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Achwcrrzwälder Tageszeitung. Mr die O.-A.-Bezirke Nagold, Lreudenstadt und Talw

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»r«S »»» Verlag t» Mtensteig.

Samstag, Le» LS. August.

«rrrtSblatt fiir Pfalttrafeuveller.

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Zur Lage.

Nun ist auch die Nationalversammlung in die Ferien gegangen. Was sie in den lechen Wachen zu­stande gebracht hat. das steht in der^ Parlamentsgeschichte einzig da. Tie ganze gewaltige Finanzreform ist mit Ausnahme der Vermögensabgabe, der Umsatz- und der Reichseinkommenssteuer, über die aber auch schon die Hauptaussprache formell beendet ist, verabschiedet. Auch die so schwerwiegende Erbschaftssteuer, wohl der wuchtigste Eingriff in das alte Besitzrecht, ist noch vor Torschluß geborgen worden. So um die 10 Milliarden von den 24 oder 25 des Gesamtbedarfs sind demnach bewilligt. Dazu kommt die Prämienanleihe, die auch einige Milliarden einbringen soll. Reichsfinanzminister Elzberger kann mit dem Ergebnis zufrieden sein: sind auch da und dort an den Steuerentwürsen Aende- rungen vorgenommen worden, so sind sie doch in allen wesentlichen Punkten nach seinen Plänen festgelegt, ver­schiedentlich ging die Mehrheit der Nationalversamm­lung noch über seine Anforderungen hinaus, wie bei der Erbschaftssteuer, deren höchster Steuersatz bis aus 90 Prozent h-inaufgeschraubt wurde, was «in gewissen Fällen an die Einziehung des Erbnachlasses nahe herankommt. Das Prämienanleihegesetz zumal verschafft dem Reichs­finanzminister eine finanzielle Machtvollkommenheit, wie man sic noch in keinem Staate gekannt hat. Die gesetzliche Festlegung des organisatorischen Teils der Reichsabgaben­ordnung, d. h. die Errichtung einer reichseigenen Finanz- Verwaltung ani 19. August war neben der Reichsver- sassnng der bedeutendste und eingreifendste Beschluß der Nationalversammlung: er wird unzweifelhaft praktisch alN eine Erweiterung und Fortführung des in der Verfassung ruhenden Ziels zum Einheitsstaat wir­ken. Von der rechten Seite des .Hauses wurde vor dieser Entwicklung gewarnt, aber sie ist, wie gesagt, folgerich- Ug nach den Grundzügen der Verfassung und in den heutigen Verhältnissen begründet; sie aufzuhaltcn ist ein Kamps gegen Windmühlenflügel. Ter Vertreter der preu­ßischen Regierung setzte es allerdings durch, daß die an die Einzelstaaten zu überweisenden Abgaben aus den Reichseinnahmen durch Gesetz ebenso garantiert werden, wie die Verfassung selbst. Er drohte sogar mit dem Einsprucb Preußens im Neichsrat gegen das Fiuanz- gesetz und er glaubte versichern zu können, daß im jRnchs- rat die Mehrzahl der Einzelstaaten auf die Seite Preu­ßens treten würden, wodurch das Gesetz vielleicht unigc- stoßen, jedenfalls aber sein Inkrafttreten um Monate verzögert worden wäre. Tie verfassungsmäßige Siche­rung der einzelstaatlichen Ansprüche fand daraufhin auch die Zustimmung der sozialdemokratischen Partei, deren Wortführer allerdings meinte, daß schon in wenigen Monaten eine völlige Neugestaltung nötig fein werde und daß dann die fachlichen Gründe alle Verfassungsklau­seln und allen Eigensinn wegfegen werden.

