94. Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 88. Jahrgang.

WrfÄsinungsweise: Smal wSchentlich. Snzetgenpreis: Im oberamts- -szi« Talw für die einfpaltiae Borgiszeile 10 Pfg., außerhalb desselben 12 Pfg-, UaAmnen W Pfg. Schluß für Jnseratannahm« 10 Uhr vormittags. Telefon S.

Donnerstag, den 24. April 1913

B-zugSpreiS: In der Stadt mit TrLgerlohn Mk. 1.2S vierteljührltch, Post. bezugSpreiS für den Otts- und Nachbarortsverkehr Ml. 1.2V, im Fernverkehr Mk. I.M. Bestellgeld in Württemberg SO Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg

Amtliche Bekanntmachungen.

K. Oberamt Calw.

Auf die im Gewerbeblatt Nr. 16 erschienene Bekannt­machung der gewerblichen Zentralstelle vom 14. d. M., betr. Landes-Ausstellung von Lehrlingsaarbeiten 1813, werden die Interessenten hiermit hingewiesen.

Den 22. April 1813.

Reg.-Rat Binder.

K. Oberamt Calw.

Bekanntmachung,

betr. Abhaltung von Wiederholungskursen für die Besucher früherer llterrichtskurse über Obstbaumzucht.

Im kommenden Sommer, kurz vor bzw. nach der Heu­ernte, werden unter der Voraussetzung genügender Beteili­gung für die Besucher früherer Unterrichtskurse über Obst- baumzucht an der König!, landwirtschaftlichen Anstalt in Hohenheim und, soweit erforderlich, an der König!. Weinbau­schule in Weinsberg, sowie in Ulm in der hierfür eingerich­teten städtischen Obstanlage und in einer Privatbaumschule durch den Obstbauinspektor Winkelmann daselbst Wieder­holungskurse abgehalten werden, in welchen die Teilnehmer Gelegenheit zur Befestigung und Erweiterung der erworbe­nen Kenntnisse, sowie zum Austausch ihrer Erfahrungen erhalten sollen.

Die Dauer dieser Wiederholungskurse ist aus eine Woche festgesetzt.

Der Unterricht ist unentgeltlich; dagegen sind die Teil­nehmer an den Wiederholungskursen verpflichtet, den Wei­sungen der Kursleiter nachzukommen, auch haben sie für Wohnung und Kost selbst zu sorgen.

Bedingungen der Zulassung zu den Wiederholungs­kursen sind:

Der Nachweis des Besuchs eines früheren Unterrichts- kurses über Obstbaumzucht mit Angabe des betreffenden Jahres und Orts, Auskunft über die seitherige Tätigkeit als Bezirks-, Eemeindebaumwart oder dergleichen und guter Leumund.

Gesuche um Zulassung zu den Wiederholungskursen sind mit einem schultheißenamtlichen Zeugnis über die Erfüllung vorstehender Bedingungen spätestens bis 24. Mai d. I. an dasSekretariat der Königl. Zentralstelle für die Land­wirtschaft in Stuttgart" einzusenden.

Den 22. April 1913.

Reg.-Rat Binder.

SLutari.

Die Meldung von der Einnahme Skutaris durch die Montenegriner hat doch überrascht. Man nahm an, daß die Flottendemonstration der europäischen Mächte vor Anti- vari der endgültigen Erstürmung Skutaris durch die Monte­negriner vorbeuge. Aber König Nikita hatte es anders gewollt. Verstärkt durch serbische Hilfskräfte, ist ihm und dem montenegrinischen Volke die Erfüllung dessen geworden, um das seit beinahe 6 Monaten gekämpft wurde. Es ist möglich, daß diese Aenderung der Dinge auf dem Balkan neue Verwirrungen unter den Großmächten hervorruft, in­sofern, als Montenegro, durch den kaum erwarteten Erfolg nun noch übermütiger gemacht, besondere Forderungen stellt, ehe es zum Frieden die Hand reicht. Es kommt vor allem darauf an, daß Rußland fest bleibt und auch jetzt die Er­klärung seines Ministers Ssasonow für bindend hält, nach welcher Skutari für Montenegro verloren sein müsse, und dieses angesichts seiner albanischen, muselmanischen Tradi­tion unstreitig mehr Bedeutung für Oesterreich und Albanien und viel weniger für Montenegro habe, das eine viel wert­vollere Entschädigung durch die Einverleibung der Städte Prizrend, Jpek und Djakowa in Serbien und Montenegro erhalte Städte, die bei der Verteilung der Siegesbeute ursprünglich Albanien zugedacht gewesen seien. Die Flotten­demonstration der Mächte war zu dem Zwecke unternommen worden, Skutari unter allen Umständen als Hauptstadt für ein zu schaffendes neutrales Albanien zu sichern. Daran lag vor allem Oesterreich-Ungarn und Italien, die neben sich nicht noch eine dritte Macht an der Küste der Adria dulden mochten. Montenegro sah sich auf diese Weise um die Haupt­frucht seiner kriegerischen Absichten und Taten betrogen, und alle Mühe der Botschafterkonferenz in London und selbst die Blockade der montenegrinischen Küste hielt es nicht von der Weiterberennung der Feste Skutari ab. Zu diesem zähen Widerstande mag den König der schwarzen Berge in erster Linie das Drängen seines Volkes veranlaßt haben und die Gewißheit, daß Skutari eben doch über kurz oder lang am Hunger zugrunde gehen müsse. Verstärkt durch serbische Hilfstruppen, die er erbat, konnte nun nach einem blutigen Generalsturm die montenegrinische Fahne auf den Wällen von Skutari aufgepflanzt werden. Die neueestn Meldungen lauten dahin, daß König Nikita nur der Waffenehre der montenegrinischen Truppen zuliebe auf der Erstürmung Sku­taris bestanden habe. Er stelle, trotzdem er sich mit Waffen­gewalt die Feste angeeignet habe, die Forderung nach Ein­verleibung Skutaris in Montenegro nicht, er gebe sich mit einer Kompensation (Zuweisung anderer Gebietsteile oder

