^ Stuttgart, 16. April. (Ter Leiter der Landespolizeizentrale.) Zum künftigen Leiter der Landespolizeizentrale ist, einer Blättermeldung zufolge, Oberamtmann Klaiber, jetzt bei der K. Stadtdirektion Stuttgart, ausersehen. Regiernngsasscssor Tr. Harster, der die Einrichtung der neuen Behörde besorgt, ist bekanntlich nur zu diesem Zweck für ein halbes Jahr aus dem bayerischen Staatsdienst beurlaubt.
(-) Stuttgart, 16. April. (Eine kühle Nacht.) Da gestern nachmittag schon und vollends zum Abend der Himmel vollständig klar war, und der Nordostwind an Stärke zunahm, war eine recht kühle Nacht sicher zu erwarten; ängstliche Gemüter befürchteten sogar den Eintritt von Frost, haben aber zum Glück Unrecht behalten. In Hohenheim war die niedrigste Temperatur 0,8, in Münsingen ging sie nicht unter den Gefrierpunkt, in Freuden stad t blieb es bei 0,2 und in Friedrichshafen bei 1,0 Grad Celsius. Hier in Stuttgart ist der Wärmemesser nicht unter 1 bis 2 Grad Celsius heruntergegangen, an geschützten Stellen sogar nicht einmal unter 4 Grad. Im Laufe des Tages hat sich der Wind etwas von Nordosten gegen Südosten gedreht. Ter Himmel ist klar ge
blieben.
(-) Stuttgart, 16. Slpril. (Ter unterschriebene Fragebogen.) Tie „Schwäb. Tagesztg." schreibt heute zu der Veröffentlichung der „Schwäb. Tagwacht", wonach der Abg. Tr. Nübling den sozialdemokratischen Fragebogen unterschrieben hat, daß der Bund der Landwirte hierfür nicht verantwortlich gemacht werden könne. Tr. Nübling habe die Fragen ohne Wissen der Parteileitung beantwortet.
(-) Cannstatt, 16. April. (Roheit.) Ein unbekannter Fuhrmann schlug in der Waiblingerstraße mit der Peitsche hinter sich nach Kindern, die sich an den Wagen gehängt hatten und traf einen KUaben derart ins linke Auge, daß dieses gefährdet ist. Der rohe Mensch entkam unerkannt.
(-) Möhringen a. F., 16. April. (Die rätselhafte Bluttat.) Nach den Aussagen eines Degerlocher Bürgers, der bei den letzten Augenblicken des getöteten Fuhrmanns Melde zugegen war, scheint die Tat sich anders zugetragen zu haben. Weide versicherte noch vor seinem Tode, daß, als er Möhringen zugegangen sei, plötzlich in der Dämmerung ein Mann rasch auf ihn zugekommen sei und ihm einen Stich versetzt habe, worauf er bewußtlos zusammengebrochen sei. Er beteuerte ferner, daß er vollständig ahnungslos überfallen worden sei, und bat die Umstehenden, seiner Braut zu sagen, daß er schuldlos sterbe. Dia der Stich mitten im Herzen saß und der Verstorbene nach den seitherigen Darstellungen einen längeren Weg nach der Tat zurückgelegt haben sollte, so hätte man auch Blutspuren finden sollen; es ließen sich aber im ganzen Umkreis keine entdecken. Auch der Getötete wird von seinen Bekannten als ein solider, rnhiger und ordentlicher Mensch geschildert. Dia die Angaben sich widersprechen, so scheint die Tat noch nicht ganz aufgeklärt zu sein. Es muß daher erst die Untersuchung ergeben, ob Melde vielleicht doch das Opfer einer Verwechslung geworden ist.
(-) Waiblingen, 16. April. (Ein Reif in der Früh- lingsnacht.) Gestern und heute früh gab es bei einer bis' fast auf den Gefrierpunkt gesunkenen Temperatur einen leichten Reif, der aber der Kirschenblüte im Remstal keinen Schaden zufügte.
(--) Schorndorf, 16. April. (Messerhelden.) In Oberberken brachte ein 24jähriger Italiener einem Landsmann, der ihm kein Geld borgte, einige schwere Messerstiche bei, so daß die Verbringung des Gestochenen ins hiesige Krankenhaus notwendig wurde. Ter Täter ging nach der Tat flüchtig, doch ist seine Persönlichkeit festgestellt. — In Winterbach gab es unter jungen Leuten einen Streit, wobei einem Unbeteiligten von Weiler mit einem Messer eine Wange und das Ohr aufgeschlitzt tvurde.
