kleid und liegt mit über die Brust gekreuzten Händen mit friedlichem Gesichtsausdruck wie im Schlummer. Er ist förm­lich in Blumen eingehüllt, die in ungeheurer Menge seit mehreren Tagen im Trauerhause einliefen. Unter den Kranzspenden, die bisher ausgepackt oder persönlich nieder- gelegt wurden^sind zu erwähnen solche vom König und der Königin von Württemberg, den meisten Bundesfürsten des Deutschen Reiches, der Grofcherzogin-Witwe Louise von Ba­den, sämtlichen dipl. Vertretungen in Berlin u. Stuttgart, von den württemb. Ministerien, dem Großen Eenerülstab in Ber­lin u. Stuttgarter Offizierskorps. Die Mitglieder des König­lichen Hauses, der Stuttgarter Hofgesellschaft und des württembergischen Adels haben ebenso wie zahlreiche Fa­milien der Berliner Gesellschaft, insbesondere auch aus den Kreisen der Hochfinanz und der Großindustrie wundervolle Kranzspenden gesandt. Bereits gestern abend und heute früh mit den ersten Schnellzügen hat sich eine große Anzahl von Leidtragenden zur Beisetzungsfeier hier eingefunden. Un­ter den Kranzspenden sind auch noch sollte anzuführen von der rumänischen Regierung und der Evangelischen Gemeinde in Bukarest, wo der Verstorbene 12 Jahre lang als deutscher Gesandter gewirkt hat.

Die Ankunft des Reichskanzlers.

Reichskanzler v. Bethmann-Hollweg ist heute mittag 11.50 Uhr zu den Beisetzungsfeierlichkeiten des Staatssekre­tärs v. Kiderlen-Waechter in Begleitung seines Adjutanten, des Oberleutnants Frh. v. Seil, und des Geheimen Hofrats Pinkow hier eingetroffen. Der Reichskanzler wurde von dem Ministerpräsidenten Dr. o. Weizsäcker, dem preußischen Gesandten v. Below-Hutzau, dem Chef des Eeneralstabs von Mutius, Hofmarschall v. Vischer-Jhingen und einigen an­deren Herren begrüßt.

Der Leichenzug.

Nach seiner Ankunft auf dem Hauptbahnhof hatte sich der Reichskanzler in das Sterbehaus begeben und im Auf­träge des Kaisers und der Kaiserin, der Schwester des Ver­storbenen, Freifrau v. Gemmingen-Guttenberg, und den an­deren Mitgliedern der Familie herzliches Beileid ausge­drückt. Bald nach 2 Uhr fanden sich die hohen Traucrgäste mit dem abermals erscheinenden Reichskanzler an der Spitze im Trauerhause ein. Der Reichskanzler legte im Auftrag der Majestäten ein kostbares Blumenarrangement am Sarge nieder. Der Oberhofprediger Prälat D. v. Kolb hielt eine! kurze Andacht. Darauf wurde der Sarg auf die Straße ge­tragen und im Leichenwagen geborgen. Alsbald setzte sich > der Zug von der Friedrichsstraße durch die Bahnhofstratze zum Pragfriedhof in Bewegung. Die Sonne war allmählich! der Nebelwolken Herr geworden und aus dem trüben Mor­gen hatte sich ein freundlicher, mäßig kalter Wintertag ent­wickelt, der dem feierlichen Kondukt einen ziemlich Hellen Rahmen gab. Die untere Friedrichsstraße und der fernere Weg zum Friedhof waren von dichten Menschenmassen um­lagert, die gekommen waren, den schwäbischen Landsmann, der im Reichsdienste zu so hoher Stufe emporgestiegen war und dessen Name in Württemberg mit besonderem Stolze ge­nannt wurde, zu begrüßen. Mit ernstem Schweigen ließ das Publikum den imposanten Zug papieren, das Musikkorps des 7. Württ. Infanterieregiments Kaiser Friedrich, König von Preußen, Nr. 125, in dem der Verstorbene den Feldzug von 1870/71 mitgemacht und dem er jahrzehntelang als Reserve­offizier angehört hatte, spielte auf dem Wege Trauermärsche. Die Studentenschaft der Stuttgarter Technischen Hochschule und Vertreter der Tübinger Akademischen Verbindung Nor- mannia, bei der Herr o. Kiderlen in seiner Studentenzeit aktiv war, schritten dem Leichenwagen voraus, der mit kost­baren Blumengewinden und Palmen und von prächtigen Schleifen mit Widmungen fast bedeckt war. Unmittelbar hinter dem Sarge schritt der Reichskanzler v. Bethmann- Hollweg als Vertreter des Kaisers und der Kaiserin, beglei­tet von dem Frh. v. Palm, einem Verwandten des Verstor­benen. Darauf folgten die Vertreter der anderen Fürstlich­keiten, darunter der bayerische Ministerpräsident Frh. von Hertling im Namen des Prinzregenten Ludwig von Bayern, und Graf von Adelmann als Vertreter des Fürsten von Hohenzollern. Dann kamen die Vertreter der fremden Re­gierungen, die Staatssekretäre Krätke und Dr. Solf aus Ber­lin, das hiesige diplomatische Korps und die württembergi­schen Minister. Ihnen schlossen sich an die Beamten des Auswärtigen Amtes in Berlin; des weiteren folgten als Vertreter der Stadt Stuttgart Oberbürgermeister Lauten­schlager und der Biirgerausschußobmann, dann die übrigen Verwandten des Verewigten, Deputationen der württember­gischen Beamten und Offiziere, sowie eine fast endlose Reihe von Personen, die in privater Eigenschaft dem Sarge folg­ten. Den Schluß bildete eine Anzahl Blumenwagen.

