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140. Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamlsbezirk Calw. 88. Jahrgang.

Erscheinungsweise: 6 mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamts- bezirl Calw für die einspaltige Borgiszeile 1V Pfg., außerhalb desselben 12 Pfg., Reklamen 25 Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.

Donnerstag, de» 19. 2uni 1913

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Parlamentarisches.

Aus dem Reichstag.

Berlin, 18. Juni. Heute hatte der Reichstag nach dem gestrigen Anträge des Zentrumsführers und Vorsitzenden der Budgetkommission, Dr. Spahn, einen außergewöhnlich späten Sitzungsbeginn. Erst nachmittags um 3 Uhr ver­sammelten sich die Reichstagsabgeordneten im Plenumsaal, damit dieBudgetkommission in der Beratung der Besitzsteuer­frage am heutigen Tage in den Vormittagsstunden möglichst vorwärts kommen konnte. Bevor man jedoch in der Beratung der Wehrvorlage fortfuhr, nahm man die Abstimmung über die gestern zurückgelafsenen Anträge vor. Abgelehnt wurden die sozialdemokratischen Anträge auf Einführung des einjährigen Dienstes, wie auf Aufhebung der Einjährig- Freiwilligen-Privilegien. Angenommen dagegen wurde eine Reihe von Resolutionen, so eine der Fortschrittlichen Volkspartei, die eine Erleichterung und Verkürzung der Dienstzeit für das stehende Heer durch spätere Einstellung oder frühere Entlastung der Mannschaften und Vorbereitung einer gesetzlichen Verkürzung der Dienstzeit für das stehende Heer ensprechend einer besseren körperlichen und geistigen Ausbildung der Jugend wünscht. Für diese Resolution stimmten neben den Fortschrittlern, den Sozialdemokraten und Polen auch Mitglieder des Zentrums und der National­liberalen. Eine Abänderung dagegen mußten die fortschritt­lichen Anträge erfahren, die eine Reform des einjährig-frei­willigen Dienstes im Sinne einer Erweiterung und Erleich­terung der Zulassung auf Grund erwiesener hervorragender Leistungen auf dem Gebiete des Turnwesens bezweckten. An­genommen wurde ferner eine Resolution über die körperliche Jugenderziehung, während der sozialdemokratische Antrag auf Beseitigung des Bürschenwesens bei den bürgerlichen Par­teien abgelehnt wurde. Erst nach dieser großen Reihe von Abstimmungen konnte man in der Debatte fortfahren. Dr. Len sch (Soz.) eröffnete die Reihe der Redner mit Be­gründung eines sozialdemokratischen Antrages, der die be­stehenden Bestimmungen über das Gardekorps und die son­stigen Eliteformationen, die sich von den übrigen Truppen­teilen unterscheiden, aufgehoben wissen will. Mit besonderer Lebhaftigkeit und Schärfe wandte er sich dabei gegen den Kriegsminister, und auch seine Kritik an dem Zaren brachte ihm einen Ordnungsruf ein. Auf diese scharfe Rede des

Sozialdemokraten ergriff sofort der K r i e g s m i n i st e r das Wort, um in längerer Rede die Garde in Schutz zu nehmen und um damit die Bitte zu verknüpfen, die Anträge der Sozialdemokraten und der Fortschrittlichen Volkspartei ab­zulehnen. Müller-Meiningen (F. Vpt.), der nach dem Kriegsminister das Wort nahm, erkannte gern an, daß die Garde unzweifelhaft in allen Kriegen ihre Pflicht getan habe. Seine Partei wünsche aber die Beseitigung der Privilegien, die den Geist einseitiger Ueberhebung züchteten. Die Ex- 'klusivität der . adeligen Offizierkorps sei der größte Feind der Kameradschaftlichkeit, v. G r a e f e - Güstrow (Kons.) trat in die Fußstapfen des Kriegsministers und suchte in längeren Ausführungen die Nützlichkeit und Tüchtigkeit der Garde nachzuweisen. Das gleiche tat für das Zentrum Graf Praschma. Auch er bestritt die Bevorzugung des Adels und der Garderegimenter in der Armee. Nachdem noch Keinath von den Nationalliberalen das Wort genommen hatte, vertagte sich das Haus auf Donnerstag.

