Neues vom Tage.
Die Oftjudenfrage.
Berlin, 17. Jan. Im Hanvtausschiuß des ReiW- >kags erklärte Reichsminister des Innern Dr. Koch mtf eine Anfrage, es bestehe kein Anlaß, irgendwelchen Ausländern Vorzugsrechte einzuräumen. Äusnahmemaßre- geln zugunsten der Ostjuden seien schon deshalb unangebracht, weil die Auswanderung deutscher Arbeiter einen erschreckenden Umfang angenommen habe. Jeder Ein Wanderer vom Osten bedeute die Auswanderung eines gutaunlifizierten deutschen Arbeiters. Die Reichsregierung werde der Zuwanderung der Ostjuden einen starken Damm entgegensetzen entsprechend dem Willen des Reichstags.
Die deutschen Kabel.
London, 17. Jan. Nach Blättermeldungen werden die Bereinigten Staaten Vorschlägen, die deutschen Kabel an Deutschland zurückzugeben. (Amerika will verbüken, daß Japan das große Kabel im Stillen Weltmeer in Besitz nehme und England die ganze Kabelverbindung zwischen Europa und Amerika beherrsche.) Ans Gebiet.
Köln, 17. Jan. Der Landrat von Neuß wurde von der englischen Besatzungsbehörde zu 6 Monaten Gefängnis und 10000 Mark Geldstrafe verurteilt, weil er eine befohlene Nachweisung der Kraftwagen seines Bezirks nicht rechtzeitig geliefert hatte. In Koblenz sind vier Beamte der Rcichsvermögensverwaltung ihrer Aemter entsetzt worden, weil sie einer „Requisition" (Eintreibung von Lebensmitteln für die Besatzung) nicht rechtzeitig nachgekommen waren.
Landau, 17. Jan. Die französisch? Besatzungsbehörde 'hat 6 Säle in einer Knabenschule mit Beschlag belegt, um darin eine französische Schule ein- Zurichten,
In Neuyork hat sich ein Ausschuß von angesehenen Deutsch-Amerikanern gebildet, um in Amerika eine allgemeine Bewegung gegen die schwarze Schmach im besetzten Gebiet ins Leben zu rufen.
Die französische Politik.
Paris, 17. Jan. Der „Matin" schreibt: Die augenblicklich verfolgte Politik verzichtet keineswegs aus die. Anwendung von Gewalt, um nötigenfalls die Ausführung des Versailler Vertrags zu erzwingen, jedoch im Einvernehmen mit unseren Verbündeten, nachdem alle anderen Druckmittel erschöpft sind. Unsere Politik erscheint jetzt unseren Verbündeten aufrichtig und nur auf das Ziel gerichtet: Entschädigung in dem für Deutschlands Leistungsfähigkeit erträglichen Umfang und die Notwendigkeit der Wiederaufnahme des Weltaustausches. Das sind die Grundsätze, die Millerand als Ministerpräsident annahm und die er vor seiner Wahl zum Präsidenten neuerlich bestätigte.
Cs werden noch einige stürzen.
Neuyork, 17. Jan. „New York Herald" bemerkt in einem Leitartikel, der Sturz des Ministeriums Ley- gues könne nicht überraschen. Es würden wohl noch einige Ministerien stürzen, ehe Frankreich sich zu einer leidenschaftslosen Betrachtung des deutschen Problems entschließen könne.
Reichswasserftratzen.
Berlin, 17. Jan. Borbehältlich der Zustimmung der Landesregierungen und Landtage kann der Uelerga g der Wasserstraßen auf das Reich auf Grund der in Berlin soeben beendeten Verhandlungen gemäß den Bestimmungen der Reichsverfassung auf 1. April d I als gesichert gelten.
— Die Ausgleichszahlung.
London, 17. Jan. Laut „Times" erwartet der Kontrolleur der Schulden für den am 16. Januar endigenden Monat von Deutschland die Zahlung von 3 Millionen Pfund Sterling (750 Millionen Papiermark) für Borkriegsschulden und Ansprüche englischer Unter- ; tanen für die Auflösung ihrer Geschäfte. i
Unzufriedenheit in Rußland, tzel'i' gsors 17. Jan. Unter den bolschewismchen ! Truppen, besonders in Weiß-Rußland, zeigt sich starke > Mißstimmung, daß trotz des Versprechens der Sowjet- ^ regierung mit der Heimsendung der Soldaten nicht Ernst - gemacht werde. Die Soldaten haben im Gegenteil m j einem neuen Feldmge vollkommen neue Ausrüstung er- halten. Anfang Januar brach in Witebsk eins allge- j meine Meuterei ans. Die Soldaten verlangten die so l fortige Heimsendung. Die Kommissare ließen die Füh- s rer der Ausrührer anshängen.
