b. Alkohol und Tierquälerei. Kutschern als Trinkgeld, wie es absichtslos oft geschieht, ein Glas Bier oder einen kleinen Schnaps zu geben, ist falsch. Man mache sich nur klar, wie die Wirkung sein mutz, wenn von den Leuten mehrfach und kurz hintereinander immer wieder geistige Getränke in den womöglich leeren Magen hinuntergeschluckt werden. Dann tritt im Bewußtsein des Kutschers das belebende Gefühl des starken Mannes ein, dem keine Geschwindigkeit zu groß, keine Last zu schwer ist, und der auf dem Bock als Wüterich seine Peitsche regiert. Man gebe als Trinkgeld lieber etwas anderes, aber keinen Alkohol. Der Zusammenhang zwischen Alkohol und Tierquälerei ist viel häufiger, als meist angenommen und öffentlich bekannt wird.

scb. Mutmaßliches Wetter. Für Freitag und Samstag ist vorwiegend trockenes und wärmeres Wetter zu erwarten.

Bad Liebenzell, 9. Juli. Nächsten Sonntag vor­mittag geben zwei junge Stuttgarter ein geistliches Konzert in unserer Kirche: die Oratoriensängerin Frl. A. L. Pfund, deren Sopran als vollklingend und verbunden mit seelenvollem Vortrag gerühmt wird, und Herr Organist Wilh. Lang, Neffe und Schüler von Prof. Heinr. Lang, ein tüchtiger, sein Instrument vollauf beherrschender Konzertorganist (vgl. Inserat). _

Württemberg.

Aus dem Landtag.

Stuttgart, 9. Juli. Die Zweite Kammer erörterte in ihrer heutigen Sitzung zunächst einen Antrag des Abgeordneten Gröber (Z), die im Laufe der Beratung gefaßten Bereit­willigkeitsbeschlüsse, gewisse Ueberschreitungen nicht zu bean­standen, als solche zu kennzeichnen, die sich nur mittelbar auf den Etat beziehen. Gröber erklärte, er sei kein Freund von Bereitwilligkeitserklärungen. Haußmann (V) und Hieber (DP) stimmten ihm bei, ebenso Frhr. v. Perglas (BK). Der Antrag Gröber wurde in Verbindung mit einem Antrag Haußmann angenommen, nachdem zwei Vertreter der So­zialdemokratie erklärt hatten, daß sie die bisherige Praxis für zweckmäßig halten. Das Haus beriet dann die abweichenden Beschlüsse des anderen Hauses zum Etat, zunächst den betr. die Kreisregierungen, für deren Aufhebung sich die Erste Kammer ausgesprochen hatte. Der Antrag des Ausschusses, auf dem Beschluß des Hauses zu beharren, d. h. sich für die Beibehaltung der Kreisregierungen auszusprechen, wurde mit 46 gegen 38 Stimmen bei einer Stimmenthaltung angenom­men. Im weiteren Verlaufe der Sitzung beharrte das Haus mit 40 gegen 39 Stimmen auf seinem Beschluß bezüglich der Gewährung von Mitteln für die Errichtung von Submissions­ämtern. Ein Antrag Liesching (V), Pastorationseinrichtun­gen, dem die Erste Kammer nicht beigetreten war, aufzuheben, wurde abgelehnt. Der Beschluß betr. die Bereitstellung von Mitteln für die Jugendfürsorge wurde gegen die Stimmen der Sozialdemokratie und der Volkspartei aufrechterhalten. Dem Beschluß der Ersten Kammer betr. Eisenbahnbetriebsmittel­gemeinschaft wurde nicht beigetreten, ebenso beharrte die Zweite Kammer auf ihren Beschlüssen betr. Gerichtskosten und Notariatsgebühren. Entgegen dem Beschlüsse des Fi­nanzausschusses wurde ferner bei der Beratung des Gesetzes betr. die zeitliche Versetzung der Beamten der Tierärztlichen Hochschule in den Ruhestand ein Antrag Ströbel (BK) an­genommen, der die Ergänzungszulage den Beamten zuspricht, die am 1. April 1915 das 60. Lebensjahr vollenden, während der Finanzausschuß das 53. Lebensjahr beantragt hatte.

klmina. >

2 ) Roman von Gerhard Büttner.

In den Kronen der Wegbäume lag das letzte Schim­mern des Abendrots. Nachtigallen sangen herrlich in den Büschen, und zitternd verhallten die Töne eines Volksliedes, das Landkinder in der Nähe gesungen hatten.

