Italienischer Kriegsschauplatz: An der ganzen Front mäßige ArtiUerietätigkeit, die sich nur im Chiese-Abschnitt und im Gebiete von Col di Lana zu größerer Heftigkeit steigerte.
Vertagung des italienischen Senats
WTB. Rom, 20. Dez. Ter Senat hat sich gestern nach einer patriotischen Schluschnsprache seines Präsidenten Manfredi auf unbestimmte Zeit vertagt.
Der Krieg mit Serbien.
WTB. Wien, 20. Dez. Amtlich mird verlautbart vom 20. Dezember 1915 mittags:
Südöstlicher Kriegsschauplatz Die Truppen des Generals von Köveß erstürmten dir stark ausge- baulen feindlichen Stellungen am Tara-Knie südwestlich von Bijelopolje und bei Godusa nördlich von Berane. In den Kämpfen an der Tara wurden 3 Gebirgskanonen, 2 Feldkanonen und 1200 Gewehre erbeutet.
Eine neue Verteidigungslinie der Alliierten.
WTB. Rom, 20. Dez. Die „Tribuna" meldet aus Athen, daß die Alliierten mit äußerster Kraftanstrengung an der Herstellung einer neuen Verteidi- ungslinie auf der Halbinsel Kalcidike, mit Kassan- ra als Basis, arbeiten. Große Mengen von Kriegsmaterial seien dorthin gesandt worden.
Verhandlungen über die Unterbringung serb.
Flüchtlinge in Griechenland.
WTB. Athen, 20. Dez. (Agence Havas.) Zwischen der serbischen und der griechischen Regierung sind Verhandlungen über die Unterbringung der serbischen Flüchtlinge in Griechenland eingeleitet worben. 4000 werden in Volo, 4000 aus Korfu und aus Cypern und Sizilien unteraebracht werden. Zwei englische Dampfer sind mit viel Kleidungsstücken für die serb sich-n Flüchtlinge in Saloniki angekommen.
Beginn der Wahlen in Griechenland.
WTB. Mailand, 20. Dez. Ter Sonderberichterstatter des „Gorriere della Sera" meldet auS Athen, daß die Wahlen in Griechenland am Sonntag früh ruhig und lohne Kampf begonnen hätten. Die Beteiligung werde vermutlich geringer sein, als bei der letzten Wahl. Die Venizelisten-Presse verlange von ihren Parteigängern Stimmenthaltung. Sie behaupte, daß die Türken und Bulgaren die griechische Grenze überschreiten würden, was von der gegnerischen Presse in Abrede gestellt werde.
Ernstliche Feindseligkeiten der Albanesen gegen die Serben.
WTB. Mailand, 20. Dez. Nach einer Athener Depesche des „Secolo" vom 18. Dezember sind die Serben in Albanien auf ernstliche Feindseligkeiten gestoßen. Es heißt, daß Essad Pascha sich gegen sie gestellt habe.
Ankunft serbischer Flüchtlinge in Italien.
WTB. Mailand, 20. Dez. Nach einer Meldung des „Corriere della Sera" sind 100 angesehene serbische Persönlichkeiten aus politischen, literarischen und Künstlerkreisen in Bari eingetroffen. Sie hatten den Weg durch Montenegro und Albanien genommen, wo König Peter Essad Pascha für einige Tage besucht haben soll. Die Flüchtlinge waren von San Giovui di Medua aus auf einem italienischen Dampfer eingetroffen. In Italien würden noch viele andere serbische Flüchtlinge auch Skupschtina-Mitglieder. erwartet
Auf dunkle« Pfaden.
Roman von A. Hotner-Grefe.
(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
Im ersten Augenblick hatte er nur das eine Gefühl: „Gott sei Dank! Nun ist Otta allen neugierigen Blicken entzogen!" Alles andere erschien ihm als unwichtige Nebensache.
Fast ohne klar nachzudenken, tat er das, was im Augenblick am nötigsten war: er ging zuerst zur Tür nach der Holzveranda zurück und schloß dieselbe ab, dann tauchte er ein Handtuch in kaltes Wasser, welches er in dem Krug auf dem Toilettentisch fand, und legte das kühlend« Tuch um die Stirn Ottas von Werbach.
Als dies geschehen war, zog er ein Fläschchen hervor, in dem sich starkriechendes Kölnisches Wasser befand, und begann damit die Schläfen der Ohnmächtigen zu reiben.
Nach einigen Minuten hob ein schwerer Seufzer ihre Brust. Langsam schlug sie die Augen auf. Und in diesem Moment, welcher eine furchtbare Angst vom Herzen des Grafen nahm, vergaß er alles: seine lang geheuchelte Gleichgültigkeit, seine schwer errungene Beherrschung. Mit einem Iubellaut sank er neben dem Bett in die Knie.
