52. Amts- und Anzeigeblatt für den OberamtsbezirL Calw. 88. Jahrgang.
«ssHrinungsweisr: Smal wkchentNch. «n,etglnpreis: Im Oberamts- »««trr Talw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg., außerhalb desselben 12Pfg., NÄlamen Lb Pfg. Schluß sllr Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon g.
Dienstag, den 4. März 1913.
Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljLhrlich, Post- bezugSpreiS für den OrtS- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg.
Im Sturm genommen! ^
;o lautet der Litel des im Marr im Lalwer Lag- blstl beginnenden neuen, rur Leit der ?reiheits- Kriege spielenden Romans. lerner werden im Laute der nächsten Leit eine Iveibe interessanter Abhandlungen, §o:
Vas äeutsche hanäiverk einst u. jelLt
von bans Schaler, Oberamtssekretär
und
Oer heilige Lwisl rwisch. ttonig ?rieä- rich v. Württemberg u. vapoteon!. usw.
von protessor Karl Länder im Lslwer Lsgblalt rur Deröstentlichung gelangen, lllir können mit diesen Arbeiten unser» Lesern wiederum gediegenen Lesestoff rur Unterhaltung und Belehrung in Aussicht stellen und ihnen auch hinsichtlich des übrigen Inhalts unserer Leitung die Lusicherung geben, dass unablässig Mühe und Korten autgcwandt werden, um aus dem Lalwer Lsgblatt ein an steigender keliebtheit gewinnendes Lokalblatt ?u machen. Der billige Preis von 45 pfg. kür einen Monat, frei ins Hans durch die Lrsgerin, und 50 ?lg. durch die Post, ermöglicht es jedermann, sich das Matt ru halten. Daher
bestem äas Dalmer Lagblatt!
Amtliche Bekanntmachungen.
K. Oberamt Calw.
Wettbewerb für Bauhandwerker.
Zur Förderung des Sinns für tüchtige, meistermäßige Arbeit bei den Bauhandwerkern selbst und beim Publikum und gleichzeitig zur Förderung richtiger Kostenberechnung wird für die verschiedenen Zweige des Bauhandwerks ein Wettbewerb veranstaltet. Nach Beendigung der Arbeit des
Preisgerichts werden die Arbeiten in dem neuen Ausstellungsgebäude beim Landesgewerbemuseum in Stuttgart ausgestellt. Näheres im „Gewerbeblatt" Nr. 8.
Das „Eewerbeblatt" kann u. a. bei den Herrn Ortsvorstehern eingesehen werden, an welche hiermit die Aufforderung ergeht, den Gewerbetreibenden auf Wunsch Einsicht in das ihnen mit dem Staatsanzeiger zugehende „Eewerbeblatt" zu gewähren.
Den 3. März 1913.
Regierungsrat Binder.
Zur Deckung der Heercsvorlagen.
Eine runde Milliarde Mark hat das deutsche Volk als einmalige Ausgabe für die neuen Heeresrüstungen aufzubringen. Den Angaben der Nordd. Allg. Zeitung nach soll diese Summe vom Besitz angefordert werden. „Es besteht," sagt sie, „bei der Reichsleitung die Absicht, die wegen ihrer Höhe ganz besonders ins Gewicht fallenden einmaligen Kosten der Heeresvorlage durch eine einmalige Äbgabe vom Vermögen zu decken." Der Plan dieser Besteuerung ist dunkel. Ehe zu ihm Stellung genommen werden kann, müßte er in seinen Einzelheiten bekannt sein. Der Staatsbürger weiß zur Stunde von maßgebender Stelle aus noch nichts über die untere Grenze der Vermögensbcstcuerung, weiß noch nicht, ob eine staffelförmige Besteuerung Platz greift und weiß ebensowenig, in weicher Unterscheidung mobiles und immobiles Kapital beigezogen werden. Die Angaben über die Höhe des deutschen Nationalvermögens schwanken zwischen 200 und 350 Milliarden. Bei elfterer Summe wäre die Besteuerungsquote mit Prozent anzusetzeu. Ein genauer Anhaltspunkt aber über die Einzelheiten der Deckung fehlt, wie gesagt, bis jetzt noch. Inzwischen sind die Zeitungen aller