Berlin, 9. Juli. Ein Automobil einer Vergasergesellschaft hatte gestern nachmittag auf der Hamburger Chaussee eine Probefahrt unternomen und war bereits auf dem Heimweg begriffen, als ihm in einem Dorfe ein mit Kartoffeln beladenes Fahrzeug entgegenkam. Der Chauffeur Kamaike wollte mehreren Kindern, die von dem Kartoffelwagen absprangen und vor dem Kraftwagen vorbei auf die andere Seite dex Straße sprangen, ausweichen und ritz das Steuer herum. Das Auto flog mit voller Wucht gegen einen Chausseebaum und wurde fast völlig zertrümmert. Kamaike und sein Begleiter, ein Werkmeister, flogen aus dem Wagen auf die Straße und blieben besinnungslos liegen. Eines der Kinder geriet unter das Auto und wurde überfahren. Ein sofort herbeigerufener Arzt konnte bei dem Chauffeur und dem Kinde nur noch den Tod feststellen. Der Werkmeister wurde mit schweren inneren Verletzungen in ein Berliner Krankenhaus geschafft.
Saarlouis, 9. Juli. Bei einer Pionierübung, die zurzeit hier von Mannschaften des 30. Infanterie-Regiments veranstaltet wird, schlug ein Pontonfloß auf der Saar um, auf dem sich 22 Soldaten befanden. Diese stürzten ins Wasser, konnten aber bis auf einen, der ertrank, gerettet werden.
Eichstätt, 9. Juli. Der Reichstagsabgeordnete Domkapitular Kohl (Z.) ist heute nach längerem Leiden gestorben.
Mailand, 9. Juli. Furchtbare Gewitter und Hagel haben im oberitalienischen Seengebiete großen Schaden angerichtet. Bei Varese, Erba und Bergam fiel der Hagel 28 Zentimeter hoch. Die Temperatur ist unter 10 Grad Celsius gesunken.
Paris, 9. Juli. Nach dem hiesigen Newyork Herald wird aus Santi Quaranta im Epirus gemeldet, daß die durch den tragischen Tod ihrer Kinder schwer heimgesuchte Tänzerin Jsadora Duncan sich in Santi Quaranta niedergelassen habe und daselbst einer Anzahl Landleuten, deren Anwesen während des letzten Krieges zerstört wurden, eine Zufluchtsstätte und für deren Kinder eine Schule errichtet habe, in der eine griechische Lehrerin Unterricht erteilt.
London, 9. Juli. Das Unterhaus hat das Gesetz betreffend die Trennung der Kirche vom Staat in Wales in 3. Lesung angenommen. Das Oberhaus wird die Bill zweifellos von neuem ablehnen.
Serichtssaal.
Stuttgart, 8. Juli. Der verheiratete Eugen Büttner stand heute vor dem Schöffengericht unter der Anklage des Betrugs. Er wollte an einem Sonntag morgen mit seinem 5 Jahre alten Kind durch die Bahnsteigsperre zur Fahrt nach Ulm, ohne aber für das Zahlungspflichtige Kind eine Fahrkarte gelöst zu haben. Der Vahnsteigschaffner wies ihn deshalb zurück. Anstatt nun eine Kinderfahrkarte nach Ulm zu lösen, ging der Angeklagte mit seinem Kind zu einem anderen Sperreneingang und sagte dort, das Kind sei noch nicht 4 Jahre alt, worauf er unbeanstandet den Zug besteigen konnte. Der erste Bahnsteigschaffner bemerkte aber das betrügerische Vorgehen Büttners und machte den diensttuenden Beamten auf den Betrug aufmerksam. Büttner und das Kind wurden wieder aus dem Zuge herausgeholt und nun erklärte er auf wiederholten Vorhalt, das Kind sei bestimmt noch nicht 4 Jahre alt, ob es aber Martha oder Emma heiße,
Heiße Tränen stürzten aus Aminas Augen. Sie nahm den Brief und küßte ihn ein über das andere Mal und sodann rief sie Alia, um ihr alles mitzuteilen.
Fast schlaftrunken trat Alia ins Zimmer. Ihre Garderobe war die notdürftigste, die in einem Kurhotel möglich war, und die Laune der Dienerin schien süßen, nächtlichen Träumen geneigter zu sein, als den Mitteilungen, die ihr Amina machte. Indem Alia kaum die Augen aufmachen konnte, sagte sie, nachdem sie notdürftig erfaßt hatte, wovon ihre Herrin sprach, einmal um das andere: „Das ist nicht wahr! Eure Mutter, Herrin, war stark und fröhlich! Hundert Jahre wird sie alt werden. Von Tod kann keine Rede sein. Der Brief ist unecht.
