Kirche, sondern gegenüber Religion und Christentum ebenso den offiziellen Standpunkt, daß Religion Privatsache sei, verleugnen. Wenn die Kirche in der Vergangenheit der Arbeiterfrage verständnislos gegenüber gestanden ist, darf man ihr heute keinen Vorwurf mehr daraus machen. Aber zu unterscheiden ist zwischen Kirche und Christentum. Ge­rade auch von ihnen möchte ich das Christentum in Schutz genommen wissen. Die höchste Blüte der Menschheit ist und bleibt die Religion, und hier wieder unter allen Religionen das Christentum. Der Redner ging dann auf vke vom Re­ferenten ungezogene Aufhebung des Jesuitengesetzes ein, vertrat u. a. auch die Forderung nach Abschaffung des Eot- teslästerungsparagraphen und forderte, um einen Weltfrie­den heraufzuführen, den Sechsbund Deutschland-Oesterreich- Italien-England-Rutzland-Frankreich. Die Rede machte einen tiefen Eindruck und Herr Hornung, der zu einer kurzen Widerrede das Wort ergriff, sprach Herrn Wagner seine Hochachtung über dessen ernste Bemühungen, die So­zialdemokratie verstehen zu suchen, aus. Er sagte zum Schlug, viele Geistliche ständen der Friedensidee z. B., der Sozial­demokratie überhaupt, viel freundlicher gegenüber, als es nach äugen hin den Anschein habe,' wirtschaftliche Gründe seien es, die ihnen Zurückhaltung auferlegten. Aber das höre auf mit dem Tage, an dem die Staatskirche Volks­kirche werde. Herr Robert Störr, der die Versammlung leitete, schloß diese nach etwa zwei Stunden.

Wer will helfen? Die vom Verfasser des kürzlich im Lalwer Tagblatt veröffentlichten RomansDie Schule des 'Lebens" angeregte Sammlung zugunsten der türkischen Ver­wundeten, von der wir in Nr. 33 d. Bl. unsre Leser in Kennt­nis setzten, beabsichtigen wir am Mittwoch abzuschliegen und bitten, etwa noch zugedachte Gaben bis dahin an die Geschäftsstelle unserer Zeitung gelangen zu lassen. Nach Ab­schluß der Sammlung wird an dieser Stelle für die ein­gegangenen Beiträge quittiert werden.

Keine neue Brücke in Hirsau. Wegen der Umgestaltung der Hirsauer Brücke ist eine Verständigung zwischen dem Bund für Heimatschutz und den Eemeindekollegien dahin zustande gekommen, dag eine neue Brücke nicht gebaut wird, die alte Oelmllhle erhalten bleiben und die jetzige Brücke erbreitert und weniger steil durchgeführt werden soll.

b- Frühe Ostern. Eine Bauernregel sagt: Ostern im März verheißt ein gutes Brotjahr. Wenn man nach dieser Regel geht, so müßte das Jahr 1913 ein ganz ungewöhnlich glänzendes Brotjahr werden, weil Ostern Heuer bekanntlich schon am 23. März, dem zweitfrühesten überhaupt denkbaren Termin, gefeiert wird. Der früheste Termin ist, da nach der Festsetzung des Konzils zu Nicäa das Fest am ersten Sonntag nach dem Vollmond nach Frühlingsanfang gefeiert werden muß, der 22. März. Nur wenige unserer Mitmen­schen haben ein so frühes Fest erlebt. Es war zum letzten­mal am 22. März 1818, und vorher 1761 und 1639. In den beiden nächsten Jahrhunderten kommt der 22. März als Ostertermin gar nicht vor, sondern nach 1818 zum erstenmal wieder im Jahre 2285, dann 2353 und 2437. Selbst der 23. März als zweitfrühester Termin ist im vorigen Jahr­hundert nur zweimal vorgekommen, 1845 und 1856. Er wird sich erst wiederholen in den Jahren 2008, 2160, 2380 und 2532. Ein seltener Fall ist auch, daß Heuer der Josephtag (19. März) in die Karwoche, und Mariä Verkündigung auf den Osterdienstag fallen, so daß einschließlich des Karfrei­tages und der beiden Osterfeiertage innerhalb 7 Tagen 5 Feiertage stattfinden würden, wenn der Josephtag und Mariä Verkündigung als gesetzliche Feiertage noch in Be­tracht kämen.

8cb. Mutmaßliches Wetter. Für Dienstag und Mittwoch ist zwar bewölktes und weniger rauhes, aber abgesehen von vereinzelten Niederschlägen, vorherr­schend trockenes Wetter zu erwarten.