Die Dämmerungsschatten nahmen gewaltig zu, als die junge Türkin mit Alia Steinkirchen näher gekom­men, dessen altes Dorf ein echtes Fischerdorf war, neben dem aber der nennenswerte Badeort Steinkirchen ge­legen ist, dessen imposanten, neuzeitlichen Villenbauten eine wunderbare Architektur aufweisen, die allerdings international genannt werden muß. Erhebt sich doch hier ein Haus von echtester deutscher Art neben einem Schweizerhäuschen und dort wieder ein solches in schlesi­scher Art.

Als Amina mit ihrer Dienerin das vorgelagerte Fischerdorf durchschritt, leuchtete der Mond bereits blaß­gelb auf den Weg hernieder und malte von den Da­hinschreitenden gewaltige Schatten auf die Dorfstraße. Tot lag das schon. Man sah es diesen Häusern an, daß in ihnen die schlasfordernde Werktätigkeit längst zur Ruhe gekommen war.

Aus dem Badedorf Steinkirchen aber klang in diese stillen Dorfstraßen eine innige Musik herüber, leise, als wollte sie die schlafende Welt noch besser einschlä­fern, diese Menschen tiefer in Traum einwiegen, die zu­meist vor Tagesanbruch munter dem Strande zustreben, ihre Boote flott machen und da draußen in die nimmer­müden Fluten ihre Netze senken.

Schließlich wurde der ganze Gesetzentwurf angenommen und um 142 Uhr die Sitzung auf morgen vertagt.

Stuttgart, 9. Juli. Erste Kammer. Das Haus erledigte heute zunächst eine Reihe von Etatskapiteln und stimmte da­bei beim Kap.Leistungen an das Deutsche Reich" dem Be­schluß des anderen Hauses betr. die Verringerung der Ma- trikularbeiträge zu. Eine längere Debatte entspann sich beim Kap.Einkommensteuer". Finanzminister v. Geßler betonte, daß eine Reichsvermögenssteuer, wie sie vielfach gefordert worden sei, an den Fundamenten der einzelstaatlichen Finanz­hoheit rütteln und ihre politische Selbständigkeit bedrohen würde. Er hoffe, daß auch in Zukunft die verbündeten Re­gierungen sich gegenüber allen Forderungen nach einer solchen Steuer absolut ablehnend verhalten. Das Kapitel wurde un­verändert angenommen, dagegen die Eingabe des Veteranen­bundes um Steuerbefreiung und einen Staatszuschuß zu der Reichsbeihilfe nicht behandelt, da sie nur dem anderen Haus zugegangen ist. Beim Kap.Grund-, Gebäude- und Gewerbe­steuer" brachte Statsrat Frhr. v. Ow-Wachendorf Klagen vor über Härten bei den Zuschlägen für den Hopfenbau, bei der Anlegung von Baumgütern und Waldteilen. Das Kapitel wurde angenommen, dagegen abweichend von dem anderen Haus beschlossen, der Regierung anheimzugeben, dem Land­tag Entwürfe eines Vermarkungs- und eines Vermessungs­gesetzes vorzulegen. Bei einer Reihe weiterer Steuerkapitel wurde den Beschlüssen des anderen Hauses beigetreten, da­gegen abweichend davon beim Kap.Sporteln und Gerichts­kosten" die Eingabe des Mittelschwäbischen Musikverbandes um Abänderung der Tarifnummer 65 II des Sporteltarifs der Regierung zur Kenntnisnahme übergeben. Beim Nachtrag betr. die Forderung von 180 000 Mk. für Notstandsarbeiten für Weingärtner und zur Bekämpfung der Rebschädlinge wurde abweichend von dem Beschluß des anderen Hauses die Regierungsvorlage wieder hergestellt. Nächste Sitz, morgen.

G u st a v - A d o l f - F e st.