Amina nahm immer wieder den Brief zur Hand, las ihn, prüfte die Schrift und konnte nur immer wieder sagen: „Mein Bruder Kadir hat ihn geschrieben und er hat keinen Grund zu lügen." Und dann weinte sie jedesmal erneut. Doch Alia schimpfte auf der Herrin Tränen und blieb mit aller Energie dabei, daß es mit dem Brief nicht richtig sein könnte, und daß ihrer Herrin Mutter noch auf jeden Fall lebe. „Es möge mit dem Briefe eine Bewandtnis haben, gleichgültig welcher Art, er stimme auf keinen Fall mit den Tatsachen überein; denn eine so kräftige Frau, wie Frau Lala el Alia könne nicht so rasch sterben!" meinte sie. Und dabei bueb sie trotz aller Tränen Aminas, des Briefes und aller Reden ihrer Herrin.
?uf dem Kurhaus schienen ein paar Gäste, die scheinbar in dem Dorfe selber ihr Quartier aufgeschlagen hatten, aufzubrechen. Wenigstens drangen ermge Frauen- und Männerstimmen durch die Stille
wisse er nicht, da er sich unter seinen zwei Kindern nicht auskenne (!). Nachforschungen ergaben, daß das mitgenommene Kind 5 Jahre alt ist und das Gericht verurteilte deshalb den Büttner wegen eines Vergehens des vollendeten Betrugs zu einer Gefängnisstrafe von 1 Monat. In der Begründung wurde ausgeführt, daß hauptsächlich auf dem Lande die Meinung verbreitet sei, man dürfe den Eisenbahnfiskus auf jede Weise betrügen. Ein derartiges Verhalten sei ehrlos und gemein, aber es komme so häufig vor, daß man ruhig von einer Unsitte sprechen könne, an der kein anständiger Mensch sich beteilige.
Stuttgart, 9. Juli. Wegen eines Hundediebstahls hatte das Schöffengericht vor einiger Zeit gegen die Diebesgesellschaft Rauleder und Genossen auf Freisprechung erkannt. Der Amtsanwalt hatte aber gegen dieses Urteil Berufung eingelegt und die Strafkammer verurteilte heute den Haupttäter Rauleder wegen Diebstahls zu einem Monat Gefängnis, während der Mitangeklagte auch hier freigesprochen wurde. Rauleder hätte für seinen Dienstherrn einen Hund kaufen sollen, zog es aber vor, einen solchen zu stehlen. Aber auch den gestohlenen Hund brachte er nicht seinem Herrn zu, sondern schlachtete ihn und das gebratene Fleisch wurde im Freundeskreise verzehrt. Der Braten kostet ihn nun einen Monat Gefängnis.
Landwirtschaft und Märkte.
Calw, 9. Juli. Auf dem heute stattgefundenen Vieh- und Cchweinemarkt waren zugeführt: 19 Pferde, 436 Stück Rindvieh. Verkauft wurden: 48 Stück Ochsen und Stiere zu 679—1002 Mark per Paar, 78 Kühe zu 264-601 Mark das Stück, 74 Kalbeln und Jungvieh 184—512 Mark, 8 Stück Kälber 72—78 Mark. Handel lebhaft, besonders in Fettvieh. Milchschweine aalten 40—67 Mark, Läuferschweine 70 bis 142 Mark das Paar. Es wurde alles umgesetzt.
Pforzheim, 9. Juli. Der heutige Schweinemarkt war befahren mit 19 Ferkeln. Verkauft wurden 10. Preis: 52 bis 54 Mk. das Paar.
Dornstetten OA. Freudenstadt, 8. Juli. Auf den heutigen Viehmarkt kamen 43 Paar Stiere, 87 Kühe und Kalbinnen und 74 Stück Jungvieh. Der Handel in Stieren ging bei hohen Preisen lebhaft, mit anderem Vieh jedoch nur schleppend. Auf den Schweinemarkt kamen 145 Milchschweine und 19 Läufer. Hier gina der Handel ebenfalls lebhaft, beinahe der ganze Vorrat wurde verkauft. Läufer kosteten 65—80 Mark, Milchschweine 45—63 Mark je per Paar.
