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Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

88. Jahrgang.

Erscheinungsweise: 6 mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamts­bezirk Calw für die einspaltige Vorgiszeile 10 Pfg., außerhalb desselben 12 Pfg.. Reklamen 25 Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefons.

Dienstag, de» 17. Juni 1913.

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich, Post- LezugSpreiS für den OrLS- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20. im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg-, in Bayern und Reich 42 Pfg.

Amtliche Bekanntmachungen.

K. Oberamt Calw.

Aus die imStaatsanzeiger" vom 14. ds. Mts., Nr. 136, erschienene Bekanntmachung der K. Zentral­stelle s. d. Landwirtschaft vom 10. d. Mts.,

Vetr. die Aufnahme von Zöglingen in die Ackerbau­schulen zu Hohenheim, Kirchberg, Ellwangcn und Ochsenhausen,

werden die Interessenten hiemit hingewiesen.

Den 16. Juni 1913.

Reg.-Rat Binder.

Argentinien.

Von H. Prehn v. Dewitz.

K.-K. Jahrzehntelang verkannt, jahrzehntelang von dem großen handelstreibenden deutschen Volke in die Kategorie der unsicheren Exoten eingereiht, jahrzehnte­lang den Engländern als willkommenes Ausbeutungs­projekt überlassen, findet erst in unfern Tagen ein Land die verdiente Beachtung, das zu den reichsten am geseg­neten La Plata-Strome zählt. Was hilft es, daß kleinere interessierte Kreise bereits seit langem die Bedeutung und die Entwicklungsaussichten der mächtig empor­strebenden La Plata-Republik richtig ertannt und ein­geschätzt haben, das Eros der deutschen Unternehmer und Kapitalisten hielt doch noch immer vor argentini­schenAbenteuern" die Taschen verschlossen. Und das soll jetzt anders werden? Eine argentinische Sonder­gesandtschaft weilte in diesen Tagen innerhalb unfern Grenzen. Sie hat die Hauptstätten deutschen Eewerbe- sleißes, deutscher Unternehmung und deutschen Handels besucht und überall anerkennenswerte Ausnahme ge­funden. Das Band ist also geknüpft möge es ein festes und dauerhaftes werden. Argentinien ist noch jungfräulicher Boden noch steht Deutschland der Platz an der Sonne frei, aber schon sind andere Nationen am Werke, ihn endgültig für sich in Beschlag zu nehmen. In unglaublich kurzer Zeit hat Argentinien sich eine hervorragende Stellung auf dem Weltmarkt zu erobern vermocht. Im Jahre 1896 noch hatte der argentinische Außenhandel einen Wert von nur 985 Millionen Mark. Zehn Jahre später war er um mehr als das Doppelte, auf 2112 Millionen Mark gestiegen. Das war ein im­menser Schritt. Heute Ubertrifft der Außenhandel Ar­gentiniens den aller übrigen südamerikanischen Staa­ten einschließlich Brasiliens, auch den Mexikos, und ebenso jenen Japans und Chinas. Die etwa 6 Millio­nen Argentinier wiegen also heute auf dem Weltmarkt als Käufer und Verkäufer mehr als die 40 Millionen Japaner und die über 400 Millionen Chinesen auf. Der deutsche Handel mit Argentinien ist bis jetzt im Gegensatz zum englischen rein passiv geblieben, d. h. die deutsche Einfuhr aus Argentinien hat stets die deutsche Ausfuhr nach der La Plata-Republik übertrof­fen. Wir exportierten z. B. im Jahre 1907 für 180,2 Mill. Mark und importierten für 453,7 Mill. Mark,

1908 für 147,6 Mill. Mart gegen 446,3 Mill. Mart,

1909 für 205,2 Mill. Mark gegen 438,8 Mill. Mark,

1910 für 283,5 Mill. Mark gegen 357,6 Mill. Mark.