»Gott sei Dank," rief er bewegt, „Sie atmen wieder! Otta, Sie erholen sich —"
Er brach jäh ab. Otta von Werbach hatte sich langsam emporgerichtet und sah mit schreckensstarren Augen nach ihm hin.
„Wie kommen Sie hierher in mein Zimmer, Graf ?" stammelte die Baronin. „Um Himmelswillen, gehen Siel Gehe« Sie so rasch als möglich I Was wird man denken —"
„Otta," sagte der Graf, sich erhebend, „weisen Sie mich nicht hinaus — jetzt nicht! Sagen Sie mir erst, was Sie bedrückt, was für eine Sorge an Ihnen nagt! Sie wissen es doch, daß ich Ihr treuester, bester Freund bin. Und wenn Sie wollen, so kann ich Ihnen mehr sein als das: Ihr Schutz und Ihr Halt im Leben.
Sie wisse«, Otta, daß ich Sie liebe seit Jahren l Sie ««tzten es wissen l Und auch «enn Sie' meine Liebe nie erwidern, diese tiefe, selbstlose Neigung von meiner Seit« albt mir dock auch ein Recht, wenigsten» an dem
Das Elend der serbische» Flüchtlinge.
WTB. Amsterdam, 30. Dez. Ein hiesiges Blatt meldet aus London: Ein kleiner Teil der Flüchtlinge Serbiens erreichte griechisch-Mazedonien. Während der Feind durch Alt-Serbien marschierte, zogen die meisten serbischen Männer nicht dienstpflichtigen Alters die Wege entlang, die nach Westen und Südwesten führen. Die meisten Frauen und Kinder blieben zu Hause. Auf dem Amselfeld hatten sich 750 000 Flüchtlinge angesammelt. 250 000 beschlossen, sich zu ergeben. Tausende sind auf der Flucht nach Albanien unk Montenegro durch Hunger und Kälte umgrkommen oder vor. Wölfen zerrissen worden. Massen von Flüchtlingen, die bei der harten Kälte nach Albanien und Montenegro zogen, lebten hauptsächlich von gefallenen Tieren.
Die Säuberung der Dardanellen.
WTB. Konstanttnopel, 20. Dez. Der Korrespondent der Agentur Milli an den Dardanellen meldet: Seit gestern wird in allen Abschnitten an der Front wütend gekämpft. Unsere Truppen begannen bei Anasorta und Art Burnu mit dem allgemeinen Angriff. Der Feind führte, um diese Angriffe zu erwidern, bei Seddul Bahr einen Gegenangriff aus, den unsere Truppen unter außerordentlichen Verlusten für den Feind abschlugen. Unsere Truppen nahmen wichtige feindliche Stützpunkte bei Anasorta und Ari Burnu. Unser kräftiges Artilleriefeuer verursachte in den Reihen der Feinde schwere Verluste. Unsere braven Soldaten, die seit Monaten aus diese Offensive warteten, zeigen bei den ungestümen Angriffen gegen die feindlichen Schützengräben bewunderungswürdigen Schwung und Opferwilligkeit. In kurzer Zeit wird es bei Anasorta und Ari Burnu nur noch feindliche Leichen geben. — Eine weitere Meldung des Korrespondenten der Agentur Milli an den Dardanellen berichtet: Wir schlugen den Feind bei Anasorta und Ari Burnu vollständig in die Flucht. Unsere Soldaten erreichten bei Ari Burnu das Meer. Die Beute ist unermeßlich groß. Dichter Nebel gestattete dem Feind, zu enlkommen, ohne eine große Anzahl Gefangene zurückzulaffen.
Wie ein Blitz aus heiterem Himmel kommt die Kunde von einer türkischen Offensive an den Dardanellen. Die Ruhe, die sich über alle Kriegsschauplätze und insbesondere auch an den Dardanellen in den letzten Tagen bemerkbar gemacht hatte, war hier in Wirklichkeit die Stille vor dem Sturm. Zwar hätte man auch in England das klägliche Mißlingen des Dardanellenangriffs eingesehen, wögen des englischen Ansehens in Indien hatte man aber einen großen Teil der Truppen dort belassen. Auch Kitcheners Besuch an den Dardanellen hätte hierin keine Aenderung hervorgernfen. Nunmehr haben unsere tapferen Verbündeten dem englischen Ansehen im Orient den Todesstoß versetzt. Nach monatelangem Gräberkriege schritten sie zur Offensive, die, soweit die erste kurze Meldung berichtet, vollen Erfolg hatte. Der Feind floh kopflos nach dem Meere und nur dem herrschenden dichten Nebel hat er es zu verdanken, daß er vor völliger Vernichtung verschont blieb. Die Beute ist dagegen unermeßlich groß. Sicherlich dürfen wir in dieser Offensive unserer Verbündeten den
Auftakt zu einer' .^-n Unternehm-n in: Orient
erblicken.
teilzunehmen, was Die bewegt! Sprechen Sie sich aus, Otta l Handelt es sich um — um den Kreiherrn Ludwig
von Werbach?" ^ , , .. ,
Er sprach den Namen nur zögernd aus, obgleich es der Name seines besten Freundes war.
