiung.) Präsident Löbe eröffnet die Sitzung um 1.20 Mir und gedenkt, während das Haus sich erhebt, des Slble-ens der F^au Abg. Zietz (Nnabh ).
Tie Ansprache über die Regiernuftserklärnng.
Abg. Müller-Franken (Soz.) wendet sich gegen die Annexionspolitik der Rechten während des Kriegs. Tie Rechte wolle es aus dis Re^ebuna des uhraebiets ankommen lassen lZnruk rechts: ..Es kommt ia doch dazu." Großer Lärm links. Abg. Ledcbonr (Nnabh): „Tas ist das Geständnis ihrer verbrecherischen Träume. Unruhe rechts.) Eine Politik, die zur Besetzung des Nuhrae^tets führt, Nt wirklich nicht staatserhaltend. Nur unt.er dem Truck der feindlichen Bawnette haben wir der PoTtik der Erfüllnna zuaestimmt. Wenn der Versuch miiNunaen ist. so sind die französischen Ka- Hitalistenkreise daran sänNd. London hat zur Schaffung einer besseren Atmosphäre und dann nach Cannes geführt. Wir haben einen aewissen Erfolg verzeichnen können. Am Ausland überschätzt man die monarchistischen Kreise Deutschsands nicht. Wenn diese das Volk zu einem Revanchekrieg aufbetzen wollen, so würden sie einen zweiten, aber viel schlimmeren 9. November erleben. Wir müssen alles tun. um nicht auf österreichische Wege zu kommen. Die Landwirtschaft ist zur Beteiligung an der Zwangsanleihe durchaus im Stande. Freilich zwingt uns die Entente zur Heraufsetzung des Preises für Brot und andere Lebensmittel. Eine Reichstagsauslösunq vor Genua ist unmöglich. Mit dem Feldzug gegen dis Wcltlüge von der Alleinschuld Deutschlands sind wir durchaus nicht einverstanden.
Abg. Marx (Z.): Ammer weitere Volkskrcise bekennen sich zur Politik des Reichskanzlers. Eine Einigung in der Steuerfrage war no-wendig. An gleicherweise sollen die Besitzenden und die breiten Schichten des Volks dis neuen 100 Milliarden an Steuern aufbringen. Tie Vertreter der Landwirtschaft werden am nächsten Sonntag darüber beraten, wie sie einen Teil der ! Last auf ihre Schultern nehmen können. Man spricht von 26 Milliarden.
Aus Stadt und Land.
-ii 88. Januar
' Die Ha«p1vrrsam«lu»ß de» Württ. Schrvarzrvald- vrrei»» findet am Sonntag, 18. Juni in Tuttlingen statt.
— Der Rückgang im Postverkehr- Gegenüber der Berliner Meldung, daß sich im Brief- und Telegramm-- verkehr seit 1. Ja.^ar ein Rückgang um fast 50 Prozent ergeben habe, teilt das Reichspostministerium mit, daß der Telegrammverkehr gegenüber dem Vorjahr um etwa 15 Prozent, der Ortstelephonverkehr um 13, der Ferntelephonverkchr um 14 Prozent abgenommen habe. Ueber den Briefverkehr sind keine Erhebungen angestellt worden.
— Angebote auf Drncksachenkarten. Nach dem neuen Posttarif kosten Trucksachenkarten und Ansichtskarten 40 Pfg. Porto. Auf Ansichtskarten sind fünf geschriebene Worte zugelasfen. Druckfacheukart.u dagegen werden schon beanstandet, wenn nur ein Wort geändert, durchstrichen oder zugesetzt ist. In einer im Reichstag gestellten Anfrage wird darauf hiug.wieseu, daß diese - Bestimmung die Ausschaltung von Angeboten auf Druck- « sachenkarten bedeutet; denn bei den heutigen Preisver- ! hältniss-n muß der Kaufmann Pressänderungeu aus sol- ! chen Karten vornehmen können. Ein Grund für die ! Benachteiligung der den Geschästszwecleii dienenden Druck- ! sachenkarten gegenüber den Ansichtskarten ist nicht eiuzu- l sehen. Es wird daher gefragt, ob die Reichsregiernng « bereit rst, schleimigst für Beseitigung dieser Belastung ! des Gewerbes Sorge zu tragen. i
— Ein leeres Jignrrenkistch'en kostet heute mit ! Etikette und Ausstattung etwa 5 Mark d. h. ebenso viel als früher im Großhandel eine gefüllie Kiste einschließlich der Beri-'.ndkost-.-n.
