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Amts-- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

88. Jahrgang.

Erscheinungsweise: Smal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamts­bezirk Calw für die einspaltige Borgiszeile IO Psg.> außerhalb desselben 12 Pig.. Reklamen 25 Psg. Schluß sür Jnscratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.

Montag, den 9. Juni 1913.

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerloh» Mk. 1.2S vierteljährlich. Post­bezugspreis für den OrtS- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.2V. ini Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Psg.. in Bayern und Reich 42 Pfg.

Amtliche Bekanntmachungen.

Bekanntmachung, betreffend die Feier des ^jähri­gen Regierungsjubiläums Seiner Majestät des Deut­schen Kaisers.

Das König!. Staatsministerium hat sich dahin schlüssig gemacht, daß aus Anlaß des 25jährigen Re­gierungsjubiläums Seiner Majestät des Deutschen Kaisers am Montag, den 16. Juni d. I., die Staats­gebäude beflaggt und die staatlichen Kanzleien ge­schlossen werden sollen und daß den Arbeitern in den staatlichen Betrieben in gleicher Weise wie am Aller­höchsten Geburtsfest Seiner Majestät des Königs ein dienstfreier Tag unter Fortzahlung des Lohnes ge­währt werden soll.

Calw, den 7. Juni 1913.

K. Oberamt.

A.-V.: Amtmann Rippmann.

K. Oberamt Calw.

Bekanntmachung, betr. die König!. Beratungsstelle für das Baugewerbe.

Die Beratungsstelle für das Baugewerbe hat die Aufgabe, die Angehörigen sämtlicher Zweige des Baugewerbes und der mit ihm in Beziehung stehen­den Gewerbe auf allen einschlägigen Gebieten mit technischem und künstlerischem Rat mündlich (auch telephonisch) oder schriftlich zu unterstützen. Nach Bedarf kann auch Beratung an Ort und Stelle er­folgen und können von der Beratungsstelle Skizzen und Entwürfe überarbeitet oder für einfachere Ge­genstände neu ausgearbeitet werden. Im Zeichen­saal der Beratungsstelle können mit ihrer Unter­stützung Entwürfe ausgearbeitet werden. Die Tätig­keit der Beratungsstelle kann außer von Baugewerbe­treibenden nur von Staats- und Gemeindebehörden in Anspruch genommen werden, nicht auch von pri­vaten Vaulustigen.

Die mündliche oder telephonische Auskunftertei­lung erfolgt während der Dienststunden gebührenfrei. Für schriftliche Auskünfte, Skizzen usw. und für Be­ratung an Ort und Stelle werden mäßige Gebühren erhoben, und zwar find die letzteren gleich hoch, einer­lei an welchem Ort in Württemberg die Beratung stattfindet.

Der Sitz der Beratungsstelle befindet sich in dem Gebäude Kanzleistr. Nr. 26, gegenüber dem Landes­gewerbemuseum. Sprechstunden finden Dienstags und Donnerstags nachmittags von ^3 bis l47 Uhr und Freitags vormittags von 9 bis Z41 Uhr statt. Schriftliche Anfragen können jederzeit eingesandt werden.

Den 25. Mai 1913.

Regierungsrat Binder.

Der Niedergang des Osmanischen Reiches.

(Schluß.)

Wir eilen zum Schlüsse. Was wir über die Art, wie die Türkeiverwaltet" wird, erfahren haben, das klingt für uns fast als Aufschneiderei. Ist das möglich, daß ein Volk so verkommen regie«t, aus­gesogen und tyrannisiert wird? Nach der Ansicht Prof. v. Dürings gibt es nur eine Möglichkeit für eine Rettung der Türkei in Kleinasien einen unbeugsamen, aufgeklärten Absolutismus!Niemals werden die Jungtllrken und eine parlamentarische Regierung eine Wiedergeburt anbahnen können das vermag nur der Stock.Euch fehlt ein Friedrich Wilhelm der Erste," habe ich den Türken oft gesagt. Zu dieser, meinem Empfinden nach unheilbaren, ethischen Begriffsverwirrung kommt nun als zweiter, vielleicht noch schwererer Schaden der physische N i e der g a ng der Bevölkerung Kleinasiens." Ihm ist der Aufsatz im Aprilheft derSüddeutschen Mo­natshefte" gewidmet.Der Zustand der Volksge­sundheil dieser Gegend (des nordwestlichen Klein­asiens) am schlimmsten Teile Castamunis am Schwarzen Meer und die Aussichten für die Zu­kunft besonders der islamitischen Bevölkerung sind erschütternd, kommen einer Katastrophe gleich. D i e Syphilis herrscht in diesen Gegenden, und wie ich später fest stellen konnte, fast im ganzen türkischen Reiche. Sie ist wahrscheinlich kaum hundert Jahre alt in diesem Lande." Der Ursprung dieser Seuche läßt sich aus einer Quelle nicht ohne weiteres erklären. Die Kriege, die über das Reich hereinbrachen, werden wohl die Hauptschuld tragen.Tatsache ist," schreibt v. Düring,daß ich unter der von mir untersuchten Bevölkerung 80 000 bis 90 OOO Menschen mehr