Richtungen beschäftigt, den Deckungsplan zu betrachten. Die nationalgesinnte Presse hat die Ankündigung der Regierung über neue Opfer nicht übelwollend ausgenommen. Es wird überall die Notwendigkeit betont, daß Deutschland sich der Weltlage entsprechend besser rüste, und daß das Volk die Lasten trage. Anderseits fehlt es aber auch nicht an.Stimmen, die in der ungewöhnlichen Maßregel der Regierung eine etwas zu romantische Erinnerung an die Freiheitskriege sehen. Die Vossische Zeitung z. B. hält die einmalige Reichsvermögensausgabe für das Eingeständnis einer Bankerotterklärung der Finanzverwaltung und sagt, wenn dieser Vorschlag von den Sozialdemokraten ausgegan- gcn wäre, wäre ein Entrüstungssturm losgebrochen, weil man gemeint hätte, daß eine solche Politik die Besitzenden aus dem Lande treibe und den Umsturz von Sitte und Re
ligion bedeute. Der Vorwärts fragt: Was bedeutet ein Steueropfer der Besitzenden von 50 Millionen Mark? Die englische Erbschaftssteuer bringt jährlich eine halbe Milliarde ein! Der Berliner Vörsen-Courier schreibt: In Friedenszeiten, wie wir sie doch noch durchleben, sollte man solche Mittel, die leicht den falschen Eindruck eines „letzten" Rettungsankers machen, zu dem ein finanziell armes Land greift, vermeiden. Wir sind kein so armes Land, daß nicht Hoffnung wäre, auch auf dem Wege einer gesunden Steuertechnik zu einem befriedigenden Mittel zu kommen. Und die Frankfurter Zeitung hält die Milliardenvorlage für eine Jubiläumsgabe, an die das Volk denken werde, und glaubt, daß die Regierung sich bewußt ist, daß eine solche Kostenrechnung mit gemischten Gefühlen ausgenommen wird, denn sie würde den Etat mit einer dauernden Mehrausgabe von mindestens 250 bis 300 Millionen belasten, da zu den direkten Heeresausgaben sich auch die Zinsen einer neuen Anleihe von 1000 Millionen gesellen würden. Auch die deutsche Tageszeitung versagt sich grundsätzlich nicht, für das Vaterland Opfer zu bringen, das mobile Kapital müsse in stärkerer Weise herangezogen werden. Die „Post" verschweigt nicht, daß einer derartigen Abgabe vom Vermögen in anderen Fällen, als dem gegenwärtigen, schwere grundsätzliche Bedenken entgegenstehen. — Was nun den Inhalt der Militärvorlage betrifft, so ist zu berichten, daß 0 neue Kavallerieregimenter angeforvert werden, von denen 2 Regimenter zur 16. Division nach Trier bestimmt sind. Die bayerische Kavallerie wird ebenfalls eine Vermehrung erfahren, indem die Chevauleger-Regimenter 1, 5, 7, 8 die fünften Eskadrons bekommten sollen. Die Lage des Trains zwingt, umfangreiche Formationsvermehrungen vorzunehmen. Ein ganz erheblicher Teil der einmaligen Ausgaben entfällt auf die fortifikatorische Verstärkung unserer Ostfront. Als Gegenzug gegen das französische Cadre-Gesetz plant die Heeresverwaltung die Bereitstellung genügend aktiver Offiziere für die Reserveformationen. Die neue Heeresvorlage sucht dieses Ziel in der Weise zu erreichen, daß sie die schon bestehenden Einrichtungen weiter ausbaut, d. h. die Zahl der Stellen der zu den Stäben kommandierten Offiziere ausreichend vermehrt.
Stadt» Bezirk und Nachbarschaft
Talw, 4. März 1913.
Vom Rathaus.
Oeffentliche Sitzung der bürgerlichen Kollegien unter dem Vorsitz von Stadtschultheiß Lonzam Montag, 3. März, von nachmittags 4 Uhr ab. Anwesend sind 10 Gemeinderäte
i6) Brigitta.
Erzählung^ von Adalbert Stifter.
So ging die Zeit nach und nach hin und ich war unendlich gerne in Uwar und seiner Umgebung.