(-) Heilbronn, 16. April. (Einbruch.) ' In der Nacht von Ostermontag auf Dienstag hat ein Einbrecher in der Fabrik von Baier und Schneider sein Unwesen getrieben. Er vermutete im Pult des die Krankenkasse verivaltenden Angestellten einen Geldbetrag und erbrach unter Anwendung eines herbeigeholten Hammers das Pult. In die Hände ist ihm aber nichts gefallen. Außer einem zerbrochenen Lineal und dem zerrissenen Pnltdeckel ist auch der Firma kein Schaden entstanden.
(-) BrackenheiM, 16. April. (Ein Otterbiß.) Bei Michelsberg aus der Botenheimer Heide ist ein Wanderer von einer Kreuzotter gebissen worden. Auf der Heide sind wiederholt Ottern vorgckommen. Der Tourist führte zum Glück Kognak bei sich, den er als Gegenmittel nahm. Dä außerdem die Wunde kräftig gereinigt tvurde, dürfte der Schlangenbiß keine gefährlichen Folgen haben.
(--) Ulm, 16. April. (Deserteur.) Der aus Stuttgart gebürtige Grenadier Eugen Schimpf von der zweiten Kompagnie des 123. Regiments wird wegen Fahnenflucht steckbrieflich verfolgt.
(-) Schranrberg, 16. April. (Ein Pockenfall.) Nachdem hier ein IftZjähriges ungeimpftes Kind an den echten Pocken gestorben ist, wurde vom Oberamtsarzt die sofortige Impfung der Kinder und Schüler verfügt. Auch Erwachsene können sich impfeir lassen. Ferner sind Vorkehrungen getroffen worden, um weitere Pockenfälle zu verhindern.
js Buchau, 16. April. (Brand.) Die mit etwa 40 Stück Vieh belegten Stallungen und die Doppelscheuer des Brauereibesitzers Götz sind heute nacht ein Raub der Flammen geworden. 8 Stück Vieh sind mitverbrannt, die übrigen konnten geborgen werden. Als Entstehungsursache wird Brandstiftung vermutet.
Deutsches Reich.
Feuersbrunst.
js Danzig, 16. April. Eine gewaltige Feuersbrunsi vernichtete in Adlik-Lonken im Kreise Bütow in Pommern 31 Häuser. Zahlreiches Vieh ist in den Flammen umgekommen. Das ganze Dorf liegt in Asche.
* Die deutsch-türkischen Verhandlungen.
Tschawid Bey, der zu dringlichen Verhandlungen von Paris nach Konstantinopcl berufen worden ist, soll in Kürze noch einmal nach Paris zurückkehren und wird im Anschluß daran den längst erwarteten Berliner Besuch abstatten. Die Berliner Verhandlungen mit Dscha- wid Bey dürften nur kurze Zeit in Anspruch nehmen. Sie werden mit dem Auswärtigen Amt über die Frage der 4o/oigen Zollerhöhung, über die Monopolfrage und andere Steuerfragen, mit der Deutschen Bank über die Bahnsragen geführt werden.
* Das Luftschiff Hansa ist am Donnerstag morgen 7.15 Uhr über Hamburg eingetrosfen und 10 Minuten später vor der Lustschiffhalle glatt gelandet. Da das Luftschiff aber wegen starken Querwindes nicht in die Halle gebracht werden konnte, stieg es um 9 Uhr zu einer Rundfahrt über die Stadt auf. Auch nach der zweiten Landung um 10 Uhr verhinderte der Querwind die Einfahrt in die Halle und das Luftschiff begann eine zweite Rundfahrt. Weiter wird aus Hamburg gemeldet: Dias Luftschiff Sachsen ist am DIonnerstag nachmittag um 1.18 Ahr nach Potsdam abgefahren. Die Hansa setzt die Fahrt über die Stadt fort. — Das Luftschiff Hansa landete, nachdem es die Sachsen noch eine Strecke begleitet hatte, und wurde in die Halle gebracht, woselbst ein Mannschaftswechsel vorgenommen' und der Benzinvortzat ergänzt wurde. Um 2.30 Uhr stieg die Hansa wieder zu einer Uebungsfahrt ckust
W Herelrucbt. W
Es gibt Stunden des Glücks und des Unglücks, die man zeitlebens nie mehr vergißt und zu denen man im späteren Alter noch rückerinnernd wallfahrtet.
Reichner.
Im Strom der Welt.
(Fortsetzung^
Erzählung von Paul Bliß.
(Napdruck verboten.)
Inzwischen waren die beiden Damen auf dem Wege nach dem Opernhaus.
Und als Lucie, so freudiger Erwartung voll, m bas wogende Leben hineinfuhr, vergaß sie auf Minuten all den Kummer, der ihre jungen Jahre schon so niederdrückte. Mit lustigen, frohen Augen blickte sie in das Getriebe um sich her, und es war ihr, als könne die gütige Vorsehung ihr das Glück, das auch sie ganz heimlich ersehnte, nicht ewig oorenthalten.