Die Sowsetreniernng gibt bekannt, daß Lenin an Neberarbeitnnq schwer erkrankt sei. Lenin wolle zu einem Geiinmmasaenossen nach Finnland zur Erholung reisen. ^
Dev Bauernaufstand in Rußland. i
Kopenhagen, 17. Jan. Der „Politiken" wird aus , Riga gemeldet: Aus Moskau kommende Meldungen be- > mgen, daß im Gouvernement Podolien ernste Bauern- ! "nruhen ansgebrockien sind, die von dem ukrainischen s ^becht Tetsnik geleitet werden. Die Räteregierung fürch- ! tet, daß der Aufstand sich auch ans die Nachbargebiete aus- , breiten könnte, da die Stimmung unter den Bauern in > der Ukraine äußerst erregt sei. ,
Aus Stadt und Land, j
Altenrteig, 18. Januar 1S31. l
— e—. Wepen des Straße«ba«s von der Hornb rger , Straße «ach Aichhalde« «nd Oberw«il»r fand am Samstag 15. Januar unter d m Vmsih des Oberamtmanns Gös , von Calw auf dem Rathaus in Berneck eine Versammlung - statt. Vertreten waren dis Gemeinden Aichhalden und Ober- weiter, Harnberg, Ettmannsweiler und Bern eck. Die beiden >! letzteren Gemeinden l.hnten einen Beitrag ab, die Gemeinde ! Berneck verlangte vielmehr von Aichhalden einen nachträglichen : Zuschuß zur Köllbachtalsvaß?, der abqelehnt wurde, dagegen ! wurde ihr eine Entschädigung von 6000 Mark für gesteigerte .Inanspruchnahme dieser Straße während des Neubaus zugesagt. Der Gemeinde Hornberg gegenüber war vom Ministerium des Innern im Jahr 1907 die Erwartung ausgesprochen worden, sie werde der Fortsetzung der Köllbachtal- straße ins Kleinenztal seinerzeit dieselbe Förderung angedeihen l lassen, wie es ihr gegenüber damals seitens der Gemeinden z Berneck und Zwerenberg der Fall war. Diese Erwartung hat sich leider nicht erfüllt, denn Hornberg will wohl die erforderliche Grundfläche für die auf seiner Markung liegende i 2 Klm. lange Strecke unter Eigentumsvorbshalt abtreten, l verlangt aber, daß Aichhalden diese Strecke unterhält und i außerdem noch als teilweise Entschädigung für die von Harn- i berg seinerzeit an Berneck bezahlten 20 000 Mark, 10000 i Mark in Goldmark — 120—150 000 Popicrwark (!!), an ! Hornberg bezahlt. Auf eine solche Forderung konnte Aich- ^ Halden selbstredend nicht eingehen; die Verhandlungen kamen ! deshalb zu keinem Abschluß. Aichhalden hat nun Antrag , auk Zwangsenteignung gegen Hornberg gestellt und es ist zu hoffen, daß die Straße in Bälde begonnen werden kann.
— Dev Soinmeröakrplan tritt aut den deutschen Rerchseisenbahnen am 1. Juni in Kraft.
— Die Bctevanenbeihilse unterliegt dem lOpro- ! zentigen Abzug für die Einkommensteuer nichts_ -
— Die Papievpreise werden nach den im Reichs- wirtschaftsministerinm gepflogenen Verhandlungen vorläufig auf dem bisherigen hohen Stand bleiben. Dre Hoffnung auf eine Senkung haben sich also nicht verwirklicht.
— Eierwucher. Nach amtlicher Mitteilung durchziehen Händler, namentlich wilde, das Land und kaufen zu jedem Breis für jetzt und später Eier auf, um so ibre Preise in der Bedarfszeit in die Höhe zu treiben. Das Oberamt Ellwangen warnt vor dem Wucher unter Hinweis auf die Reichsverordnung, daß Preistreiberei in Gegenständen des täglichen Bedarfs mit Getänqms- nnd Geldstrafen bis zu 200000 Mark geahndet wird.
