Rr. 7S. (14.)

Attensteig. 4. April

Jahrgang 1S14

Vorfrühling.

s.

Wie lieb ich diese ersten Frühlingstage, wenn zögernd Blatt um Blatt vom Schlaf erwacht. An jeder Hecke steh' ich still und frage: kamst du für mich aus langer Winternacht?

Es löst sich leise alles trübe Denken, das mich so arm, so bettelarm gemacht.

Ich möchte schenken nur und immer schenken, weil mich der Lenz so überreich bedacht.

II.

Ich trage in mir einen Königswillen, daß nun wie ich auch du von Gram wirst frei. Und ist dein Herz auch leer, ich will es füllen, und brechen deine Fesseln kühn entzwei.

Ich bin der Frühling, ich bin sein Gedanke, bin Blatt und Blüte, Lust und Sonnenlicht. Mein glühend Leben weiß von keiner Schranke und zittert auch vor Sturm und Wellen nicht.

Inge Karsten.

Vom Mittelmeer zur Nordsee.

Reisebilder von Achim v. Winter selb.

I.

Unter den Innigen Klängen der Stewardskapelle gleitet der Norddeutsche Lloyddampfer .Schleswig" hinaus aufs Meer. Noch einmal schauen wir das amphitheatralisch sich an den Bergen hinaufziehende Genua mit seinem bunten Gewirr von Häusern, mit seinen von malerischen Burgen, Zypressen und Pinien geschmückten Höhen, mit .seinem von internationalen Schiffen wimmelnden Hasen, die Stadt der Doria und Fieschi nur ihren berühmten Palastestraßen und den herrlichen Promenaden und ihrer märchenhaft schönen prächtigen Umgebung. Mit Schauen beginnt sofort die Fahrt, und zwar mit Herrlichkeiten, die wohl keinem Zeir lassen, vor Abend sich mit dem Auspacken der Koffer zu beschäftigen. Die ganze Riviera zieht an unseren Blicken vorbei: San Remo, Bordighera, Mentone, Kap Martin, dis Spielhölle von Monte Carlo und daneben das aus ihrem Ertrag er­richtete gewaltige Institut für Meeressorschung, Monaco mit mit dem Schloß und den romantischen Gartenanlagen, Nizza mit seinen weiten Promenaden.

Noch ein Tag auf leuchtender See, ein Tag, mit den lieben Mitreisenden Fühlung zu gewinnen, dann nähern wir uns gegen Abend der spanischen Küste bei Barcelona, der ersten Stadt des gepriesenen Landes, das wir kennen lernen sollen.

Daß Spanien immer noch wenig von Vergnügungs­reisenden besucht wird, liegt an seinen zum großen Teil recht unerfreulichen Eisenbahn- und Hotelverhältniffen, die den Reisenden einen guten Teil der Freude rauben, die Natur und Kunst in reichem Maße gewähren. Auf einer Ver­gnügungsfahrt, die dem Passagier alle Sorge um die Be­förderung und die damit verbundenen Unbequemlichkeiten, alle Schwierigkeit der Verständigung mit dem Volke abnimmt, gewährt der Besuch Spaniens einen seltenen Genuß.

Barcelona, die Stadt des Weins, der Gesänge und Stiergefechte, ist nächst Madrid die volkreichste Stadt Spaniens. Sie besitzt einen geräumigen, von einer weit vorspringenden Halbinsel wohlgeschützten Hafen, in dem ein wirres Gemisch von Sprachen durcheinander klingt und die Schiffsflaggen zahlloser Nationen wehen. Und während allmählich, immer Heller ihren Schein verbreitend, die Lichter in der Stadt aufglänzen, sehen wir sich duckend unter den Schatten der Dämmerung, die schmucken Lardhäuschen rings um die Stadt in fruchtbarer Ebene, die umrahmt ist von einer maler­ischen, von Wein und Wald bedeckten Hügelkette.

