Bazillen und Großstadtluft.

Von vr. A Lttttick.

Es ist heute allgemein bekannt, daß die Lust stets Staubteilchen und Bakterien enthält, nur über die Mengen, in denen die Krankheitskeime die Luft durch­setzen, herrscht vielfach Unklarheit. Zwei französische Ge­lehrte, A. Sartory und Marc Anglais, haben neuerdings den Staub und die Mikroorganismen der Luft eingehend untersucht und die interessanten Ergebnisse veröffentlicht.

Den Untersuchungen liegen die Pariser Verhältnisse zugrunde, sie lassen aber gute Vergleiche mit unseren Großstädten zu. Während der Jahre 190911 er­mittelten die beiden genannten Gelehrten für eine der verkehrsreichsten Straßen der Stadt Paris, für die Rue de Rivoli im Durchschnitt 1460 Bakterien auf den Kubikmeter Luft. Etwa 3 Jahrzehnte früher betrug die entsprechende Zahl für dieselbe Straße nur 750, die Zahl der Bakterien hat sich also in der Luft dieser Großstadt­straße im Laufe von 30 Jahren verdoppelt. Bedeutend geringer ist diese Steigerung erklärlicherweise in den Anlagen der Stadt, so zeigt der Park Montsonris jetzt 88 Bakterien aus einen Kubikmeter Luft gegen 75 vor 30 Jahren. Von diesen Keimen in den Großstadtstraßen kommen nach Angaben von Miguel nur etwa h/il, mit dem Winde von Lande herein, die übrigen haben ihren Ursprung im Innern der Häuser und im Boden der Straßen, besonders dann, wenn er staubig und trocken ist, und von jedem Fußgänger, jedem Wagen, Auto oder anderen Gefährt aufgewirbelt wird.

Betrachten wir noch einmal die Lust der Rue de Rivoli. Wenn wir sagen, der Kubikmeter Luft enthält im Durchschnitt 1460 Bakterien, so ist diese Zahl nicht immer gleich, sie schwankt sehr zwischen morgens, mittags und abends, sie schwankt auch zwischen Sommer und Winter, Frühling und Herbst. Tie Zahlen für die ein­zelnen Jahreszeiten z. B. lauten: Frühling 2175, Som­mer 1670, Herbst 1540 und Winter 514. lieber die Schwankungen innerhalb des Tages mögen Messungen aus der Avenue de l'Opera Aufschluß geben. Im Juli 1911 enthielt 1 obra der Luft dieser Straße nach vorange­gangener Besprengung' früh 7 Uhr 398 Bakterien, um 8 Uhr 450, um 10 Uhr, als sich der Verkehr belebte, 4300, um Mittag 7400 und um 2 Uhr des Nachmittags 10300, um 3 Uhr wurde dann wieder gesprengt und man zählte nur noch 5200 Bakterien auf den Kubikmeter Luft. Diese Zahl stieg aber bis um 7 Uhr abends wieder auf 10 800, denn die Straße war bis dahin wieder trocken geworden. Man sieht, neben der Größe des Verkehrs spielt auch die Trockenheit eine ausschlaggebende Rolle bei der Zahl der Keime in der Luft. Wir hatten ge­sehen, daß die Zahl der Keime in einem Kubikmeter Lust der Rue de Rivoli sich iu einem Zeitraum von 30 Jahren verdoppelt hatte. Der Verkehr ist aber in viel größerem Umfang gestiegen. Zieht man in Betracht, daß ein Kraftwagen das dreifache eines entsprechenden Pferde­geschirrs leistet, dann sieht man, daß sich der Verkehr in den Hauptstraßen von Paris in den letzten 6 Jahren fast verdreifacht hat, die Zahl der Bakterien in der Luft hat sich innerhalb 30 Jahren aber kaum verdoppelt. Dieses Verhältnis kann man als sehr günstig bezeichnen.

Tie Zahl der Bakterien in einem Kubikmeter Straßenlust schwankt also täglich ganz bedeutend, die größte Zahl, die gemessen wurde, ist 575 000, also über eine V? Million. Sie wurde in der Avenue du Bois de Boulogne an einem heißen Sonntagnachmittag gegen 6 Uhr festgestellt. Um diese Zeit ist die Zahl der Spazier­gänger und Wagen in dieser Straße eine ungeheure, dazu kommt die Trockeuheit. An regnerischen Wochen­tagen wurden an derselben Stelle und zur selben Zeit nur 12 000 Keime in einem Kubikmeter Luft festgestellt. Also fast nur Vzg der zuerst genannten Zahl.

