war er höchst zufrieden — „so wird sich die orientalische Frage von selbst lösen." Und in der Tat, wenn nicht Wunder geschehen, Wunder von Sichbesinnen, von Tatkraft, von Arbeit, von Ausdauer und Geduld — ich weiß nicht, wie das besser werden soll." — „Wenn man sich die Lebensbedingungen der Bevölkerung im ganzen ansieht, so wundert man sich, datz es noch so viele gesunde, und überhaupt noch so viele Menschen gibt. Es ist unbeschreiblich, welches Elend, welcher Mangel an allem, was wir für das Leben selbstverständlich halten, herrscht — und das in einem Lande, das mit etwas Umsicht und gutem Willen ein Paradies sein könnte. Wie viele Opfer fordern die Blattern noch, wie viele Blinde, ein Opfer der Blattern. Es gehörte häufig eine ganz tüchtige Abhärtung dazu, um auf den Dörfern die Bevölkerung zu untersuchen — außer der Syphilis fand man vielfach das ganze Dorf mit Krätze behaftet, Erwachsene, Kinder voller Ungeziefer, Erbgrind bei der Hälfte der Einwohner! In vielen Gegenden herrscht die Malaria, so datz die wenigen Menschen, die man noch antrifft, alle wie verwelkte Greise aussehen. — Diese von Syphilis durchseuchte und dezimierte, absolut unterernährte Bevölkerung mutz nun noch den Militärdienst leisten. Was die Syphilis verschont, ra^ft der Militärdienst dahin. Seit Jahrzehnten stellt der anatolische Bauer fast alle Truppen; ... in guten Jahren gehen 40 bis 50 Prozent dieser Truppen, in Kriegszeiten 70 bis 80 Prozent zugrunde. Alles raffen die Epidemien, die permiziösen Fieber, die Sonne Arabiens — und die gänzlich versagenden oder fehlenden hygienischen Vorkehrungen der Regierung hin." Prof. v. Düring glaubt nicht, wie schon zu Anfang dieser Aufsatzreihe hervorgehoben worden ist, an eine Hilfe, eine Wiedergeburt, eine neue Entwicklung. Dazu gehöre eine Wiedergeburt des Einzelnen, eine Erkenntnis der Schäden und ihrer Ursachen und ein allgemeiner Wille, dem entgegen zu arbeiten. Die Rettung könnte nach seiner Auffassung von einer Volksbegeisterung ähnlich der deutschen von 1813 kommen, welche er aber der Türkei absolut nicht zutraut. Dort gebe es kein Nationalgefühl in unsrem Sinne. Vaterland? Wort ohne Inhalt für den Türken. Dann stellt der Verfasser fest, datz reine Osmanen es sehr- wenige gibt: osmanisches, seldschukisches, serbisches, griechisches, armenisches, bulgarisches, tscherkessisches, tartarisches Blut rinne in den Adern der Bewohner Kleinasiens, und der Türke kann nicht sagen: „Ich verteidige das Land meiner Väter, in dem alle meine Vorfahren gelebt haben", sondern er verteidigt das Land, das seine Väter erobert, mit ihrem Blute gedüngt haben, und in dem sie vielfach die Einwohner als Menschen zweiter Klasse weiterleben ließen. Und v. Düring schließt: „Alle Sympathie für das Einzelindividuum, alles Bedauern über die zweifellos eigenartige Kulturwerte vernichtende europäische Kultur, vermögen den Untergang dieses sympathischen, in seinen Grundlagen so vornehmen Volkes nicht aufzuhalten."
