so viel tapferes Blut geflossen ist. Ich bitte die Arbeitgeber und die Arbeiter, das „zu spät" nicht als Aufschrift über die Pforten der Munitionsfabriken zu wählen. Alles hängt von den allernächsten Monatenab. Auf der letzten Konferenz der Alliierten in Paris sind Beschlüsse gefaßt worden, die den ganzen Verlauf des Feldzuges beeinflussen werden. — Thomas (Arbeiterpartei) erklärte, es sei Pflicht der Regierung, alsbald in systematischer und gesetzmäßiger Weise denk Arbeitermangel abzuhelfen. Das geschehe nicht dadurch, daß jedermann aufge^ordert werde, nicht Munition herzustellen sondern sn die Armee einzutreten. Die Regierung trage eine große Verantwortung, denn jeder Arbeiter, der in die Armee eintrete, vermehre di« Schwierigkeiten Lloyd Georges. Es sei Pflicht der Regierung, zu erklären, daß die Kriegsleistungen Englands in der Herstellung von Munition und der Verstärkung seiner Finanzlage bestehen müsse. Das sei die Moral der Rede Lloyd Georges und die Nation sollte sie sich zu Herzen nehmen.
Das Ergebnis der Wcrbecampagne Lord Derbys.
WTB. London, 22. Dez. (Reuter.) Das Mitglied der Arbeiterpartei O-'Grady, der Lord Derby bei der Rekrutierung half, veröffentlicht im „Daily Sketch einen Artikel über die Werbecampagne Lord Derbys, in dem er annähernde Zahlen gibt. Während der ersten Woche sei es ruhig gewesen, dann sei die tägliche Zahl der Rekruten von 74000 auf 336 000 (?) gestiegen. Am 12. Dezember, dem letzten Tag der Campagne, meldeten sich 325 000 Mann. Tie Gesamtzahl der Anmeldungen während der letzten Woche hätten mindestens 1530000 Mann (?) betragen. Mährend der neun Wochen der Campagne Lord Derbys hätten fast 2GZ Millionen Mann Dienst genommen.
Die Lage im Osten.
WTB. Wien, 22. Dez. Amtlich wird verlautbart vom 22. Dezember 1915, mittags:
Russischer Kriegsschauplatz: Stellenweise Mrtilleriekämpse uud Geplänkel.
Der russische Kriegsbericht.
WTB. Petersburg, 22. Dez. Amtlicher Bericht von gestern. Westfront: Unsere Flieger warfen mit Erfolg Bomben auf die Hinteren Verbindungen des Feindes in der Gegend von Goduzischki und Komai östlich 'E-wenzjany (27 Kilometer). Unter den Trains entstand eine Verwirrung. In Galizien versuchte der Feind auf der Fvont von Nowo-Aleksiniec, Buczacz und östlich von Zalescyki mit kleinen Abteilungen anzugreifen, wurde aber überall durch Feuer abgewiesen. — Kaukasus front: Keine Veränderung.
Das Nachspiel zu de« Plünderungen in Moskau.
WTB. Moskau/ 22. Dez. (Ueber Kopenhagen.) „Rufchoje Slow-o" meldet: In Moskau wurden 6 Personen wegen Teilnahme an der Deutschenhetze und Plünderungen fremden Eigentums zu zwei bis acht Monaten Gefängnis verurteilt. Eine große Anzahl von Arbeitern und Arbeiterfrauen wurden wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt vor ein Kriegsgericht gestellt. Die Kriegsgesetze sehen für dieses Vorgehen die Todes- strafe oder schwere Zuchthausstrafe vor. j
Der Krieg mit JtaWn.
WTB. Wien, 22. Dez. Amtlich wird Verlautbark vom 22. Dezember 1915, mittags:
Italienischer Kriegsschauplatz: Tie Tä- Ugkeit der italienischen Artillerie gegen die Tiroler Süd
front hält an. Auch an den übrigen Fronten stellenweise vereinzelte Geschützkämpfe. Der Angriff einer feindlichen Kompagnie bei Dolje am Dvlmeiner Brückenkopf brach in unserem Feuer zusammen.
Die Versenkung des Panzerschiffes „Dante Alighiri" abgeleugnet.
Bern, Bern, 22. Dez. Tie „Agenzia Stefans" dementiert die Meldung, daß das Panzerschiff „Dante Alighieri an der albanischen Küste versenkt worden sei.
Eine neue italienische Durchfuhrverfügung.
WTB. Bern, 22. Dez. Ter „Bund" bringt ein« Privatmeldung aus Zürich, wonach dem italienischen Amtsblatt zufolge gemäß einer Verfügung der italienischen Regierung für Deutschland bestimmte spanische Waren, die vor dem 24. Mai 1915 in Genua angekommen sind, freie Durchfahrt genießen. Ebenso ist die Durchfahrt durch Italien für spanische, nach der Schweiz bestimmte Waren frei, soweit es sich nicht um Bannware handelt. -
Der Krieg mit Serbien.
