Nerres Tage.

Die Deckungsfrage im Besoldungsgesetz.

Belli«, 20. Jan. Im Reichsrat teilte Ministe­rialdirektor Sachs mit, der Mehraufwand infolge der neuen Beamtenzulagen betrage für das Ruch, ohne die Bundesstaaten und Gemeinden, 3,2 Milliarden Mark. Die Vertreter der Staaten stimmten den Teurungszu- schlägen an sich zu, die Ausschüsse fügten aber dem ^Gesetzentwurf einen Artikel 3 hinzu, nach dem aus den Erträgen der anläßlich der Zulagenerhöhung erforder­lichen neuen Steuern (Art. 2) den Bundesstaaten ein solcher Anteil zu überweisen ist, daß der Mehraufwand der Staaten und Gemeinden daraus gedeckt werden kann. Inzwischen ist der Mehraufwand der Staaten und Ge­meinden allgemein aus der Reichskasse zu bestreiten. Zn diesen Beschlüssen bemerkte Reichsfinanzminister Dr. Wirth, die Reichsregierung werde dem Reichstag eine Sondervorlage ohne den eben beschlossenen Ar­tikel 3 zugehen lassen. Das sei zwar ein ungewöhnlicher Schritt, aber der Beschluß des Reichsrats sei von solcher Tragweite, daß der Reichstag dazu besonders Stellung nehmen müsse. Das Reich könne sich zu einem so weitgehenden Schritt für die Gemeinden nicht bereit erklären, er wäre auch bei der günstigeren Lage sehr vieler Gemeinden nicht gerechtfertigt. Die Reichsregie­rung sei bereit, der Notlage der Beamten nach den getroffenen Vereinbarungen abzuhelfen, sie müsse aber auch die finanzpolitische Seite betonen. Der Reichs­rat nahm daraus die Vorlage unt den drei Artikeln ein­stimmig an.

Sozialdemokratische Negierung in Mecklenburg.

Berlin, 20. Jan. In Mecklenburg-Schwerin ist ein rein sozialdemokratisches Ministerium gewählt worden, da die Demokraten sich der Abstimmung enthielten.

Ausstand im Ruhrgebiet?

Münster i. W., 20. Jan. Me Staatsanwaltschaft hat bei den Führern der Kommunisten in Essen, Düssel­dorf, Elberfeld und Lünen (bei Dortmund) Haussuchun­gen vornehmen lassen. Mehrere Führer wurden ver­haftet. Nach derWests. Provinzkorrespondenz" sind schwerbelastende Beweise für das Bestehen eines bewaff­neten Roten Heers gefunden worden.

Steigender Schiffsverkehr in Hamburg. Hamburg, 20. Jan. Seit dem Kriegsende war der tiefste Stand der im Hamburger Hasen eingelaufenen Seeschiffe im Dezember 1918 mit nur 23823 Netto- Registertonnen erreicht (soviel wie im Jahr 1855). Im Dezember 1919 betrug die Tonnenzahl 240085, im De­zember 1920 stieg sie auf 644 391.

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Die Abtragung der Kriegsentschädigung. Paris, 20. Jan. DerTemps" meldet, der von Berlin entsandte Staatssekretär Bergmann habe auf den französischen Vorschlag, fünf Jahre hindurch Sach­leistungen im Wert von je 3MilliardenGold- mark zu machen, im Auftrag der Reichsregierung er­klärt, Deutschland sei zu Verhandlungen auf dieser Grund­lage bereit, es wolle sich aber nicht auf 3 Milliarden verpflichten; sie würde die gesamte Schuldenfestsetzung vorziehen.

ImEcho de Paris" schreibt Pertinax, die deutscher­seits beantragte Festsetzung der Entschädigung bis 1. Mai werde nicht angenommen. Man werde den Deutschen in einigen Stücken entgcgeukommen. So werden ihnen die 300 000 Tonnen Schiffsraum, die sie noch abzuliefern hätten, erlassen. Es stehe noch nicht fest, ob man die Kosten der Besetzungsheere, die nach dem Friedensvertrag 240 Millionen Goldmark nicht übersteigen sollen, in die Jahreszahlungen. ver -

Ein Frühlingstraum.

Eine Erzählung aus dem Leben von Fr. Lehne,

79. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.)

Ein lustiges Lied pfeifend, kam Wolfs Bursche . gerade aus der Dienerstube und blieb erschreckt stehen, l wie er Mary so bleich mit geschlossenen Augen dasitzen sah.Herr Jeses, die barmherzige Schwester was ist denn? ich will gleichmal raufgehen" Nein, wehrte sie mit schwacher Stimme ab,bitte nur ein Glas Wasser"

Er brachte sogleich das Gewünschte, und hastig trank sie. Dankend reichte sie ihm das Glas zurück und batwürden Sie mir vielleicht eine Droschke holen? Mir ist nicht ganz wohl!"