ep. Waibingen, 9. Juli. In unserer festlich geschmückten Stadt ist heute nach 40jähriger Pause der Württ. Gustav- Adolfverein wieder eingekehrt zu seiner 70. Hauptversamm­lung. Trotz des frostigen Juliwetters hat das Fest von seiner alten Anziehungskraft nichts eingebüßt; aus allen schwäbischen Gauen sind die Vertreter und Gäste erschienen. Um 1611 Uhr fand in derkleinen Kirche" die Versammlung der Ab­geordneten statt, in der nach Begrüßungsworten des Vor­sitzenden, Hofprediger Or. Hoffmann, der Verteilungsplan be­raten wurde. Von 72 633 Mk., die zur Verteilung stehen, sollen 51 000 an insgesamt 43 württ. Gemeinden, der Rest an auswärtige Diasporagemeinden gegeben werden. Die Ge­samtschuldenlast der württ. Gustav-Adolf-Gemeinden beträgt 361283 Mk. (100 000 Mk. weniger als im Vorjahr). Am Nachmittag schloß sich die öffentliche Hauptversammlung im Vereinshaus an. Nach Begrüßung durch den Vertreter der Stadtgemeinde, Stadtschultheiß Rocker, des Ev. Konsitoriums. des Ev. Bundes usf. überreichte Dekan Herzog-Waiblingen als Festangebinde des Bezirks die stattliche Summe von 11 290' Mk. Eine Reihe weiterer Gaben wurden, z. T. in sinniger: Form von Gruppen festlich geschmückter Kinder gewidmet. Bei der Abstimmung über den sog. Dreiervorschlag siegte die sehr bedürftige Gemeinde Waldsee mit 4 Stimmen über die Mit­bewerberinnen Großdeinbach und Weilderstadt; den letzteren wurde jedoch ein Trostgeld von je Mk. 400: bewilligt. Aus dem Gesamtfestangebinde des Landes im Betrag von -Mk. 21659 sollen 18 000 Mk. für dringende auswärtige Be­dürfnisse verwendet werden. Am Abend fand in der über­füllten Turnhalle eine gesellige Vereinigung statt, bei der Ansprachen mit musikalischen Darbietungen wechselten.

Das Kurhaus, in dem Amina Thomaso mit Alia und ihrem kleinen Töchterchen Eiovanna-Refia Quartier be­zogen hatte, lag noch etwas seitab des eigentlichen Bade­dorfes Steinkirchen auf waldiger Höhe mit herrlichem Ausblick auf das Meer.

Als sie die Treppen zur Veranda des Kurhauses emporstiegen, kam ihnen ein junges deutsches Mädchen entgegen. Es machte einen tiefen Knix und sagte: Eiovanna schläft schon seit 2 Stunden. Ich war bis jetzt bei ihr im Zimmer und habe bei ihr gewacht. Ein Brief ist für die Herrin vor vielen Stunden abgegeben worden, er liegt oben im Zimmer. Wenn ich nichts mehr tun kann, möchte ich jetzt heimgehen. Soll ich morgen wiederkommen?"

Amina nickte. Sie hatte zwar nur wenig von der Rede des Mädchens verstehen können, aber doch das wesentlichste. Sie gab noch dem Mädchen die Hand, sagte ihr, daß sie mit Morgenerwachen wiederkommen solle und stieg sodann eilfertigst die Treppen hinan zu ihren im 2. Stock gelegenen zwei Zimmern, neben denen das von Alia lag, die lautlos in das ihre schlüpfte.

Als Amina das elektrische Licht aufgedreht hatte, trat sie zuerst ins Schlafzimmer zu ihrem in den weiten Betten ruhenden Kinde. Sanft beugte sie sich über die kleine Eiovanna-Refia und betrachtete still die Züge der Schlummernden.

Wie sie ihm gleich sieht," sprach sie vor sich hin und fast wollte eine kleine Träne sich in die Augen­winkel der Mutter drängen. Doch der Gedanke an alles erlebte Leid der letzten Monate bannte die Weich­heit in der Erinnerung an Viktor Tomaso, ihren Gat­ten, und still drückte sie nur einen zärtlichen Mutter­kuß auf die Wangen der Kleinen.

Freudenstadt, 9. Juli. Der Württ. Kranken­kassenverband wird am 15. September hier seine diesjährige Landesversammlung abhalten.

Gmünd, 9. Jul. Ein im Ausland lebender Gmünder, der bereits im vorigen Jahr seine 1852 geborenen Altersgenoffen zu ihrem Mer Fest mit 500 Mark erfreute, spendete kürzlich wiederum 1000 Mark mit der Bestimmung, bedürftige Alters­genossen zu unterstützen. Der Spender will nicht genannt sein.

Eültlingen, 9. Juli. Am Sonntag feierten die Eheleute Johann Georg Müller und Anna Maria geb. Schimpf das Fest der goldenen Hochzeit. Sie erhielten als Geschenke eine Jubiläumsbibel und vom König eine Eoldbronceplakette mit Widmung und dem Bilde des Königs, sowie verschiedene Geld­geschenke.