sp- Der Religionsunterricht in der Schule. Von
der Unterschriftensammlung des Evang. Bolksbunds zum Religionsunterricht in der evang. Schule sind bi-fter die Ergebnisse ans 746 wnrttembergischen Gemeinden ! mit 914066 evang. Einwohnern festgestellt worden Es « Wurden bisher 354 375 Unterschriften gegeben; das sind ! «etwa 70 v.H. der politisch Wahlberechtigten in dielen ? «Orten. Dabei sind die bisher festgestellten Teilergebnisse ! «aus der Gesamtkirchengemeinde Stuttgart mit 366«9 j Unterschriften noch nicht eingerechnet. Bon 279 Genuin- , den sind noch Mitteilungen zu erwarten. j
- C»lw, 27. Jan. Bei dem gestrigen Stammhol,v-r kauf erlöste dir Stadt au» 48S Festm. 570 159 Mk. D r Durchschnittspreis betrug 427.8 Proz. der neuen Fo stt-x;.
— Schon lange macht sich in manchen Familien der Uedel- stand bemerkbar, daß kranke Frauen weder ein Krankenhaus noch ein Bad aufsuchen könne», weil für die Hausfrau kein Ersatz zu finden ist. Wenn der Mann im Geschäft ist, muß eben die Frau auch bei leidendem Zustand die Haushaltung besorgen. Der Bezirkiwohltätigkeitsoerein will nun eine weibliche Person anstellen, die unter Anleitung der Bezkksfür- sorgerin die Haushaltung bei notleidenden Frauen selbständig zu versehen hat. Die Fürsorge soll sich auf Stadt und Be« zirk erstrecken. An dem Garantiefonds von 6000 Mk. beteiligt sich die Stadt mit 1000 Mk. — Die Schwäbische Volksbühne hat di, Abficht, einige Theateraufführungen zu geben und ersucht um Zusicherung einer Garantiesumme von 4000 Mark; der Gemeinderat geht auf die Anregung ein.
— Aus Anlaß der Vergebung von Schreinerarbeiten an eine auswärtige Firma und der dadurch hervorgerufrnen Klage» einiger Schreinermeister, bestimmt der Gemeinderat, daß grundsätzlich alle Arbeite« nicht mehr an die Innung ,u vergeben, sondern öffentlich auSzuschreiben seien. — Die
In
Minderbemittelten «halten aus dem Stadtwalb Tannenholz das Rm. zu 150 Mk.
' Freudeuktadt, 27. Jan. (Unglücksfall.) Gestern ab-nd kurz nach 6 Uhr glitt uro er de« A -kadrn unlei halb des Kaufhauses Braun und Fahirer de m Gehen über eine Schlrisbohn ein zurzeit im Hotel Waldlust weilender Kurgast, Frau Lcvy aus Berlin, aus und kam so unglück.ich zu Fall, daß sie sich einen Unterschenk Ibruch zuzog.
Stuttgart, 27. Jan. (Vom Landtag.) Vom Abg. Pflüger (Soz.) ist eine Kleine Anfrage über die Verzögerung der Eingemeindung von Botnang, Kaltental, Hedelsing.n und Obertürkh.im nach Stuttgart eingebracht worden. Die Gruppe der Kommunisten hat eine Große Anfrage eingercicht über die seit 9. November 1918 zur Aburteilung gelangten Vergehen gegen das keimende
Erhöhuttg. der Auss ch ankPreise für Most. Die mostschenkenden Wirte Groß-Stnttgarts haben den Ansschankpreis für Obstmost vom 1. Februar an auf 2.50 Mk. für das halbe Liter festgesetzt.
Fellbach, 27. Jan. (Einbruch.) Nachts wurde in der Kappelbergstraße ein Einbruch verübt. Ter Einbrecher Karl Rebmann, früher hier wohnhaft, erbeutete, 8000 Mk. Bargeld, Uhr und Ueberzieher. Er wurde in Stuttgart verhaftet.