Stadt» Bezirk und Nachbarschaft
Calw, 9. Juni 1913
Arbeiterrückfahrkarten. Infolge des flauen Geschäftsgangs in der Goldindustrie wird in Pforzheim seit einiger Zeit in vielen Geschäften mit der Arbeit am Montag und Dienstag ausgesetzt. Den Arbeitern aus den entfernteren Orten unseres und der benachbarten Oberamtsbezirke, die bei vollem Wochenbetrieb anfangs und Ende der Woche mit Arbeiter
rückfahrkarten zu bedeutend ermäßigten Preisen zu und von der Arbeitsstätte fahren durften, wurden diese Karten bei dem nur vier- oder fünftägigen Ar- beitsbetrieb entzogen. Dies war für sie bei dem ohnehin geschmälerten Wochenverdienst doppelt empfindlich. Den Bemühungen des von den beteiligten Arbeitern angerufenen Landtagsabgeordneten Staudenmeyer ist es gelungen, die zuständige Behörde zu einem dankenswerten Entgegenkommen in der Sache zu veranlassen. Da diese Entscheidung der König!. Eeneraldirektion der Staatseisenbahnen die beteiligten Arbeiterkreise lebhaft interessieren dürfte, lassen wir den Erlaß derselben vom 5. d. M. im Wortlaute folgen; er lautet: „Unter Bezugnahme auf die Besprechung vom 31. Mai d. I. beehre ich mich, Ihnen mitzuteilen, datz über die Zeit des flauen Geschäftsgangs in Pforzheim, während der Montags und Dienstags die Arbeit ausgesetzt wird, die Arbeiterrückfahrkarten je nach der Dauer der Arbeitseinstellung Dienstags oder Mittwochs früh zur Reise nach Pforzheim benutzt werden dürfen. Die Benutzung der Arbeiterrückfahrkarten auch am Montag oder Dienstag abend kann gestattet werden, wenn die Reise nach Pforzheim zu dieser Zeit durch den Fahrplan bedingt ist."
Neue Eisenbahnstellen. Nicht weniger als 355 neue etatsmätzige Stellen sind Lei der Eisenbahn aus-! geschrieben, darunter für Eisenbahnsekretäre 26,! Eisenbahnassistenten 49, Eisenbahngehilfinnen 12, Zugführer 17, Bremser 23, Lokomotivführer 20, Lokomotivheizer 1. Kl. 50, Weichenwärter 37, Stationsdiener 42. Von den Stellen sind u. a. vorgesehen: 1 für Eisenbahnassistenten in Calw, 1 für Zugführer daselbst, 1 technische Schaffnerstelle daselbst^ 1 Stelle für Lokomotivheizer 1. Kl. daselbst und l Oberbahnwärterstelle in Liebenzell.
st. Offene Stellen. Die Bewerber um das Bezirksbauamt Ealw haben sich bei der Domänendirektion binnen 8 Tagen zu melden. — Zur Bewerbung sind vorbehaltlich der endgültigen Verabschiedung des Hauptfinanzetats 1913/14 15 Bauamtswerkmeisterstellen des Finanzdepartements ausgeschrieben, davon eine mit dem Sitz in Calw.
b. Lotteriegewinne. Im ganzen sind in der 5. Klasse der Preußisch-Süddeutschen Klassenlotterie auf durch Königl. Württemb. Lotterie-Einnehmer vertriebene Losnummern 5172 Gewinne mit 1 752 740 -N und in sämtlichen 5 Klassen der zweiten Lotterie überhaupt Gewinne mit zusammen 1 913 144 Mark entfallen.
b. Der Rosenmonat. Der Juni ist der Rosenmonat. In allen möglichen Farben vom grellsten Rot bis zum tiefsten Blau, ja bis zum glänzenden Schwarz — eine englische Neuheit — erstrahlt sie in ihrer Pracht und Herrlichkeit. Von Jahr zp Jahr zeigt sie sich in immer wieder schönerem Kleide, Hunderte und ALerhunderte von Spielarten haben die Gartenkünstler, die Rosenfreunde, gezüchtet, und nur die Nelke kann sich an Vielfarbigkeit mit der Vlumen- königin messen. — Wie alles Schöne auf dem Erdball, so hat auch die Rose ihre Feinde. Die Blattlaus und der Blätterrost gehen ihr ans Leben. Der große Rosenkäfer schmaust, gleich einem funkelnden Edelstein glitzernd, in der Blume, der gelbschwarze Pinselkäfer läßt sich's gleichfalls schmecken und die Gallwespe bohrt die Knospen an und legt in die Löcher ihre Brut. Gegen diese Schädlinge muß der Gärtner ankämpfen. Die Blattläuse haben ihren natürlichen Feind, das bunte Maikäferchen. Das
Das Wirtshaus im Spessart.
25 ) Erzählung von Wilhelm Hauff.
„Said, mein lieber Junge," sprach die Dame, „so sehr ich die Unfälle bedaure, die dich nach Bagdad führten, so war doch dies der einzige vom Schicksal bestimmte Ort, wo sich, wenn du vor dem zwanzigsten Jahr dein Vaterhaus verließest, dein Schicksal lösen würde. Said, hast du noch dein Pfeifchen?"