Ter wichtige Gesetzentwurf über die Betriebs­räte wurde noch am letzten Sitznngstag der Natio­nalversammlung in erster Lesung erledigt und dem Aus­schuß für Sozialpolitik überwiesen. In der Begründung des Gesetzes führte Reichsarbeitsminister Schlicke aus, die Regierung habe die Nebertragung des Rätesystems auf das politische Gebiet nach russischem Schein­muster abgelehnt, denn es gehe nicht an, neben die vom Volk gewählte Gesetzgebungskörperschaft, den Reichstag, eine zweite zu setzen. Umso notwendiger sei eine so­ziale und wirtschaftliche Vertretung aller Be­rufstätigen. Das liege nicht nur im Interesse des so­zialen Friedens, sondern auch des wirtschaftlichen Wie­derauflebens. Tie Betriebsräte, denen sich alsbald die Bezirks- und Wirtschaflsräte anschließen werden, kommt ein Mitbestimmungsrecht in allen Betrieben von 20 Personen an zu. Sie haben bei den Tarifverträgen mit- tuwirken und ihre Einhaltung zu überwachen, die Ar­beitsordnung mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren, im ^alle einer Arbeitseinstellung für geheime Abstim­mung zu sorgen, wobei Zweidrittelmehrheit erforderlich st (nm der Terrorisierung entgegenzuwirk<-n), ferner die Wohlfahrtseinrichtnngen zu kontrollieren und an der Ein- ilhrung neuer 'technischen Arbeitsmethoden mitzuwirken. Len Betriebsräten ist von Einstellungen und Kündigungen Kenntnis zu geben, damit sie unter gewissen Umständen Einspruch zu erheben in der Lage sind. Endlich sollen dem Betriebsrat oder einem Ausschuß über innere Ge­schäftsvorgänge, Geschäftsabschlüsse usw. Mitteilungen sei­tens der Betriebsleitung gemacht werden. Gegen die letzteren Punkte wurden namentlich Bedenken laut auch von solchen, die grundsätzlich mit dem System der Be­triebsräte einverstanden sind. Und es ist nicht zu ver­kennen, daß hierin ein gefährlicher Mißbrauch getrieben

werden könnte. 'Nichtsdestoweniger ivird man sagen müs­sen, daß der Gedanke des Betriebsratssystems ein be­rechtigter und gesunder ist und daß rr wirklich Gutes schaffen kann, wenn er nur richtig in die Praxis srm- gesetzt wird, ohne Uebertreibung und ohne Ueberstürzung. aber mit klarem Ziel.

Zum Schluffe hatte die Nationalversammlung noch am Tonnerstag nachmittag 5 Uhr die Vereidigung des Reichspräsidenten Ebert vorzunehmen, der den Eid auf die Verfassung in die Hand des Präsidenten Fehren- vach Megte. Cbert ist nun vor dem deutschen Volk und vor aller Welt das anerkannte und rechtmäßige Oberhaupt des deutschen Freistaats. Tie feierliche Hand­lung gab der mitumer nur allzu stürmrschen L-rtzungs- periode der Nationalversammlung einen versöhnenden Abschluß. Am 30. September sieh: man sich in Berlin wieder. Am 23. September werden die Ausschüsse ihre Arbeit wieder aufnehmen. Inzwischen sollen die über Ge­bühr angestrengten Nerven die nötige Spannkraft wieder gewinnen.