Auf dem Friedhof.

Gegen 3 Uhr traf der Leichenkondukt unter den Klän­gen des Beethovenschen Trauermarsches vor der Kapelle des Pragfriedhofes ein, wo sich kurz zuvor der König, die Hex- zöge Philipp Albrecht, Ulrich und Robert von Württemberg, sowie Herzog von Urach, desgl. der Oberhofprediger v. Kolb eingefunden hatten. Der Sarg wurde in die Kapelle getra­gen. Unmittelbar hinter ihm folgte der König, der auf die Schwester des Verstorbenen, Freifrau v. Eemmingen-Eutten- berg, zuschritt und ihr in herzlichen Worten sein Beileid aus­sprach. Dem König folgten die Herzöge, sodann der Reichs­kanzler mit seinem Adjutanten, beide die Kränze des Kaisers und der Kaiserin tragend, die sie am Sarge niederlegten. Un­ter der Trauergemeinde sind noch besonders zu nennen der württembergische Ministerpräsident Dr. v. Weizsäcker, an Parlamentariern Exzellenz v. Payer, sowie die Reichs- und Landtagsabgeordneten Liesching, Haußmann und Keinath. Nachdem sich die Leidtragenden um den Sarg versammelt har­ten, hielt Oberhofprediger Prälat D. v. Kolb die Trauer­ansprache, der die Worte zu Grunde lagen:Herr Gott^Du bist unsere Zuflucht für und für."Wenn wir das «Ute Jahr im Frieden schließen durften", so führte der GeistlicheTrus,so war es nicht zum Geringsten das -Werk und Verdienst des Verstorbenen, und wenn wir die Zuversicht haben dürfen im neuen Jahre, daß es gelingen werde, das Schiff unseres Va­terlandes durch Klippen hindurch im ruhigen Fahrwasser zu halten, so gründet sich diese Hoffnung nicht zum wenigsten darauf, daß unser Kaiser die Steuerung dieses Schiffes in die starke Hand eines so erfahrenen, scharfsinnigen und besonne­nen, treuen Mannes gelegt hatte, wie es der Verstorbene in so hervorragendem Maße gewesen ist. Nur kurze Zeit war es ihm vergönnt, sein hohes, verantwortungsvolles Amt zu be­kleiden, aber sie genügte, um das Vertrauen, das ihn in diese Stellung berufen hatte, vollauf zu rechtfertigen. Seine Ar­beitskraft schien unermüdlich und unersetzlich. Er hat sich rüanchtslos in den Dienst des deutschen Vaterlandes, von Kaiser und Reich gestellt. Die Liebe zum deutschen Vater- K-ndc war die Seele seines Wirkens. Er hat der Ehre und Olröße unseres Deutsivcn Reiches nie etwas vergeben wollen,