„Wohl Hab' ich es noch," rief er freudig, indem er die goldene Kette hervorzog; „und Ihr seid vielleicht die gütige Fee, die mir dieses Angebinde gab, als ich geboren wurde?"
„Ich war die Freundin deiner Mutter," antwortete die Fee, „und bin auch deine Freundin, solange du gut bleibst. Ach! daß dein Vater, der leichtsinnige Mann, meinen Rat befolgt hätte! Du würdest vielen Leiden entgangen sein."
„Nun, es hat wohl so kommen müssen," erwiderte Said. „Aber gnädigste Fee, lasset einen tüchtigen Nordostwind an Euren Wolkenwagen spannen, nehmet mich auf und führet mich in ein paar Minuten nach Bal- sora zu meinem Vater; ich will dann die sechs Monate bis zu meinem zwanzigsten Jahre geduldig dort ausharren."
Die Fee lächelte. „Du hast eine gute Weise, mit uns zu sprechen," antwortete sie, „aber, armer Said! es ist nicht möglich; ich vermag jetzt, wo du außer
deinem Vaterhause bist, nichts Wunderbares für dich zu tun. Nicht einmal aus der Gewalt des elenden Kalum- Bek vermag ich dich zu befreien! Er steht unter dem Schutze deiner mächtigen Feindin."
„Also nicht nur eine gütige Freundin habe ich?" fragte Said, „auch eine Feindin? Nun, ich glaube, ihren Einfluß schon öfter erfahren zu haben. Aber mit Rat dürfet Ihr mich doch unterstützen? Soll ich nicht zum Kalifen gehen und ihn um Schutz bitten? Er ist ein weise: Mann, er wird mich gegen Kalum-Bek beschützen."
„Ja, Harun ist ein weiser Mann," erwiderte die Fee „Aber leider ist er auch nur ein Mensch. Er traut seinem Großkämmerer Messour so viel als sich selbst, und er hat recht, denn er hat Messour erprobt und treu gefunden. Messour aber traut seinem Freund Kalum- Bek auch wie sich selbst, und darin hat er unrecht, denn Kalum ist ein schlechter Mann, wenn er schon Messours Verwandter ist. Kalum ist zugleich ein -»erschlagener Kopf und hat, sobald er hierher kam, fernem Vetter Eroßkämmerer eine Fabel über dich erdichtet und an- geheftet, und dieser hat sie wieder dem Kalifen erzählt, so daß du, kämest du auch jetzt gleich in den Palast Haruns, schlecht empfangen werden würdest, denn der traute dir nicht. Aber es gibt andere Mittel und Wege, sich ihm zu nahen, und es steht in den Sternen geschrieben, datz du seine Gnade erwerben sollst."
„Das ist freilich schlimm," sagte Said wehmütig. „Da werde ich schon noch einige Zeit der Ladenhüter des
schöne schwarzpunktierte Tierchen ist eifrig hinter den Blattläusen her und saugt sie gänzlich aus. Den Rost vertreibt man durch Bespritzen mit Schwefelblüte. Die Rosen- und Pinselkäfer sucht man ab, die Gespinste schneidet man ab und verbrennt sie, Raupen und Larven werden vertilgt. Der Kamps bringt Freude und reicher Rosenflor lohnt den Sieger.
sob. Mutmaßliches Wetter. Für Dienstag und Mittwoch ist meist bewölktes, zeitweilig regnerisches und kühles Wetter zu erwarten.
Wildbad, 7. Juni. Der Strombergverband des Schwäbischen Albvereins wird voraussichtlich im September d. I. die letzte Flotzfahrt auf der Enz veranstalten. Da auf der Nagold die Flößerei seit 1. März ganz eingestellt ist, findet auf der kleinen und der großen Enz, auf der 15 Kilometer langen Strecke von der Rehmühle bis zu den Rothenbacher Sägwerken, noch Lokalflößerei statt.