Heilbronn, 27. Jan. (Den Vater erstochen.) der Familie des Schuhmachers Ernst Ho ff mann in Böckingcn gab es oft Streit, weil der Vater „rechtsdemokratisch", der 24jäh ige Sohn Wilhelm „linksdemokratisch" war. Am 26. November v. I. kam es. nachdem beide dem neuen Wein zngesprochen halten, nach Mitternacht wieder zu Auseinandersetzungen. Ter Vater traktierte den Sohn mit einem Spazierstock, woraus der Sohn dem Vater ein Dolchmesser in die Brust stieß, sodaß dieser an einer inneren Verblutung starb. Das Schwurgericht vcrurt iltc den Wilhelm H„ der bittere Reue an den Tag legte, zu 4 Jahren Gefängnis.
Tübingen, 27. Jan. (Todesurteil.) Der 19- jährige Müllerknecht Richard Müh von Erp'ingen. der im Oktober v. I. die gleichaltrige Landwirtstochter Emma Wirk lrn Eningen u. A. ermordet hatte, wurde vom Schwurgericht znm Tod verurteilt. Der Berurlelite wurde der Gnade des Staatspräsidenten emp ohlen.
Ebing.N, 27. Jan. (Eine Falschmeldung.) Anläßlich des Mords an einem Bahnwärter in Steinssurt bei Heidelberg wurde berichtet, daß zwei Burschen aus Ebingen, Johann Wagner und Eugen Ha is, die Täter seien. Wie der „Neue Albbote" meldet, kommen die beiden Verhafteten nicht in Frage.
Schwenningen, 27. Jan. (Wiederaufnahme der Arbeit.) Nach erneuten Verhandlungen zwilchen den Vertretern der Arbeiterverbänd-e mit den Arbeitgebern der Nhrenindustrie wurde eine Einigung dahin erzielt: Alle. Maßregelungen gegen einzckne Streikende werden zurückg zogen mit Jusnahme des Schrecke, n- höfer bei der Firma Manche. Diese Angclcg nheii soll vor dem Schiedsgericht ihre Erledigung finden. Die Arbeit wurde Donnerstag früh wieder ausgenommen.
Hei-enheim, 27. Jan. (M ilküch e.) Am l. - Febr. wird eine städtische Milchküche eröffnet behufs Abgabe einwandfreier Milch an Säuglinge und Kinder bis zu 2 Jahren.
Ulm, 27. Jan. (Tagung der württ. Polizeibeamt e n.) Auf der hiesigen Tagum, der Polizeibeamten Württembergs wurden folgende Forderungen ausgestellt: Die sogenannten Unterführerstellen sollen b i ihrer Umwandlung in Kanzlei- und Verwaltungsstellen, nach vorher abgelegter Prüfung, den Polizeiangehörigen Vorbehalten werden. Nach 7jähriger Bewährungsfrist soll der Polizei-» soldat als Beamter angestellt werden. Die Stellen im Landjägerkorps sollen nicht nur den zu Unteroffizieren beförderten Polizciangehörigen, sondern auch den infolge Ueberfüllnng Nichtbeförderten Vorbehalten werden, wenn sie mehr als 7 Jahre treue Dienstzeit aufweisen. Ter Urlaub soll nicht nach der Besoldungsordnung, sondern nach den Dienstjahren berechnet werden. Jedem Polizeisoldaten sollen dienstlich 2 Sportanzüge angeschafst werden. Alle Disziplinarakten von vor der Revolution folien überall vernichtet werden.
Ulm, 27. Jan. (Eine Spuckgeschichte.) Vor der hiesigen Strafkammer kam eine eigenartige Spuckgeschichte zur Handlung. Bei einer Witwe im Schwarzwald und bei .eren Verwandten in Böblingen und Feuerbach hatten sich Gei ster e r s ch e i n u n g en gezeigt. Allerlei Geräte des Hauses setzten sich in Bewegung oder wurden herumgeschleudert. Die Bewohner ließen einen „Geisterbanner" kommen, einen Hypnotiseur aus H„ der mit einem Medium die Geister vertrieb. Die Staatsanwaltschaft, die von der Sache erfuhr, erhob Anklage wegen Betrugs, da der Geisterbanner für seine Arbeit sich ziemlich reichlich hatte bezahlen lassen. Vom Schöffengericht wurde der Hypnotiseur zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Die Strafkammer verwarf die eingelegte Berufung.