aber, weil ihm das Heil des Vaterlandes vor Augen stand, darum glaubte er, den Knoten nicht mit dem Schwerte durch- hauen zu dürfen, solange es irgend eine friedliche Lösung gab, nicht aus Furcht, sondern weil er Gewinn und Verlust richtig abwog. Er hat alles für das Vaterland geopfert, auch seine Gesundheit. Er ist aus der schwäbischen'Heimat bervorgegangen und hat seine schwäbische Eigenart behal­ten." Der Geistliche richtete sodann Worte des Trostes an die Angehörigen und schloß mit einem Gebet. Hierauf wurde der Sarg zum Grabe getragen, gefolgt von der Trauerver- jammlung wie beim Einzug in die Kapelle. Oberhofprediger Prälat D. v. Kolb sprach am Grabe noch einmal ei» Gebet. Hierauf trat der König als Erster an das Grab und warf einen Tannenzweig hinab. Ihm folgten die Herzöge, die Vertreter der fremden Fürstlichkeiten und die übrigen Her­ren des Trauergefolges. Die Feier war kurz vor XI Uhr be­endet und schloß mit einem Choral.

Stuttgart, 2. Jan. Reichskanzler v. Bethmann-Hollweg ist heute abend um 0.17 Uhr in Begleitung des italienischen Botschafters in Berlin, Pansa, nach Berlin zurückgekehrt.

am Silvesterabend begangen. Die sämtlichen 24 Vereine' ^ Dorfes veranstalteten einen großartigen Fackelzug mit Musikbegleitung und Gesang, der am Rathaus endete, wo dann der seitherige Bürgermeister Fabr Seeger und andere Redner Ansprachen hielten.

Stadt, Bezirk und Nachbarschaft.

Calw, 3. Januar 1913. Das Jahr 1913 steht nach dem Hundertjährigen Witterungskalender unter dem Einfluß des Planeten Venus. Die Venusjahre sind mehr feucht als trocken; der Frühling warm, oft sogar schwül; der Sommer warm und nur dann kühl, wenn der Frühling sehr naß war. Der Herbst warm, doch stellen sich früh kalte Tage ein; der Winter zuerst trocken, nachher naß und sehr ungesund. Für den Januar ist folgende Wettervorher­sage aufgeführt: Vom, 1. bis 7. kalt, am 8. Schnee, 9 bis 15. kalt, vom 16. bis 22. Schnee und Regen, am 23. gelinde Witterung bis zum Ende.

H.K. Schisfsliste für billige Briefe nach den Vereinigten Staaten von Amerika (10 Pf. für je 20 Gramm): Die Porto­ermäßigung erstreckt sich nur auf Briefe, nicht auch auf Post­karten, Drucksachen usw., und gilt nur für Briefe nach den Vereinigten Staaten von Amerika, nicht auch nach anderen Gebieten Amerikas, z. B. Kanada.Kaiser Wilhelm II." ab Bremen 7. Jan.,Prinz Friedrich Wilhelm" ab Bremen 11. Januar,Kronvrinzessin Cecilie" ab Bremen 21. Januar, Amerika" ab Hamburg 23. Jan.,Sevdlitz" ab Bremen 25 Januar. Postschluß nach Ankunft der Frllhzüge. Alle diese Schiffe, außerVictoria Luise" nudSeydlitz" sind Schnell­dampfer oder solche, die für eine bestimmte Zeit vor dem Ab­gänge die schnellste Beförderungsgelegenheit bieten. Es empfiehlt sich, die Briefe mit einem Leitoermerke wiedi­rekter Weg" oderüber Bremen oder Hamburg" zu ver­sehen.

sck. Mutmaßliches Wetter. Für Samstag und Sonntag ist zwar vielfach trübes, aber vorherr­schend trockenes Wetter zu erwarten.

(!) Hirsau, 2. Jan. Auch hier wurde das Erdbeben vom Dienstag verspürt. Es war zwar nicht heftig, aber immerhin so, daß Gläser und Geschirr zusammenklirr­ten und ein leichtes Beben des Bodens zu verspüren war. Zu Schaden kam niemand. Diese Ungewöhnlich­keit, mit der uns das alte Jahr verließ, setzte sich mit einer anderen im neuen fort. Am Neujahrstage, abends zwischen X>6 und 6 Uhr beobachtete man plötzlich einen großartigen Kugelblitz in der Richtung gegen Westen. Für den zufälligen Beobachter war das eine interessante Erscheinung.