Baronin Otta hatte sich erhoben von dem Lager und stand nun hoch aufgerichtet neben dem Bette. Sw hatte erstaunlich rasch alle ihre Geistesgegenwart wied-rgefunden; ihre Nerven mußten ganz außergewöhnlich stark sein, denn sie schien die tiefe Ohnmacht schon ganz überwunden zu haben. Zwar war ihr schönes Antlitz noch erschreckend bleich, aber ihre Stimme zitterte nicht, als sie nun sagte:
„Nein, Graf Steinberg, mein Schwager hat nichts mit meinen Privatangelegenheiten zu tun!"
Er atmete unwillkürlich aus.
„Aber Sie haben Kummer, Otta. Sie haben Sorgen» Und — Sie haben Geheimnisse!" s
Er betonte das letzte Wort schwer. '
Otta von Werbach legte die Hand an die Stirn.
„Mein Kopf schmerzt noch," sagte sie leise: „ich kann kaum denken. Mas meinen Sie, Graf Steinberg?"
Er vermochte nicht mehr, ihr zu antworten, denn drunten im Hausflur des Forstgebäudes erhob sich plötzlich ein Geräusch. Türen wurden auf- und zugeschlagen, wirre Stimmen klangen durcheinander. Irgend jemand schien gekommen zu sein, denn man rief einander eine Nachricht oder eine Neuigkeit zu. Aber man konnte un- möglich die Worte hier oben verstehen.
Graf Steinberg stand unschlüssig inmitten des Zimmers. Erst jetzt wurde ihm die Seltsamkeit und das Unangenehme seiner momentanen Lage ganz klar. Er konnte doch nicht so ganz einfach aus dem Schlafzimmer der Baronin von Werbach unter seine Gäste treten! Sie wohnte hier oben allein. Wenn er gesehen würde auf der Treppe oder auf dem Gange, dann wußte man, woher er kam. —
In dem Seitenhos aber saßen die Chauffeure schwatzend beieinander-
Auch Otta von Werbach schien zu lauschen. Nun war es eine Sekunde still da unten. Dann vernahm man deutlich eine tiefe, starke Männerstimme.
„Axmannl Das ist ja der Förster von Ludwig!" lagt« Gras Steinberg halblaut. „Was will der Man»
Abtransport der engl. Truppe» von der Euvlabai.
WTB. London, 30. Dez. Amtlich wird bekanntgegeben, daß sämtliche Truppen von der Suvlabai und der Anzac- zone, Kanonen und Vorräte mit Erfolg nach einem anderen Kriegsschauplatz gebracht wurden.
Die Alliierten in Saloniki.
WTB. Saloniki, 30. Dez. (Agence Havas.) Die Alliierten führten wichtige Arbeiten zur Befestigung von Topsin aus. Die Engländer forderten die vollständige Räumung von Nyat und Baldja.
Beurlaubung des deutschen Gesandten in Persien
WTB. VerkM, W. Dez. Me „Nordd. ANgem. Ztg." meldet: Wie wir hören, ist dem kaiserlichen Gesandten in Persien, Prinzen Heinrich XXXI. von ReuA aus Gesundheitsrücksichten ein Urlaub bewilligt worden. Mit seiner Vertretung wird Generalkonsul Dr. Bassel als Gesandter in außerordentlicher Mission die Geschäfte übernehmen. Dr. Bassel war viele Jahre als kaiserlicher Konsul in Fez tätig. Er befindet sich gegentvärtig als diplomatischer Vertreter im Hauptquartier in Bagdad. s
Reichstag.
Berlin. 20. De». ISIS.
Am Bundesratstisch die Staatssekretäre Delbrück und Helf- ferich. Präsident Dr. Kämpf eröffnet die Sitzung um 11.20 Uhr. Auf der Tagesordnung steht zunächst die 2. Beratung de» Gesetzentwurfes über vorbereitende Maßnahmen zur Besteuerung der Kriegsgewinne. Auf Antrag Bassermann (natl.) findet bei H 1 Generaldebatte mit Besprechung der vorliegenden Resolutionen statt.
