Die Vereidigung des Reichs- Präsidenten.

Weimar, 21. August.

Ein feiner Sprühregen ging nieder, als heute nach­mittag 5 Uhr Reichspräsident Ebert im Kraftwagen wagen zur Vereidigung vor dem früheren Hoftheater anfuhr. Trotz des unfreundlichen Wetters hatte sich eine große Zuschauermenge eingefunden, die durch ein starkes Aufgebot von Schutzleuten in respektvoller Ent­fernung gehalten wurde. Am Theater hatte eine Ehren­kompagnie der Landesjäger mit Musik Aufstellung ge­nommen. Als der Wagen herannahte, stimmte die Ka­pelle das Jägerlied an:Ich schieß den Hirsch im «wilden Forst'". Am Eingang hießen die Vizepräsidenten und die Schriftführer den Reichspräsidenten willkommen unk geleiteten ihn in das Haus, wo Präsident Fehren­bach ihn erwartete und zum Sitzungssaal führte. Die Bühne war mit Blumen und den schwarz-rot-goldneri Farben geschmückt. Als die Präsidenten den Saal be­traten, wurde auf der Orgel eine Kantate von Bach gespielt. Die Mitglieder aller Fraktionen mit Aus­nahme der Deutsch-Nationalen und der Unabhängigen waren im Saal versammelt. Die Regierungsmitglie- der hatten auf der Bühne Platz genommen.

Als die Orgelklänge entschwebt waren, trat Präsi­dent Fehrenbach vor und forderte, während die übri­gen Anwesenden sich von den Sitzen erhoben, den Reichs­präsidenten auf, gemäß Artikel 42 der Reichsversassung den Eid auf die Verfassung zu leisten. Die Urkunde mit Her Eidesformel wurde dem Reichspräsidenten übergeben, woraus dieser die Formel verlas. Hierauf richtete Prä- irenbach an den Reichspräsidenten folgende

Ansprache: :

Herr Präsident! Durch die Leistung des Eides auf die Verfassung sind Sie dein deutschen Volk verpflichtet worden, das durch seine berufenen Vertreter Sie an die Spitze der deutschen Republik berufen hat. Nameüs des deutschen Volks beglückwünsche ich Sie und spreche die Ueberzeugung aus, daß Sie das neue Amt mit Wrem tzanzen Herzen erfüllen werden. Sie sind aus dem Volk hervorgegangen. Wir beide, die heute bei diesem denk­würdigen Vorgang einander gegenüberstehen, bekennen ^ mit vollem Gedenken an unsere Heimgegangenen El­stern: Unsere bescheidene Heimat steht im Badener- Land am Fuße des Odenwalds und an den Höhen des Schwarzwalds, der unsere Kindheit beschirmte. Sie werden ein treuer Freund des arbeitenden Volks ssein, dem Sie Ihre Lebensarbeit gewidmet haben. Sie werden auch immer ein Hort des Vaterlands sein, dem Sie nach besten Kräften zu dienen suchen, wie Sie im fürchterlichen Krieg das schmerzlichste Opfer gebracht haben, da von dm vier Söhnen, die Sie unter Idie Fahnen stellten, zwei nicht mehr ins Vaterhaus zurück- gekehrt sind. Es ist ein dornenvolles Amt, das m Her schwersten Zeit des Vaterlands auf Ihre Schultern gelegt worden ist: aber mit rubiaem Gewissen können Sie iede Schuld und Verantwortung an der trostlosen Lage des Reichs ablehnen. Sie suchten Fortschritt, Freiheit und soziale Maßnahmen nur in ruhiger Entwicklung zu er­reichen; aber die politischen Vorgänge wirkten unabwend­bar und unbezwinglich. Auch' bei einem anderen Aus­gang des Kriegs wäre bei den ungeheuren Opfern des Kriegs das kaiserliche Deutschland nicht mehr dasselbe geblieben. Aber mit seiner Niederlage waren auch die Würfel über Sta atsform und Dynastie ge­fallen. Das sollten auch jetzt diejenigen anerkennen, 'die dm alten Einrichtungen im Herzen die Liebe bewahren. Möge es Ihnen, Herr Präsident, beschieden sein, das /ganze deutsche Volk wieder zu einigen, es zu vaterländi­scher Gesinnung zurückzusühren, zur Ordnung, zur Ar- beu/*anb um ihm die Wege zu weisen zu langsamem, aber sicherem Aufstieg unseres geliebten Vaterlandes.