Sie sehen auch ganz käseweiß aus! Das Kind ist wohl wieder gesund?"

Ganz noch nicht! Nicht wahr, Sie gehen der Herr Hauptmann wird schon nichts dagegen haben, istvenn Sie auch ohne erst zu fragen gehen!"

Der nicht aber die Madame! Na, schad't dann auch nischt!" Eilig machte er sich dann auf den Weg. Mittlerweile kam Doktor Kornelius.

Schwester Konsuelo, ums Himmelswillen was ist denn?" rief er erschreckt aus,wie kommen Sie , hierher? was ist? Weiß Frau von Wolfsburg?" ,Nichts ist, Herr Doktor," sagte sie mit einem I schwachen Versuch zu lächeln,nichts. Sie ließen auf sich warten, und ich wollte unterdessen gehen. Bin aber doch etwas abgespannt und lasse mir einen Wagen holen; ich kam nicht bis zu jener Bank dort! Bitte, ja nichts oben davon sagen!"

Erregt und ängstlich stand er neben ihr.Machen Sie kerne Geschichten, Konsuelo! Unser kleiner Pa­tient ist außer Gefahr, und Sie werden mir krank! Nachher komme ich gleich mit vor!"

Mittlerweile kam Wagen vorgefahren, und er (Dar ihr üerm^Einstergen behilflich. Tann ging er

rechne. Ms Schutzmaßrcgeln, ialls Deutschland sein Wort nicht hält, seien vorgesehen: Beschlagnahme der Zolle und verschiedener Monopole bzw. Ein­richtung von solchen, wie z. B. eines Salzmono­pols. Der englische Geschäftsträger in Berlin, Lord d'Abernon, habe betont, wenn die Entschädigungs­forderungen nicht bis 1. Mai festgesetzt wären, würde dies ein Verstoß gegen den Friedensvertrag sein.Man erklärt", diese Abänderung des Friedensvertrags müsse . die Zustimmung der anderen Länder, in erster Linie ! Deutschlands erhalten.

lieber die Verhandlungen mit Bergmann teilt Pertinax mit, daß dieser am Dienstag erklärt habe, er nehme die Jahreszahlungen an, aber nur in Höhe von 2 Milliarden Goldmark jährlich, wo­bei die Barzahlungen nicht mehr als 500 Millio- l nen betragen dürsten. Außerdem verlange er noch aller- ! Hand Zugeständnisse. Die verbündeten Sachverständig.n j hätten sich daraufhin entschlossen, ihr Programm iestzu- - setzen, ohne weiter den Versuch zu machen, mit den Deutschen zu einem Einverständnis zu kommen. Pertinax bekämpft das Programm der Verbündeten und tritt für Gewaltanwendung ein. z

Barthon für Herabsetzung der Dienstzeit. ^

Paris, 20. Jan. Nach demMatin" erklärte der ! neue Kriegsminister Barthou, er trete für einem- i halbjährige Dienstzeit im Heer ein. Es wäre unter den ! veränderten Verhältnissen ein Verbrechen, Frankreich eine- s Last auszuerlegen, die über die Erfordernisse der Landes- > Verteidigung hinausgehe. (Barthou hat vor dem Krieg die Wiedereinführung der dreijährigen Dienstzeit in Frankreick durch gesetzt.)

Dieletzte Gelegenheit".

Paris, 20. Jan. Nach Reuter soll man m London der Ansicht sein, die Deutschen müßten sich darüber Rechenschaft ablegen, daß die Pariser Konferenz ihnen die letzte Gelegenheit biete, in der Entschädigung?- ^ frage entsprechende Vorschläge zu machen. Die j Forderungen der Verbündeten seiensehr vernünftig" und z es seien zahlreiche Zugeständnisse gemacht worden. Wenn f die deutschen Vertreter keine greifbaren Vorschläge Vor­bringen, dann müßten die Verbündeten ohne die Bei­hilfe der deutschen Sachverständigen handeln.

Die Erklärung der französischen Negierung.