Das ungünstige Bild verändert sich natürlich, so­wie man aus der trockenen belebten Geschäftsstraße in den abgeschlossenen Park flüchtet. So zeigte die Luft im Jardin du Luxembourg um 81/2 Uhr des Morgens im Schatten 159, in der Sonne nur 101 Keime in einem Kubikmeter Luft, die Zahlen sanken im Verlauf des Tages und betrugen am Mittag nur noch 137 und 60: Dieses Sinken der Bakterienzahl ist auf den Einfluß der Sonne zurückzuführen, die ja eine große bakterientötende Kraft besitzt.

Ganz andere Zahlen liefert die Untersuchung der Lust geschlossener Räume. Auf den Kubikmeter Luft würden in einem öffentlichen Restaurant gegen 11 Uhr morgens 40 000 Bakterien festgestellt, bis mittags 1 / 2 1 Uhr war diese Zahl schon auf 60 000 gestiegen. In einer großen WeinstM: konnten um 11 Uhr vormittags erst 3000 Keime auf 1 ebm Luft festgestellt werden, gegen 10 Uhr abends aber waren es 450 000. In den großen Warenhäusern schwanken die Zahlen zwischen 300 000 und 2 Millionen, in der Schauhalle eines Kaufhauses wurden sogar 4 Millionen ermittelt. Entsprechend sind die Zahle,, ür Museen und Ausstellungen. Auf einem Dayn- hof konnte man mittags üher 2 Millionen Keime aus 1 ebm Luft feststellen, gegen 3 Uhr erreicht ihre Zahl sck"m 7 Millionen und an einem Sonntag nachmittag? stip, sie infolge des großen Ausflugsverkehrs sogar ans 9 Mill''"ueu. Aber du. 'st immer noch nicht der Rekords er wird von einer E^uäldeaaleri.' gehalten, in der aus? Anlaß einer besond r- interessant. ' "Stellung an einem Sonntag 14 Millionen Bakteri: -n einem Kubikmeter Luft gemessen wurden.

Was sich die Albanier erzählen.

Die Vorstellungswelt und das Wesen der Al­banier spiegeln sich lebendig in den Märchen und Legenden, die in diesem unruhigen Berglande noch heute von Mund zu Mund gehen und den Kindern

erzählt werden. C. de Danilowicz gibt in der Quinzaine" einige fesselnde P roben aus dem Mär­chenschatze der Albanier. Da ist zum Beispiel die Geschichte von den drei Töchtern.Es war einmal eine alte Frau, dije sehr krank wurde. Sie besaß drei Töchter? Marinang (die Spinne) hieß die erste, die war gar sorglos und hübsch und dachte immer nur..an ihr Wohlergehn. Die zweite hieß AigjaL (die Grille), die war noch sorgloser und verbrachte ihre Tage nur mit Singen. Die dritte aber hieß Bleta (die Biene), die war gar fleißig! und konnte nicht eine Stunde am Tage müßig sein. Als die arme cklte Frau sich in ihrem Bette nicht mer um­drehen konnte, ries sie ihre älteste Tochter herbei, aus daß sie ihr helfen möge. Die Tochter abtzr sagte:Ich spinne mein Gewebe und kann mich nicht stören lassen." Da sah sie die Mutter an und sagte: Bereite du immer vor, ohne je zu EAide kommen zu können." Dann rief sie die zweite Tochter, die aber sagte:Ich singe und ich kann meinen Ge-, sang nicht unterbrechen." Tie arme alte Mutter lächelte traurig und sagte:Singe, singe, bis du auf dem Rücken stirbst," Und so singt die GlriUe immer und stirbt ausgedörrt, mit dem Rücken auf einer Pflanze liegend. Die dritte Tochter aber hals der Mutter und bereitete ihr ein Gericht, das sie stärkte: Da sagte die Mutter:Du sei gesegnet! Du wirst das Licht deiner Ahnen sein und sdie Kost der Lebenden." Und so bereitet denn die Biene das Wachs für die Kerzen der Toten und den süßen Honig für die Lebenden." Die Bienen genießen noch heute bei den Albaniern eine fast mystische Vereh­rung, u -nd nie wird der Albanier, der gern eine derbe Sprache führt, in einem Hause fluchen, bei dem es Bienenstöcke gibt.

