Zu dem englischen Schurkenstreich.
W'TB. Ncwyork, 20. Okt. (Durch Funkspruch von dem Vertreter von Wolsfs Telegr.-Bur.) Ter deutsche Botschafter hat dem Staatsdepartement die von New-Orleans eiugetrosfenen eidlichen Aussagen über den Fall der „Nicosian" und den Mißbrauch der amerikanischen Flagge durch ein englisches Schiss beim Angriff auf ein deutsches Unterseeboot überreicht. Die Aussagen ergeben, daß die amerikanische Flagge und die über die Bordwand gehängten amerikanischen Abzeichen erst entfernt wurden, nachdem die erste Schüsse von dem Schiss, das sich „Baralong" nannte, aus das Unterseeboot abgegeben worden waren. In Ergänzung der früheren Meldungen wird noch berichtet, daß die Mannschaft des sogenannten „Baralong" Zivilkleider trug und daß den amerikanischen Zeugen von den englischen Mannschaften auf ihre Frage mitgeteilt wurde, daß das Schiss keinen Namen habe und daß sie auch über den Herkunftsort und den Bestimmungsort nichts sage» können. Ter sogenannte „Baralong" hatte bei der Annäherung an die „Nicosian" ein internationales Signal aufgezogen, daß er Hilfe brauche. Der Kapitän, der sich Mac Bride nannte, ersuchte nach dem Vorkommnis den Kapitän Manning von der „Nicosian" brief- lich, seine Mannschaften, iusb.sendere aber dis Amerikaner darunter, dringend zu ermahnen, daß sie über den Vorfall weder in Liverpool noch in Amerika etwas Mitteilen. Diese Aussagen stammen von den amerikanischen Bürgern James Curren, Charles Hightower, Bud Palen, Edward Clark und R. Crosby. Sie machten ihre Aussagen völlig freiwillig und werden von dem deutschen Konsulat in New-Orleans als durchaus glaubwürdig bezeichnet.
Eine franz. Division in den deutschen Hindernissen stecken geblieben.
WTB. Paris, 20. Okt. Gustav Herve berichtet in der Guerre Sociale", daß bei einem Sturmangriff der französischen Truppen am 25. September nn Artois eine französische Division zum Sturm auf breiter Front vorgeführt wurde, obwohl der Kommandeur der Division benachrichtigt worden war, daß aus der ganzen Divisionsfront die deutschen Drahthindernisse in einer Tiefe von 25 Metern vollkommen unversehrt waren. Die französische Division blieb in den Hindernissen stechen und erlitt infolge dieses Führungsfehlers ungeheure Verluste.
Ein weiterer Rücktritt im engl. Ministerium bevorstehend?
WTB. London, 20. Okt. Die „Times" erklärt, außer dem Rücktritt Carsons sei ein langer Besuch Bonar Laws im Buckinghampalast ein bemerkenswertes Ereignis des TageS.
Ankunft franz. Ingenieure in Odessa.
WTB. Paris, 20. Okt. „Petit Journal" meldet, daß in Odessa französische Ingenieure eingetroffen ^ seien, um die Herstellung von Kriegsmaterial zu leiten.
Die innere Lage Rußlands.
WTB. London, 20. Okt. Der frühere Korrespondent der „Times" in Petersburg, Stephan Graham, schreibt in der Times: Die bekannten Kratv-alle, die im Juni nach dem Falle von Przemysl und Lemberg aus- brachen, leiteten den Kampf für die Pöbelherrschaft und den inneren Chaos in Rußland ein. Die amtlichen Ziffern geben den Schaden an Geschäftshäusern mit 31 Millionen Rubel, an Privathäusern mit 27 Mil
lionen Rubel an. Unter den Betroffenen befinden pch 113 Oesterreicher oder Deutsche, 489 Russen mit ausländischen Namen und ! 90 Russen mit russischen Namen. Leu ganzen Sommer hindurch herrschte in Petersburg und Moskau ein. Zustaud der Unsicherheit. Wäre nicht der Wutki verboten gewesen, hätte alles verloren sein können. Der Korrespondent urteilt, die innere Lage Rußlands sei gegenwärtig wichtiger als militärische Unternebmungen.
Die Bulgaren in serbisch Mazedonien eingedrungen.
WTB. Athen, 20. Okt. Die Bulgarische Tele- mphenagentur meldet: Die bulgarischen Truppen sind n die mazedonischen Städte Stip und Radowist mgezogen.
Beginn Ser Räumung von Nisch.
WTB. London, 20. Okt. Das Reutersche Bureau erbreitet folgende Meldung der „Morning Post" aus Athen: Das diplomatische Korps in Nisch übersiedelt heute nach Monastir, wohin auch ein Teil des'Auswärtigen Amtes, alle nationalen Archive und die serbische Natioualbank verlegt werden. Tie Regierung bleibt vorläufig in Nisch.
