^ 185. Amts- und Anzeigeblatt für den Oberarnisbezirk Calw. 88. Jahrgang.

Erscheinungsweise: 6mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamts­bezirk Calw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg., außerhalb desselben 12Pfg.. Reklamen 25 Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.

Montag, den 11. August 1913,

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich, Post­bezugspreis für den Orts- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20. im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg.. in Bauern und Reich 4L Pfg.

Die Verteilung der Beute.

Die Eebietsverteilung auf dem Balkan würde sich auf Grund des Bukarester Friedens folgendermaßen ge­stalten: Die Bulgaren gelangen in den Besitz von Dedeagatsch, Makri, der Bai von Lagos und der Mesta- miindung, ferner in den Besitz folgender größerer Orte: Eiimiildschina, Tanthi, Nevrokop, Mechomija, Banjska, Petritz, Strumitza. An Serbien fallen das ganze Gebiet an der Bregalnitza mit Kotschana, Jstip, Rado- viste und Petschewo, an Griechenland Doiran, De- mir Hißar, Serres, Drama und der Hafen von Kavalla. Militärisch ist für Bulgarien der Verlauf der Grenze an der Struma und Strumitza sehr ungünstig, da sich dieses Gebiet wie eine schmale Gasse zwischen das ser­bische und griechische Gebiet hineinzwängt und von bei­den Staaten stark umfaßt ist. Die einzige Straße, welche, auf bulgarischem Boden führend, dieses Erenz- stück mit dem Königreich verbindet, jene im Struma­tal, liegt fast im Eeschlltzbereich der serbischen und grie­chischen Erenzstellungen. Der Verlauf der Grenze an der Struma erschwert eine bulgarische Offensive auf Sa­loniki. Griechenland würde künftig im Fall eines Krieges mit Bulgarien durch die Gunst der Erenzgestal- tung wichtige strategische Vorteile besitzen. Das gleiche gilt hinsichtlich der serbisch-bulgarischen Grenze; sie be­günstigt ein Zusammenrafsen der serbisch-griechischen Kräfte in hohem Maße. Dadurch, daß Serbien auch in den Besitz des Raumes an der Bregalnitza, des Drei­ecks Radoviste, Jstip, Kotschana, gelangt, ist es in der Lage, seinen Aufmarsch zunächst der bulg. Grenze durch­zuführen, und es kann seine Armeen auf den drei großen Linien über Pirot, Egri Palanka, und Kotschana kon­zentrisch gegen Sofia in Marsch setzen. Die bulgarische Hauptstadt ist durch den Gebietszuwachs, welchen Ser­bien in Mazedonien erhält, stark bedroht; eine bulga­rische Offensive im Fall eines Krieges gegen Serbien müßte unter sehr ungünstigen Umständen erfolgen. Die europäische Türkei verliert, wenn die Be­stimmungen des Londoner Präliminarfriedens durch­geführt werden, den größten Teil des Wilajets Adria­nopel, die Wilajets Saloniki, Monastir, Koßvio, Sku- tari und Janina, ferner Kreta und eine noch nicht be­stimmte Anzahl der ägäischen Inseln. Der Türkei verbleiben das Wilajet Konstantinopel und das

Muteßariflik Tschataldscha mit 5800 qkm, ferner vom Wilajet Adrianopel das Erenzstück Midia, Ergenesluß, Maritzamündung (Enos), etwa 7000 qkm, mithin ver­liert sie einschließlich Kreta etwa 165 000 qkm. Bul­garien erhält etwas weniger als die Hälfte des Wila­jets Saloniki, etwa 15 000 qkm, ferner, wenn die Be­stimmungen des Londoner Vertrags durchgeführt wer­den, den größten Teil des Wilajets Adrianopel mit etwa 31000 qkm; insgesamt 46 000 qkm. Es ver­liert an Rumänien die Dobrudscha mit 8000 qkm. Bulgarien umfaßte ursprünglich 96 345 qkm. Es wird künftig 134 000 qkm groß sein. Griechenland erhält ungefähr die Hälfte der Wilajets von Saloniki, Mo­nastir und Janina mit 36 000 qkm; sein Gebietszuwachs wäre einschließlich Kretas etwa 45 000 qkm. Griechen­land umfaßte ursprünglich 64 679 qkm, es würde so­mit auf etwa 110 000 qkm anwachsen. Serbien erhält den größten Teil des Wilajets Kossowo, einen großen Teil des Wilajets Monastir, schätzungsweise 47 000 qkm. Es zählte ursprünglich 48 303 qkm und würde demnach künftig 95 000 qkm umfaßen. Rumänien, das ursprünglich 131353 qkm besaß, würde künftig etwa 139 000 qkm umfaßen. Den größten Gewinn aus dem Valkankrieg hätte Serbien, dann Bulgarien und Grie­chenland.