Paris, 20. Jan. Ueber die heute in der Kammer ab­gegebene Erklärung der französischen Regi rung meldet Havas: Die Erklärung legt dar, auf welcher Grund­lage und zu welchem Zweck das Kabinett gebildet wur­de, das sich stützen wird aus eine breite republika­nische Mehrheit, die festhält an den Verfassungsein­richtungen und entschlossen ist, die diesbezüglichen Gesetze zur Geltung zu bringen. Die willige Mitwirkung und die Disziplin dieser Mehrheit ist unerläßlich, wenn man l schnell zur Durchführung der verlangten sozialen Re­formen gelangen will.. Die Regierung läd das Par­lament ein, sich mit ihr zu verewigen, um eine Politik des Vertrauens und der Zusammenarbeit in Ordnung und Gesetzmäßigkeit zu verwirklichen. Das militäri­sche Programm wurde schon von dem vorigen Kabinett in vollem Einvernehmen mit den militärischen Stellen unterbreitet. Die Vorschläge sehen die Bedingungen vor, unter welchen besonderen Garantien an eine Herab­minderung der Dienstzeit herangegangen wer­den könnte. Die Regierung wird sich für ihre Ver­wirklichung einsetzen.

Dann wird die Finanzfraze behandelt, die völlig beherrscht und selbst bedingt sei durch das überragende Pro­blem der von Deutschland geschuldeten Entickgdig mg. Es müsse ein umfangreiches, wirtschaftliches Ei­ne uerunasprogramm ausgeführt und Anstrengun­

gen gemacht werden, um die Ausgaben den Einnahmen des Staatshaushalts anznpassen. Andererseits müsse die Regierung, die die Wiederherstellung der ver­wüsteten Gebiete zu beschleunigen trachte, sich dafür einsetzen, von Deutschland die Ausführung des Friedens­vertrags zu verlangen, ohne aus die Gewalt zu- rückz'u greifen, wenn Deutschland sich geneigt zeige, seine Verpflichtungen sowohl hinsichtlich der Entwaff­nung, wie hinsichtlich der Bezahlung der Schäden innezuhalten. Deutschland gegenüber empfehle sich die Beibehaltung der aus den Schlachtfeldern gefestigten Bündnis se. Dies sei nicht weniger nötig, um die Beständigkeit der auswärtigen Politik zu sichern.

Im Osten werde sich Frankreich einsetzen für die Aufrechterhaltung und Festigung seiner erworbe- Rechte aus den Jahrhunderte alten Ueberlieferungen. Bezüglich Rußlands werde das neue Kabinett dem Volk weitere Handelsfreiheit gestatten, aber nicht die politischen Beziehungen mit der Sowjet» regierung «usnehmen, solange diese nicht Garantien dafür gegeben hat, daß sie entschlossen sei, den frei aus­gedrückten Willen des russischen Volks zu achten und gleichzeitig' auch die internationalen Verpflichtun­gen, die von den früheren russischen Regierungen ein­gegangen worden sind.

Vom BölLerviiNV.

Genf, 20. Jan. Der österreichische Minister des Aeußern hat dem Sekretariat des Völkerbunds in Genf mitgetcilt, daß die österreichische Regierung den Lega­tionsrat Emmerich-Pflügcl als Vertreter Oester­reichs beim Völkerbundssekretariat ernannt hat, wie z. B. Griechenland, Polen und Rumänien Vertreter beim Sekretariat bezeichnet oder Bureaus in Genf eingerich­tet haben.

Genf, 20. Jan. Professor Attolico, der in Ver­tretung des Generals Haking die Geschäfte des Ober­kommissars für Danzig führt, hat den Völkerbundsrat durch das Sekretariat ersucht, den Präsidenten des Ver­waltungsrats für den Hafen Danzig zu bezeichnen.

Kämpfe in Anatolien.

Bafel, 20. Jan. TieJniormation" meldet aus Konstantinopcl, vier griechische Divisionen seien west­lich von Bruisa in fünftägiger Schlacht von dem na­tionaltürkischen Heer Kemal Paschas vollständig ge­schlagen worden. Tie Griechen ziehen sich in voller Auflösung zurück, oenolgt von den Türken. Eine Division verlor 6000 Gefangene.

Aus Stadt und Land.

-Ntenrteig, 21. Januar 4881.

Das Gefangenenlager Münsingen wird als letztes in Württemberg Ende Januar aufgelöst.

Wieder Verschuldung der Landwirtschaft.

Aus Kreisen der Landwirtschaft, die mit den Verhältnissen genau vertraut sind, wird uns geschrieben: Kenner un­serer bäuerlichen Verhältnisse haben beobachtet, daß un­sere Landwirtschaft schon wieder hie und da in die alte Schuldenwirt'chaft hineinkommt. Als Beweis dafür dienen die Darlehensaufnahmen bei den ländlichen Kre­ditkassen, die Eintragung von Sicherungshypotheken und öergl. Der Grund für diese Erscheinung wird in den, großen Verlusten durch die Maul- und Klauenseuche zu> suchen sein, bei den Winzern in der Absatzstockung beim Wein infolge der zollfreien Einfuhr elsässischer Weine, dann aber allgemein auch in der verkehrten Geld­anlage, die vielfach zu beobachten sei.

hinauf und sagte Bescheid, daß am Spätnachmittag Schwester Hanna kommen würde. Mit ernster Miene fügte er hinzu, daß er um Schwc' Konsuelo große Angst hätte; sie wäre nicht fähig gewesen, zu Fuß nach Hause zu gehen; halb ohnmächtig hätte er sie auf der Treppe sitzend gefunden.