Oefchelbronn b. Herrenberg, 5. Juni. Ungewöhnlich war die Dunkelheit der Wolkenwand, ungewöhnlich die lange Dauer des fernen Grollens. Um 4 Uhr sah man das Wetter heranziehen, mit Wolkenschichten in auffallend verschiedener Höhe, die unterste, schwarze Schwaden, kaum wenige hundert Meter hoch, pfeilschnell sich bewegend. In einer Entfernung von 2 bis 3 Kilometer, über der Domäne Reuthin, war es bereits losgebrochen; Wald und Feld war dort völlig in Grauweiß gehüllt, 5 bis 10 Minuten lang, ohne daß diese Färbung vorgerückt wäre, ein Zeichen starker Entfesselung der Elemente. Jetzt fing die weiße Linie an sich zu nähern, und fast zugleich war sie da. Ein Hagelschauer prasselte gegen die Häuser, gepeitscht von immer heftiger tobendem Sturm. In Wolken wie bei einem Schneegestöber jagte der Regen heran, immer dumpfer dröhnte die Windsbraut, immer mehr schwand die Helle des Tags. Man hörte Ziegel von den Dächern schießen, sah in den Gärten Bäume im Sturz sich neigen, das Toben und Heulen wurde derart, daß man für die Häuser fürchten mußte. Doch nach etwa 10 Minuten hatte sich die Gewalt des Sturmes gebrochen. Aber diese Zeit hatte genügt, um Trauer und Sorge in viele Häuser zu bringen. In einer Breite von etwa 1 Kilometer war das Zentrum des Gewitters über Dorf und Markung hingefegt. Während das Oberdorf glimpflich davongekommen war, sah man im Unterdorf überall zerbrochene Ziegel auf der Straße, dies und jenes Dach schien eine Beschießung erlitten zu haben, etliche Kamine waren abgedeckt, eine Giebelwand eingedrückt, ein stattlicher Schuppen lag, ein wirrer Trümmerhaufen, am Boden. Am schlimmsten sahen die Bäume aus. Zwar das große „Baumseld", 114 Kilometer lang östlich des Orts etwas geschützt sich heranziehend, hatte weniger gelitten, auch der „Allmedbom", der stärkste Birnbaum Württembergs, ein Veteran von ungefähr 400 Jahren (s. Württ. Baumbuch), stand unversehrt; aber entlang den Straßen nach Nebrin- gen, Tailfingen und Mötzingen war eine große Zahl Obstbäume abgeknickt und -gerissen, teils mit mächtigen Wurzelballen aus dem Boden gehoben. Im ganzen dürste der Sturm etwa 120 größere Bäume vernichtet haben. Hierzu kommt der sehr beträchtliche Schaden in den Waldungen der Bürger und der Hopfenanlagen, die vielfach in der Bahn des stärksten Unwetters lagen. Der vom Hagel erlittene Verlust erscheint gering, um so empfindlicher sind die Verheerungen des Sturms, da für diese keine Versicherung auszukommen hat. (Staatsanz.)
elenden Kalum-Bek sein müssen. Aber eine Gnade, verehrte Fee, könnet Ihr mir doch gewähren. Ich bin zum Waffenwerk erzogen, und meine höchste Freude ist ein Kampfspiel, wo recht tüchtig gefachten wird mit Lanze, Bogen und stumpfem Schwert. Nun halten die edelsten Jünglinge alle Wochen ein solches Kampfspiel. Aber nur Leute im höchsten Schmuck, und überdies nur freie Männer dürfen in die Schranken reiten, namentlich aber kein Diener aus dem Bazar. Wenn ihr nun bewirken könntet, daß ich alle Wochen ein Pferd, Kleider, Waffen haben könnte, und daß man mein Gesicht nicht so leicht erkennte —"
„Das ist ein Wunsch, wie ihn ein edler junger Mann wohl wagen darf," sprach die Fee; „der Vater deiner Mutter war der tapferste Mann in Syrien, und sein Geist scheint sich auf dich vererbt zu haben. Merke dir dies Haus; du sollst jede Woche hier ein Pferd und zwei berittene Knappen, ferner Waffen und Kleider finden und ein Waschwasser für dein Gesicht, das dich für alle Augen unkenntlich machen soll. Und nun Said, lebe wohl! Harre aus und sei klug und tugendhaft! In sechs Monaten wird dein Pfeifchen tönen, und Zulimas Ohr wird für seine Töne offen sein."
Der Jüngling schied von seiner wunderbaren Beschützerin mit Dank und Verehrung; er merkte sich das Haus und die Straße genau und ging dann wieder nach dem Basar.
Als Said in den Basar zurückkehrte, kam er gerade noch zu rechter Zeit, um seinen Herrn und Meister Ka-