WTB. Wien, 22. Dez. Amtlich wird verlüutbark vom 22. Dezember 1915, mittags:
Südö stlicher Kriegsschauplatz : Bei Ipe? wurden neuerlich 69 von den Serben vergraben« Geschütze erbeutet. Diese Zahl dürste sich noch erheblich steigern.
König Peters Gefuudyeir wenig befriedigend.
WTB. Mailand, 22. Dez. (Ueber Bern.) Nach einer Meldung des „Corriere della Sera" sind in Bari weitere serbische Flüchtlinge, Angehörige der höchsten Kreise des Landes, eingetroffen. Sie teilen mit, WaÜ Pascha habe König Peter mit allen Ehren persönlich an den Toren von Tirana empfangen und ihn in seinen Conak geleitet. König Peters Gesundheit soll ive- nig befriedigend sein.
Der türkische Krieg. ^ !
Die Siegesfeier in Konstantinopel.
WTB. Konstantinopel, 22. Dez. Seil dem frühen Morgen ist die ganze Stadt zur Feier des türkischen Sieges an der Dardanellensront und der vollkommenen Räumung von Anaforta und Ari Burnu durch den Feind reich beflaggt. Die deutsche und die österreichisch-ungarische Kolonie nehmen an der allgemeinen Freude teil, dis ganze Presse veröffentlicht begeisterte Artikel, in denen sie der Tapferkeit der türkischen Armee, die monatelang den erbitterten Angriffen der englischen und französischen Heere und Flotte trotzte, und nun ihre Standhaftigkeit von Erfolg gekrönt sieht, den Lohn der Anerkennung zollt.
Asquith über l»e Räumung der Suvla-Bncht.
WTB. London, 22. Dez. (Reuter.) Premierminister Asquith brachte im Unterhause den Antrag ein, die Regierung zu ermächtigen, das Heer um eine Million Mann zu vermehren. Er teilte bei dieser Gelegenheit mit, daß nur eine geringe Menge von Vorräten und 6 Kanonen in der Suvla-Bai zurückgelas-- ,sen wurden, und daß vor dem Abzug der Truppen alles vernichtet worden sei. Ferner teilte er mit, daß (Ar William Robertson, bisher Chef des Stabes in Frankreich, an Stelle Sir Archibald Murray, der ein wichtiges Kommando erhalten habe, Chef des britischen Stabes wurde. Die kürzlich in Paris abaebalten«
militärische Konferenz habe zu einigen wichtigen Beschlüße sen geführt. Die Verbündeten erhofften von diesen Koir- ferenzen sine engere Zusammenarbeit und eine kräftiger« Durchführung ihrer Pläne. Tie Verbündeten seien entschlossen, ,den Krieg zu gewinnen. Sie wollten von einem Sonderfrieden nichts wissen. Der Krieg nehnttp einen für sie immer günstigeren Verlauf. Hierauf erklärte Redmond, das Haus habe mit großer Genugtuung gehört, wie günstig die Dinge an den Dardanellen sich abgewickelt hätten, und daß die Tapferen, die dort sd viele Beweise von Heldenmut gegeben hätten, ihren Rückzug so erfolgreich bewerkstelligt hätten. Ueber Derbys Werbecampagne erklärte Reomond, aus den Ziffern sei zu ersehen, wie fest entschlossen fast die ganze i Bevölkerung Großbritanniens sei. Der Moralische Er- ! folg werde in der ganzen Welt sehr bedeutend sein. Er werde keiner Maßregel Widerstand entgegensetzen, durch die der Krieg einem günstigen Ausgang Angeführt wer-, ! den könne, und die Auffassung des irrschen Volkes seif ! dieselbe. Er sei aber nicht überzeugt, daß die Wehs,: ! Pflicht notwendig geworden sei.
Die rumänische Politik.