Als Schwester Marie sie so dasitzen sah, lächelte sie verstohlen ein wenig ironisch. Schnell aber wechselte sie ihre Miene und sagte heiter: „Na, wie ist Ihnen denn nun? Das ist schon eine andere Sache, als ewig im dumpsen Zimmer zu sitzen, wie?"
Fröhlich nickte Lucie ihr zu.
„Na, lassen Sie nur gut sein, ich will schon dafür sorgen, daß Sie nun öfter mal hinauskommen."
Vor der Oper war bereits reges Leben. Wagen kamen und fuhren. Und ein elegantes Publikum strömte durch das weiße, hellerleuchtete, breite Vestibül.
Als beide ihre Mäntel abgelegt hatten, staunte Lucie ihre Begleiterin an, erst jetzt sah sie, daß die Nachbarin in einer strahlend eleganten Robe steckte, die der lange Mantel bisher völlig verdeckt hatte. Sie war ganz sprachlos darüber.
Schwester Marie gewahrte das, und lächelnd sagte sie: „Wundern Sie sich nicht, liebes Fräulein, ich muß ickon ein wenig auf gute Toilette halten, das bringt mein beruf nun mal so mit sich; ich sagte Ihnen ja, daß ich in den vornehmsten Familien zu tun habe, da darf man pch auch im Privatleben nicht zu sehr gehen lassen, sondern muß stets schick angezogen sein."
Lucie begriff das nicht recht, indessen sagte sie nichts dazu. Jedenfalls konstatierte sie, daß niemand imstande war, diese elegante Dame für eine Krankenpflegerin zu halten.
Als sie aber den Bühnensaal betraten und bald darauf die Vorstellung begann, hatte sie alles andere vergessen, denn der Zauber Wagnerscher Musik zwang sie unweigerlich ganz und gar in seinen Bann.
Sie war dem Alltag und allen kleinlichen Sorgen vollständig entrückt, und ihre reine Seele erlebte und fühlte alles mit, was des Dichterkomponisten Genius hier großes und gewaltiges geschaffen hatte.
Erst als der Vorhang fiel und der Saal wieder erhellt wurde, da erst fand sie sich wieder ins Leben zurück.
„Ach, wie ich Ihnen dafür dankbar binl" flüsterte sie ihrer Nachbarin zu, nie werde ich Ihnen das vergessen!"
„Sehen Sie, wie recht ich hatte! So ein bißchen Abwechslung macht das Leben erst erträglich, nicht wahr?"
„Herrlich ist es! Ganz begeistert bin ich!"
„Na, das Vergnügen können Sie nun haben, so oft Sie wollen."
Strahlend vor Freude nickte Lucie ihr zu.
Plötzlich grüßte jemand vom ersten Rang herunter.
Schwester Marie dankte lächelnd. Auch Lucie neigte errötend ein wenig den Kopf.
„Was sehe ich, Sie kennen den Baron Lenden auch?" fragte die Nachbarin ebenso harmlos wie erstaunt. Lucie wurde rot und berichtete schnell, wie und woher sie diese Bekanntschaft gemackt habe.
„Aber das ist ja ganz reizend, da wollen wir doch m der Pause ein wenig plaudern. Ich kenne den Barun schon lange. Bei seiner verstorbenen Frau, war ich fahre-
Ausland.
* Paris, 16. Llpril. Der Gouverneur von Madagaskar hat dem Kolonialministerium mitgeteilt, daß ein heftiger, örtlich begrenzter Orkan auf der Insel Majotte am 11. April schweren Schaden an Gebäuden, Straßen und Dämmen verursacht hat. Einige Eingeborene sind ertrunken.
* Durazzo, 16. April. Bei der hiesigen Regierung sind Meldungen eingelaufen, daß trotz der Blockade von Santi Quaranta 300 griechische Freiwillige dort ansgeschifft wurden und ins Innere von Ep-irus marschiert seien.
* Bombay, 16. April. In den letzten 24 Stunden haben sich hier vier weitere Baumwollbrände ereignet. Ter Schaden ist unerheblich.
Kämpfe der Italiener bei Benghasi.
js Benghasi, 16. April. 2000 Rebellen, die sich in Gedabia vereinigt hatten, wurden von einer Kollone Infanterie, Kavallerie und Artillerie unter General Cantore von Zustina aus angegriffen. Die Rebellen wurden nach heftigem Widerstand in (völliger Unordnung zurückgeworfen und von den italienischen Truppen verfolgt. Die Rebellen ließen 154 Tote zurück. Bei den Italienern fielen 2 Offiziere und 2 Soldaten. 5 Soldaten wurden verwundet. 4 Askaris sind gefallen, 21 verwundet.
