nehm ausgestatteten Militärkabinetts dienen sollte, die ent­sprechende Position aus dem Etat zurückziehe. Diese Mit­teilung wurde vom Hause mit lebhaftem Beifall ausgenom­men. Im weiteren Verlauf der Debatte brachte der Sozial­demokrat Liebknecht den Fall des Molkereibesitzers Ar­nold in Potsdam zur Sprache, der nach den Angaben des Redners deshalb boykottiert worden sei, weil er Sozialdemo­krat sein soll. Generalleutnant Staabs erklärte, ein Boykott käme nicht in Frage. Liebknecht entgegnete und so gab es Rede und Gegenrede. Liebknecht sprach von einem gesetz- und pflichtwidrigen, terroristischen Vorgehen der Re­gimenter. Der Kriegsminister verwahrte sich dagegen und Vizepäsident Dr. Paas che erteilte nachträglich dem sozial­demokratischen Redner einen Ordnungsruf. Vorher hatte man noch die militärischen Ostmarkenzulagen in Höhe von lOOOOO »X gestrichen. Zentrum, Polen und Sozialdemo­kraten stimmten für die Streichung dieser Etatsposition. Zum KapitelArtillerie und Waffenwesen" beantragte die Budgetkommission, den Reichskanzler zu ersuchen, zur Prü­fung der gesamten Rüstungslieferungen für Reichsheer und Marine eine Kommission zu berufen, zu welcher vom Reichs­tag zu wählende Mitglieder des Reichstags und Sachver­ständige zuzuziehen sind. Der Reichskanzler wird ersucht, den Bericht der Kommission den gesetzgebenden Körperschaf­ten mit Vorschlägen zur Beseitigung etwaiger Mißstände mitzuteilen. Ledebour von den Sozialdemokraten ver­trat dem gegenüber den sozialdemokratischen Antrag, eine rein parlamentarische Kommission mit dem Recht der zeugen­eidlichen Vernehmung zu berufen. Der Kriegsminister weist noch eine Mitschuld der Regierung an dem Fall Krupp zurück und Staatssekretär Dr. Delbrück wandte sich eben­falls gegen eine rein parlamentarische Kommission, die in der Verfassung des Deutschen Reiches keine Grundlage finde. Graf Westarp von den Konservativen erklärte, dag seine Partei gegen den Antrag der Budgetkommission stimmen werde. Nach ihm sprachen noch der Abgeordnete Spahn (Ztr.), Dr. Müller-Meiningen (Fortschr. Vpt.), der Sozial­demokrat Frank und Erzberger vom Zentrum. Morgen Fortsetzung.

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Aus dem Landtag.

Stuttgart, 23. April. Die Zweite Kammer setzte heute vormittag die Beratung des Justizetats fort. Der Abg. v. Gaug (Vpt.) wandte sich, wie die gestrigen Redner, gegen das Hilfsrichterwesen. Justizminister v. Schmidlin erörterte nochmals diese Frage und freute sich über das Ent­gegenkommen des Hauses, das ihn in die Lage setzte, zur Begründung einer neuen Forderung von 23 neuen Richter­stellen kein Wort verlieren zu müssen. Der Abg. Roth (B.K.) erklärte seine Zustimmung zu dem Antrag des Aus­schusses, in dem die Bereitwilligkeit ausgesprochen wird, der Regierung die nötigen Mittel zur Beseitigung des Hilfs­richterwesens zur Verfügung zu stellen. Er wünschte dann noch die Besetzung der Staatsanwaltschafts- und Unter­suchungsrichterstellen mit älteren Herren, Verkürzung der Anklageschriften im Interesse ihrer Verständlichkeit, Ver­kürzung der Schwurgerichtsperioden und Maßregeln gegen den Mißbrauch der Reisegebühren durch die Gerichtsvoll­zieher. Justizminister v. Schmidlin stellte einen Rück­gang der Untersuchungshaften fest und wandte sich gegen einige Ausführungen des Abg. Roth. An der Hinaus­ziehung der Strafprozeßordnung sei der Reichstag schuld und nicht die verbündeten Regierungen. Bezüglich des Eerichts- vollzieherwesens liege dem Ministerium des Innern ein Entwurf vor. Der Abg. Mattutat (Soz.) fand die Be­willigungsfreudigkeit für so viel neue Stellen auffallend und sagte, man müsse der Sache auf den Grund gehen und nicht die Richterstellen vermehren, sondern dem Anklageeifer einen Damm entgegensetzen. Die Sühnegerichte versagten voll­ständig. Bei Streiks werfe man der Sozialdemokratie zu