Bukarest, 10. Aug. Der Friedensvertrag ist heute morgen um ^10 Uhr unterzeichnet worden. Da der serbische Unterhändler, Ministerpräsident Venizelos, er­krankt ist, mußte seine Unterschrift unter das Friedens­dokument in seinem Hotelzimmer erfolgen. Während der letzten Sitzung der Konferenz feuerten die rumäni­schen Batterien Salut. Die Glocken sämtlicher Kirchen läuteten. Unmittelbar nach der Sitzung fand ein feier­liches Tedeum statt, dem die Spitzen der Behörden, alle Friedensunterhändler und das diplomatische Korps bei­wohnten. Die ganze Stadt ist reich beflaggt.

Athen, 10. Aug. Der deutsche Kaiser hat König Konstantin zum Generalseldmarschall ernannt.

Stadt, Bezirk «ad Nachbarschaft

Calw. 11. August 1913.

Gang durch die Wanderbauausstellung in Calw.

«.

Von hier betritt man den linken Seitengang der Aus­stellung, wo zunächst auf der rechten Seite Modelle aus dem

diesjährigen Zimmerer- und Flaschnerkurs der Beratungs­stelle wie auch Materialien aus der Handmustersammlung ne­ben Photographien aus oen Meisterkursen der Beratungsstelle aufgehängt bezw. aufgelegt sind, während in der Mitte dieser Gruppe ein aus einem Modellierbogen hergestelltes Modell eines dreifachen Arbeiterhauses seinen Platz einnimmt. In der Verlängerung des Ganges, durch eine Seitenpforte ge­trennt, ist die Ausstellung der städtischen Gewerbeschule Calw, die in übersichtlicher Weise an Hand von zahlreichen Model­len und den dazu gehörigen Zeichnungen die Fortschritte des gewerblichen Zeichnens zeigt. Auf der linken Seite des Gan­ges sind Einzelabteile eingebaut, in welchen die Calwer Archi­tekten Alber, Braun, Köhler, Mäckle und Pfeiffer Skizzen, Entwürfe und einige Modelle von ausgeführten Bauten zur Schau stellen. Man sieht hier einige gute Häuser, die sich recht wohl der Schwarzwaldgegend anpassen und an Behaglich­keit und äußrerer Form nichts zu wünschen übrig laßen. Eine durch einen Wettbewerb gewonnene Türe, die im zweiten Ab­teil untergebracht ist, gibt eine gute Probe von Handwerks­kunst. Am Ende des Ganges stellt die Turmuhrenfabrik I. Perrott in Calw ihre Erzeugnisse aus, worunter eine in Gang gesetzte Turmuhr mit Schlagwerk nebst dem hoch oben angebrachten kunstgeschmiedeten Glockenständer und den ge­triebenen Zifferblättern und Zeigern allgemeinen Beifall er­zielt. Erwähnt mögen hier noch werden die in der Nähe aufgehängten Farbstrichmuster des Malermeisters Karl Kirch- her in Calw und ebenso die Anstrich und Konservierungs­mittel Avenarius-Karbolineum, Dr. Roth's Jnertol und Raco der Firma Paul Lechler, Stuttgart.

Durch eine besondere Pforte betritt man von dem Gang aus einen größeren Raum, in welchem zunächst in der Mitte ein Pappmodell eines Einfamilienhauses Aufstellung erhal­ten hat, das von der Beratungsstelle nach einem Entwurf der Architekten Professor P. Schmohl und Baurat G. Staehelin in Stuttgart angefertigt ist. Neben diesem Modell wird an einem grösteren Gestell ein neuer Jnnenöffner für Fenster­klappladen vorgeführt, welcher Läden jeder Art, ohne die Fensterflügel öffnen zu müßen, mittels Kurbeldrehung leicht auf- oder zuklappt. Die Oeffner können direkt von dem Aus­steller Gustav Enßlin in Aalen oder von deßen Vertreter C. Hohnecker, Stadtbaumeister a. D. in Calw bezogen werden. Frei aufgestellt sind in diesem Raum ferner noch 2 der Bera­tungsstelle eingesandte Kratzmuster-Wettbewerbsarbeiten und 3 Treppenmodelle aus dem Treppenmacherkurs der Beratungs­

Amina.

22 ) Roma» von Gerhard B>t1»er

Und als die Vorbereitungen beendet waren, begann der Kommandeur in Begleitung einiger Mannschaften, ausge­rüstet mit wuchtigen Karabinern die Heimsuchung der Omra.

Vom Koje, zu Koje, Laderaum zu Laderaum, schritten sie.

Nun kamen sie an die Kajüte Aminas.

Die Dame, die diesen Raum inne hat, schläft", sagte Kapitän Geldern", zudem ist sie sehr schwer erkrankt, und nur die Dienerin und ihr männlicher Beschützer dürfen bei ihr wei­len. Bestehen Sie darauf, daß sie eintreten? Ich bitte sehr hier einige Rücksicht walten zu laßen!"

Die werden wir walten laßen, wenn Sie uns vorher den Bewahrungsort für die Waffen zeigen, die sie sicher, wie alle andern Kauffahrteidampfer mit sich führen. Schon in der Route Ihres Dampfers: Triest-Durazzo, liegt viel Verdäch­tiges."