Die chiuesischen Räuberbande».
Peking, 16. April. Nach Meldungen aus Sianfu haben die Räuberbanden Kienchow eingenommen und geplündert, wobei sie viele Personen töteten und verwundeten. Zahlreiche Truppen sind zur Verfolgung der Räuber aufgeboten. Einige Städte sind der Plünderung dadurch entgangen, daß sie ihre Tore öffneten und ein schweres Löfegeld zahlten. Die Städte, die Widerstand leisteten, wurden erbarmungslos behandelt. Missionsärzte sind zur Behandlung der Verwundeten abgegangen.
Mexiko und Amerika.
Präsident Huerta hat an die Newyork Times telegraphiert, Mexiko habe keine Streitigkeiten mit irgend einer Macht, am wenigsten mit der großen amerikanischen Nation. D!er Zwischenfall von Tampico habe keine besondere Wichtigkeit. — Präsident Huerta hat die Forderung der Bereinigten Staaten dem mexikanischen Senat unterbreitet. — Mit dieser Nachricht ist die Tatsache schlecht in Einklang zu bringen, daß die Vereinigten Staaten ihr ganzes atlantisches Geschwader nach Tampico beordert haben. Wie aus Philadelphia gemeldet wird, ist auch das Schlachtschiff Michigan nach Mexiko abgegangen.
Gegen Villa scheint Huerta mit keinem sonderlichen Glück zu operieren. Aus Chihuahua nämlich wird gemeldet, daß einem Bericht von General Villa zufolge, die von San Pedro zurückgehenden Bundestruppen jetzt zwischen zwei Abteilungen der Rebellen aufgerieben würden. Er selbst eile mit seiner Streitmacht dem Kampfplatz zu in der Hoffnung, einen vernichtenden Schlag ihnen beibringen zu können.
* Washington, 1.6. April. Nach amtlichen Nachrichten hat Huerta so gut wie zugesagt, den Salut für die amerikanische Flagge abfeuern zu lassen. Aus den Depeschen des amerikanischen Geschäftsträgers in Mexiko, daß Huerta nachgiebig sei, folgert Staatssekretär Bryand, die Lage sei sehr ermutigend. In amtlichen Kreisen bezweifelt man nicht, daß Huertas Vorschlag, die amerikanische Flagge unter der Bedingung zu salutieren, daß die amerikanischen Kriegsschiffe den Salut erwidern, angenommen wird. Tie Krise wird deshalb für beendigt angesehen.
mng Pgegerm. roy, lg) mn oa wie ein Kino im zyaufe. Ein entzückender Herr ist der Baron, Kavalier durch und durch."
Noch immer war Lucie rot und verlegen. „Ich möchte den Herrn Baron doch lieber nicht begrüßen," sagte sie schüchtern, fast zag.
„Aber, liebes Fräulein, ich bitte Sie, weshalb denn nicht? Was kann Ihnen denn passieren? Ich bin doch bei Ihnen. Und ich sage Ihnen doch, der Baron ist durchaus Gentleman."
„Irgend etwas in mir warnt mich vor ihm!"
„Ach du meine Güte, sind Sie köstlich! Man merkt doch wirklich, daß Sie aus der Kleinstadt kommen! Ich versichere, der Baron wird nie gegen den Anstand verstoßen, dazu ist er viel zu vornehm und taktvoll; ich kenne ihn ganz genau; ich sagte Ihnen ja, daß ich jahrelang j schon in das Haus komme. Uebrigens müssen Sie wissen, daß der Baron als ein großer Kunstfreund und Mäcen gilt. Es wäre also durchaus nicht unmöglich, daß er etwas für Ihr Fortkommen tun könnte."
Das Gespräch wurde unterbrochen, denn das Glockenzeichen kündete den Fortgang der Vorstellung an.
Wieder sah Lucie wie gebannt da und lauschte diesen Zaubermelodien, aber ganz so groß, wie im ersten Akt, war der Genuß nicht mehr, denn der Gedanke an den Baron Leuben beunruhigte sie doch noch ein wenig.
Kaum war der Akt beendet und der Beifall verrauscht, so strömte alles nach dem großen Konzertsaal, der als Foyer diente.
Auch Schwester Marie nahm Lucies Arm und sagte leise: „Nun überwinden Sie mal Ihre kindliche Menschen- surcht und zeigen Sie sich als Großstädterin. Glauben Sie mir nur. der Baron ist kein moderner Menschenfresser." Lachend zog sie die nur matt widerstrebende Lucie mit hinaus.
Draußen trat ihnen Baron Leuben bereits hocherfreut entgegen und grüßte ehrerbietigst.
„Meine Damen, ich bin auf das angenehmste überrascht! Welch glücklichem Zufall danke ich denn dies doppelte Wiedersehen?"