Friedrichshafen, 9. Juli. Von den 19 bis jetzt vollen­deten Luftschiffen sind 2 wegen veralteter Bauart ausein­andergenommen worden. 8 sind elementaren Katastrophen zum Opfer gefallen »der verbrannt, 9 sind noch im Dienst. Be­merkenswert ist, daß von den ersten 10 Luftschiffen nur noch eines im Dienst steht, der Z. 2, von den 9 weiteren Luft­schiffen dagegen nur eins verunglückt ist. Mit der Neber- führung des Militär-Ersatz-Luftschiffes L.Z. 1 von Frank­furt nach Königsberg befinden sich, abgesehen von dem Marine-Luftschiff L. Z. 1 in Johannisthal, nunmehr vier Zeppelin-Luftschiffe im militärischen Dienst: L. Z. 1 in Kö­nigsberg, L. Z. 2 in Köln, L. Z. 3 in Metz und L. Z. 4 in Gotha. Inzwischen ist noch ein fünftes Militär-Luftschiff, der künftige L. Z. 5, auf der Friedrichshafener Werst nahezu fertiggestellt, so daß die Versuchs- und Abnahmefahrten dem­nächst beginnen können. Der Verkehrs-Luftschiffahrt mit Zeppelin-Luftschiffen dienen augenblicklich folgende mit Hal­len ausgestattete Flugstützpunkte: Friedrichshafen, Baden- Baden, Frankfurt a. M., Düsseldorf, Hamburg, Potsdam, Go­tha und Leipzig. Die Halle in Dresden wird voraussichtlich im August fertig, die für Braunschweig im Frühjahr 1911. Außerdem schweben noch Verhandlungen bezüglich der Errich­tung von Hallen für Zeppelin-Luftschiffe in Bremen und Emden, und endlich bestehen Pläne, die noch keine feste Form angenommen haben, in Stuttgart und München. Das künftige Netz feststehender Luftschifflinien wird so aussehen: Eine mitteldeutsche Linier Frankfurt-Braunschweig-Potsdam, eine Südwestlinie: Friedrichshafen-Baden-Baden-Frankfurt-Düs- seldorf, eine Süd-Nord-Linie:. Friedrichshafen-Stuttgart-Go- tha-Leipzig-Potsdam-Hamburg, eine Süd-Nordwestlinie: Friedrichshafen- Stuttgart-Gotha-Braunschweig-Bremen-Em- den-Dover, und eine West-Nord-Linie: Düsseldorf-Braun- schweig-Potsdam.

Aus Wett und Zeit.

Karlsruhe, 9. Juli. Aus Anlaß des heutigen 56. Geburtstages des Eroßherzoges fand gestern neben den üblichen militärischen Feiern ein von über 10000 Personen besuchtes Bankett der Bürger­schaft im Stadtgarten statt. Nach Beendigung des Festgottesdienstes in den Kirchen der Stadt war auf dem Schloßplatz Parade der gesamten Garnison. Nachmittags folgte ein Festessen der Bürgerschaft und der höheren Beamten und Offiziere im Museum.

Leipzig, 9. Juli. Der Königliche Baurat Otto Enke, Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes für das deutsche Bau­dewerbe, ist in Leipzig plötzlich gestorben.

Dann trat sie in das Wohngemach. Als sie sich über den Diplomatenschreibtisch vor dem offenen Fen­ster des Zimmers beugte, fiel ihr der Brief auf, den die junge Wärterin Eiovanna-Refias erwähnt hatte. Er trug den Stempel ihrer Heimat und die Schrift­züge ihres Bruders, des einzigen, der um ihre Adresse wußte. Ohne Grund zitterten ihre schlanken Hände ein wenig, als sie das Billet öffnete. Und sie las:

Durazzo, den 21. August.

Teuerste Schwester!

Dein Lebenszeichen aus Berlin ist nun endlich ge­stern heiß erwartet hier eingetroffen,' es kam gerade noch zurecht, daß unsere teure Mutter einen letzten in­nigen Gruß von Dir mit hinüber nehmen konnte in jene Welt, auf die wir Menschenkinder ein langes Leben lang hoffen dürfen. Allah mit ihr! Unsere Mutter Lalla el Alia hat ihre Pilgerreise dorthin angetreten, wo unser Vater Mulay Omar, so Muhammed gnädig ist, seit 11 Jahren weilt. Weine nicht, liebste Schwe­ster. Mutter schied von uns mit einem segnenden Kuß und hat mich für Dich und Deines Kindes Glück als Hüter bestellt. Sie segnet Dich und meine Fürsorge für Dich, der ich Dir hiermit gelobe, daß ich Dich nie untergehen lassen werde. Allah ist groß, und so der Prophet will, wird er mir kund tun, in welcher Art ich Dir und Deiner Zukunft dienstbar sein kann. Er­hole Dich im fernen Norden, laß Dein Gemüt zur Ruhe kommen. Vergiß Viktor Thomaso, lebe Deinem Kinde und liebe es als das Deine, das ein Vaterland in Deiner Heimat finden wird, sobald Du zurückkehrst. Salem! Dein Bruder Kadir Ahmed."