Wie Sie befehlen, Kommandant! Sie können also ein­treten. Immerhin bitte ich zunächst einige Worte voraus hineinsagen zu dürfen, damit die Kranke nicht allzusehr durch diesen nächtlichen Besuch überrascht wird und weiteren Scha­den an ihrer Gesundheit nimmt."

Unsinn, Kapitän! Weiber, die in Kriegszeiten das Meer befahren, müssen sich von vornherein mit den Gefahren solcher Vagantenreisen vertraut machen. Ihre Umstände verstärken nur noch meinen Verdacht. Raus mit der Sprache oder wo sind die Waffen?"

An Bord keine; wollt Ihr eintreten, so bitte. . . .!"

Geräuschvoll traten die Männer ein.

Etwas niedergeschraubt leuchtete die hängende Schiffs­lampe. In weiche Kißen gebettet ruhte auf dem Ledersofa

neben der Schlafstätte der Kajüte Amina, die kleine Giovanna schlafend in ihren Armen haltend. Neben diesem Lager saß Alia. Am runden Fenster der Kajüte aber stand, zurück in den Schatten gelehnt, Ben Haßan Omir mit verschränkten Armen. Kaum war er noch zu erkennen. Der stolze türkische Diplomat hatte aus Rücksicht auf Amina Civilkleider des Kapitäns Geldern angelegt und einen schlappen, breitrandigen Hut aufgesetzt, lieber seiner Brust flatterte ein schifferähn­licher Knotenschlips. So ähnelte er mehr einem deutschen Maler oder Künstler des Meißels als einem Kriegsmann.

Man wecke die Schlafenden", sagte der Italiener,und frage sie ohne Umschweife, wo das Schiff die Waffen abgela­gert habe".

Die Matrosen weckten Amina.

Einer machte sich ziemlich barsch dabei, indem er heftig Aminas Arme schüttelte.

Kaum aber hatte das Ben Haßan Omir bemerkt, als er aus seinem Hintergründe hervortrat und den Mann anherrsch­te:Seid Ihr auch einer der Rohlinge aus Rom?"

Halt er das Lästermaul!" gab der Matrose zurück.

Der italienische Kommandant aber meinte:Man redet hier zu uns nur, wenn man gefragt wird. Wer sind Sie; was wollen Sie von meinem Matrosen. Der Mann tut seine Pflicht .... Sind Sie ein Türke?"

Türke oder sonst was", gab Ben Haßan zurück, indem ec sich der italienischen Sprache bediente,hier geht es nicht uni Nationalität, sondern um Menschengefühl. Wenn Sie als Kommandant einer sonst ruhmreichen Nation Brutalitäten der Matrosen gegen Privatpersonen gestatten, zumal noch gegen Frauen, so dürfte angebracht sein, daß Ihre Vorgesetzten da­von erfahren; ich will dafür Sorge tragen, daß der Gouver­neur von Venedig Drahtmitteilung davon erhält, wer die Ge­

wässer der Adria über seine Funktionen hinaus unpassierbar macht. Und auf jede Gefahr hin: Reiße die Beine stramm! Ich bin Ben Haßan Omir, ehemaliger Gesandter in Vene­dig!" Dabei nahm er seine ihn unähnlich machende Kopf- bekleidung ab und trat näher auf den Italiener zu, ihm mit einem raschen Griff den Degen und Karabiner aus der Hand reißend.Und jetzt hinaus, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist. Meine Schüße fehlten noch nie, und Ihre Matrosen: Waffen nieder. Hinter ihnen allen kommt der Tod."

Gleich sollte es klar werden, was Ben Haßan Omir zu seinem Vorgehen veranlaßte.

Während er vorhin noch am Fenster gestanden hatte, hatte er das Nahen einer türkischen Flotille bemerkt, türkische Kom­mandos vernommen und im Scheine von Blendlaternen den gleißenden Halbmond gesehen.

Und schon stürzte auch Kapitän Geldern mit einer star­ken Reihe seiner Mannschaft in die Kajüte, und während er eintrat und schweigend die von Ben Haßan Omir geschaffene Situation überschaute, sagte er gelassen:

Ich erkläre den italienischen Kapitän für unfern Ge- fangneen, wie ebenfalls seine aus der Omra weilende Mann­schaft. Die Waffen nieder!"

Von draußen her drangen die brüllenden Laute zerspreng­ter Granaten an die Ohren Aminas.

Laut schrie die Kranke auf und sank kraftlos in die Kißen zurück, während die Omra in allen Fugen zitterte.

Man hörte die Wogen aufspritzen und zischen, als ergöße sich die Wasserflut in glühendes Metall.

Ben Haßan Omir spähte durch die Kajütenluke hinaus in die sonst düstere Nacht. Tn gewahrte er einen grellen Schein um den andern. Und leiser meinte er zu Amina: Beruhigen Sie sich, Freundin, unsere Freunde sind da. Ich