X Stammheim, 1. Jan. Am zweiten Weihnachts­feiertag hielt der hiesige Liederkranz seine Weihnachts­aufführung. Der Waldhornfaal war nicht geräumig genug, um die Besucher alle zu fassen. Die Aufführung entsprach aber auch allen Erwartungen. Die gut vorge­tragenen Chöre fanden allseitigen Beifall, besonders die Letzte Nachtwache" von Wengert. Ganz besonders gefielen die herrlichen gemischten Chöre, sowie ein Frauenchor. Auch die humoristischen Stücke wurden mit größtem Beifall ausgenommen, besonders ReiffsPreis­lied". Alle Mitspielenden fanden sich vortrefflich in ihre Rollen. Der Verein darf auf einen wohlgelungenen Abend zurückblicken.

s ^ Zwerenberg, 1. Jan. Nach alter Sitte wurde hier am Sylvesterabend wiedergefackelt". Als der Sylvestergottes­dienst zu Ende war, zogen die ledigen Burschen mit Fackeln aus Kienholz um das Dorf, was einen ganz geheimnis­vollen Anblick gewährte. Man wünscht dabei nur, daß der Brauch, der offenbar in dem Lichtdienst unserer Vorfahren seine Ursache hat, noch lange sich erhalten möge.

Birkenfeld, 3. Jan. Nachdem erst letzten Sommer hier ein großer Brand ausgebrochen war, bei dem auch die Scheuer desBären" brannte, entdeckte man schon wieder einen neuen Brandstiftungsversuch. In einem Bühnenraum war Feuer angesteckt, ebenso in einem geschlossenen Kleider­schrank. Die Bretter waren zum weiteren Umsichgreifen des Feuers hergerichtet; da aber Leute dazu kamen, wurde nichts damit.

Pforzheim, 2. Januar. Nachdem i. I. 1905 das dicht anstoßende große Dorf Brötzingen einverleibt wurde, ist jetzt die eine halbe Stunde aufwärts an der Nagold schön gelegene, fünftausend Seelen zählende Ortschaft Dill-Weißenstein dazugekommen, die auch vie­len Schwarzwaldwanderern durch ihre mächtige Stein­bogenbrücke über den Fluß und den hübschen Wasser­fall darunter bekannt ist. Durch diese Eingemeindung kommt die Stadt auch in den unbestrittenen Besitz der bedeutenden Nagoldwasserkräfte, deren Ausbeutung schon lange geplant wird. Die Stadt Pforzheim ver­pflichtet sich u. a. in den nächsten Jahren die elektrische Bahn nach Dillstein hinaus zu bauen und auch eine erweiterte Volksschule dort einzurichten. Außerdem er­geben sich noch große beiderseitige Vorteile bezüglich Ka­nalisation und Straßenführung. In Dill-Weißenstein wurde der bedeutsame Tag mit einer größeren Feier

Württemberg.

Stuttgart, 2. Jan. Der König hat den Fürsten zu Hohenlohe-Bartenstein und Jagstberg wieder zum Prä­sidenten der Ersten Kammer für die Dauer der näch­sten ordentlichen Landtagsperiode ernannt. Fürst Ho­henlohe-Bartenstein ist Präsident der Ersten Kammer im letzten Landtag vom 31. Dez. 1910 ab gewesen als Nachfolger des Grafen Rechberg-Rotenlöwen.

Stuttgart. 2. Jan. In Straßburg ist unser berühm­ter Landsmann Geh. Rot Prof. Dr. Euting nach langer Krankheit gestorben. Er hatte vergeblich im vergan­genen Sommer auf seinem Lieblingsort am Ruhestein Erholung gesucht. Sein Befinden hatte sich aber, was durch eine fortwährende Gewichtsabnahme zu Tage trat, nur noch verschlechtert. Nun ist noch eine Lungen­entzündung hinzugekommen und hat dem Leben des verdienten Forschers ein Ende gemacht. Er war Mitbe­gründer und von 19001909 Direktor der Straßburger Universität und Landesbibliothek. Seinen großen Ruf hatte er erworben als Reisender und Forscher auf dem Gebiete der syrisch-chaldäischen Sprache. Seine letzte Ruhestätte findet Euting auf dem hohen Schwarzroald, wo er sich zwischen Ruhestein und Hornisgrinde ober­halb des Wildsees schon vor Jahren eine wundervoll gelegene Begräbnisstätte gesucht hat. Die Beisetzung dürfte von Mitteltal aus erfolgen.