In Oberschlesien tobt seit einer Woche Heller Aufruhr. Lange ist er vorbereitet worden und die Aufständischen sind mit Waffen und Munition wohl ver­sehen. Alles kam aus Polen herüber, aus demselben Polen, das seine Bevollmächtigten zugütlichen" Ver­handlungen über die abzutretenden Gebietsteile mit der freundlichsten Miene nach Berlin sandte. Ist es wirk­lich möglich, daß die Regierung von den Vorbereitungen gar nichts bemerkt haben sollte ? Mit einem Mal brach der Generalstreik aus und binnen vier Tagen ruhte aller Archenbetrieb in ganz, Oberschlcsien. Man braucht nicht davon zu reden, welch riesiger Schaden durch den Aus­fall der Kohlenförderung wieder entsteht; bis jetzt dürfte der Verlust an Kohlen etwa 50 Millionen Mark be­tragen. Das find wir leider gewöhnt worden, und so hat man sich in Süddeutschland entschließen müssen, den Sonntagsbetrisb der Eisenbahnen für den Personenverkehr von, September ab ganz einzustellen, und wir dürften uns noch gratulieren, wenn die Ein­stellung auf den Sonntag beschränkt bliebe. Die Gas- und Elektrizitätswerke werden ohnehin eine zunehmende Einschränkung vornehmen müssen. Was den polnischen Aufstand so bedenklich macht, das ist die hinterlistige, barbarische Art, wie der Bolksab st i in m n n g über die Zugehörigkeit der strittigen Gebiete strittig nur durck die Willkür der Entente zu Deutschland oder P.ilen vorgcarbcitet werden soll. Deutsche Ortschaften werden von den polnischen Banden mitten im Frieden über' fallen, die Bewohner entweder medcrgemacht oder naci Polen verschleppt. Tas soll dann eine Abstimmung au; Grund des berüchtigtenSelbstbestimmungsrechts der klei nen Völker" laut Wilson geben! Die deutschen Truppen haben sich wohl wacker gewehrt, aber sie wa­ren zu schwach, um zu einem Schlag ausholen zu kön­nen, von dem sie vermutlich auch durch die Kommissän der Entente, die sich als Herren in Deutschland fühlen, zurückgehalten worden wären. Bis die nötigen Ver­stärkungen eintreffen, haben die Polen ihre Arbeit ge­tan. Und dann sind die in Warschau natürlich ganz unschuldig und wissen von nichts. Schlimm wäre es, wenn es sich bewahrheitete, was die Regierung feststellen zu können glaubt, daß die Kommunisten und Sparta­kisten in Deutschland mit den polnischen Rebellen ge­meinsame Sache gemacht haben. Es soll der Regierung weiterhin bekannt geworden sein, daß .n verschiedenen deutschen Städten wieder eifrig für kommunistische Er­hebungen gearbeitet werde und daß in naher Zeit wie­der Unruhen wie im Januar zu erwarten seien.

Ja, ja, der Friede ist da, wenn ec auch noch nicht rechtskräftig ist, und doch ists kein Friede. Die Beute will denSiegern" mehr zu schaffen machen, als der vierjährige Krieg. Sie ist aber auch zu groß geworden, als daß selbst die rachegierige Unersättlich­keit der Alliierten und Assoziierten sie verdauen könnte. Am besten hat natürlich die Hauptverson in dem Welt­drama, England, abgeschnitten. Es hat alles erreicht, worauf es seit 14 Jahren hinzielte, und noch einiges dazu. Von allem anderen abgesehen, macht allein sein mittel­barer und unmittelbarer Ländergewinn einen Welt­teil aus. Die englische Abordnung half mit geheimnisvol­lem Lächeln mit, auf der Friedenskonferenz in Paris in monatelangen Beratungen einen Vertrag auszuklügeln, der in den Maschen von einigen hundert Paragraphen das gestürzte Deutschlaird knebelte. Derweilen fand es Zeit, in aller Heimlichkeit mit Persien einen Vertrag zu­stande zu bringen, der dieses Land, das an weltpolitischer Bedeutung Aegypten und Mesopotamien übertrifst, um das Linsengericht eines kleinen, aber gut verzinsten Dar­

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lische TiP.omatic verzieht nach ihrem neuesten Meister­stück keine Miene, kümmert sich nicht im geringsten um das entsetzte Gehen! der Franzosen über dieenglische Perfidie", noch um das Stirnrunzcln der sittenstrengen Amerikaner. Die Mohren haben ihre Schuldigkeit ge­tan, die Mohren können gehen. Es genügt, daß Groß­britannien in Ruhe seine Bahn von Kapstadt bis Kal­kutta und bis an die Tore des chinesischen Reichs bauen kann, das klebrige wird sich finden. Die Franzosen san­gen an zu merken, daß das Kriegsgeschenk Syrien ;etzt für sie erheblich im Werte gesunken ist, ja daß es eine Quelle schwerer Gefahren werden kann, denn der syrische Besitz ist ihnen nur so lange sicher, als es die unberechenbaren Interessen Englands zulassen. Groß­britannien ist derSchutzstaat" des bei weitem größ­ten Teils des Islam geworden. Auch Syrien ist isla­mitisch, nebenbei allerdings auch Marokko usw. Wer würde sich wundern, wenn die englische Diplomatie eines Tags aus religiösen Gründen und aus liebender Fürsorge für den Islam dessen politische Zusammen­fassung für geboten erachtete? Auch um andere Gründe Würde man in London nicht verlegen sein.