Eeldentschädigung) zufrieden. Träfe das zu, dann stünde friedlichen Auseinandersetzungen nichts mehr im Wege. Jedenfalls wäre Europa um ein Streitobjekt ärmer.

Parlamentarisches.

Aus dem Reichstag.

Berlin, 23. April. Heute war der sechste und letzte Tag der Beratung über den Etat des Reichsheeres. Man beriet vorwiegend über das Kapitel Festungen, Ingenieure, Pio­niere und Verkehrswesen. Die Wohnungsnot in den Festungs­städten schilderte der Sozialdemokrat Hofrichter, komme im wesentlichen auf das Konto des Militärfiskus. Er wünscht eine Befreiung der Festungsstädte von Wall und Graben. Auf ihn folgte Trimborn vom Zentrum, der besondere Kölner Wünsche zum Vortrag brachte und über Schwierig­keiten berichtete, die der Militärfiskus bei der Vorortbahn­anlage in Köln gemacht habe. Generalleutnant Wandel wendet sich gegen die Angriffe seiner beiden Vorredner und sagte zu, daß die Militärverwaltung nach Möglichkeit Ent­gegenkommen zeige. Ihm trat der Fortschrittler Wein- hausen Lei. Er erkannte an, daß für die Aufrechterhal­tung einer Festung in allererster Linie militärische Rücksichten bestimmend sein müßten. Diese Rücksichten könnten aber, so meinte der Vertreter der Stadt Danzig, für seine Wahlkreis­stadt nicht mehr vorliegen. Der militärische Regierungs­vertreter aber hielt im Hinblick auf die Kaiserliche Werft und die anderen wichtigen militärischen Anlagen in Danzig die Aufrechterhaltung der Festung für notwendig. Der So­zialdemokrat Weil! beschwert sich über angeblich mangeln­des Entgegenkommens der Militärverwaltung im Elsaß und meinte schließlich, es sei viel vorteilhafter, man suche beim Abschluß von Zementlieferungen Ersparnisse zu machen, da das Zementsyndikat nach dem Auslande wesentlich billiger liefere als nach dem Jnlande. Behrens von der Wirt­schaftlichen Vereinigung bat, beim Bau von Festungswerken möglichst keine ausländischen Arbeiter zu verwenden. Auch der Regierungsvertreter erklärte dies für erwünscht, aber bisher zeigte sich, daß für so schwere Erdarbeiten genügend Arbeiter im Jnlande nicht zu erhalten seien. Hierauf teilte Vizepräsident Dr. Paasche dem Hause ein Schreiben des Reichskanzlers mit, das ihm kurz vorher Staats­sekretär Dr. Delbrück im Aufträge seines Chefs übergeben hatte. Der Reichskanzler machte in diesem Schreiben dem Hause die Mitteilung, daß er im Hinblick auf den Verlauf der Verhandlungen in der Budgetkommission über den be­kannten und viel Aufsehen erregenden Grundstückstausch in der Wilhelmstraße zu Berlin, das zur Errichtung eines vor-

36) Im Sturm genommen!

Roman aus den Freiheitskriegen 18131814.

Von H. E. Iah n.