— Streiks^utz- Die Vereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände hat für die Mitglieder der ihr angeschlossenen Verbände den „Deutschen Str ikschutz" als Entschädigunasaesell'chaft für StreikveAuste gegründet. Gegen den Jahresbeitrag von 1.50 Mk. für je 1000 Mk. der zuletzt bei der Berussgenossenschast ang"mlldeten Lohnsumme erhält der Versicherte vom ersten Tag an, wenn der Streik oder die Aussperrung länger als zwei Tage dauert, als St^eikentschädmnna 25 Proz.^ der ausfallenden Lobnsnmme. Der Entschädigungsanspruch beginnt nach tMäaiger Mitali-^'chaft,
— Schwindel mit Farben. Die Zeitverhältnisse haben aus dem Gebiet der Anstreichmittel einen ungeheuren Schwindel gezeitigt, der für die Farbenverbrauches sehr nachteilig werden kann, da man der Ware ihre minderwertige Beschaffenheit meistens nicht aniehen kann. Erst durch die geringere Haltbarkeit des Anstrichs wird man den Schaden gewahr und hat dann neben der Ausgabe für die Farben auch die für die hohen Arbeitslöhne weggeworfen. So kommt z. B. unter der hochtrabenden Bezeichnung „Französischer Ocker-Ersatz" eine grob gemahlene und ganz unbrauchbare Erdfarbe in den Handel, während gerade französischer Ocker seinen guten Ruf infolge einer sehr guten Aufbereitung genießt. Als „Bayrische Kreide" liefert man gemahlenen Gipsstein, also schweselsanren Kalk, während Kreide stets aus kohlensanrem Kalk bestehen muß. Dieser Gips wird auch als „Malerkreide" angeboten, trotzdem kein Maler dieses Zeug verarbeiten kann: es kann höchstens als Düngekalk verwendet werden.
— Denkmalsphotoavaphien gesucht. Für Aufklärungszwecke werden Photographien deutscher Kriegergrab- und Fürstendenkmäler in Elsaß-Lothringen vor und nach ihrer Zerstörung durch die Franzosen, ferner Bilder der französischen Denkmäler in Metz, Straßburg, Colmar usw., die während des Weltkriegs von den deutschen Behörden geschützt blieben, sowie Denkmäler der Franzosen, deren Errichtuna auf deutschem Boden in der Umgebung von Metz den französischen Behörden vor Ausbruch des Weltkriegs besonders gestattet wurde, dringend benötigt. Zunächst leihweise Abgabe. Zusendungen an den Kyffhäuser-Bund der deutschen Landes- Kriegerverbande. Berlin W. 500, Geisbergstraße 2, er-
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— Dev Baum im Wintev. Bei fest gefrorenem Boden darf man keine Obstbäume düngen. Da die feinen Saugwurzeln, die die Nahrung aufnehmen, gewöhnlich am Stamm und um ihn herumliegen, so soll die Düngung nicht an diesem angebracht werden, sondern unter der Traufe der Krone. Vor der Düngung ziehe man einen spatentiefen Graben um den Baum, damit auch die tiefliegenden Wurzeln einige Nahrung erhalten. Einen jungen Baum an die Stelle, von der eben erst ein alter entfernt wurde, zu setzen, ist nicht ratsam, da hier die Erde völlig ausgesaugt ist. Geht es aber nicht anders, so hebe man die unfruchtbar gewordene Erde entsprechend weit aus und führe der so gewonnenen Baumgrube guten, kräftigen Boden zu
Ein Frühlingstraum.
Eine Erzählung aus dem Leben von Fr. Lehne.
76. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.)
Wieder waren einige Tage vergangen. Hasso war besser geworden; er hatte sich seiner tapferen Pflegerin angefreundet, und sie war rührend gut zu ihm. Sein Äuge leuchtete freudig auf,' wenn er sie beim Erwachen an seinem Bette sah, und sie durfte nicht von ihm. Mary verstand auch, auf seine kindlichen Ideen einzugehen und sich ihnen anznpassen — sie spielte mit ihm und erzählte ihm mit ihrer süßen beruhigenden Stimme Märchen, denen er mit Andacht lauschte. Wolf sah das alles mit wehmütiger Freude; er mußte immerfort an sein anderes Kind denken, das er nie gekannt hatte — das tot war — und seine Mary als Mutter desselben! Doktor Kornelius war aber noch nicht mit Hasso zufrieden; die Schwäche war noch zu groß. Er sprach seine Besorgnis darüber zu Mary aus, die ihn angstvoll ansah.
„O lieber Doktor, retten Sie das Kind! Wir haben es doch schon so weit gebracht —"
Verwundert sah er sie an. „Sie haben viel Teilnahme, Konsnelo, und vergessen sich darüber ganz," sagte er langem, einen prüfenden Blick in ihr Gesicht werfend. „Am liebsten möchte ich Sie ins Bett stecken svnd Vertretung für Sie senden, so elend sehen Sie aus. Bch kann es ka verantworten. Unsere liebe Frau Hamann würde c, mir nie verzeihen, wenn Sie krank werden."
„Wer fragt nach mir! — ich bleibe, Doktor!" ent- gegnete sie hartnäckig.
„Was ist?" fragte Wolf, zu den beiden tretend, die er so eifrig sprechen sah.