Berlin, 18. Juni. Die Budgetkommission des Reichstages begann heute mit der Beratung der Besitz st euer beim 8 1 des Finanzgesetzes, der die Frage behandelt, ob die Steuer als Reichs- oder Landessteuer durchgeführt werden soll. Der Reichsschatzsekretär begründete die Vorlage. Man habe sich entschlossen, die Vermögenszuwachssteuer in Form eines Landes- und nicht eines Reichsgesetzes vorzuschlagen, da dadurch das Reich auf feste Einnahmen rechnen könne. Ein Zentrumsmitglied wandte sich gegen die Ausführungen des Staatssekretärs, während ein süddeutsches Mitglied der 'Volkspartei ebenfalls die Schaffung eines Reichsgesetzes be­fürwortete. Ein Vertreter der Sozialdemokraten erklärte sich als ein entschiedener Gegner der Matrikularbeiträge. Auf die Frage des konservativen Redners über die Haltung der Regierung erwiderte der Schatzsekretär, der Bundesrat habe noch keine Beschlüste gefaßt. Die Abstimmung ergab die Ab­lehnung der 88 1 und 2 der Regierungsvorlage (Matrikular- beitrag). Hierauf ging die Kommission zur Beratung des Besitzsteuergesetzes selbst über und nahm die ersten Para­graphen an. Eine Reihe der nächsten Paragraphen brachte die wesentlichen Bestimmungen über Steuerfreiheit und Staf­felung. Der Abgeordnete Schiffer begründete einen Antrag, der die Steuerfreiheit nicht, wie im Entwurf bei 20 000, sondern erst bei 10 OM Zuwachs aushören läßt, und ein

Vermögen von mindestens 20 000 ^ (anstatt 6000 ^st() vor­aussetzt. Der Antrag Schiffer wurde gegen die Stimmen der Sozialdemokraten von allen bürgerlichen Parteien ein­stimmig angenommen. Auch die folgenden Paragraphen wur­den mit der gleichen Mehrheit angenommen. Am Donners­tag wird die Beratung fortgesetzt.

Aus dem Landtag.

Stuttgart, 18. Juni. Die Zweite Kammer nahm heute den Nachtragsetat betreffend die Erhöhung der Zivilliste gegen die Stimmen der Sozialdemokraten an und befaßte sich dann mit der Beratung des Kapitels Berg- und Hütten­werke. Auf längere Ausführungen des Abg. Wieland (Natl.) erklärte Finanzminister v. Geßler, die allgemeine Lage der Hüttenwerke sei zurzeit nicht gerade die beste. Von einer Aufhebung des Walzwerks in Wasseralfingen verspreche sich die Regierung keinen Erfolg. Graf (Ztr.) beantragte, daß vor Aufhebung des Bergrats als Kollegium dem Land­tag eine Denkschrift über die künftige Regelung der Leitung und Verwaltung der Hüttenwerke und Salinen vorzulegen und dabei insbesondere die Frage einer technischen und kauf­männischen Zentralverwaltung zu erwägen sei. Ein Antrag des Abg. Wieland (Natl.) verlangte die sofortige Ein­richtung einer technischen und kaufmännischen Zentralverwal- tung für das Hüttenwerk Wasseralfingen, die Unterstellung der übrigen Werke unter diese Zentralverwaltung, die ihrer­seits dem Finanzminister unterstellt werden soll. Während sich der Finanzminister v. G eßl er mit dem Antrag nicht einverstanden erklärte, gab Dr. Lindemann (Soz.) dem Antrag Wieland, der in der Kommission abgelehnt worden war und heute wohl befürwortet, aber nicht wieder eingebracht wurde, den Vorzug. Minister v. Geßler Gezeichnete es als» ein Unding, einem Werk zwei selbständige Leiter voranzu­stellen. Nach längerer Debatte wurde der Antrag Graf an­genommen und sodann ein weiterer Antrag dieses Ab­geordneten beraten, die Regierung zu ersuchen, die Erträge der Hüttenwerke und Salinen in steigendem Maße zur Moderni­sierung verbesterungsbedürftiger Anlagen zu verwenden und der Schaffung eines Erneuerungsfonds näherzutreten. Fi­nanzminister v. Geßler erklärte, daß er sich bemühe, alle Mittel zur Modernisierung des Betriebs anzuwenden. Die Hüttenwerke hätten bedeutende Verbesserungen erfahren und die Einnahmen seien auch gestiegen. Mehrere Redner ver-

Das Wirtshaus im Spessart.

34) Erzählung von Wilhelm Hauff.

Wilm stand wie bezaubert. So waren denn seine Hoffnungen nicht leere Träume gewesen, das Meer hatte ihm Gold, schönes, reines Gold geschenkt, wahr­scheinlich die Ileberreste einer schweren Barre, welche die Wellen auf dem Meeresgrund bis zur Größe einer Flintenkugel abgerieben. Und nun stand es klar vor seiner Seele, daß einmal irgendwo an dieser Küste ein reichbeladenes Schiff gescheitert sein müsse, und daß er dazu ersehen sei, die im Schoße des Meeres begrabenen Schätze zu heben. Dies ward von nun an sein einziges Streben; seinen Fund sorgfältig, selbst vor seinem Freunde, verbergend, damit nicht auch andere seiner Entdeckung auf die Spur kämen, versäumte er alles andere und brachte Tage und Nächte an dieser Küste zu, wo er nicht sein Netz nach Fischen, sondern eine eigens dazu verfertigte Schaufel nach Gold aus­warf. Aber er fand nichts als Armut; denn er selbst verdiente nichts mehr, und Kaspars schläfrige Be­mühungen reichten nicht hin, sie beide zu ernähren. Zm Suchen größerer Schätze verschwand nicht nur das ge­fundene Gold, sondern allmählich auch das ganze Eigen­tum der Junggesellen. Aber so wie Strumpf früher stillschweigend von Falke den besten Teil seiner Nah­rung hatte erwerben lassen, so ertrug er es auch jetzt schweigend und ohne Murren, daß die zwecklose Tätig­keit desselben sie ihm jetzt entzog; und gerade dieses sanfmütige Dulden seines Freundes war es, was jenen nur noch stärker anspornte, sein rastloses Suchen nach Reichtum weiter fortzusetzen. Was ihn aber noch tätiger machte, war. daß, so oft er sich zur Ruhe niederlegte,