Unrecht Terrorismus vor. Die Arbeitersekretäre würden beim Amtsgericht Stuttgart immer noch zurllckgewiesen. ob­wohl der Minister in dieser Hinsicht Abhilfe zugesagt habe. Von der bedingten Begnadigung sollte noch mehr Gebrauch gemacht und die Jugendgerichtsbarkeit sollte vervollkommnet werden. Wünschenswert sei auch eine Sammlung der Lan­desgesetze und Verordnungen. Dem Ausschußantrag stimme seine Partei nur zu, wenn ganz allgemein weitere Zivil­und Strafkammern nach Maßgabe des Bedürfnisses geschaffen werden. Dr. Eisele verlangte eine bessere Ausbildung der Referendare und vertrat die Ansicht, daß zu viel An­klagen erhoben werden. Notwendig sei eine Revision des Polizeistrafgesetzes und die Regelung des Wafsentragens für jugendliche Personen. Bolz (Ztr.) wies die von sozial­demokratischer Seite gegen den Richterstand erhobenen Vor­würfe zurück und betonte, daß manches von dem, was vor die Schwurgerichte komme, in keinem Verhältnis zu den Kosten und der Bedeutung der Fälle stehe. Morgen wird die Beratung fortgesetzt.

Stadt» Bezirk und Nachbarschaft.

Talw. 24. April 1913.

ep. Bahnhofsmission. Ein Erlaß empfiehlt in Er­füllung einer Bitte des württbg. Landesvereins der Freundinnnen junger Mädchen Pfarrämtern und Kir- chengemeinderüten, daß tunlich in jeder Eeminde eine Bekanntmachung über die Zwecke dieser Arbeit an leicht zugänglicher Stelle angebracht werde. Diese Be­kanntmachung soll in Form eines Plakats auf das Adreßverzeichnis derFreundinnen" in allen Ländern, den sogenanntenRatgeber", auf die Bahnhofsmission und die Bahnhofsheime in großen Städten aufmerk­sam machen. Für die Anbringung der Plakate kön­nen auch Kirchen in Betracht kommen.

Ausländische Lasschqnndler treiben wieder ihr Unwesen in Deutschland. Durch zahllose Briefe, Prospekte und Agen­ten empfehlen sie Prämien-Obligationen wie Ottomanische (Türkenlose), Braunschweiger, Pappenheimer, Holländische Grundkreditbank, Holländische Fünfzehnguldenlose usw. Sie verkaufen sie gegen Monatszahlungen oder auch nach neue­stem Schwindlertrick gegen Beleihung. Das Publikum fällt leider immer wieder darauf hinein. Der Kauf solcher Obli­gationen ist in allen Staaten strafbar. Zahlreiche Käufer und besonders Vermittler sind schon deshalb bestraft worden. Außerdem sind aber die ausländischenBanksirmen", die diese angeblichen Wertpapiere verkaufen, durchweg Schwind­ler. Es ist festgestellt, daß sie Pariere, über die sie Depot­scheine und Zertifikate erteilen, gar nicht besitzen. Wie uns die König!. Staatsanwaltschaft Kassel mitteilt, schweben gegen fast hundert dieser Firmen Strafverfahren wegen Be­trugs und Wuchers und zugleich Sperren für sämtliche Post­sendungen. Jeder, der mit den Firmen oder ihren Ver­mittlern in Verbindung tritt, setzt sich also dem gerichtlichen Strafverfahren aus. Es sei auch besonders gewarnt vor dem Kauf von Losen der dänischen Koloniallotterie,' zahl­reiche Bestrafungen sind auch deshalb erfolgt. Alle, die mit ausländischen Firmen in Verbindung getreten sind, werden sich am besten an die König!. Staatsanwaltschaft Kassel wenden.

Postpaket-Verkehr über Pfingsten. Die Versendung mehrerer Pakete mit einer Postpaketadresse ist für die Zeit vom 5. bis 10. Mai weder im inneren deutschen Ver­kehr, noch im Verkehr mit dem Ausland ausgenommen Argentinien gestattet. Nach Argentinien können auch in dieser Zeit mehrere, jedoch höchstens 3 Pakete mit einer Postpaketadresse versandt werden.

6P. Die Sammlung für die Nationalspende zugunsten der Missionen in den deutschen Kolonien schreitet in Würt­temberg in erfreulicher Weise voran. Bei der Hauptsammel­stelle des Evangelischen Landeskomitees sind bis jetzt