Stuttgart,- 3. Jan. Die sonst alljährlich im Januar stattfindcnde Landesversammlung der Nationallioeralen Partei Württembergs soll erst später abgehalten werden, um Zeit für die Erledigung der Fragen zu gewinnen, die inner­halb der Partei im Anschluß an die Landtagswahlen aktuell geworden sind.

Vierlingen, O.A. Horb, 2. Jan. Ein junger Bur­sche zündete einen Feuerwerkskörper an, der sogleich ex­plodierte und den Unvorsichtigen im Gesicht verletzte, so daß er in die Klinik nach Tübingen verbracht wer­den mußte. Ein Auge soll verloren, das andere gefähr­det sein.

Tübingen, 2. Jan. Der 11jährige Friedrich Kirsch- baum aus Degersschlacht wurde von einem 13jährigen Jungen in Betzingen in den Kopf geschossen und lebens­gefährlich verletzt in die chirurgische Klinik verbracht.

Heilbr nn, 2. Jan. Der Ortsschulrat hat die schrittweise Einführuu.. 8. Schuljahres an sämtlichen Schulen Heil­bronns beschlossen. Stuttgart ist darin mit gutem Beispiel vorangegangen, indem dort das 8. Schuljahr an den Mäd­chenmittelschulen eingeführt wurde und das 8. Schuljahr an den Volksschulen eingeführt werden soll. Bei den großen Kosten, welche die Einführung des neuen Schuljahres erfor­dert, wird sie hier in Heilbronn wohl noch einige Zeit dauern, soll aber spätestens bis 1017 durchgeführt sein.

Aus Welt und Zeit.

Halle, a. S 31. Dez. Heute nacht vergiftete der im Hause Leipzigerstr. 27 wohnende Eoldschmid Zanke seine Frau, seine beiden Kinder im Alter von 3 und 1^ Jahren und dann sich selbst. Einen Freund hatte er brieflich von seinem Vorhaben in Kenntnis gesetzt. Die Ursache der Tat soll in mißlichen Vermögensverhält­nissen zu suchen sein.

Reichenberg i. Böhmen, 2. Januar. In einem hiesigen Hotel wurde heute der Finanzbeamte Franz Lang von seiner jungen Frau, die getrennt von ihrem Manne in Leipzig lebt und die auf Besuch gekommen war, betäubt und erwürgt. Hierauf erdrosselte die Frau ihren 5jährigen Knaben und erhängte sich dann selbst am Fensterkreuz.

London, 2. Jan. Im ersten Teile der gestrigen Sitzung der Friedenskonferenz führte der griechische Mi­nisterpräsident Venizelos den Vorsitz. Die Verhandlun­gen wurden dadurch eingeleitet, daß Reschid Pascha die' türkischen Gegenvorschläge verlas und sie darauf schrift­lich unterbreitete. Sie lauten 1. Die Türkei tritt alles -Gebiet westlich des Vilajets Adrianopel ab. 2. Alba­nien wird autonom. Die Bestimmung seiner Grenzen und seiner politischen Verfassung wird den Großmächten überlassen, 3. Wegen des Vilajets Adrianopel schlägt die Türkei vor, mit Bulgarien wegen der Feststellung der türkisch-bulgarischen Grenze allein zu verhandeln. Die Verbündeten stimmten dem Vorschlag betreffend Al­banien zu.. Auf den 3. Punkt der türkischen Vorschläge erwiderten sie. daß alle Verhandlungen mit den Ver­bündeten zusammen geführt werden müßten. Die Tür­ken erklärten sich dann damit einverstanden. 4. Hinsicht­lich Kretas weisen die türkischen Vorschläge darauf hin, daß es sich empfehlen würde, bevor man eine Entschei­dung treffe, die Mächte um ihre Meinung zu befragen, da die Insel den Mächten ins Depot gegeben worden sei. Die Verbündeten antworteten, daß sie sich selbst an die Mächte wenden würden. Jetzt -verlangen ste, daß die Türkei alle Rechte aufgebe, die ste auf Kreta besitze. 5. Bezüglich der Aegäischen Inseln erklärten die Türken, daß diese zu Kleinasien gehören. Die Verbündeten erwiderten, daß sie auf der Abtretung der Inseln bestehen müßten. Im Verlaufe der Debatte über Adrianopel sagten die Vertreter der Balkanstaaten, daß die türkischen Mitteilungen über die FeststelUing der Grenzen zu unbestimmt feien, und ersuchten die Tur-'