Die 1910 noch überschießenden 74,1 Mill. Mark des deutschen Imports über den Export werden durch Schuld­zinsen, die wir aus Argentinien beziehen, keineswegs gedeckt. Großbritannien dagegen, als vornehmster Gläubiger Argentiniens, hat es verstanden, neben der Einziehung reichlicher Kapitalzinsen und Dividenden aus dem Eisenbahnmonopol, auch durch die Aktivgestal­tung seiner Handelsbilanz mit Argentinien Geld aus dem Lande zu ziehen. Schon aus dem einfachen Grunde der Aktivgestaltung unserer Handelsbilanz besteht da­her für uns aller Anlaß, unsere Handelsbeziehungen zu der blühenden La Plata-Republik noch zu erweitern. Die Möglichkeit ist sicherlich vorhanden, denn Kaufkraft und Produktionsfähigkeit Argentiniens stehen heute auf bisher noch nicht erreichter Höhe. Zwei Hinder­nisse gilt es allerdings zu überwinden, die sich der deut­schen Unternehmung und dem deutschen Kapital in Ar­gentinien hindernd in den Weg stellen; einmal die ge­ringen Kenntnisse des deutschen Unternehmens von dem Lande und seiner Verwaltung, zum andern die drohen­de, überwältigende amerikanische Konkurrenz. Es ist nämlich eine alte Erscheinung, daß, sobald deutsches Kapital Lust zu Unternehmungen in den La Plata- Ländern zeigte, die englische Presse einen heftigen Feld­zug gegen Argentinien, seine korrupte und mangelhafte

Rechtspflege, seine ungesunde Finanzgebarung, eröffnet. Das englische Lamento, dem gewöhnlich in Deutschland sofort ein gedankenloses Echo zu folgen pflegt, schreckt in den meisten Fällen die unruhig gewordenen Kapi- tilisten zurück. Die Unkenntnis des Landes und seiner heute wirklich vorzüglichen Verwaltung ist der eine Grund, weshalb wir in Argentinien nicht weiter kom­men, der andere die nahe amerikanische Eroßkonkurrenz. Gerade im letzten Jahre hat diese uns eine empfindliche Schlappe zugefügt. Die Einfuhr Deutschlands nach Ar­gentinien betrug 1912: 63,9 Mill. Pesos Gold, d. h. 2,9 A gegen das Vorjahr; die Einfuhr der Verein. Staaten dagegen betrug 59,1 Mill. Pesos Gold, d. h. -s- 12,9 A gegen das Vorjahr. Der Grund für den Erfolg der Nordamerikaner ist, daß sie sich den slldame- rikanischen Verhältnissen besser anzupassen verstehen. Auch sie haben wohl einst, gleich wie wir, die Staaten unten am La Plata alsquantite neZliZesble" be­trachtet, doch heute hat sich ihre Meinung gründlich geändert. Staatssekretär Bryans Erklärung, er miß­billige das Protektorat über die zentralamerikanischen Länder und wünsche mit allen lateinischen Schwester­nationen auf vertrauensvoll freundlichem Fuße zu leben, hat einen begeisterten Widerhall in den La Plata-Ländern gefunden. Wollen wir der nordameri­kanischen Konkurrenz tatkräftig entgegentreten, so müs­sen wir durch geistige Beziehungen unsere bereits an­geknüpften kommerziellen verstärken. Hierin finden der deutsch-argentinische Zentralverband und das deutsch-südamerikanische Institut wichtige Aufgaben für ihre Betätigung. Vielleicht brächte die Entsendung einer Studienkommission nach den La Plata-Ländern seitens der deutschen Handelskammern den erwünschten Er­folg. Argentinien böte nicht in letzter Linie der deut­schen Industrie und dem deutschen Handel die erstrebens- werten Ausdehnungsmöglichkeiten. _

Stadt» Bezirk und Nachbarschaft.

Calw, 17. Juni 1913.

's Kenderfescht.