In welchem Alter hat man sein Kind zur Volksschule zu schicken? Vielfache Anfragen bei Lehrern lassen darauf schließen, daß unter den Eltern noch häufig Ungewißheit über diesen springenden Punkt herrscht. Die gesetzliche Be­stimmung sagt hierüber folgendes: Zum Eintritt in die Schule am ersten Schultag des Monats Mai sind diejenigen Kinder verpflichtet, die bis zum 30. April (einschließlich) das 6. Lebensjahr vollendet haben, somit im 7. Lebensjahre stehen. Es ist hiernach nicht mehr das Kalenderjahr, sondern das Lebensjahr des Kindes maßgebend. Den Eltern steht es frei, auch diejenigen Kinder zur Schule zu schicken, die innerhalb von 5 Monaten nach dem Aufnahmetermin, somit bis zum 30. September, das 6. Lebensjahr vollenden, vor­ausgesetzt, daß die Kinder gehörig entwickelt sind.

Bad Liebenzell, 24. Febr. (Eingesandt.) Um den Gemeindeabend, der zu einer Uhlandfeier ausgestaltet war, zu vervollständigen, und um der Feier des Ge­burtstages unseres vielgeliebten Königs einen würdi­gen Abschluß zu geben, haben hiesige Kräfte aus den verschiedensten Ständen in den letzten Wochen die Auf­führung von Ludwig Uhlands Tragödie:Ernst, Her­zog von Schwaben" mit viel Fleiß eingeübt. Die Auf­führung geschieht morgen Dienstag abend X>8 Uhr im Zldlersaal. Diese Dichtung Uhlands feiert die schwä­bische Treue und atmet Heimatluft, spielt doch der tra­gische Schluß in unsrem Schwarzwald. Da die Auf­führung mit großen Kosten verknüpft ist, und da die Aufführenden seit Wochen sich die Mühe und Arbeit nicht verdrießen ließen, wäre es sehr zu wünschen, daß diese Aufführung zahlreichen Besuch fände. Auch Gäste von auswärts aus den Nachbarorten sind herzlich willkommen. (S. auch Anzeigenteil.) Etwaiger Ueberschuß, auf den wir kaum zu hoffen wagen, fällt dem Baufonds unseres Gemeindehauses zu. Zur Haupt­probe am Montag abend X-8 Uhr haben Schüler und junge Leute gegen 20 Z Eintrittsgeld Zutritt.

Uuterhaugstett, 22. Febr. Am Freitag abend konnte man auf unserer Höhe einen großartig präch­tigen Naturvorgang beobachten. Im Westen sank die Sonne blutigrot in den Nebelschleiern am Horizonte. Vor ihrem Scheiden wob sie nochmals glitzernde Gold­fäden durch den Wald. Es war ein unbeschreiblich schö­ner Sonnenuntergang. Eine gute Stunde später stieg im Osten in mächtiger Größe die volle Mondscheibe empor, ebenfalls blutigrot, aber düster und matt im Glanze. Aach dieser purpurne Mondaufgang mußte je­den Beschauer fesseln.

Württemberg.

Stuttgart, 22. Febr. Der Finanzausschuß der Zweiten Kammer nahm einen Antrag des Zentrums an, wonach bei der Institution der Landjäger die Arreststrafen abgeschafft und ihnen das korporative Beschwerderecht erteilt werden soll. Die Einrichtung einer staatlichen fakultativen Hagel­versicherung wurde mit Hinweis auf die schlechten Erfah­rungen in Bayern abgelehnt.

Cannstatt, 22. Febr. Nach der Cannstatter Zeitung hat ein aus Berg als Sohn des dortigen verstorbenen Schutz­mannes Hölz gebürtiger Oberfeuerwerker des Ludwigsbur­ger Feldartillerieregiments eine für das Geschützwesen wich­tige Entdeckung gemacht und ein Patent darauf erhalten. Darauf seien ihm Stellenangebote von einer Anzahl der be­deutendsten deutschen Geschützfabriken, so auch von Krupp in Esten, zugegangen. Eine Düsseldorfer Firma habe ihm eine Stellung mit einem Jahresgehalt von 12 000 -K an- geboten.

Neckarsulm» 24^ Febr. Am Samstag nachmittag tum­melten sich auf dem Chardonersee sechs Buben trotz, aller Warnungen auf dem Eis. Der 12jährige Albert Becker von hier brach ein und ertrank.

S) Brigitta:

Erzählung von Adalbert Stifter.