150 Schritte vor dem Krankenhause, gegen die Schloßfront ausgehoben. Die Arbeit war für die ungeübte Mannschaft sehr schwierig, der Boden sehr ungünstig, da Fundamente der niedergebrannten Häuser, sowie alte Gemäuer zu durch­brechen waren und der nur leicht gefrorene Boden in einem Fuß Tiefe schon Wasser gab. Gelernte Artilleristen waren nur für jedes Geschütz zwei vorhanden, die übrige Bedienung mußten Wehrmänner übernehmen. Daher ging der Bau der Batterien nur sehr langsam, zumal der Feind alle seine Geschütze immer auf eine Stelle richtete, wo er eine Be­wegung oder das Aufblitzen der Schüße sah. So wurde die erste Batterie zum Schweigen gebracht durch die vereinte Wucht von 44 französischen Geschützen. Aber die Belagerer errichteten in der Nacht drei neue Batterien, die am Morgen überraschend die Wälle bestrichen und 27 Kanonen demon­tierten. Am 1. Januar wurden die Laufgräben näher ge­trieben, das Krankenhaus wurd zusammengeschossen und im Sturm genommen. Jetzt setzte Frost ein, und in dem stein­hart gefrorenen Boden konnten nur mit großer Mühe die Laufgräben und Parallelen ausgehoben werden. Doch end­lich schmetterten 12 Batterien Vernichtung und Tod gegen die Wälle der Stadt. Stürzende Mauern, emporfliegende Stein- und Holzsplitter, krachende Palisaden, Erdmassen, Rauch, Glut, umgeworfene Geschütze, zerbrochene Lafetten, Geheul, Geschrei, rings Blut und Verwundete. Immer und immer wurden die starren Toten durch die Stadt getragen, und immer und immer die wimmernden Verwundeten, um in das Schloß, das Rathaus oder die Universitätsgebäude gebracht zu werden.

Das neue Jahr war inzwischen eingezogen unter dem Donner der Geschütze. Was draußen in der Welt vorging, wußte niemand in der Festung; sie trennte ein Ring von Eisen und Blut von allem anderen Leben. Für Lenchen waren bange, angstvolle Tage und Nächte gekommen. Ihr alter Vater war wieder kränker geworden, und der Arzt gab nur wenig Hoffnung auf Erhaltung seines Lebens. Er hatte den im Fieberfrost glühenden, alten Mann zur Ader gelassen und dadurch anscheinend seine Auflösung beschleu­nigt. Immer, sobald die Fieberphantasien etwas nachließen und der Kranke vorübergehend denken konnte, kam er aus seinen Lieblingswunsch zurück: Helene endlich als Gattin Soulards zu sehen. Wie sehr der Greis das junge Mädchen durch solche Wünsche quälte, sah er nicht oder wollte es nicht sehen. Dann stand die Jungfrau leise auf und trat an das Fenster, die heiße Stirn gegen die eisbedeckten Scheiben pressend, und lauschte angstvoll dem fernen Kanonendonner.

Oft kam Bosquet, um das arme, von Nachtwachen und Seelenqual erschöpfte Lenchen am Krankenlager abzulösen. Der alte Lange hatte an dem biederen Wesen des Kolonels aufrichtiges Gefallen gefunden und sah den Veteran gern kommen. Nicht so gern sah Soulard den Marquis, es schien, als stände etwas Feindliches zwischen ihnen. Eine gegen­seitige unbestimmte Abneigung ließ sie sich so viel wie mög­lich aus dem Wege gehen.

So war der 12. Januar gekommen. Der alte Lange war kränker und kränker geworden und fühlte sein Ende herannahen. Vorher aber wollte er noch seinen Lieblings­wunsch erfüllt sehen: die Trauung Lenchens mit Soulard

45 000 »tl ersammelt. Auch aus den Bezirken des Landes werden schon namhafte Gaben gemeldet. So verzeichnet eine erste Eabenliste aus den Städten Ulm 2500 «tt, Göp­pingen 1200 Oberndorf 430 u. s. f.

Die sieben Wahrzeichen eines guten Dorfes. Die besten Wahrzeichen der Ordnung und Bildung in einem Dorfe sind Straßen und Schulen. Betrete ich ein Dorf, so achte ich zunächst darauf, wie es auf öffentlichen Plätzen, auf den Straßen und Gassen aussieht, ob sie gut gepflegt und rein­gehalten sind und ob sie eine zweckmäßige Anlage besitzen. Sodann schaue ich nach dem Schulhause, ob es fest gebaut, wohl unterhalten und zweckentsprechend eingerichtet und aus­gestattet ist. Wenn ich diese beiden Dinge, Straßen und Schulen, in schönster Ordnung finde, dann segne ich im Her­zen das Dorf und diejenigen, welche jetzt und für die Zukunft darin wohnen. Das nächste Wahrzeichen, auf das ich be­sonders achte, ist das Trinkwasser, das eine Quelle der Gesundheit, aber auch der Krankheit werden kann. Leider ist darauf vielfach zu wenig geachtet worden. Und es ist doch ein Zeichen eines kerngesunden Volkes, wie es die alten Römer waren, daß sie überall Bauten zu Wasserleitungen ausführten, die sich mit den modernen Bauten der Eisen­bahnen wohl messen können. Gott sei dank wird heutzutage bei Wasserleitungsanlagen auch bei uns nicht mehr gespart. Sehe ich nun in einem Dorfe, daß die Brunnen in Ordnung sind, hübsch bequem und reinlich find, dann ist auch das Haus­wesen wohl bestellt. Schild und Schwert, Wehr und Waffen des Hauses sind die Blitzableiter und die Versiche­rungstäfelchen. Wo diese fehlen, ist es übel bestellt. Die Feuerversicherung ist eine Pflicht gegen sich selbst und gegen den Nächsten. Schmuck und Spiel des Lebens sind Blu men und Lieder. Sehe ich nun auf den Fenster­gesimsen des Dorfes wohlgepflegte Blumen in Töpfen, sehe ich ein Plätzchen vor dem Hause oder an der Seite des­selben, wo Blumen gezogen werden, da freut sich mein Herz; denn ich weiß: hier sind Menschen, die sich das Leben aus­schmücken, und wo Blumen sind, da sind auch Lieder; hier wird gewiß auch fröhlich gesungen. Meine sieben Merk­zeichen trügen mich nicht; sie geben sichere Vermutung, wie es im Dorfe, auch in verborgenen Dingen, bestellt sein mag. (Nach Berthold Auerbach.)