Mit großer Sorge hörte es Wolf und spöttisch be­merkte Ella, als der Arzt gegangen:Auch Doktor Kornelius scheint sich in das hübsche Lärvchen von Fräu­lein Winters vergafft zu haben und von dem sanften Wesen blenden zu lassen. Wenn er wüßte, was für eine bewegte Vergangenheit die sogenannt? Schwester Konsuelo welch' tönender Name! hinter sich hat! Tu schweigst? Bist wohl auch über ihre Dreistig­keit erstaunt, in unser Haus zu kommen? Was denkst Du eigentlich!"

Das werde ich Dir sagen, was icH beabsichtige, wenn Hasso wieder gesund ist; vorläufig habe ich keinen Sinn für etwas anderes! Was ich denke ? daß es schon eine Entweihung für Schwester Konsuelo ist, wenn Du ihren Namen überhaupt nur aussprichst daß Du nicht wert bist, dem engelgleichen Geschöpf die Schuh­riemen zu lösen!" Damit ging er hinaus, Gabriele ihrer ohnmächtigen Wut überlassend; seine Ruhe, die aller­dings nur äußerlich war, erbitterte sie aufs äußerste.

Frau Doktor Hamann war Mary beim Auskleiden behilflich, die kaum die Hände rühren konnte vor Schwäche wie eine gebrochene Blume hing sie in dem Arm der kleinen rundlichen Frau.Sie armes Herzel, haben wohl schwere Nächte gehabt?" Dr. Kornelius hat mir immer Bericht erstatten müssen! Aber Gott sei Dank, das Kind ist ja gerettet!" Mary nickte nur; zum Sprechen war sie zu schwach. End­lich konnte sie sich wohlig im Bettt dehnen; das Gesicht- chen war so heiß wie das Kissen.

Ah, das tut gut, sagte sie leise, tief aufatmend, wie will ich schön schlafen."

Zärtlich strich Frau Hamann durch das gelöste Haar^ ihres Lieblings.Ja, schlafen Sie, wie wird Ihnen; das gut tun," und sie küßte sie auf die klare Stirn, l Mary schloß müde die Augen, und bald verkündeten s ihre tiefen Atemzüge der lauschenden kleinen Frau, daß ( sie eingeschlafen war. >

Es war einige Tage später. Mary saß am Fenster f des Wohnzimmers mit einer leichten Handarbeit be- ) schäftigt. Es war ihr wieder so weit ganz wohl, wenn; sie auch noch sehr blaß war. Die schlaflosen Nächte > und die Aufregungen der letzten Tage hatten zusammen- gewirkt, daß ihre Nerven versagten. Gabrieles höhnische! Worte beim Abschied hatten ihr unsägliches Weh be- j reitet, und sie kam auch nicht davon los; es hatte > sie zu sehr gekränkt. Zwei Tage hatte sie fast ununter. , brachen geschlafen und sich dadurch wenigstens etwas er- holt.Dacht ich's doch," sagte da Frau Hamann ein­tretend und Öhr die Arbeit aus der Hand nehmend, dacht' ich es doch! Sie sollen doch nichts tun, Kind­chen! Aber immer ungehorsam!"

O, das dürfen Sie nicht sagen, Tantchen, so füg- > sam war ihr doch, daß sie keinen Grund zur Klage > haben!" erwiderte Mary lächelnd,nun bin ich aber wieder gesund"

So weit sind wir noch nicht! Ich sage Ihnen, wir ' alle haben uns recht gesorgt um Sie, vor allem aber, na, Sie wissen schon wer wirklich rührend war es!" ^ Eine Wolke erschien auf Marys klarer Stirn; sie senkte die Augen.

Ja, Kindchen, nehmen Sie es mir nicht übel, aber wie ich den guten Kornelius mit Tränen in den Augen sah ach Gott, nein"

Liebste, Beste, quälen Sie mich doch nicht so! Ich bitte Sie! Jetzt fühle ich mich wieder kräftig und kann von neuem meiner Pflicht Nachkommen; mir hatte nur der Schlaf gefehlt!-- Wie geht es übri­

gens meinem kleinen Patfl-nten? Hat Kornelius von. ihm erzählt? " (Fortsetzung folgt.) ..