Reichspräsident Ebert

erwidert: Ich danke Ihnen, Herr Präsident, von ganzem Herzen für Ihre Worte und Gedenken, als auch' im be­sonderen dafür, daß Sie Ihre warmen Worte in Erin­nerung an unsere gemeinsame enge Heimat ausklingen Ließen. Meine Damen und Herren, die Sie alle Gaus ,Deutschlands vertreten, das muß uns bleiben, wenn wir unser Vaterland auf Her Grundlage wieder aufbauen jvollen, die unvergänglich und unzerstörbar sein soll: Vnnige Liebe zur Heimat, zum Volksstamm, aus onn jeder Einzelne gesprossen ist, und dazu soll kommen jbie peinliche Arbeit am Ganzen, das Sie ein- ßtellen auf die Notwendigkeiten des Reichs. In diesem Sinne lassen Sie mich zu meinem Teile der Verfassung ^dienen, sie vertiefen und schützen. Das Wesen unserer ^ Verfassung soll vor allem Freiheit sein, Freiheit jfüir alle; Volksgenossen; aber jede Freiheit, an der 'mehrere beteiligt sind, muß eine Satzung haben. Diese haben Sie nun festgestellt. Wir alle müssen und werden sie gemeinsam festhalten. Aus Ihrem Vertrauen heraus bin ich an die erste Stelle des Deutschen Reichs ge­stellt worden. In Ihre Hand habe ich das Gelöbnis gelegt, die von Ihnen für das deutsche Volk geschaffene Verfassung zu wahren. Ihr Vertrauen wird mir die Kraft geben, immer der Erste zu sein, wenn es !gilt, Bekenntnis und Zeugnis abzulegen für den neuen Lebens­grundsatz des deutschen Volks: Freiheit und Recht.

Präsident Fehrenbach bestieg darauf das Podium und führte u. a. aus: Mit der Vereidigung des (Reichs­präsidenten hat auch die Stunde des

Abschieds von Weimar

geschlagen. Das Werk des Friedens, der neuen Ver­fassung und manches andere Werk haben wir hier ge­schaffen. Als Zeichen unseres. Dankes für die Gastfreund­

schaft haben wir beschlossen, für das Nationaltheäter ÜW den Schillerbund einen einmaligen Zuschuß von 800006 Mark zu bewilligen. Unsere Hauptaufgabe als verfas­sunggebende Nationalversammlung haben wir erfüllt und eine umfassende Steuergesetzgebung ist eingeleitet. Ms Grundlagen einer gesicherten Wirtschaft find gelegt, allerdings Grundlagen in bescheidenem Ausmaße Wir bauen auf die Einsicht, den Opferwillen und dis vaterländische Liebe unseres gesamten Volks. Die Na­tionalversammlung darf sich vor Gott und der Geschichte das Zeugnis ausstellen, daß sie in unermüdlicher Arbeit, in einer für die Parlamentsgeschichte kaum erlebten Kvcrft- anspannung eine Arbeit geleistet hat, wie sie wohl selten geleistet worden ist. Die Sache des deutschen Volks wird es jetzt sein, den Willen zum Leben durch Wahrungvon Ruhe und Ordnung, durch unermüdliche Arbeit, durch treues Zusammenhalten an unserer neugeschaffenen staat­lichen Ordnung zu betätigen. In den Händen des Volks liegt unser Schicksal, ob wir zugrunde gehen oder leben wollen, ob wir, wenn auch langsam, aus vielen Opfern zu neuem staatlichen Gedeihen auferstehen. Wir glau­ben an das deutsche Volk.

Zur Geschäftsordnung erhält das Wort der Abge­ordnete von Payer, der dem Präsidenten den Dank des Hauses ausspricht. Präsident Fehrenbach dankt« darauf und gedachte auch der treuen und unermüdlichen Arbeit der Beamten und Angestellten des Hauses. Nach der Feierlichkeit versammelten sich Abgeordnete, Min»' ster usw. auf der Altane des Nationaltheaters. In­mitten des Präsidiums der Nationalversammlung trat der Reichspräsident an die Brüstung des Altans und hielt an die Volksmenge eine Ansprache, in der er u. a. sagte:

Weimarer! Ich werde diesen Tag nie vergessen, an dem ich als erster auf die neue Verfassung vereidigt und verpflichtet bin. Vor uns steht das Wahrzeichen Wei­mars, das Doppelstandbild der Weimarer Größen. Für uns aber gilt auch jetzt noch das Wort eines anderen deutschen Mannes, für das er in der Frankfurter Pauls­kirche gefochten hat, für das gute deutsche Recht. Für uns gilt das Wort Ludwig Uhlands: das gute alte Recht soll Allgemeingut der Deutschen sein und bleiben für immer. In diesem Sinne wiederhole ich' erneut vor Euch den Schwur, den Schwur der Treue zum Volks­recht. Möge es klingen von hier aus, dem Herzen des deutschen Vaterlandes, in alle Städte und Dörfer, in alle Fabriken und Betriebe: Unser geliebtes deutsches Volk, es lebe hoch!