als 60 Prozent mit den untrüglichen Zeichen be­

stehender oder abgelausener Syphilis gefunden habe. Ich habe in kleinen Orten, z. V. in Djiddeh am Schwarzen Meer, in 14 Tagen aus dem Ort und der Umgebung fast 600 Mensechn mit schwerer Sy­philis in Behandlung bekommen; darunter waren 150 Personen ohne Nase und mit zerstörtem Gaumen. In den Schulen fand ich bis zu 7080 Prozent der Kinder krank, und zwar findet man die frischen, an­steckenden Formen der Syphilis überwie­gend bei Kindern. In einer Dorfschule mit etwa 140 Kindern stellte ich bei über 110 Kindern die scheußlichsten, bei uns kaum zur Beobachtung kom­menden Formen der frischen Sphilis an Lippen, Mund und Rachen fest. Da unter der Bevölkerung diefränkische Krankheit" als etwas angesehen wurde, dem man doch nicht entgehen könne, wurden keinerlei Vorsichtsmaßregeln getroffen. . . . lleber- haupt findet die Uebertragung der Krankheit in weit­aus der Mehrzahl der Fälle durch zufällige Ueber­tragung, nicht durch den Geschlechtsverkehr, statt. Dörfer habe ich gefunden, in denen nicht ein Ein­wohner gesund war, in denen ich, bei 60 bis 70 Ein­wohnern, nicht eine Frau gefunden habe, die nicht durch Zerstörung im Gesicht, am Gaumen entstellt war." Aus einer Aufstellung aus dem Jahre 1844 gibt Prof. v. Düring an, daß in jenem Jahr die Zahl der muselmanischen (ottomanischen) Bevölkerung Kleinasiens (ohne das Euphrat- und Tigrisland) auf 12 Millionen Einwohner geschätzt war. 1890 ließ sich nur eine Bevölkerung von 7 Millionen Osmanen Nachweisen (natürlich nur in Kleinasien)!In Dlls- dje unterhielt ich mich mit einem tscherkessischen Kai- makam, etwa Landrat, über diese traurige Erschei­nung.Ich kann Ihnen morgen ein Dorf zeigen, das Ihnen das ganze Elend mit Zahlen beweist. In meinen Steuerbüchern steht dieses Dorf vor etwa 30 Jahren mit gegen 100 Häusern ( 500 Einwoh­nern). Als wir am andern'Tage hinkamen, waren es drei Häuser mit sieben Einwohnern. Ich fragte den einzigen Alten, der da war:Was ist Euch denn geschehen?"Allah wurdu" Gott hat uns ge­schlagen!Aber wieso denn, er ist doch nicht mit der Keule zu Euch gekommen?"Frängiden!" von der fränkischen Krankheit." Als ich einem Bal­kandiplomaten damals meine Erfahrungen erzählte,

Zum 70. Geburtstage de r Baro nin Bertha o. Suttner.

Am 9. Juni des Jahres 1843 wurde dem Feld­marschall Graf Kinki von seiner Gemahlin Sophie zu Prag ein Töchterlein geboren, das in der Taufe den Namen Bertha erhielt. Schon wenige Monate nach ihrer Geburt starb der Marschall, und die kleine Bertha wurde der Liebling und Abgott der schmerzgebeugten Gräfin Sophie, die ihr eine sehr sorgfältige Erziehung zuteil werden ließ. Eine seltene Wissens- und Lern- Vegier zeichnete früh das graziöse, liebenswürdige Ge­schöpf aus, das mit glühendem Eesichtchen und leuchten­den Augen schon über den Klassikern saß, als die gleich­altrigen Gespielinnen noch ihre Puppen wiegten. Die kaum zur Jungfrau Erblühte wurde bei ihrem Eintritt in die Welt, in dem damals noch österreichischen Ve­nedig, ob ihrer Schönheit und ihres Geistes gefeiert, doch die wenigsten mochten wohl schon damals dessen Tiefe und Vielseitigkeit erkennen, der auf die schöne, schlanke Komteß die Anwendung des Nietzsche'schen Wortes gerechtfertigt hätte:

Der schönste Leib ein Schleier nur, in den sich schamhaft Schönres hüllt."