Vermischtes.
inR d" evang. Kirche Württembergs. Im Aal,r l!)20 wurden von ev. Eltern 42 940 Kinder geboren darunter aus gemischten Ehen 3725, uneheliche 4264 40 797, darunter aus gem. Ehen 2176. 009. Eheschließungen 23 614 (da-' 137»? eo Trauungen 20 337 (dav. gem.«
chV. Osi Bestattet 23 67o, darunter 25 ohne kirchliche Konfrrmrert 39 210, dav. 1856 aus Misch-
Fcke 2098 (i V 1203), davon zur kath. Kirche 125 krrchlrchen Opfer ergaben 3 500 780 Mk. (2 10 auk den Kopf» gegen 2 008 524 Mk. in 1919 (1 20 Mk') ^
Tie kattz Stavtkirchc in Lindau i. B. ist in der Nacht zum 26. Januar vollständig ausgebrannt. Aus der Kirche konnte nur wenig gerettet werden.
Zum Brand des Tcssaner Friedrich-Theaters. Der Brand des Friedrichstheaters ist auf einen Schaden in der Luftheizung zurttckzuführen. Das Künstlerpersonal ist hart betroffen, da es im Fall eines Brands als entlassen gilt. Tas Kuratorium hat sich zum Wiederaufbau des Theaters entsch'ossen. Tie in Dessau wohnenden Mitglieder des Herzog-Hauses haben sich bereit erklärt, zum Ncrftmu bcizusteuern und haben bereits einen Bauplatz im Park zur Verfügung gestellt.
Wiener Straßcnbah ipreis. Ter Ausschuß der Wiener Stadtversammlung hat der nochmaligen Erhöhung der Straßenbahntarife von 60 auf 75 Kronen zum 15. Februar zugestimmt.
Der Achtstundentag in Dänemark. Der dänische Arbeitgeberverband kündigt für den 3. Februar die Aussperrung vr i ungefähr 100 000 Arbeitern verschiedener Berufe an, mit deren Perbänden bisher eine Einigung über die Lohnherabsetzung und die Aushebung des Achtstundentags nicht zu erreichen war.
Lin Saoonarola-Andcnkcn. Bei einem Florentiner Antiquar ist dieser Tage aus Anordnung der italienischen Regierung ein Stuhl aus dem Besitz von Savona- rola beschlagnahmt worden. Tas Erinnerungsstück an den großen Mönch sollte ans Auftand verkauft werden.
ep. Frankreich und der Islam. Tas französische Parlament hat nach einem Bericht der engl. Zeitschrift „The World of Islam" für den Bau einer Moschee in Paris eine halbe Million Franken samt« dem nötigen Bauland im Mittelpunkt der Stadt be-i willigt. Dazu sind nun noch weitere 460 000 Franken^ von den Moslems der französischen Kolonien in Nord-, afrika zugesichert; Algier soll den Imam stellen. Miib dem Vethaus soll ein mohammedanisches Institut mit Studienzimmern. Bücherei und einer Ausi .lung für orientalische Kunst und Industrie verdursten werden.
eo. Das Jahlcnverhältnis der Wcllreligionen. Nach einer Aufstellung der „Zeitschrift für Missionswissen- schast" zählt man unter etwas mehr als 1700 Mill. Menschen 683 Mill. Christen, und zwar 305 Mili. Katholiken, 220 Mill. Evangelische. 158 Mill. orientalische Christen (einschl. der russist a). Unter den Anhängern nichtchristlicher Religionen schützt man die Mohammedaner auf 230, die Buddhisten auf 500, Hinduisten auf 200, Animisten auf 100 Millionen. Tie Zahl der Christen befindet sich somit in der Mitte zwischen einem Drittel und der Hälfte der Menschheit.^
ff Ter Metallverbrauch der Welt. Die amtlichen Sta- risti.en über den Metallverbrauch der wichtigsten Länder der Erde sind in den stat. Zusammenstellungen der Metallgesellschaft, Metallbank und Metallurgischen Gesellschaft ergänzt. Es ergibt sich daraus, daß der Verbrauch der Welt an Blei, Kupfer, Zinn und Alu-: «Minium während der Jahre 1911 bis 1913 3,4 Millionen Kg., während der Jahrs 1914 bis 1918 3,6 Millionen Kg. und während der Jahre 1919 und 1920 !2,7 Millionen Kg. betrug. Ter Anteil Europas an dem Metallverbrauch fiel in dieser Zeit von 63 auf 41 Prozent, während die übrigen Länder, insbesondere Ame^ «rika, ihren Verbrauch von 37 aus 59 Prozent steiger-. reu. Ter Anteil der europäischen Siegerstaaten aw( Metallverbrauch sank von 28 auf 25 Prozent, das übrige Europa verbrauchte also nur noch 16 Prozent' in den Jahren 1919 und 1920, während es 1911 bis 4913 noch 35 Prozent des Weltverbrauchs in Anspruch' stahm. Besonders erstaunlich ist der Rückgang des Metallverbrauchs in den besiegten Staaten, der dur^ den Uebergang'zur Behelssproduktion und zu einer höh en Verwertung von Altmaterial erklärt wird.