und seine Augen sich zum Schlummer schlossen, etwas ihm ein Wort ins Ohr raunte, das er zwar sehr deut­lich zu vernehmen glaubte, und das ihm jedesmal das­selbe schien, das er aber niemals behalten konnte. Zwar wußte er nicht, was dieser Umstand, so sonderbar er auch war, mit seinem jetzigen Streben zu tun haben könne; aber auf ein Gemüt wie Wilm Falkes mußte alles wirken, und auch dieses geheimnisvolle Flüstern half ihn in dem Glauben bestärken, daß ihm ein großes Glück bestimmt sei,' das er nur in einem Eoldhaufen zu finden hoffte.

Eines Tages überraschte ihn ein Sturm am Ufer, wo er die Eoldkugel gefunden hatte, und die Heftigkeit desselben trieb ihn an, in einer nahen Höhle Zuflucht zu suchen. Diese Höhle, welche die Einwohner die Höhle von Steenfoll nennen, besteht aus einem langen, unter­irdischen Gange, welcher sich mit zwei Mündungen gegen das Meer öffnete und den Wellen einen freien Durch­gang läßt, die sich beständig mit lautem Brüllen schäu­mend durch denselben hinarbeiten. Diese Höhle war nur an einer Stelle zugänglich, und zwar durch eine Spalte von oben her, welche aber selten von jemand anderem als mutwilligen Knaben betreten ward, indem zu den eigenen Gefahren des Ortes sich noch der Ruf eines Eeisterspuks gesellte. Mit Mühe ließ Wilm sich in denselben hinab und nahm ungefähr zwölf Fuß tief von der Oberfläche auf einem vorspringenden Stein und unter einem überhängenden Felsenstück Platz, wo er mit den brausenden Wellen unter seinen Füßen und dem wütenden Sturm über seinem Haupte in seinen gewöhnlichen Gedankenzug verfiel, nämlich von dem gescheiterten Schiff, und was für ein Schiff es wohl ge­wesen sein möchte; denn trotz allen seinen Erkundigungen hatte er selbst von den ältesten Einwohnern von keinem

an dieser Stelle gescheiterten Fahrzeug Nachricht er­halten können. Wie lange er so gesessen, wußte er selbst nicht; als er aber endlich aus seinen Träumereien er­wachte, entdeckte er, daß der Sturm vorüber war; und er wollte eben wieder emporsteigen, als eine Stimme sich aus der Tiefe vernehmen ließ, und das Wort Car - mil-han ganz deutlich in sein Ohr drang. Erschrocken fuhr er in die Höhe und blickte in den leeren Abgrund hinab.Großer Gott!" schrie er,das ist das Wort, das mich in meinem Schlafe verfolgt! Was ums Himmels willen, mag es bedeuten?"Carmilhan!" seufzte es noch einmal aus der Höhle herauf, als er schon mit einem Fuß die Spalte verlassen hatte, und er floh wie ein gescheuchtes Reh seiner Hütte zu.

Wilm war indessen keine Memme; die Sache war ihm nur unerwartet gekommen, und sein Eeldgeiz war auch überdies zu mächtig in ihm, als daß ihn irgend ein Anschein von Gefahr hätte abschrecken können, auf seinem gefahrvollen Pfade fortzuwandern. Einst, als er spät in der Nacht beim Mondschein der Höhle von Steenfoll gegenüber mit seiner Schaufel nach Schätzen fischte, blieb dieselbe auf einmal an etwas hängen. Er zog aus Leibeskräften, aber die Masse blieb unbeweg­lich. Inzwischen erhob sich der Wind, dunkle Wolken überzogen den Himmel, heftig schaukelte das Boot und drohte umzuschlagen; aber Wilm ließ sich nicht irre machen; er zog und zog, bis der Widerstand aufhörte, und da er kein Gewicht fühlte, glaubte er, sein Seil wäre gebrochen. Aber gerade, als die Wolken sich über dem Monde zusammenziehen wollten, erschien eine runde, schwarze Masse auf der Oberfläche, und es er­klang das ihn verfolgende Wort Carmilhan! Hastig wollte er nach ihr greifen, aber eben so schnell, als er den Arm danach ausstreckte, verschwand sie in der Dun-