Reisen in Italien, Frankreich und Deutschland erwei­terten früh ihren Blick, und der jähe Tod ihres Ver­lobten, des hochbegabten Prinzen Adolf Wittgenstein, mit dem sie ihre Vorliebe für Musik zusammengeführt hatte, ließ sie früh reifen und manche Saite in ihrem Innern schwingen, deren sonorer Ton uns später aus manchen ihrer Schriften so ergreifend entgegenklingt. Nur schwer vernarbte die Herzenswunde, und erst im

Juni 1876 heiratete sie gegen den Willen der beider­seitigen Eltern den sieben Jahre jüngeren Freiherrn von Suttner. Romantisch wie diese Liebesheirat, deren Hochzeitsreise den Kaukasus zum Ziel hatte, waren die folgenden Jahre. Fast ausschließlich auf sich ange­wiesen, lebte das junge Paar in Dörfern und Weilern der Provinzen Georgien, Jmeretien und Eurien und die Baronin mutzte durch das Erteilen von Gesang-, Klavier- und Sprachstunden mithelfen, den Lebens­unterhalt zu erwerben. Aus dieser Zeit datieren ihre ersten schriftstellerischen Versuche, indem sie sich, gleich ihrem Manne, bemühte, durch Schreiben für europä­ische Zeitungen ihre Einnahmen zu erhöhen, wofür sie auch sehr bald überraschende Erfolge belohnten. Mit den Eltern wieder ausgesöhnt, kehrte das Ehepaar im Jahre 1885 nach Oesterreich zurück und nahm seinen ständigen Wohnsitz auf dem Suttner'schen Stammschloß Hermannsdorf, wo es in glücklicher Ehe bis zu dem im Jahre 1902 erfolgten Tod des Freiherrn von Sutt­ner lebte. Wahrhaftigkeit, Herzensgüte und allumfas­sende Menschenliebe, gepaart mit seltener Feinheit und Anmut, sind die hervorstechendsten Charaktereigen­schaften der liebenswürdigen Frau, die uns leuchtend aus ihren Werken wiedergrüßen, ob sie nun in dem reizend-naiven köstlichenEs Löwos" die Geschichte ihrer Ehe erzählt, inEva Siebeck" den Fluch erblicher Belastung schildert, inTrente et Quarante" gegen das Hazardspiel eifert, inDr. Hellmuts Donnerstage" philosophiert, oder inSchach der Qual" mit flammen­der Begeisterung für alles, was auf moralischem Ge­biete unterdrückt ist, in die Schranken tritt. Ihr be­

rühmtestes Werk, das ihren Namen nicht inAeonen untergehen" lassen wird, ist der bekannte Friedens­romanDie Waffen nieder" und seine FolgeMarthas Kinder", der in alle Kultursprachen übersetzt und in deutscher Sprache allein in fast 200 000 Exemplaren verbreitet wurde. Die Hauptaufgabe ihres Lebens aber war das große Friedenswerk; für den Völkerfrieden wirkt sie, nimmer rastend, noch im Silberhaar, und die Geschichte der Friedensbewegung wird nicht geschrieben werden können, ohne den NamenBertha, Baronin von Suttner" zu nennen.

BLchertisch.

Wie bewerbe ich mich mit Erfolg? 5. Auflage. Verlag von Wilhelm Violet in Stuttgart. Preis 1 ^l.

Württemberg. Vürgerkunde. Ein Leitfaden für Schule und Haus. Von I. Element, staatlicher Han­delslehrer in Stuttgart-Eannstatt. Muth'sche Verlagshandlung, Stuttgart. Preis kar­toniert 1 Der Verfasser bietet auf 96 Seiten Text einen zusammengefaßten Abriß über unsre engere Heimat als Staatswesen. Wir finden das Büchlein durchaus brauchbar und in jeder Hinsicht empfehlenswert. Es ist so natürlich und klar ge­schrieben, daß sich auch der Ungeübte ohne viel Zeit­versäumnis und mit wenig Kopfarbeit das Verständ­nis über die Zusammenhänge der staatlichen Zusam­mensetzung und des staatlichen Getriebes aus dieser verdienstvollen Arbeit holen kann. Es sei alten und jungen Staatsbürgern und -bllrgerinnen angelegent­lich empfohlen. L. P. Z.