In den Hochruf stimmte dst Menge brausend ein. Die Musik spielteDeutschland, Deutschland über alles", dessen ersten Vers die Menge mitsang.

Die Vereidigung der Reichsminister.

Nach der Vereidigung des Reichspräsidenten durch die Nationalversammlung versammelten sich die Reichs­minister beim Reichspräsidenten, der sie mit folgenden Worten empfing:

Nachdem die Verfassung in Kraft getreten und di« Vereidigung des Reichspräsidenten auf sie stattgefunden hat, haben ge mäß A rt. 176 der Verfassung auch alle Beamten des Reichs den EL' auf sie' abzulegen. Ms die ersten Beamten des Reichs bitte ich Sie, in dieser Ehrenpflicht voranzugehen und die Ablegung dieses Eides hier vorzunehmen, indem Sie mir nachsprechen: ,^Fch schwöre Treue der Verfassung. Gehorsam den Gesetze» und gewissenhafte Erfüllung meiner Amtspflichten." Nach der Eidesleistung der Reichsminister hielt der Reichs­präsident folgende Ansprache:Meine Herren Amts­genossen! Nachdem wir nunmehr alle den Eid auf die vom deutschen Volk gewollte und geschaffene Verfassung das Grundgesetz des neuen Reichs, geleistet und damit die förmliche und offizielle Bindung all unseres Tuns und Lassens an dieses Grundgesetz hergestellt haben, wol­len wir uns noch gegenseitig geloben, in treuer und un­ermüdlicher Pflichterfüllung nach bestem Wissen und Ge­wissen alle unsere Kräfte in den Dienst des Reichs, un­seres geliebten, jetzt so unglücklichen Vaterlands zu stel­len. Wir wollen alles tun, auf daß aus dem Willen des deutschen Volks, das sich diese Verfassung gegeben hat, und aus der treuen Pflichterfüllung aller seiner amtlichen Organe die junge Republik emporwachse zu einer starken friedlichen Zukunft.""

Neues vom Tage.

Der Aufstand in Oberschlesien.

Beuchen, 22. Aug. Im Abschnitt Myslowitz herrschte gestern Ruhe. In der Stadt wurden vier Auf­rührer standrechtlich erschossen. Südlich rücken die deut­schen Truppen vor. Im Abschnitt Beuthen wurden bei den Haussuchungen sehr viele Waffen entdeckt. Mehrer« tausend polnische Abzeichen (weißer Adler) in Blech, die von einer Berliner Firma (!) hergestellt waren, 200 polnische Fähnchen, sowie große Mengen von Waf­fen und Munition fand man bei dem Schlossermeister Poyda in Beuthen, der flüchtig ist. Seine Frau wurde verhaftet. . r

Wilson lüftet die Maske.

Amsterdam, 22. Äug. (Pressebureau Radio.) Newyork Sun"" greift Wilson an, weil er auf eurer Konferenz mit Mc. Cumber im Weißen Hause erklärt habe, seiner Ansicht nach wäre es zum Krieg zwischen Amerika und Deutschland gekommm, auch wenn Deutschland keine Kriegs- oder ungesetz­lichen Handlungen gegen Amerikaner be­gangen hätte. Das Blatt fragt unter dem Hin­weis auf die von dem Präsidenten vor dem Eintritt Amerikas in den Krieg gehaltenen Reden, was Wilson mit dieser Erklärung sagen wolle.

Die neue Verfassung im besetzten Gebiet ungültig.

Köln, 22. Aug. Der britische Militärgouverneur gibt bekannt, daß, solange die britische Militärbehörde die Kontrolle über das von den britischen Truppen be­setzte Gebiet ausübt, keine Aenderung in der deutschen Verfassung dieses Gebiets erlaubt wird und daß keine neue Autorität ohne vorherige Genehmigung der briti­schen Militärbehörde anerkannt wird.

Kongreß der Erwerbslosen.

Hamburg, 22. Aug. Im Kurio-Haus wurde heute der Reichs-Kongreß der Erwerbslosen in Anwesenheit von etwa 80 Beauftragten der Erwerbsloseuräte und Ausschüsse eröffnet. Ein Journalist Grünbaum, der ohne beglaubigten Ausweis betroffen wurde, wurde ausge­wiesen.

Bon der Friedenskonferenz.

St. Germain, 22. Aug. Die österreichische Regie­rung hat gegen die Verhaftung von 400 Deutschen in Laibach durch die Südslawen beim Obersten Rat Be­schwerde eingelegt. (Die Südslawen arbeiten also nach dem gleichen Plan wie die Polen in Oberschlesien, sodaß man meinen könnte, er sei beiden von einem Dritten gegeben. D. SchrZ

Der Krieg im Osten.