I mueß heit schwätza, wia mr dr Schnabel gwachsa ischt. Aelle dia, wos Wochablättle lesat, werdet me scho verschdanda, ond wenn net, no sollet se 's nächscht- mol selber zom Fest mitganga, daß se's seahnt, no brauchet se's em Blatt nemme z'lesa. 'sKenderfescht isch gerscht wieder amol gwä ond Hot älles, was Füeß g'het Hot, wieder amol en Bewegong g'setzt, daß mr da Festzug mit dene viele schöne Mädla ond dene oh- ruhige Buaba jo au gsiecht. Dös Johr ist nämlich viel mainer los gweah, wia sonscht, weil em Kaiser von Deutschland sei Regierungstag gwä ischt, ond no hent se us em Rothaus ausgmacht, daß mr 's Kenderfescht ond dean haucha Dag vom Kaiser mitanander feiert. Ond dr Schdadtrat Bäuchle Hot no drbei gsait, mr kenn ganz wohl amol wieder en frische Zug en dia Eschicht neibrenga, dr ganz Schtadtrot soll mittaufa beim Fescht- zug, ond au d'Verei' vo Calb dirftet am Kenderfescht mainer Entresse zoiga. Ond 'sRothaus mitsamt em Oberhaupt Hot ja gsait, ond dorom ond weil älle Verei' au ja gsait hent, ischt dr Feschtzug gerscht so elend laang gwä. Om halb zwei Hot er sich aus am Marktplatz auf- gschdellt. A Ohmasse Leit. So viel Calwer auf oim Haufe Han i no gar nia gseha. 's Hot no so gwuselt vo Grauße ond Kleine, ond a Eeratsch ond Eetua ischt gwä, daß mr sei oiges Wort nemme verschdanda Hot. Nadierlich. Aber do muah mr s'nächschtmol schier en graißere Platz zom Aufstella vom Feschtzug nemma, ond wenn mr 'sRothaus verrucka mueß. Je näher der Zoiger auf em Kirchdurm auf zwoi ganga ischt, omso lauter ischts worra, ond dia Aussteller hent a Mordskommede g'het, bis se dia viele andere Köpf noch ihrem Kops dranna g'het hent. No Hots zwoi g'schlaga. Ond glei draus hent die Buabadrommler afanga donderschlächtig auf ihre Drommla neihaua ond losganga ischts. Zerschta send d'Schuelerkender komm«, Buaba ond Mädla. Aelle hent se nadierlich 'Sondichshäs a'g'het ond älle hent se halt vor lauter Aufregung ond Freid übers ganz Esicht gschdrahlt. Aelle Johr ischts s'gleiche, ond älle Johr gucket dia alte liabe Häuser vom Markt­platz auf des Bild, des wia dr Frühling selber aus­sieht. De maischte von deane Mädla hent weiße Kloider a'ghet, a baar Han e g'seha, dia wo toi weiß a'ghet