In Amerika ist man mit Wilson nicht mehr zufrieden. Die Mitarbeit an der Verwüstung Deutsch­lands hat ihn zum populären Mann gemacht, aber daß er sich von der englischen Diplomatie hat so einseifen lassen, daß die offenkundigsten Interessen der Vereinigten Staaten geschädigt wurden, das verzecht man ihm nicht. So fitzt denn der Senat über ihn zu Gericht, d. h., da Wilson es abgelehnt hat, dem Senat über die Tätig-- keit der Friedenskonferenz Bericht zu erstatten, hat der Senat die übrigen amerikanischen Teilnehmer an der Konferenz vorgeladen, die nun an Eidesstatt über die Vorgänge in Paris bekunden müssen. Bekannt!-ch ha- hür diese Bevollmächtigten schon in Paris gegen die nachgiebige Politik Wilsons England und Frankreich gegenüber Widerspruch erhoben, den aber Wilson nicht beachtete. Die Aussagen vor dem Senat, namentlich die. des Bevollmächtigten Millard und des Staatssekretärs Lansing, sind denn auch nichts als schwere Anklagen ge­gen Wilson, die bekräftigt werden durch das Ergebnis einer vom Senat eingesetzten Untersuchnngskommifsion über die Kriegsausgaben. Diese Kommission hat nämlich sestgestellt, daß Wilson schon im Sommer 1916 zum Krieg gegen Deutschland entschlossen! war und daß er zur Vorbereitung des Angriffsnnegs eine geheime Kommission eingesetzt hat. Es «ft erwiesen, daß Wilson ein hinterlistiges Doppel­spiel getrieben hat und daß seine damaligen Redens­arten von Frieden und Friedensvermittlung nichts als Heuchelei waren.

Am meisten wird es Wilson in Amerika verübelt, daß er auf das Treiben Lloyd Georges in die Abtre­tung der chinesischen Halbinsel Shantung an Japan eingewilligt hat, was allerdings den asiati­schen Interessen der Vereinigten Staaten schnurstracks zuwiderläuft, aber wahrscheinlich gerade deswegen vün England durchgesetzt worden ist. Japan aber besteht auf seinem englischen Schein und wird Shantung frei­willig nicht wieder herausgeben. Daher ist man in Ame­rika der Meinung, daß es zu einem Krieg mit Ja­pan kommen könne. Mein aber wagt man sich doch nicht an dieGelben", dazu sollte man jetzt wieder die Hilfe Englands und Frankreichs haben. Diese werden sich aber wohl bedanken, wenigstens Frankreich, dem die Kriegsabenteuer für einige Zeit vergangen sind. Eng­land aber ließe sich seine Bundesgenossenschoft jeden­falls sehr hoch bezahlen, wenn sie überhaupt gegen Ja­pan zu haben ist, denn vom kriegerischen Risiko abge­sehen, ist Japan Großbritannien dermalen noch wert­voll als Mittel, die Bereinigten Staaten nicht zu groß werden zu lassen. Ja, wenn es zu machen wäre, wie im russisch-japanischen Krieg 1904! Da mußten sich beide Gegner verbluten und Großbritannien konnte in­zwischen seine asiatische Suppe an dem prächtigen Kriegs­feuer kochen. Die Zwickmühle, in der die Vereinigten Staaten sitzen, kennt auch Carranza, der tatkräftige Präsident von Mexiko, sehr wohl. Darum fürchtet er sich auch vor den schärfsten Drohungen Wilsons nicht. Er hat sich immer so gut mit den Japanern gestellt, wie schlecht mit den Nordamerikanern. Der grundge­scheite Mann hat seine Gründe und er mag vielleicht wissen Wilson wird es auch wissen, daß die Ja­paner den Weg nach Mexiko oder an die Westküste den Bereinigten Staaetn nicht scheuen würden, wenn es W einem Krieg zwischen dem amerikanischen Wolf und der« mexikanischen Lamm Arve.