Trügerische Hoffnungen.
WTB. Paris, 20. Okt. lieber die militärische Lage schreibt der „Temps": Tie Serben verteidigen sich hartnäckig und zühle-n aus baldige Hilfe, die, wie uns scheint, nicht so schnell eintreffen kann, daß die Serben nicht gezwungen wären, sich vor den österreichisch-ungarischen, deutschen und bulgarischen Truppen nach Südwesten zurückzuziehen. Wenn man jetzt auch den serbischen Rückzug nichtver- hindern kann, so wird man doch später mit der Expeditionsarmee eine kräftige Offensive gegen den Feind, der durch die vorhergehenden Kämpfe erschöpft sein wird, aufnehmen können.
Der Krieg mit Italien.
WTB. Wien, 20. Okk. Amtlich wird verlautbart vom 20. Oktober 1915, mittags:
Italienischer Kriegsschauplatz : Das starke Artilleriefeuer gegen unsere Stellungen an der Iso n- zo front hielt auch gestern den ganzen Dag über an. Gegen die Hochfläche von Doberdo nahm es in den Nachmittagstunden noch an Heftigkeit zu. Die italienische Infanterie griff im Krngebiet, gegen den Brückenkopf von Talmein, dann gegen den Monte Sabv- tino, den Monte San Michele und östlich von Ver- migliano an, wurde aber überall unter großen Verlusten abgeschlagen. Auch an der Tiroler Front kam es gestern zu größeren Kämpfen. Bei Tre-Sassi und auf der Hochfläche von Vielgereuth schlugen unsere Truppen je zwei Angriffe ab; die Gefechte bei Tre-Sassi führten stellenweise zum Handgemenge. IN Judikarien, wo der Feind in der letzten Zeit gleichfalls eine erhöhte Tätigkeit entfaltete, zogen sich unsere vorgeschobenen Abteilungen aus die Hauptwiderstandslinie zurück.
Oesterr. Einspruch gegen die Truppenlandungen in Saloniki.
WTB. Lyon, 20. Okt. „Republicain" meldet auS Athen: Ter österreichisch-ungarische Gesandte hat im Auftrag seiner Regierung dagegen Einspruch erhoben, daß den Alliierten gestattet würde, Truppen in Saloniki zu landen, sowie gegen die Besetzung der Eisenbahnlien Saloniki — M o n a st i r und Saloniki — Uesküb durch die griechische Verwaltung und die Eutlassung oes öste r- reichisch-ungarischen Betriebsverso n als.
Dip Folge» der griech. Neutralität.
WTB. London, 20. Okt. „Westminster Gazette" schreibt: Der große Schlag, den die griechische Neutralität uns versetzt, ist, daß wir uns Plötzlich in der Notwendigkeit befinden, den Feldzug in einem sehr schwierigen Gelände zu führen ohne die Hilfe eines Verbündeten, der das Zandkennk und unserem Mangel an Kenntnissen abhelsen könnte. Wir müssen diesen Mangel aus eigenen Kräften rs tzen. Das Blatt tröstet sich damit, daß auch, wenn D eutschland sich einen Weg nach Konstantinopel bah. ne, der Hauptkriegsschauplatz Frankreich und Rußland sei.
Der Bierverband ist anderer Meinung.
WTB. Athen, 20. Okt. (Reuter.) Wie verlautet, haben der britische und der russische Gesandte dem griechischen Ministerpräsidenten mitgeteilt, daß ihre Regierungen mit der griechischen Auslegung der Bünd- nispslichten gegenüber Serbien nicht überein stimmen.
Das Ergebnis des deutschen Handelskrieges im September.
GKG. Berlin, 20. Okt. Nach den jetzt vorliegenden abschließenden Meldungen hinsichtlich des Handelskrieges im September sind insgesamt durch unsere Unterseeboote versenkt worden: 29 Dampfer mit 103316 Bruttoregistertonnen, 7 Fischereifahrzeuge mit ca 1200 Bruttoregistertonnen, 2 Transportdampfer mit 20612 Bruttoregistertonnen, im ganzen 144977 Brntüo- regist—^nnen.
Die Vernichtung des englischen Transport- dampfers „Ramazan".