Stuttgart, 8. Juli. Schlachtviehmarkt. Zu- getrieben: Großvieh 236, Kälber 427, Schweine 880. Ochsen 1. Kl. 99—104 Mark, Bullen 1. Kl. 88 bis 90 Mark, Bullen 2. Kl. 83—87 Mark, Stiere 1. Kl. 102—105 Mark, Stiere 2. Kl. 99-102 Mark, Jungrind der 3. Kl. 95—99 Mark, Kälber 1. Kl. 106 b. 111 Mark, Kälber 2. Kl. 98—105 Mark, Kälber 3. Kl. 85—95 Mark, Schweine 1. Kl. 77-78 Mark, Schweine 2. Kl. 74—76 Mark, Schweine 3. Kl. Verlauf des Marktes: mäßig belebt.
WaMngen, 8. Juli. Dem heutigen Viehmarkt wurden 3 Farren, 160 Ochsen und Stiere, 50 Kühe und 155 Kal
binnen und Rinder zugeführt. Der Verkauf gestaltete sich lebhaft und wurden, insbesondere beim Fettvieh hohe Preise erzielt. Im einzelnen betrugen die Erlöse für Farren 200 bis 400 für Ochsen und Stiere 550—700 für Kühe 400—700 für Kalbinnen und Rinder 250—650 je per Stück. Die Zufuhr auf dem Schweinemarkt betrug 46 Läuferschweine und 142 Milchschweine. Erlöst wurden für elftere 35—70 für letztere 25—50 je per Stück.
Ludwigsburg, 8. Juli. Schweinemarkt. Zufuhr 22 Läuferschweine, 146 Milchschweine; verkauft 18 Läuferschweine, 132 Milchschweine. Preis für ein Läuferschwein 40—80 für ein Milchschwein 18—33 Die Zufuhr von Milchschweinen war heute eine mittlere, von Läuferschweinen eine schwache. Der Verkauf ging heute in beiden Gattungen anfänglich etwas schleppend, später aber bei anziehenden Preisen besser von statten; alles feuchenfrei.
Heuchlerische Räuber im Meer.
Von Dr. Konrad Euenther.
K.-ll. Im Meere spielt sich der Kamps ums Dasein in ganz besonders unerbittlicher Form ab, da frißt überall der Größere den Kleineren und fast alles nährt sich von Tieren, da ja hier kein solcher Pflanzenreichtum entwickelt ist, wie auf dem Lande. Gar viele der sich in buntem Gewimmel durcheinanderwindenden Meertiere haben deshalb zu ihrem Körper den Instinkt erhalten, sich so zu benehmen, daß man nicht auf sie aufmerksam wird. Unter diesen „Heuchlern" wären zunächst einige Fische zu nennen. Die Schollen haben auf der einen Seite des Körpers eine Farbe, die dem Meeresgründe entspricht. Meistens graben sie sich dabei noch etwas in den Sand ein, und nur die beiden Augen glotzen hervor, um nach Beute zu spähen. Eine andere Fifchart, die Seekröten, erinnert in ihrer Gestalt an Steine; noch merkwürdiger als diese unsichtbaren Lauerer ist aber der „Angler". Dieser große Fisch hat seinen schollenartig flachen Körper im Sande vergraben; aus seinem Kopfe aber wächst eine lange Rute hervor, die mit einem Fähnchen endet. Dieses wird stetig hin- und herbewegt, ein leichtsinniges Fisch- chen schwimmt herbei und will nach der scheinbaren Beute schnappen, da plötzlich öffnet sich unter ihm im Sande ein riesiges Maul, das Fischchen wird erschnappt, und bald liegt der Räuber wieder im Sande und läßt von neuem seinen Köder spielen.
Während die Tiere des Meeresgrundes sich durch Verstellen oder dadurch, daß ihr Körpe die Gestalt lebloser Dinge annimmt, unsichtbar machen, haben die Wesen, welche niemals den Grund berühren, nichts, wo sie sich verbergen können. Nur das kristallklare Wasser amspült sie. Die einzige Möglichkeit ist, die Gestalt oieses Mediums anzunehmen. Und das tun manche oenn auch wirklich. Unter dem Geschlecht der Quallen gibt es zahlreiche Arten, die genau so durchsichtig sind, wie das Wasser. Bringt man sie in ein Glas, so gewahrt man zuerst nichts von ihnen, und glaubt, das Glas enthalte nur Wasser. Erst allmählich und bei besonderem Lichteinfall entdeckt man die Umrisse der wunderbaren Wesen. Nimmt man sie aus dem Wasser heraus, so laufen sie auseinander, wie Gallerte. Und doch sind die zarten Tiere gar gefährliche Räuber. Jedes Fischchen, oas in ihre Nähe kommt, wird von ihren Fühlfäden berührt, und gelähmt sinkt es zur Seite, denn der Körper der Qualle steckt voll winziger Nestel- organe, die sich bei der leisesten Berührung entladen und das Opfer betäuben. Und nun wird dieses dem Munde zugeführt und man sieht durch den glasklaren Körper hindurch, wie das Fischchen in ihn tiefer und tiefer hineindringt. _
Für die Schriftleitung verantwortlich: Paul Kirchner. Druck und Verlag der A. Oelschläger'schen Buchdruckerei.