„Ich konstatierte soeben, Herr Hauptmann, daß Schwester Konst,e^ Pflege nicht mehr gewachsen
ist," jagte der . ^. bestimmt. ^ „
„Herr Doktor, ich weiß doch, was ich mir zumuten kann, am besten selbst," sagtet sie erregt. Dabei trafen sich ihre Augen mit denen Wolfs, die angstvoll ans sie gerichtet waren; sie nicktte ihm beruhigend zu. Dem Ärzt entging dieser Biickeaustausch nicht; er sah den zärtlichen Ausdruck ihres Gesichtes, wenn sie mit Wolf sprach und eine tiefe Traurigkeit be
mächtigte sich seiner, sowie auch ein tiefer Groll. Das Mädchen war ihm so über alles teuer, daß er
es vor jedem rauhen Luftzug behütet hätte, und nun
sah er, daß zwischen ihr und dem Hanptmann ein
gar seltsames Einverständnis herrschte, das er sich gar nicht erklären konnte. Sollte sie — —
„Wie sie wollen," sagte er kühl, „ich habe es nur gut gemeint und sehe als Arzt auch schärfer — — Sie müssen selbst sagen, Herr Hauptmann," wandte er sich an diesen, „daß Schwester Konsnelo sehr angegriffen aussieht."
„Ja, allerdings," sagte Wolf zögernd, „aber Hasso würde sie sehr vermissen, er hat sie lieb und ist an ihre Gegenwart gewöhnt; jedoch kann ich nichts sagen; der Schwester Gesundheit ist zu kostbar, als daß sie unnütz gefährdet werden sollte. Da treten Privatwünsche zurück!"
Da öffnete sich die Tür, und Gabriele kam in einem eleganten Schlafrock herein, etwas bleich noch, aber sonst ganz wohl aussehend.
„Guten Morgen, Herr Doktor," sagte sie, „Sie wundern sich, mich schon aufzusehen — ich wollte Sie aber überraschen. Ich fühle mich jetzt wieder wohl, und kann mich jetzt wieder meinem Kinde widmen!"
„Das ist recht, gnädige Frau, lösen Sie Schwester Konsnelo ab, die der Ruhe und Erholung sehr bedarf," entgegnete der Arzt. Ella sah Mary prüfend an und bestätigte dessen Meinung. „Sie haben recht, Herr Doktor; Hasso ist jetzt außer Gefahr —"
„Das ist er noch nicht," wandte Mary ein. Scharf musterte Ella die Schwester. Sie wollte entschieden noch
bleiben, oas war klar — sie wollte mit Wolf zusammen sein — nein, das durfte nicht sein — sie mußte fort. Die beiden hatten sich während ihrer Unpäßlichkeit mehr als genug gesprochen; vielleicht waren sie gar wieder einig miteinander, wer weiß, was vielleicht geschehen war! Das alles ging blitzschnell durch ihre Gedanken.
„Wenn aber Herr Doktor meint, daß Sie sich ruhen können?" sagte sie — „aus keinen Fall dulde ich, liebste Schwester, daß Sie sich länger opfern. Ich fühle mich wohl genug, die Pflege meines Kindes selbst wieder übernehmen zu können. Schonen Sie sich ein paar Tage: Sie sehen ja zu elend und angegriffen ans. Sollten Sie außer mir noch eine Pflegerin für nötig halten, Herr Doktor, dann sorgen Sie, bitte, dafür. Sie wissen ja besser Bescheid darin!" Das alles kam so liebenswürdig und teilnehmend aus ihrem Munde, daß keiner widersprechen konnte. Sie sah, wie es schmerzlich in Marys Gesicht zuckte, wie Wolf sich auf die Lippen biß — und sie kostete ihren Triumph aus; die beiden sollten sich sogar in ihrer Gegenwart „Lebewohl" sagen, sie sollten gestraft werden! Sicher hatte diese Person mit dem unschuldigen Kindergesicht ihren Gatten wieder in ihre Netze gezogen und hatte durch ihre raffinierte Koketterie ihn vielleicht dazu gebracht, daß er Frau und Kind um sie vergessen konnte.
„Sie sehen, Schwester, daß Frau von Wolfsburg der gleichen Ansicht ist wie ich. Also in zwei Stunde»' hole ich Sie ab. Ich muß erst Rücksprache mit Schwester Hanna nehmen, die gestern von Oberlehrer Türk zurückaekommen ist," sagte Doktor Kornelius herzlich, „ich habe wirklich Angst um Sie; Sie können sich ja kaum aufrecht erhalten! Sie hatten ja in de» letzten Wochen auch zu viel zu tun. Das kann nicht so weiter gehen, wenn ich mir nicht selbst Borwürfe machen soll; da jeien sie diesmal vernünftig!"
(Fortsetzung folgte