GKG. Konstantinopel, 20. Okt. Ueber die Vernichtung des englischen Transportdampfers „Ramazan" am 19. September durch ein österreich-ungarisches Unterseeboot im AegäischenMeer werden folgende Einzelheiten berichtet, die bezeichnend sind für die Behandlung, die die „menschenfreundlichen" Engländer ihren farbigen Hilfstruppen zuteil werden lassen: Als der Dampfer durch das Unterseeboot zum Stoppen gezwungen war, ließ er seine Rettungsboote zu Wässer, di« von der englischen Besatzung des Dampfers besetzt wurden und alsbald das Weite suchten. Der Dampfer wurde dann durch die Artillerie des Unterseeboots beschossen. Als er bereits im Sinken begriffen war, erschien plötzlich auf dem Deck eine große Anzahl indischer Soldaten, zu deren Rettung aber nichts mehr getan werden konnte, denn sämtliche verfügbaren Rettungsboote hatte die englische Besatzung des Dampfers für sich in Anspruch genommen. Augenscheinlich waren die Truppen unter Deck eingesperrt gewesen und vermutlich erst in der Todesangst war es ihnen gelungen, sich aus ihrem Gefängnis zu befreien. Iw ganzen mögen es etwa 500 Mann gewesen sein, für die von vornherein die Zahl der verfügbaren Rettungsboote nicht ausgereicht hätte. Der Besatzung des Unterseebootes war es leider wegen der großen Zahl nicht möglich, an eine Rettung dieser Unglücklichen zu denken .— Dieser Vorgang wirst ein eigenartiges Licht auf die englische Besatzung des Dampfers, die nur an ihre eigene Sicherheit dachte und ihre farbigen Landsleute dem sicheren Tode preisgab.
Die Regelung der Bntterpreise.
GKG. Berlin, 20. Okt. Wie verlautet, soll die in Aussicht genommene weitere Regulierung der Butter- vreise darin bestehen, daß der Reichskanzler Groß-
Der neue Bankdirektor.
Erzählung von R. Ortmann.
(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
Ein Klopfen an die Tür der Zelle weckte ihn. Schlaftrunken fuhr er empor, und erst, als er auf ein nochmaliges Pochen mit lautem „Herein!" geantwortet hatte, wurde der Schlüssel gedreht. Der freundliche Sennor Cabildo mit dem runden, freundlichen Antlitz stand auf der Schwelle.
„Verzeihen Sie mir, Sennor, wenn ich Sie aus dem besten Schlummer gestört habe. Ich habe erst ein paar- mal geklopft, weil mir einige von den früheren Bewohnern dieses Gemaches sagten, daß es ihnen eine unangenehme Empfindung bereite, durch das Rasseln der Schlüssel geweckt zu werden. Und die Höflichkeit über olles, Sennor! — In einer halben Stunde sollen Sie vor dem Kriegsgericht erscheinen, und ich meinte, es würde Ihnen erwünscht sein, vorher ein wenig Toilette zu machen. Doktor Iof6 Bidal hat Ihnen hier einiges aus Ihrer Wohnung geschickt, weil ich ihm sagte, daß Sie ein bißchen abgerissen aussehen. Natürlich, nach dem, was Sie durchgemacht haben, konnte es ja nicht gut anders sein."
Er hatte dabei ein ziemlich umfangreiches Paket ans den Tisch gelegt und löste nun bedächtig die Verschnürung.
»So ist Doktor Vidal inzwischen wieder hier gewesen?" fragte Werner.
»Jawohl, sogar zweimal. Er wünschte durchaus. Sie zu sprechen; aber selbst einem so ausgezeichneten Manne wie ihm konnte es nicht gestattet werden. Wenigsten» nicht, ehe das Urteil gesprochen ist. Nachher — «h, nachher ist es etwas ganz anderes! Es wird mir alsdann ein aufrichtiges Vergnügen sein, Ihre Freunde zu Ihnen zu lassen. Sie glauben nicht, was für wmiderliche Szenen wir hier schon gehabt haben. Wir sind nicht so grausam, den Leuten, deren Dasein nur noch «ach Stunden zählt, ihr bißchen Leben ohne Not zu ver. bitte«. Verwandte, Bekannte Freund« und Freundinnen
— alles lassen wir zu ihnen herein, wenn sie selbst es so wünschen. Was die Frauen betrifft, so ist es allerdings meist ein zweifelhaftes Vergnügen, denn mit ihrem Gejammer und Geschrei machen sie einem nur das Herz schwer. Und die lustigen Abschiedsszenen sind mir viel lieber als die traurigen. Da hatte ich vor einem halben Jahre hier einen meiner besten Freunde, einen herzensguten Jungen, Namens Rocafuerte. Er war ein wackerer Bursche und ein Caballero vom Scheitel bis zur Sohle. earsmbL — er verstand zu leben und die Weiber waren reiu toll in ihn. Die Polizei hatte ihn aufgegriffen, als er eben einen Geldtransport, der nach der Hauptstadt kam, abfangen wollte. Er war nämlich, wie man im gewöhnlichen Leben sagt, ein Straßenränder. Aber mein Gott, jeder ernährt sich nach seinen Gaben und wie er eben kann. Bis zum letzten Augenblick benahm er sich wie em wahrer Edelmann. Zwei Stunden vor der Hinrichtung empfing er hier ein paar seiner besten Freunde, und es gab einJo lustiges Trinkgelage, als man je eines gesehen hat. Mitten darin wurde er abgeholt, und er ging so vergnügt, als sb er sicher wäre, nach fünf Minuten wiederzukorrlmen. Es war geradezu erbaulich, zu sehen, mit einer wie erhabenen Seelenruhe er pch draußen aus dem Gefängnishalf hängen ließ." '
^ Nodervaldt hatte das Paket geöffnet und darin an Wäsche und Kleidung alle» gefunden, was er brauchte, um sich vom Koos bis zv den Mtzen umzuziehen. Er d«. deutete den Schließer,der unermüdlich weiter geschwatzt hatte, daß seine Gegenwart einstweilen entbehrlich sei. wü! er ein wenig Toilette zu machen wünsche, und Senner Eabildo ging, obwohl er ihm augenscheinlich sehr gern die Lebensschicksale sämtlicher Raubmörder, Pferdediebe und anderer „Caballeros" erzählt hätte, die vor ihm in dieser Zelle gesessen hatten, und die von hier au» ihren letzten schweren Gang angetreten hatten.