Dr. David (Soz.): Dieses Gesetz soll lediglich einen vorbereitenden Schritt für eine allgemeine Gewinnbesteuerung darstellen» deren Vorlage für den März nächsten Jahres zu erwarten ist. Diese Gewinnsteuer soll den Charakter einer Novelle zum bestehenden Reichsbesteuerungsgesetz erhalten. Die Besteuerung der Srwerbsgesellschaften entspricht einem alten sozialdemokratischen Antrag. Die dabei bestimmte Doppelbesteuerung von Gesellschaft und Person ist moralisch durchaus gerechtfertigt. Daß Gemälde, Kunstwerke usw. zur Besteuerung herangezogen werden, erfüllt uns mit Genugtuung. Auch die Landesfürsten müssen zur Gewinnsteuer beitragen. Die Steuer» Pflicht des Kindeserbes darf unter keinen Umständen wieder beseitigt werden. Wir würden der Regierung dje schärfste Fehde ansagen müssen. Das Budget des Reiches kann nng sichts der Ausfälle bei Post und Eisenbahn ohne neue direkte Stenern nicht ins Gleichgewicht gebracht werden. Das englische Budget sieht eine Erhöhung der direkten Einkommensteuer, Grundbefitzsteuer usw. vor. Dazu kommt eine Kriegsgewinnsteuer. Das sollte uns zum Vorbild dienen. Es wäre wohl möglich, estnen neuen Wehrbeitrag aufzulegcn- Man könnte ihn ja Kriegsbeitrag oder Ehrenpflichtbcitrag nennen. (Sehr gut!) Auch wir wollen lieber Not, als des Feindes Gebot! Nur habe» die Reichen noch nichl gelernt, ihre Levenshal nng eünuschränke». Ferner wäre eine Monopolisierung der Bergwerke, Versicherungen etc. ins Auge zu fassen. Verhängnisvoll wäre jedoch eine Bilanzierung des Etats durch indirekte Steuern.
Staatssekretär Hrlfserich: Die Gegenwart drängt uns mit so vielen Aufgaben, daß wir nicht über Zukunftspläne sprechen können, das vorliegende Gesetz soll verhindern, diaß Aktiengesellschaften ihre Gewinne so ausschütten, daß sie später der Besteuerung entzogen werden können. England hat zu Beginn des Krieges der Zuversicht geicbc, Saß auch dieser Krieg wie die früheren englischen Kriege durchgeführt werden könne. Das war eine Täuschung. Die Politik, die Kriegskosten durch Steuern auszubringen, ist in England gescheitert. So hoch auch die in England veranschlagten Summen sind, so reichen sie gerade, um die Kosten der Kriegsanleihen zu decken. Zu d«en Kriegskosten selbst liefern sie keinen Beitrag. Das haben wjr uns vorher gesagt. Die englische Behauptung, Deu'schland sei überhaupt nicht
hier? Und was soll das Durcheinanderschreien bedeuten?"
Der Stimmenlärm unten verstärkte sich. Jetzt schrie jemand schrill auf. Und nun hörte man deutlich das tiefe Organ Doktor Christians.
„Was? Tot sagen Sie? Aber das ist ja unglaub- lich! Man muß sofort die Baronin, von Werbach verständigen !"
Die Treppe herauf kamen Schritte.
Mit einem Satz war Otta an der Tür und schob den Riegel vor.
Gleich darauf klopfte es. !
„Wer ist da?" rief die Baronin.
„Ich, Doktor Christian. Ich bitte, Frau Baronin, sofort hinabzukommen, Förster Axmann ist hier. Er hat eine fast unglaubliche Nachricht gebracht —"
„Ich komme in wenigen Minuten I" —
Noch blasser erschien dem Manne, welcher in peinlichster Verlegenheit inmitten des Zimmers stand, jetzt das schöne Frauenantlitz. Fast war es ihm auch, als ob. für eine Sekunde ein neuerlicher Schwächeanfal! sie^ beinahe übermannte. Aber sie bezwang sich. Die Schritte Doktor Christians verklangen wieder auf der Treppe.
„Gehen Sie jetzt, Graf!" sagte Otta von Werbach, „es ist niemand auf dem Gange. Ich komme gleich nach; gönnen Sie mir noch fünf Minuten I" s Sie sah ihn flehend an. In ihren tiefen, dunkle«
! Augen stand eine so dringende Bitte, daß er nicht widerstehen konnte.
Zögernd schritt er zur Tvr. Die ganze Situation erschien ihm auf einmal so unwürdig seiner selbst, fast demütigend. Er stand zu hoch und Otta von Werbach stand ihm auch zu hoch, als daß er sich hier wie ei« unreifer Knabe hätte aus ihrem Zimmer schleichen mögen.
Er wollte noch etwas sagen, ein klarstellenües Wort; aber sie drängte ihn schon nach der Tür.
„Gehen Sie, Graf Steinberg", flüsterte sie dicht a« seinem Ohr; „und haben Sie Dank für alles! Ich werde Ldnen die!« Stund« nie oeraesien!"
(Fortsetzung folgt.)