WTB. Bukarest, 22. Dez. (Senat.) Zu Beginn der Fortsetzung der Adreßdebatte verteidigte Senator Schukulescu (liberal) die Politik der Regierung. Er wies darauf hin, datz der vielbesprochene Augenblick für ein Eingreifen Rumäniens in den Weltkrieg vielleicht vom Standpunkt der Strategie, nicht aber vom Standpunkt der Politik ans günstig gewesen sei. Wenn man dem Ministerpräsidenten zuviel Vorsicht und Geduld vorwerfe, so sei doch auch richtig, daß dis sb s ungeduldigen Völker zu Grunde gegangen seien, während die weisen sich erhalten hätten. Man könne sich schwer Herrn Bratianu aus Furcht in eine Ecke z - rückgezogen und Take Jonescu, in Rot gekleidet, b.n Garibaldi spielend, vorstellen. Senator Marghilem n (Konservativ) besprach die Politik der Regierung v >n zwei Gesichtspunkten, von dem der auswärtigen und von dem der wirtschaftlichen Lage des Landes. Er billigte die Zurückhaltung, die sich die Regierung in iheer Art, die auswärtige Lage aufzufassen, unter den ge- ebenen Umständen auferlege. Es sei Pflicht aller, über ie höchsten Interessen des Landes zu wachen, denn wmn Rumänien eine Niederlage erlitte, so würde die ganze rumänische Rasse die Folgen davon zu tragen haben. Angesichts der Haltung der Regierung lege die konservative Partei Wert darauf, der liberalen Partei ihre Unterstützung zuznsichern und ihre Zurückhaltung zrp billigen. Es sei im Interesse Rumäniens gelegen, gerade mit Rücksicht auf einen bevorstehenden Krieg, der! Getreideverkauf entsprechend den bestehenden internationalen Abmachungen zu begünstigen, denn große Kapitalien seien für Rumänien notwendig gewesen; sie hätten im Falle eines Krieges eine Reserve dargestellt. — Senator Stelian erklärte, er wolle nicht wissen, ob iM gegebenen Augenblick Rumänien hätte eingreifen müssen. Augenblicklich befinde sich Rumänien in einer schwierigen Lage. Im Interesse der rumänischen Rasse, sagte dev Redner, wollen wir wissen, was voracht. Die Regierung hätte über die Absichten der Mittelmächte auf dem Balkan eingeweiht sein müssen. Er frage, welches die heutige Lage Rumäniens sei. Es sei so, datz sich Rumänien von außen her durch die österreichisch-ungarischen und die deutschen Armeen einkreiesn ließ, im Innern aber in feindliche Truppen gespaltet sei, die sich gegenseitig verdächtigen. Der Redner schloß: Tie heutige Lage mutz uns. große Trauer einflößen und uns zu> ernstlichem Nachdenken veranlassen. Wir haben keine fest umschriebene Politik. Man könnte sagen, datz wiy sie auf gut Glück führen.
Auf dunkle« Pfaden.
Roman von A. Hotner-Grefe.
(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
Dieser Schlag mußte die Baronin bis ins Mark treffen! Man wußte ja, mit welcher leidenschaftlichen Liebe fie an ihren Söhnen hing. Deshalb fand man e» auch ganz begreiflich, daß Ottas erste Frage war:
„Und was sagen die Aerzte?" Zögernd setzte sie hinzu: „Wird — wird jene Frau — wird das Kind leben?"
Förster Axmann zuckte die Achseln.
„Das Leben der Frau hängt an einem Faden," sagte er, „aber der Kleine ist kräftig und gesund I"
Noch starrer blickten Ottas dunkle Augen.
„Und wann kommt die Gerichtskommission ?" fragte Graf Steinberg, der wie zum Schutz neben sie getreten war.
„Noch heute; ich traf im Herüberreiten den jungen Herrn, unser» Baron Hadmar. Natürlich habe ich ihm sogleich Bericht erstattet. Er ist nach dem Jagdschloß geritten, um dort die Kommission zu empfangen."
„Und was sagte der junge Baron zu Ihren sonderbaren Nachrichten?" rief jemand aus dem Kreise der Gäste. Man brannte darauf, zu erfahren,wie Hadmar van Werbach diese sensationelle Neuigkeit auffassen würde, welckie ihn fast zum Bettler machte.
Fritz Axmann richtete sich straff auf.
„Unser junger Herr," sagte er knapp, „war tief erschüttert durch die Kunde vom Tode seines Oheims. Ueber alles andere hat er überhaupt kein Wort verloren."
Graf Steinberg atmete erleichtert auf. Er liebte Hadmar von Werbach sehr. Der stolze, männliche Charakter des jungen Mannes, sein offenes, gerades Wesen, sein Heller Verstand und das warme Gemüt waren dem älteren Freund des Hauses stets als eine Bürgschaft für die Zukunft erschienen. Hadmar hing mit unendlicher Liebe an seiner Mutter. An ihm würde sie stets eine "Stütze haben.
Freilich — jetzt muhten die Verhältnisse sich sehr Kudern. Hadmar war nicht mehr der reiche Erbe. Er war der
beinahe mittellose Sproß einer Nebenlinie des alten Hauses des Freiherrn von Werbach.
Aber war nicht er selbst da — er — Graf Steinberg?
Und er war reich, er liebte die schöne, seltsame Frau, er liebte auch ihre Söhne.
Bot sich nicht ihnen allen da ein Ausweg?