der Nacht. Nach einer Weile verstummten diese und dann klang ein mehrstimmiger Gesang an das Ohr der türkischen Frauen, ein Lied im deutschen Volkstone, wie sie ähnliche hier schon' bei Tage mehr vernommen hatten. In vollen Tönen kam es daher, das Lied: „Wer hat dich, du schöner Wald, aufgebaut so hoch da droben? Wohl den Meister will ich loben, so lang noch mein Stimm erschallt ... Lebe wohl, lebe w .. o.. h .. l, d..u schö..ner Wald!"
Amina war an's Fenster getreten.
Von hier aus konnte sie beim Mondesschein den Wald, das nahe Meer und den Kurpark überschauen. O, wie die schwarzen Wipfel gen Himmel ragten, wie endlos und stahlblau im Mondesglanz des Meeres Fluten vor ihr sich majestätisch ausbreiteten.
Sie ließ ein wenig Nachtluft um ihre Schläfen ziehen. Wie wohltuend kühl sie war und so würzig rein. Begierig zog sie mit vollen Zügen die Nachtluft ein. Dann trat sie vom Fenster zurück und schloß die Fensterflügel. Aber noch hatte sie dieselben nicht ganz geschlossen, als von unten herauf im italienischen Akzent eine Männerstimme rief: „Schlaft wohl, Signora und träumt süß, Venedig läßt grüßen!" . . . Amina ließ das Fenster fahren und eilte tief in das Innere des Zimmers, während Alia schnell hinzusprang und die Flügel fest verschloß, wonach sie sich sehr um ihre Herrin bekümmerte.
„Man muß mich gesucht haben, Alia," rief Amina, „und hat mich gefunden. Alia, ich fürchte mich!" Und dann warf sie sich auf den Rand des Bettes, in welchem Eiovanna-Refia ruhte, und schluchzte unaufhaltsam, als stände sie vor ihrem Todesweg.
Besorgt saß Alia neben ihr. Soviel Trostesworte sie ihrer Herrin auch spendete,sie konnte Amina nicht ganz beruhigen, und brachte es nach mehreren Stunden nur soweit, daß Amina unter der Bedingung das Lager aufsuchte, daß Alia so lange neben ihr wachte, bis der Schlaf sie nicht länger dieses Amtes warten ließ.
Alia nickte zusagend.
So suchte denn Amina ihr Lager auf, das neben der kleinen Eiovanna-Refia gebettet war. Alia setzte sich neben den Rand des Bettes und meinte, indem sie zärtlich der Herrin Kissen glättete: „Schlaft wohl, träumt etwas Schönes. Die schönsten Träume sind immer die, welche in der Heimat ihren Grund haben und mit dem Leben selber eng verwandt sind. Schlaft wohl!"
„Das möchte ich," sagte Amina, „aber ich kann doch noch keinen Schlummer finden. Dieser Abend hat mich so ängstlich und aufgeregt gemacht, und ich muß immerfort an den Brief und an den italienischen Gutenachtgruß denken. Wer kann dieser Italiener sein? Ob er mich kennt? Ob er ein Fremder ist, der eine Annäherung auf diese Art versucht? — Ist Mutter tot, Alia?!" Und wieder weinte Amina.
Bekümmert sah die Dienerin die Tränen der Herrin. Helfen konnte sie der jungen Frau jetzt nicht. So wartete sie denn still, bis sich Amina wieder beruhigte und dann ermattet in die Kisten zurücksank und entschlief. Ein seliger Frieden lag auf dem Antlitze der Schlummernden und regelmäßig hob sich in schweren Atemzügen der Schönen Brust.
Alia erhob sich und löschte das elektrische Licht in beiden Gemächern.
(Fortsetzung folgt.)