hent, aber dia hent oinaweg au luschtige Esichter na­gmacht, ond a Schärp aus Eichalaub ischt dem donkla Kloid mit deam weißa Schurz ganz guat gschtanda. Viele von dene Mädla hent au Körbla mit Bloama en dr Hand trag«, oder au so große Blomaböga, wo ois rechts ond 's ander lenks g'hebt Hot ond 's dritt en dr Mitte glaufa ischt. Efalla hent mr gradso dia zwoi Wägete, wo ois von zwoi viersilbige, ond 's ander von zwoi zweifüeßige Dierla zoga wvrda ischt. Mit ihre Klassa send d' Schuallehrer mit, au dia vom Real- progemnasiom, dia wo mr auf em Rothaus bson- ders dadelt Hot, daß se nemme mit dätet. Noch em Realprogemnasiom Hots a Weile mit Schualbuaba aufghört, weil dr Frank mit seine Musiker jetzt komma ischt. Fei Hots do, wia emmer, wenn's en ernscht ischt. No ischts weider so fortganga: Buaba, Mädla, Buaba, Mädla, Buaba ond wieder Mädla. Drnoch Hot mr d'Herrabuaba ond d'Handelsschialer marschiera lassa, dös hoißt, a Doil ischt aus em Rad ond a Doil em Esellschaftswaga gfahra. De nächschte send Jongdeitsch- lendler gwä, ond 'd Pfadfender mit Drommler. Schnei­dig em Dritt ond en schlaue Koschdim Hot mr no d' Mädlesabteilung vom Turnverei' ond den drhenter kom­ma seha, bis dr Glanzpunkt em Feschtzug, nämlich dr Schdadtrot mit em Bürgerausschuß, dr Schüttle mit em Fahna voraus, drhermarschiert ischt. 's send aber net älle gwä. A Doil ischt halt bei dene Verei' mitglaufa, ond a Doil ischt oifach net herganga. Endlich Hot mr no dia Fahna von dene zwoi Esangverei' gseha ond dia vom Militärverei' ond vom Veteraneverei'. Ganz z'letzt ischts Kenderschiale aufgschtellt gwä a herzichs Bildle, wia dia kloine Krappa scho mit de Große hent laufa wölla. Auf de Stroßa send aber, wenn au a großer Hausa Leit em Feschtzug dren gwest ischt, emmer no gnuag gschdanda. Arg viele au vom Land. Ond zu de Fenschter hent se d'Köpf rausgstreckt, ond onder de Hausdiera sent se gloint, daß d'Dierapfosta schier nausdruckt Hot. ond von älle Häuser, wo der Feschtzug vorbeikomma ischt, auf em Marktplatz, en dr Badstroß, en dr Bahhofstroß ond en dr Lederstroß send d' Fahna- diacher ronderghangt ond dr Wend Hot se luschtig om- anandergjagt vielleicht au vor lauder Freid, weils halt so arg schö gwä ischt. Auf em Feschtplatz Hot dr Frank en Dusch blosa, no hent d'Erotze ond d'Kloine, dia vor dr Dribine aufgschdellt gwesa send, 's Maul g'halta, ond g'horcht, was dr Oberamtsrichter Hölder für a A'sproch halte dät. Der Hots no, nadierlich am 25. Regierungsjubileum, vom Kaiser ghet. Aber z'erschta Hot d'Loncordia" ois vom Stapel glassa, no Hot er erscht schwätza kenna. Euet Hot er's g'macht. Er Hot g'sagt, daß au 's Calwer Fest dr Ausdruck dankbarer Esinnung sei, für älles dös, was dr Kaiser onsrem Volk gwä ischt. Ond no Hot 'r weiter gsagt vom Kaiser, wia er scho en jonge Johr häb auf da Dhro miaßa, aber 's sei em halt richtig Ernscht gwä, dorom hett er's au glei verschdanda. Ond d'Verganga- heit hätt's bewiesa, daß dia Befürchtonga, dia mr wega de kriegerische Neigonga vom Kaiser g'hett hüb, ohnötig gwesa seiet. Ond d Flotte sei a Ruhmesblatt en dr Regierungszeit vom Kaiser. So lang dauer dr Frieda, so lang Deutschland ehn mit seiner Ehr' verei'bara kenn. So manches schöne Wort Hot dr Oberamtsrichter gsagt, bis mr zletzt älle dreimal Hoch gschria hent ond am Schluß dr FrankDeutschland. Deutschland" blosa Hot. Auf dös na send d'Liederkränzler naus ond hent em offizielle Fescht en Schwanz nagsonga. Ond no isch los ganga uf em Feschtplatz. D'Leit hent sich schiar verdruckt, dia Schualbuaba ond Schualmädla Hot a jedes seha wölle, wia se schbiela kennet und ihre Kem- michkiachla ond des ander Sach kriagat. A Karussell ond a baar so Männer mit Fähnala, Blüserla, Lust- balloh ond so Ernscht send dronta gwä, au Hot mer sich für 30 Pfennig photographiera lassa kenna. Dia Wirt ond Cafetiö kennet z'frieda sei. Obeds noch de Eechse send no dia Kender mir dr Musik vorn« dranna durch da Bischofs aus da Marktplatz gmarschiert. Do Hot dr Stadtpsarrer Schmid a kurze Red ghalta ond gsagt, wia schö 's Wetter g'halta häb, toi oizigs Wölgle