8Ld- Mutmaßliches Wetter. Für Freitag und Samstag ist zwar noch vorwiegend trockenes, aber zeitweilig trübes, auch etwas regnerisches und kühleres Wetter zu erwarten.

Neuenbürg, 23. April. Frau Herzogin Robert von Württemberg kam gestern nachmittag hier her und wohnte einer Prüfung der im Bezirkskrankenhaus ausgebildeten 17 Helferinnen vom Roten Kreuz bei, die von dem leitenden Arzt Or. meck. Haenzler vorgenommen wurde. In der Wohnung des Forstmeisters von Eaisberg wurde sodann der Tee eingenommen, worauf die Herzogin nach Stuttgart zu­rückfuhr.

Nagold, 23. April. Nach langem, schweren Leiden ist Stadtschultheiß Brodbeck heute früh im Alter von 56 Jahren gestorben. Er hätte im August d. I. sein 25jähriges Dienst­jubiläum feiern können. An Königs Geburtstag wurde ihm das Verdienstkreuz verliehen.

Herrenberg, 23. April. In Entringen machte ein junger Bauernsohn Turnübungen am Garbenseil. Plötz­lich löste sich die Befestigung am Dachsparren und der junge Mensch stürzte aus ziemlicher Höhe in die Tenne herunter. Er liegt jetzt im Sterben.

Württemberg.

Stuttgart, 23. April. Das Eesamtpräfidium des Württ. Kriegerbundes hat hier unter dem Vorsitz des Bundespräsidenten General d. Ins. Frhrn. v. Hügel seine Jahressitzung abgehalten. Nach dem Rechenschafts­bericht für das Jahr 1912 zählt der Württ. Krieger­bund 1909 Vereine mit 140 600 Mitgliedern. An Hin­

durch den Feldpropst. Daher begann er:Törichtes Kind, du

hoffst immer noch auf die Besiegung des gewaltigen Kaisers! Weißt du nicht, was selbst Goethe, der Dichter und Minister, gesagt hat: Rüttelt nur an euren Ketten! Der Mann ist euch zu groß! Ja, rüttelt nur, um so fester und unzer­reißbarer wird der Riese euch Zwerge ins Joch niederzwin­gen! Sieh, Lenchen, deine selige Mutter war allzeit ein sanftes, folgsames Geschöpf und achtete meine Wünsche. Sie hat mich recht glücklich gemacht, solange sie der Herrgott nach seinem unergründlichen Ratschluffe Lei mir ließ. Du aber, ihre Tochter, achtest den Willen deines Vaters nicht und hältst sein graues Haupt nicht in Ehren."

Oh, sprich nicht so!" schluchzte das bebende Mädchen: Gewiß, ich ehre und liebe dich nach Kindespflicht!"

Du sprichst nicht die Wahrheit und belügst dich selbst. Sieh', mein Kind, wenn der schwarze Engel jetzt seine kalten Schwingen über mich breitet, so möchte ich dich versorgt zruücklassen hier in dem Gewühl des Staubes. Es wäre mir eine große Last abgenommen, und ich könnte gefaßt durch die dunkle Pforte eintreten. Du aber versagst mir hartnäckig diesen letzten Trost."

Vater, Vater," schluchzte das arme Geschöpf, sprich nicht so! Du brichst mir das Herz!"

Und doch muß ich," röchelte der Greis.Morgen ist es vielleicht schon zu spät! Ich fühle es. Helene, ehre und befolge meinen letzten Willen, und Gott wird es dir wohl gehen lasten auf Erden!"

(Fortsetzung folgt.)

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