Was Werner vor allem bestimmte, den Schließer fort» zuschicken, war eine Entdeckung, di« er bei der Entfaltung der Kleidungsstück« gemacht hatte. Durch ttn leises G». rausch wie von knisterndem Papier aufmerksam geworden hatte er in die Brusttasche de» »on Doktor Vidal gefchlckte» Rockes gegriffen und sich überzeugt, daß ein oerschloffener Brief dar n stecke. Er zweifelte jetzt nicht mehr, daß bi« aa»»a Kleidertrndunü, kehren anderen Zweck ««habt habe.
als den, rym dieien Brief ohne Borwiffen des Schließers» der ihn sonst wahrscheinlich vor der Ueberreichung zu lese» begehrt hätte, in die Hände zu spielen.
Natürlich brannte er vor Verlangen, zu erfahren, was sein vortrefflicher Freund ihm mitzuteilen habe, und sobald sich die Tür hinter dem Sennor Cabildo geschlossen, beeil» er sich, seine Witzbegierde zu befriedigen. Als er den Um»! schlag des Briefes löste, fiel ihm daraus zunächst ein viereckiges, zusammengefattetes Papier entgegen, darin sich allem! Anschein nach «ine kleine Quantität irgendeines Pulver»! befand. Werner steckte es zu sich, ohne es näher zu untersuchen; denn es war ihm vor allem darum zu tun, den aus vier eng beschriebenen Seiten bestehenden Brief zu lesen, und er muhte in jedem Augenblick auf eine Ueber- raschung durch den Aufseher gefaßt sein.
Eine tiefe Ergriffenheit malte sich in seinen Zügen, während er das Schreiben überflog. Als er zu Ende gekommen war, hatte seine düstere Miene sich aufgehellt und beinahe freudige Empfindungen schienen für einen Moment sein Herz zu erfüllen.
„Ihr werdet mich auf solche Art nicht retten," sagta-M vor sich hin, „aber es ist wahrlich gut, zu wissen, daß es auch noch edle und redliche Menschen auf Erden gibt."
Er entzündete eine«Md»r Streichhölzchen, die ihm der fürsorgliche Sennor Cabildo vorhin zurückgelaffen, und verbrannte an seiner Flamme den Brief zu Asche. Dann begann er sich umzukleiden, und als er eben im Begriff war, die Krawatte zu knüpfen, kehrte der Schließer zurück. Wohlgefällig ruhte sein Blick auf der vorteilhaft veränderten Erscheinung de» Gefangenen. i
»Wahrhaftig, Sennor, das Kriegsgericht muß sich ge« ehtt fühlen, eine» so noblen Herrn vor sich zu sehen. Ich möchte wohl wissen, wie es unsereinem zumute wäre, wenn er auch einmal in so feinen Kleidern stecken könnte."
»Run, dieser Wunsch ist am Ende so unerfüllbar nicht," erwiderte Werner fast heiter. »Wir haben wohl ss ziemlich dieselbe Figur, und wenn Ihre Voraussage zutrifft, sind diese Kleider für mich nach vierundzwanzig Stunden ohne allen Wert. Wenn ich Ihnen eine kleine Freude damit machen kann, so setze ich Sie für den Fall meines Todes i« aller Form zum Erben meiner sämtlichen Kleidungsstücke ein, die sich hier im Gefängnisse be« Und««."