Kopenhagen, 22. Aug.Berlinske Tidendc" schreibt: England führt zurzeit Verhandlungen über die Erwerbung der Inseln Oesel und Dagö am Rigaer Meerbusen. England will dort einen großen Handels­hafen und vielleicht auch einen Kriegshafen anlegen.

Reval soll von den Engländern als Flottenstatiou besetzt sein.

London, 22. Aug. DieTimes" meldet, Flücht­linge aus Odessa berichten, daß sich die deutschen Bau- ernkolonien in Südwestrußland den Gegnern der Bol­schewisten angeschlossen haben.

LMdesnachrichkeT.

KNeurlel«, SS. August litt«.

Leipziger Messe. Die seither gewährte Fahrpreiser­mäßigung der Reise zur Leipziger Mustermesse ist für die Herbstmesse abgelehnt worden.

Zn den Volksabstimmungen. Für die Volks­abstimmung in O st- und West Preußen, Oberschle- sien und Schleswig kommen zahlreiche ans den genannten Landesteilen gebürtige und jetzt in anderen Teilen Deutschlands oder im Ausland wohnende Perso­nen in Frage, die das 20. Lebensjahr vollendet haben. Es empfiehlt sich, daß alle diese Stimmberechtigten sich baldigst ihre Geburtsurkunden bzw- Taufscheine, ver­heiratete Frauen gleichfalls Trauscheine verschaffen, um bei der Abstimmung ihre Berechtigung Nachweisen zu können. Eupen und Malmedy mußten bekannt­lich an Belgien abgetreten werden. Nach Z 34 des Friedensvertrags haben jedoch dieEinwohner"" das Recht, ihren Wunsch, bei Deutschland zu verbleiben, in Listen einzukragen, die die belgischen Behörden auslegcn sollen. Alle Teutschgesinnten aus Eupen und Malmedy, die im Reiche wohnen, werden gebeten, zwecks gemeinsamer Wahrung dieses und ihrer sonstigen Rechte, ihre An­schrift Dr. Schacht, Berlin, Fasanenstr. 13, 2 Tr., mitzu­keilen.

Die erste Offiziersprüfung für Unteroffi­ziere wird am 26. September in Potsdam durch die Ober-Militär-Prüfungskommission abgehalten. Die Anmeldungen der Unteroffiziere mit Obersekundareife sind bis zum 5. September auf dem Dienstweg der General- Inspektion des Militär-Erziehnngs- und Bildungswesens Vorzulegen. ^

Die Dreipfennigpostmarke wird nicht mehr gedruckt werden, nachdem die Nationalversammlung auch die Drucksachengebühr, für welche die Dreipfennigmarke allein noch in Betracht kam, von 3 auf 5 Psg. erhöht hat. Von den Postmarken werden also von nun an ver­schwinden die Werte 2, 2i/z, 3 und ?r/z Pfennig. , l Die Valuta. Der Kurs der deutschen MaiE hat am Mittwoch in der Schweiz den bisher niedrig­sten Stand mit 24 Rappen (19 Psg.) erreicht, ist also unter ein Fünftel des Friedenswerts gesunken . Nach' derTägl. Rundschau" wird die deutsche Valuta an den amerikanischen Börsen nicht mehr notiert- Auch sollen die amerikanischen Banken die Verhandlungen über eine Anleihe zur Stützung der deutschen Valuta wegen des an­gekündigten Umtausches der Reichsbanknoten abgebrochen haben. Bestätigung bleibt abznwarten.

Verweigerung derStreikarbeit" ist nnzu- lässig. In dem Streit zwischen dem Arbeitgeberver­band deutscher Versicherungsunternehmungen und dem Verband der deutschen Versicherungsbeamten in Mün­chen hat der Schlichtungsausschuß im Schiedsspruch aus­gesprochen: Die Arbeit darf nicht ans anderen als im Gesetz festgelegten Gründen vom Angestellten verwei­gert werden. Es ist deshalb unzulässig, die Arbeit zu verweigern, wei sieStreitarbeit" sei.

Vom Kriegswucheramt. Im Monat Juli wurden von Ueberwachungsbcamken des KriegswucheramtS u. a. folgende Waren beschlagnahmt und der Allgemein­heit zugewiesen: Fleisch und Wurst 27518 Pfund, But­ter und Fett 3252 Pfund, Getreide 1702 Pfund, Käse 2502 Pfund, Mehl 9086 Pfund, Eier 15371 Stück, Branntwein 5732 Liter, Zigarren 115056 Stück, Zi­garetten 515 314 Stück, Leder und Schuhe im Wert von l57 832 Mk., Webwaren im Wert von 11763 ML. Außerdem an lebenden Tieren: Vieh 202 Stück, Enten j !5 und Gänse 34 Stück.