Ich kam in diesen Verhältnissen öfter nach Maroshely. Man achtete mich und ich war fast wie ein Glied der Familie und lernte die Sachlage immer besser kennen. Von einer unheimlichen Leidenschaft, von einem fieberhaften Begehren, oder gar von Magnetismus, wie ich gehört hatte, war keine Spur. Dagegen war das Verhältnis zwischen dem Major und Brigitta von ganz merkwürdiger Art, daß ich nie ein ähnliches erlebt habe. Es war ohne Widerrede das, was wir zwischen Personen verschiedenen Geschlechts Liebe nennen würden, aber es erschien nicht als solches. Mit einer Zartheit, mit einer Verehrung, die wie an die Hinneigung zu einem höheren Wesen erinnerte, behandelte der Major das alternde Weib; sie war mit sichtlicher innerlicher Freude darüber erfüllt, und diese Freude, wie eine späte Blume, blühte auf ihrem Antlitze und legte einen Hauch von Schönheit darüber, wie man es kaum glauben sollte, aber auch die feste Rose der Heiterkeit und Gesundheit. Sie gab dem Freunde dieselbe Achtung und Verehrung zurück, nur daß sich zuweilen ein Zug von Besorgnis um seine Gesundheit, um seine kleinen Lebensbedürfnisse und dergleichen einmischte, die doch wieder dem Weibe und der
Liebe angehörte. Ueber dieses hinaus ging das Benehmen der beiden nicht um ein Haar — und so lebten sie nebeneinander fort.
Der Major sagte' einmal zu mir, daß sie in einer Stunde, wo sie, wie es selten zwischen Menschen geschieht, miteinander inniger über sich selber sprachen, festgesetzt haben, daß Freundschaft der schönsten Art, daß Aufrichtigkeit, daß gleiches Streben und Mitteilung zwischen ihnen herrschen sollte, aber weiter nichts. An diesem sittlich festen Altäre wollen sie stehen bleiben, vielleicht glücklich bis zum Lebensende — sie wollen keine Frage weiter an das Schicksal tun, daß es keinen Stachel habe und nicht wieder tückisch sein möge. Dies sei nun schon mehrere Jahre so und werde so bleiben.
Das hatte der Major zu mir gesagt — allein in einiger Zeit darauf tat das ungefragte Schicksal von selber eine Antwort, die alles schnell und auf unerwartete Art löste.
Es war schon sehr spät im Herbste, man könnte sagen zu Anfang des Winters, ein dichter Nebel lag eines Tages auf der bereits fest gefrorenen Heide und ich ritt eben mit dem Major auf jenem neugebautcn Wege mit der jungen Pappelallee; wir hatten vor, vielleicht ein wenig zu jagen, als wir plötzlich durch den Nebel herüber zwei dumpfe Schüsse fallen hörten.
„Das sind meine Pistolen und keine andern!" rief der Major.
Ehe ich etwas begreifen und fragen konnte, sprengte er schon die Allee entlang, so furchtbar, wie ich nie ein Pferd habe laufen gesehen, und ich folgte ihm nach, weil ich ein Unglück ahnte, und als ich wieder zu ihm kam, traf ich auf
ein Schauspiel, so gräßlich und so herrlich, daß noch jetzt meine Seele schaudert und jauchzt: an der Stelle, wo der Galgen steht und der Binseubach schillert, hatte der Major den Knaben Gustav gefunden, der sich nur noch matt gegen ein Rudel Wölfe wehrte. Zwei hatte er erschossen, einen)» der vorne an sein Pferd gesprungen war, wehrte er mit seinem Eisen, die andern bannte er für den Augenblick mit der Wut seiner vor Angst und Wildheit leuchtenden Augen, die er auf sic bohrte. Aber harrend und lechzend umstanden sie ihn, daß eine Wendung, ein Augenzucken, ein Nichts Grund werden konnte, mit eins auf ihn zu fallen, — da, im Augenblicke der höchsten Not, erschien der Major. Als
ich ankam, war er schon wie ein verderblich Wunder, wie
ein Meteor, mitten unter ihnen — der Mann war fast entsetzlich anzuschauen, ohne Rücksicht auf sich, fast selber wie
ein Raubtier, warf er sich ihnen entgegen. Wie er von dem Pferde gekommen war, hatte ich nicht gesehen, da ich später ankam; den Knall seiner Doppelpistole hatte ich gehört, und wie ich auf dem Schauplatz erschien, glänzte sein Hirschfänger gegen die Wölfe, und er war zu Fuß. Drei — vier Sekunden mochte es gedauert haben, ich hatte bloß Zeit, mein Jagdgewehr unter sie abzudrücken und die unheimlichen Tiere waren im Nebel zerstoben, als wären sie von ihm eingetrunkeu worden.
„Ladet!" schrie der Major, „sic werden gleich wieder hier sein."
Er hatte die weggeschleuderten Pistolen aufgerafst und stieß die Patronen hinein. Wir luden auch und in dem Augenblicke, da wir ein wenig still waren, vernahmen wir