Grausamer ist ein anderes Märchen, das an die dunklen Zeiten der Menschenopfer anMngt.Es waren einmal drei Brüder, die hatten drei Schwe­stern geheiratet? nun arbeiteten sie an dem Bau einer gewaltigen Mauer. Aber immer wieder stürz­ten in der Nacht die Steine zusammen, und so könn­ten sie ihr Werk nicht vollenden. Da kam eines Tages ein Greis vorüber, sah ihnen zu und sagte: Ehe ihr nicht mit Menschenblut das Schicksal be­schwichtigt, werdet ihr nimmer ans Ziel kommen." Nun aber war es der Brauch, daß jeden Tag ^eine der Frauen den drei Brüdern das Mittagsbrot brachten. Die Brüder beschlossen:Jene von unse­ren Frauen, die uns morgen das Mittagbrot bringt, soll als das Opfer fallen." Allein die beiden älte­ren Brüder verrieten ihr Geheimnis dcnheim ihren Frauen. Am nächsten Tage fand die Frau dessAel- teren eine Ausrede, um das Mittagbrot nicht den Brüdern zu bringen, nicht anders tat es die zweite, und so ging denn die jüngste Schwester, die gerade ihr Kind stillte, hin zu der Mauer und brachte den Brüdern das Essen. Als sie kam, sah sie, daßf ihr Mann zu weinen begann und davonging.Was ist geschehen?" fragte sie.Ach, nichts," meinte der älteste der Brüder,ein Amulett ist hinab in den Brunnen gefallen und er kann es nicht wieder fin­den."So werde ich gehen und es suchen," sagte die jüngste der drei Schwestern und stieg in den Brunnen hinab. Als sie aber in der dunklen Tiefe war, begannen die beiden Brüder Stein auf Stein auf sie hinabzuwerfen. Da wußte die junge Frau weshalb ihr Mann so bitterlich geweint hatte und davongegangen war, und unter Tränen bat sie die beiden Brüder, in dem Steinhaufen eine Lücke für die Mutterbrust zu lassen, auf daß sie ihr kleines Kind weiter nähren könne. So geschah es, und selbst nach ihrem Tode nährte sie das Kind und die Milch versiegte nicht, ehe das Kind groß geworden war.

Noch heute, wenn man unter der Führung von Albaniern die Berghöhlen besucht und die Stalak­titen sieht, erzählt einem der Führer, wenn er einem wohlgesinnt ist, dieses alte Märchen. Denn nach dem Volksglauben sind die Stalaktiten die Milch aus der Brust jener armen jungen Mutter, die ge­opfert wurde, auf daß die Männer ihr Werk voll­bringen könnten und die bei ihrem Sterben an chichts ! anderes dachte, als an ihr kleines Kind. ^

Vermischtes.

8 Die gezählten Haare vom G emsbart. Im

Bräustübl zu Berchtesgaden, so wird denMünch. N. N." erzählt, wollte einer von der Gildchder Scharf­schützen -'nen Gemsbart kaufen, der aus 60 Mark gew .et war, und erbot sich, für jedesHaart" 3 Pfennig zu zahlen, das sei Geld genug. In später Abendrunde endete die mühselige Gerns Haarzählerei und ergab 3400 Stück, macht über 100 Mark. Djarob sollen dem Gemsbartkäufer die eigenen Haare zu Berge gestanden haben.

H Ern neues anästhetisches Mittel. Nach den Mitteilungen des angesehenen Londoner Chi­rurgen F 0 rbes Rp ß ist es ihm gelungen, durch die Kombination von zwei Arzneimitteln ein einfaches, völlig ungiftiges Anästheticum zu finden, das den Patienten auch geg..: die langwierigste und gefährlichste Operation un­empfindlich macht und ihm überdies die Schmerzen nach der Operation erspart. Das Präparat besteht aus einer einprozentigen Lösung von Chinin und harnsaurem Hydrochlorid. Das Mittel ist überaus

einfach im Gebrauch und kostet so wenig, daß eine JnjMion auf nicht mehr als etwa 50 Pfennig zu stehen kommt.

ß Wie entsteht Kurzsichtigkeit? Allgemein wird angenommen, daß Kurzsichtigkeit durch das Nahe- heranbringen eines Gegenstandes an das Auge be­dingt werde. Diese Annahme widerlegt G. Lewin- son, indem er nachweist, daß die Beugung des Rump­fes und Kopfes! bei der Arbeit die Veranlassung ist. Das Auge fällt dabei nach vorn, und es entstehen Zerrungen, besonders des! Sehnerven, die eine Längs­dehnung des Augapfels zur Folge höben. Er stützt sich bei dieser Theorie auf Erfahrungen bei verschie­denen Berufen und eine Anzahl Tierversuche, sowie anatomische Befunde. So erzielte er bei Affen durch! entsprechende Versuchsanordnung bei Beugen des Kopfes künstliche Kurzsichtigkeit. Zur Bekämpfung der Kurzsichtigkeit wird daher der geraden Körper­haltung erhöhte Aufmerksamkeit zugewendet werden müssen.