In einer Türnische hatte Lenchen den Zettel inzwischen hastig durchflogen. Er enthielt nur wenige Worte, mit Bleistift hingeworsen, aber sie kamen von einer lieben Hand. Hans Hoya war es, der ihr schrieb, daß er genesen nach Berlin zurückkehrte, in der Hoffnung sie zu finden. Wie enttäuscht war er, als er alles leer fand. Niemand konnte ihm Auskunft erteilen über ihren Verbleib, bis Schlächter­meister Fischer sich des Supernumerarius Brümmer er­innerte. Ins Gebet genommen, gestand der alte Aktenwurm alles, auch die Route der Reise über Potsdam nach Witten­berg. Da ahnte er das Vorgefallene und machte sich auf, um sich dem Belagerungskorps unter Dobschütz anzuschließen. Nun sei er zum Leutnant im 8. Reserveregiment ernannt worden. Er bat, wenn möglich, ihm durch den Bauern Knape Nachricht zukommen zu lasten; gehe das nicht, dreimal vom Malle am Schloßtore mit einem Tuche zu winken, dann wisse er bestimmt, daß sie in der Festung sei. Sie möge nur Ver­trauen haben, die Knechtschaft habe bald ein Ende!

Vorsichtig verbarg sie alsbald das ihr so heilige Papier und schritt zum Walle, wo Bosquet ihrer schon harrte. Auf ihren Wunsch erstiegen sie heute den Wall beim Schloßtore,

wie der alte Kriegsmann meinte, wohl zum letzten Male, denn die Unruhe unter den Truppen ließ auf irgend etwas Wichtiges schließen, vielleicht auf eine Beschießung der Werke, da die bisherigen Beschießungen der Stadt selbst erfolglos verlaufen seien. Neben einem der schweren Geschütze zog Lenchen ihr Taschentuch hervor und schwenkte es hoch empor gegen die Belagerer. Ob Hans das Zeichen gesehen, wußte sie nicht, aber ihr war es, als habe sie drüben hinter einem der Verhaue und Erdwälle eine Bewegung gesehen, als habe auch dort ein Tuch zu ihr herübergewinkt.

Bosquet lächelte verständnisvoll und sagte halblaut: Ein Liebesgruß. Aber, bitte, Madelon, lassen Sie das, die Schildwachen könnten argwöhnisch werden. Wir haben 1700 preußische Gefangene in der Stadt. Das Mißtrauen hat seine Späher an allen Ecken und Enden. Kommen Sie, wir wollen nach Hause gehen."

Helene war es, als umwehe sie ein warmer Frühlings­hauch. Es war ihr, als ginge sie ganz in Sonne.

Die nächsten Tage vergingen, ohne irgend etwas von Bedeutung zu bringen. Soulard erschöpfte sich in phrasen­haften Galanterien, Papa Lange war unzufrieden mit sich selbst und aller Welt, Frau Aurora gab ihre weibliche Philo­sophie zum besten, und die beiden einquartierten Franzosen zollten dieser Weisheit begeistertes Lob. Der einzige, der ziemlich teilnahmslos in diesem Kreis der Irrungen und Wirrungen dastand, war der Hausherr selbst, Anton Kühn.

Der Bauer Knape aus Labitz war vor ein Kriegsgericht gestellt und mußte, trotzdem der Auditor sowie der Vorsitzende Major sich alle Mühe gaben, ihn zu retten, zum Tode ver­

urteilt werden. Seine eigene Dummheit hatte den guten Willen der amtierenden Offiziere unwirksam gemacht. Er hatte offen zugegeben, für Preußen wie für Franzosen Spio- nendienste geleistet zu haben. So mußte denn der Bauer, im Beisein der ganzen Garnison, auf dem Anger vor dem Elbtore standrechtlich erschossen werden. Helene bedauerte das Geschick des armen Mannes tief, da sie, wenn auch un­freiwillig, die Ursache seiner Verhaftung geworden; und zu der Abneigung, die sie bisher gegen Soulard hegte, ge­sellte sich ein dunkles, banges Grauen. Durch ihre Bitten bewogen, hatte Oberst de Bosquet alles getan, was nur möglich, den Unglücklichen wenigstens vor dem Tode zu be­wahren leider alles vergebens.

Dann war das Weihnachtsfest gekommen; ein trostloses, einsames Fest, ohne Lichter und Tannenbaum, ohne Freude und Kinderjubel. Draußen stäubte der Schnee aus tief­lastenden Wolken hernieder und verhüllte die Welt. Fern von den Holz- und Reisighütten der Belagerer herüber er­scholl das alte Weihnachtslied:Vom Himmel hoch, da komm' ich her!" und klang, ab und an durch das Krachen eines Schusses unterbrochen, wie eine tiefe, lichte Sehnsucht herüber. Die gläubigen Töne des Liedes erfüllten das Herz Helenens mit Hoffen und Vertrauen, und es war ihr, als umschwebten sie die Klänge wie Engel Gottes.

Ende Dezember traf der General Graf Tauentzien selbst vor Wittenberg ein, auch langte endlich das Belagerungs­geschütz an. Die Ziegelscheune wurde erstürmt und die Be­satzung entweder gefangen oder niedergemacht. In der Nacht vom 28. zum 29. Dezember wurde die erste Parallele, etwa