Sonst war er in seinem Leben und in seinem Um­gänge mit mir sehr einfach und von einer Zurückhal­tung oder Verstellung war nicht im geringsten die Rede. So stand auf dem Tische seines Schreibzimmers, in das ich sehr oft kam, und in dem wir an heißen Nachmit­tagen oder abends bei der Kerze, wenn wir noch nicht schlafen gingen, von verschiedenen Dingen plauderten, ein Bild es war in schönem Eoldrahmen das ver­kleinerte Bild eines Mädchens von vielleicht zwanzig zweiundzwanzig Jahren aber sonderbar war es, wie auch der Maler die Sache verschleiert haben mochte, es war nicht das Bild eines schönen, sondern eines häß­lichen Mädchens die dunkle Farbe des Angesichtes und der Bau der Stirne waren seltsam, aber es lag etwas wie Stärke und Kraft darinnen und der Blick war wild, wie bei einem entschlossenen Wesen. Daß dieses Mädchen etwa in seinem früheren Leben eine Rolle gespielt habe, wurde mir klar, und mir fiel der Gedanke ein, warum sich denn dieser Mensch nicht ver­mählt habe, so wie mir dieser Gedanke auch schon bei unserer italienischen Bekanntschaft gekommen war; aber nach meinen Grundsätzen hatte ich damals nicht gefragt, und fragte auch jetzt nicht. Er durfte freilich das Bild ruhig auf dem Tische stehen lassen; denn es kam nie­mand von seinen Leuten in das Schreibgemach, sondern

sie mußten im Vorzimmer, wo ein Elöcklein beim Ein­tritt läutete, stehen bleiben, wenn ihm einer etwas zu sagen hatte. Auch von seinen Bekannten und Besuchen­den kam niemand in das Zimmer, da er sie immer in seiner anderen Wohnung empfing. Es war also schon ein Grad Vertraulichkeit, daß ich da hinein durfte, und alles besehen konnte, was da stand und lag. Diese Ver­traulichkeit mochte ich wohl dem Umstande zu verdanken haben, daß ich nie forschte und grübelte.

Mittlerweile war die Ernte gekommen und nie werde ich jener heiteren, vergnügten Zeiten vergessen.

Der Major mußte unterdessen auch einigemal klei­nere Reisen in die Nachbarschaft machen und lud mich dazu ein. In keinem Lande sind die Entfernungen zwi­schen den bewohnten Punkten oft so groß, wie hier, aber mit den schnellen Rossen legt man sie reitend, oder mit den leichten Wagen über die Haide fahrend, in verhält­nismäßig kurzer Zeit zurück. Einmal hatte der Major das enganliegende ungarische Volkskleid an, er war in großem Schmucke, mit dem Säbel an der Seite. Es stand ihm sehr wohl. Er hielt in einer Versammlung seiner Eespanschaft eine ungarische Rede. Da es von jeher meine Gewohnheit war, in jedem Lande, in das ich kam, schnell so viel von der Sprache zu lernen, als mir nur immer möglich war, so hatte ich auch bereits von den Leuten des Majors und allen, die mich um­gaben, etwas ungarisch gelernt, daher verstand ich man­ches von der Rede, die bei einem Teile heftige Be­wunderung, bei dem andern heftigen Tadel hervorrief;

Friedrichshafen, 22. Febr. Der dem Reichstag vorzu- legende Nachtragsetat für die Luftflotte fordert drei neue Zeppelinschiffe mit Hallen zu je rund 1300 000 -4t für ein Luftschiff mit Halle. Ferner wird ein Schütte-Lanz mit Halle zum gleichen Kostenbetrag und ein Parseval zu 400 000 bis 500 000 -<t gefordert.

Aus Welt und Zeit.

Magdeburg. 21. Febr. Der Schlächtergeselle Jgloffstein aus Staßfurt unterhielt ein Liebesverhältnis mit der Ehe­frau Schlottke. In letzter Zeit glaubte er Grund zur Eifer­sucht zu haben und so kam es gestern abend zu Zwistigkeiten zwischen den beiden, in deren Verlauf der Schlächtergeselle der <irau mit dem Schlachtmesser tödliche Verletzungen an Brust und Hals beibrachte, die den Tod der Frau zur Folge hatten. Der Mörder wollte sich sodann das Messer ins Herz stoßen, dabei brach aber die Spitze des Messers ab. Hierauf begab er sich vom Hausflur auf das Dach, um sich hinunter zu stürzen, brach aber vorher infolge starken Blutverlustes zusammen. Die Polizei mußte den sterbenden Mörder her­unterholen und ins Krankenhaus schaffen.