8 Lionardo über hygienische Lebensführung. Wer

in Mailand in der Biblwteca Ambrosiana nach dem Codex atlanticus des Lionardo fragt, erhält mit vieler Liebenswür­digkeit zwar das nicht wie ein Juwel gehütete Original, aber die aus Photographien nach dem letzteren hergestellte Kopie in die Hand. Wer darin blättert, wird mitten unter mathe­matischen Berechnungen, Geometrielehrsätzen, Entwürfen zu Kuppelbauten, Flugzeugkonstruktionen, ballistischen Unter­suchungen, Entwürfen zu Kriegsmaschinen, Malerregeln, geist­reichen Gedichten und moralisierenden Fabeln einige Verse entdecken, in denen Lionardo Zeit findet, auch seine Ansicht über eine hygienisch vernünftige Lebensweise auszusprechen. Als kleiner, aber merkwürdiger Beitrag zu der Stuttgarter Gesundheitsausstellung möge diese Ansicht hier mitgeteilt werden: «Wenn du gesund willst bleiben, so halte folgende Regeln: nicht ohne Bedürfnis, und abends nur leichte Speise. Kaue gut, und was du auch immer mögest ge­nießen, laß es gekocht sein gut und von einfacher Art und Gestaltung. Nimmst Medizin du ein, so bist du gar schlecht beraten. Hüte vor Zorn dich und meide über­mäßige Trauer. Wenn du vom Essen kommst, so halte dich stehend und aufrecht. Nicht gut ist es, zur Mittagszeit im Bette zu liegen. Wohl temperiert sei dein Wein, trink wenig von ihm und öfter, doch bei der Mahlzeit nur, und und nie in den leeren Magen. Halte den Stuhlgang zur Zeit und ohne ihn zu verschieben. Alles Zuviel auch ist zu vermeiden bei Uebung des Körpers. Schlaf auf dem Bauch nicht noch bei vederhängendem Kopfe, und den Körper schütze bei Nacht mit der wärmenden Decke. Gönne Ruhe dem Kopf und bewahre fröhlichen Sinn dir. Ausschweifungen vermeide und halte Diät ein."

Fortpflanzung.

77 000 000 000 000 000 000 000 c 00 000 000 000. Diese Zahl stellt einen ganz unmöglichen Gedanken dar. Jeder kennt unseren gemeinen Löwenzahn, diese Pflanze, die sich so schnell vermehrt, daß sie die Verzweiflung des Landbauers bildet: Nun denn, wenn man nur eine Pflanze dieser Gattung nimmt und annimmt, daß aus jedem Samen dieser Pflanze eine neue Pflanze wird, und diese Pflanzen sich ebenso unge­stört fortpflanzen würden, dann würde obige Ziffer die Zahl der Löwenzahnpflanzen darstellen, die wir im Zeitraum von 10 Jahren auf Erden zu vernichten hätten. Glücklicherweise keimt aber nicht jeder Same und auch unter den Keimen selber und unter den Pflänzchen räumt derTod" auf. Daß er das aber tut, dafür können wir ihm nur Dank sagen. Namentlich bei den niederen Organismen ist die Vermehrung eine ganz außerordentliche. Es gibt kleine Pilze, die sich in wenig Stunden um das Billionenfache vermehren, und wenn sich die mikroskopischen Tierchen, die wir als Rotiferen kennen, ungehindert vermehren könnten und kein Tod sie zer­stören würde, dann würden sie allein imstande sein, in 10 bis 12 Stunden alles andere Leben zu hemmen. Eine Blatt­laus hat in der fünften Generation 5904 Millionen Nach­kommen, und diese Generationen kommen in wenigen Tagen zustande. Eine Bienenkönigin legt an die 100 000 Eier, die zusammen das lllfache ihres Körpergewichts betragen. In Austern hat man 2 Millionen, im Karpfen 600 000, im Hering 1 Million Eier gefunden. Ein einziges Tauben­paar würde in sieben Jahren 10 Millionen Nachkommen haben, ein Hasenpärchen in ebensoviel Jahren 15 Millionen! Zahlen, die beweisen, wie gut es ist, daß im Kampf ums Dasein so viele Lebewesen untergehen.

Summarisch.Deine Frau kleidet fick- nicht vorteil­haft."Ach, über den tM-* >nd : meiner Frau läßt sich nicht streiten."

Umgekehrtes Verfahren.. . .Süße Maus" hat er mich genannt . . . Und er wird mir in dieFalle gehen."

8;r-nt«ortlicher Redakteur: Ludwig Lank.

Druck ' der W. Rieker'fchen Buchdruckerei, Altenas'

fshrrachVsrtretvr: Lsul 8oliaupp, Llten8tvig,

Karl Kern, pkalrgrsken^eilor.