Okkultismus und Strafgesetz. Ter Hang unserer Zeih zum Mystischen, zum Untertauchen in dunkle Gebietes des Seelen- und Geisteslebens, birgt für schwache Na-> ruren seine selbstverständlichen Gefahren in sich. Wer? rn sogenannten volkstümlichen Vorträgen über Fakire? und Geheimkulte. Buddhismus und Neu-Baddhismüs.« über Sektenwesen in Indien und dergleichen sieht, wie! nicht nur wissenschaftlich Strebende, sondern auch Arbeiterfrauen und kleine Kontoristinnen diesem ihnen! ganz fremden Geistesstoff gierig folgen, der kann sich seine Gedanken machen. Die Verwirrung der Zeit ist! ungeheuer; sie greift mit Vorliebe auf das religiöse Gebiet über, das bei uns ohnehin eine große Rolle spielt. Für schlaue Betrüger und gewinngierige Spe- kulanten ist es ein leichtes, solch schwache Seelen in die Hand zu bekommen und nach ihrem Gefallen auszudeuten. Viele von ihnen streifen mit ihrer Tätigkeit Mpr das Strafgesetz, wenn nur das Strafgesetz immer Olerch auf jede neue Geistesmode eingerichtet wäre. I" Berlin-Wilmersdorf ereignete sich in den Tagen um Weihnachten ein besonders trauriger Fall, der Selbstmord eines jungen Mädchens, das in die Netze eines sogenannten okkultistischen Professors geraten war. Es handelt sich um ein Fräulein Müller-Hehling, das als Verkäuferin in einem Kaufhaus angestellt war.' Sie galt bis vor kurzem als lebenslustig und fleißig, geriet aber seit einiger Zeit in den Bann „okkultistischer Kreise, unter deren Einfluß sie Mitglied der okkultisti- fthsn Volkshochschule" wurde, ferner einem sogenannten Orden beitrat und besonders die Vorträge des Vorstehers jener Hochschule, des Herrn Weber-Robine, an- horte. Dieser Herr, der früher Sänger oder Schauspieler gewesen zu sein scheint, der sich dann aus eigenen Gnaden Professor nannte, bekam offenbar den un- heilvollsten Einfluß auf seine Hörerin, die ihren Angehörigen oft von.ihm vorschwärmte. Am ersten Weihnachtsfeiertag ereignete sich die Tragödie, die den trau- rrgen Schlußpunkt dieser Schwärmerei bildete. An die- ftm Tag, gegen Mittag, erschien der Herr Professor Weber-Robine in der Wohnung des Fräuleins und lMte nach ihr. Als man ihm zur Antwort gab, sie schlafe Wohl noch, gab er die lakonische Erklärung ab: „Sre wird wohl nicht mehr leben!" Die Wirtin des jungen Mädchens eilte, aufs tiefste betroffen, nach dessen Zimmer, fand es aber verschlossen. Nachdem man es gewaltsam geöffnet hatte, fand man das Fräulein Müller geschmückt auf ihrem Bett bewußtlos liegen, in ernem Zimmer, das sie mit Blumen und Tannenzweigen Phantastisch ausgestattet hatte. Sie hatte im liebermatz Veronal uyd Morphium genommen und starb an einer eitrigen Lungenentzündung, verursacht durch Eindrin-