Trotz der natürlichen Erregung, in welche die Nachricht vom Tode feines Freundes den Grafen versetzt hatte, stieg ihm das Blut doch heißer zu Kopf, als dieser Gedanke ihn durchzuckte.
Sein Blick flog zu Otta hinüber.
Sie stand noch immer auf demselben Platze. Ihr leichtes Gewand fiel schlicht an ihrer herrlichen Gestalt nieder. Jetzt kam durch die weitgeöffnete Tür der Halle ein Luftstrom herein. Der faßte die Stoffmengen des dunklen Kleides und blähte sie auf. Es war wieder, als schwebe Frau Otta auf einer schwarzen Wolke.
Da dachte Graf Steinberg, daß er vor kaum einer Stunde diese selbe Frau, umwogt von den schwarzen Falten, auf der Leiterstiege gesehen hatte. Was hatte sie wohl in den Schuppen getrieben? Wie kam ihr Tuch in die Tasche seines Pelzes?
Wieder stieg ein dunkler Argwohn in ihm auf. War seine nächtliche Vision am Ende doch kein Spuk seiner Phantasie gewesen? Deutlich stand auch jetzt noch vor seinem geistigen Auge das Bild: das Auto raste durch die Nacht ohne Laternen; und an der Kurbel stand eine fast unheimliche Gestalt, eingehüllt in einen Riesenpelz, anzusehen wie ein Sagentier aus grauer Vorzeit.
Könnte wirklich Otta von Werbach-
Er wollte den Gedanken lieber gar nicht ausdenken. Immer noch erschien er ihm wie eine Beleidigung dieser Frau, welche das Geschick ohnehin schon hart getroffen hatte.
Aber Klarheit muhte er haben, Klarheit sobald als nur möglich!
Denn — auch das wurde ihm in diesen Minuten klar, — denn wenn seine halbe Vermutung doch richtig war, dann drohte Otta eine furchtbare Gefahr —ihr persönlich! Würde man sie nicht in Verbindung bringen mit dem jähen Ende des Barons Ludwig von Werbach? Und liefen da nicht auch wirklich feine Fäden hin und der?
„Baronin," sagte criras «stemverg vortreteno und Otta den Arm bietend, „Baronin, kommen Sie l Ich führe Sie auf Ihr Zimmer. In einer halben Stunde können Sie sich vielleicht ein wenig erholt haben —"
„Ich bin stark," sagte Otta laut, „ich ziehe mich um und fahre dann sofort nach dem Iagdschlößchen. Meine Anwesenheit scheint dringend geboten I"
Sie hatte seinen Arm genommen und stieg schon neben ihm die Treppe empor. Der Graf sprach noch ein paar Abschiedsworte an seine Gäste. Niemand dacht« mehr daran, den Tag durch ein fröhliches Mahl gemeinsam hier abzuschließen. Man fand es selbstverständlich, daß Graf Steinberg sich nun ganz der Baronin widmete.
Rasch stärkte sich jeder durch ein paar Bissen, dann zerstob die frohe Schar. Schon nach einer halben Stunde lug das Forsthaus wieder so still und verlassen da, wie sonst immer.-
Die lauten Signale der abfahrenden Autos tönten bis hinauf in das Zimmer Otta von Werbachs. Die schöne Frau hatte ihre Toilette ohne jede Hilfe vollendet. Nun setzte sie schon das schmucklose Hütchen auf, welches sie gestern zu ihrer Wagenfahrt in die Berge gewählt hatte.
Ihre Hände zitterten wohl, aber ihr eiserner Will« zwang auch das nieder. Nur eine Sekunde lang schien sie schwach zu werden. Schwer atmend stützte sie sich auf den Rand des Tisches. Eine Vision narrte si«. --
Da lag knapp vor ihr ein Mann. Seine Rechte hielt noch die rauchende Pistole umfaßt. Sein Gesicht — diese» Gesicht, welches sie so grenzenlos liebte — war ihr zugekehrt.
„Dort?" sagte Otta von Werbach und fuhr mit der Hand durch die Luft, als wolle fie etwas verscheuchen. „Fort! Das ist alles vorbei! Ihr aber — meine Söhn« — ihr lebt!"
Sie riß ein kleines Bild hervor, da» sie an einer goldenen Kette verborgen unter ihrem Kleide trug.
Zwei schöne, junge Köpfe hatte die Hand eine» Künstlers auf das Elfenbeinplättchen gezaubert. Der eine, ein junger Mann, sah mit ehrlichen, warmen Augen di« Frau an. Fast schien es ihr, als lebte« diese Augen.
„Hadmar l"
Ueber da» stolze Gesicht de« Fr«, flog ein Zug unendlicher Weichheit. - - ,
(Fortsetzung stützt.) c