Genua, 22. Febr. Ein erschütternder Vorfall er­eignete sich am hiesigen Hafen. Eine junge Dame er­wartete den Dampfer, der aus China hier anlegen sollte. Die junge Dame war die Tochter eines fran­zösischen Offiziers, deren Verlobter aus China heim­kehren sollte, damit endlich Hochzeit gefeiert werden könnte. Lange, ehe der Dampfer in Sicht war, stand die junge Dame bereits am Landungsplatz, als wollte sie um jeden Preis die erste sein, die den Dampfer an­kommen sah. Endlich wurden die Stunden ihres Har­rens belohnt, sie erkannte die Gestalt ihres Verlobten, sie sah, wie er winkte, um in wenigen Minuten das Schiff zu verlassen. Endlich, endlich eilte er hinaus zur Landungsstelle. Auch auf seinem Gesicht lag der Jubel, die Freude, seine Braut endlich in die Arme zu schließen. Mit ausgebreiteten Armen stürzt er auf sie zu, sie warf sich an seine Brust, ein langer Kuß hielt sie beide umschlungen. Plötzlich fühlte der Mann den Körper des Mädchens in seinen Armen schwer und schwerer werden, die Augen waren geschlossen, er hielt ein lebloses Wesen an seine Brust gedrückt. Zuerst glaubte er, eine Ohnmacht habe sie befallen, die Wie­dersehensfreude sei zu stark gewesen und habe ihre Sinne verwirrt. Die Umstehenden kamen ihm zu Hilfe, ein Arzt wurde herbeigerufen, um Wiederbelebungs­versuche anzustellen. Er konnte aber nicht mehr hel­fen, es ergab sich, daß der Bräutigam durch eine allzu- stürmische Umarmung, bei der er den Kopf seiner Braut zu weit über geneigt hatte, ihr das Genick gebrochen. Die Verzweiflung des- unglücklichen Mannes war ent­setzlich mit anzusehen.

Bukarest, 23. Febr. Die rumänische Regierung hat den Großmächten geantwortet, daß sie deren Vermittlung be­dingungslos annimmt und daß sie der festen Hoffnung ist, den rumänisch-bulgarischen Grenzstreit in kürzester Zeit zur Zufriedenheit beider Regierungen erledigt zu sehen.

Mexiko, 23. Febr. Der frühere Präsident Madero und der frühere Vizepräsident Suarez wurden heute erschaffen, als man bei ihrer lleberführung nach dem Gefängnis den Versuch machte, sie zu befreien. Von den Angreifern wur­den in dem Kugelwechsek 2 Mann erschaffen. Von Huerta wird diese Nachricht bestätigt.

Landwirtschaft und Märkte.

-t- Simmozheim, 23. Febr. Die heutige Versamm­lung des landwirtschaftlichen Bezirksvereins war er­freulicherweise von Vereinsmitgliedern von Simmoz­heim und den Nachbargemeinden sehr zahlreich besucht. Nach Eröffnung der Versammlung durch den Vereins­vorstand, Herrn Regierungsrat Binder, hielt Herr

im Nachhausefahren übersetzte er sie mir vollständig ins Deutsche. Nachmittag bei Tische sah ich ihn an jenem Tage im Fracke, wie einstens in Italien, sowie die mei­sten der Anwesenden ihre Volkskleidung abgelegt hatten und in dem gemeinschaftlichen europäischen Fracke waren.

Auch zu anderen Besuchen, die er in der Nachbar­schaft machte, hatte ich ihn begleitet. Hier erfuhr ich nun, daß vier solcher Sitze bestehen, wie der Major einen hatte. Man hatte vor einigen Jahren einen Bund geschlossen, den Landbau und die Hervorrufung der ursprünglichen Erzeugnisse dadurch zu heben, daß man dies zuerst in dem besten Maßstabe auf den eige­nen Besitzungen tue, und so den andern mit einem Bei­spiel vorangehe, namentlich wenn sie sehen, daß Wohl­habenheit und besseres Leben sich aus dem Dinge ent­wickle. Der Bund hatte auch seine Gesetze und die Bei­getretenen hielten landwirtschaftliche Versammlungen. Außer diesen vier großen Musterhöfen, die eigentlich bis jetzt erst nur die einzigen Mitglieder des Bundes waren, hatten schon einige kleinere Besitzer angefangen, das Verfahren ihrer größeren Nachbarn nachzuahmen, ohne daß sie deswegen eigentlich Glieder des Bundes waren. Zur Sitzung, aber nur als Zuhörer, oder ge- legenlich als Ratfrager, durften alle Landwirte und andere Menschen kommen, wenn sie sich nur vorher an­gemeldet hatten. Und sie nahmen nicht sparsam teil, wie ich aus einer Versammlung abnahm, die vier Stun­den Reitens von Uwar entfernt bei einem Mitgliede Gömör abgehalten wurde, wo von Mitgliedern nur der