Den eigentlichen Eindruck von Barcelona, das schon im Mittelalter einer der bedeutensten Handelsplätze des Mittel­meeres war, und auch heute noch zu den wenigen Städten Spaniens gehört, die keinen Rückgang, sondern nur einen Aufschwung kennen, gewinnen wir allerdings erst am fol­genden Tage, als das Helle Tageslicht freundlich über Stadt und Land hinleuchtet.

Schnelle Wagen führen uns durch die Sehenswürdigkeiten der Stadt, zur Kathedrale, dem Gerichtsgebäude und dem Stadlpark und fahren uns durch die schönen breiten Palmen­alleen, die ein Stolz Barcelonas sind. Am Nachmittag findet sich für jeden noch ein Stündchen, um auf eigene Faust v ' ^ltuck!'-end und neues entdeckend durch die Straßen zu schlendern. Viele werden sich wiedertreffen in der Rambla, der Hauptstraße der Stadt, dem Knotenpunkt des Verkehrs, und aus manchem Munde hört man bewundernd die Groß­zügigkeit der Anlage preisen. .Nein diese Läden und die Cafes! Wer hätte das von Barcelona erwartet!" Ja es gibt sogar Leute, die behaupten, daß die Cafes mit denen in Paris wetteiferten. Nun Anschauung ist Anschauung. Nicht aufhören will das Staunen über die bunte Mannig­faltigkeit des Volkslebens, wobei uns, die wir oben erst Italien verlassen haben, trotz mancher Ähnlichkeit mit ita­lienischer Art doch schon manche spezifisch spanische Abweichung auffällt.

Auch der nächste Tag bietet wieder etwas Besonderes, einen Besuch der Balearen, wie ja überhaupt die ganze Fahrt darauf zugeschnitten ist, den Passagieren Landschaften und Städte zu zeigen, zu denen sie infolge umständlicher und unbequemer Verbindungen auf ihren Reisen nur in Ausnahmefällen gelangen.

In tiefeinschneidender, landschaftlich schöner, lieblicher Bucht, liegt Palma, die Hauptstadt Mallercas, der größten unter den balkarischen Inseln. Von weitem schon grüßl uns bei der Einfahrt der hoch über die Häuser hinausragende wundervolle gothische Bau der Kathedrale, ein Denkmal aus der Zeit, als die Mauren vertrieben worden waren. Ueber- haupl ist die Stadt an schönen und imposanten Bauwerken nicht arm, unter denen die Lonja, die einstige Börse, einen hervorragenden Platz einnimmt. Hohen Genuß gewährt auch der Blick vom Platz vor der Kathedrale aus auf das Meer. Aber mehr vielleicht noch als die Stadt lockl deren Um­gebung, mit der uns Fahrten mit Bahn und Automobil bekannt machen.

Der Ausflug nach Miramar, einem Landgute, das von dem österreichischen Erzherzog Ludwig Salvator angelegt wurde und das von unserem Kaiser auf seiner Reise nach Korfu kürzlich besichtigt wurde, gewährt uns einen willkom­menen Einblick in die Gartenlandschaft, die Huerta. Die alten Oelbaumpflanzungen zu beiden Seiten des Weges er­innern vielfach an diejenigen Corfus; auch hier wecken die verwitterten und seltsam gekrümmten Stämme phantastische Stimmungen. In idyllischer Abgeschiedenheit liegt der kleine Ort Valldemosa mit dem verträumten Karthäussrkloster.

Miramar ist eine weite herrliche Flucht ausgedehnter Parkanlagen, in die Landhäuschen und kleine Marmortempel, eine Kirche und Eremitas eine reizvolle Abwechslung bringen, während Söller, dem gleichfalls unser Ausflug gilt, ein Landstädtchen von etwa 10 000 Einwohnern ist, das einge­bettet liegt in dem Duft von Orangengärten, um die sich in der Ferne wie zum Schutze sanft ansteigende Hügel legen.

Als wir am nächsten Morgen erwachen, fahren wir schon wieder längs der spanischen Küste. Hinter uns liegt Valencia, die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, deren Niederungen nicht mit Unrecht im Ruse großer Fruchtbarkeit stehen (»Das maurische Paradies"). Nicht nur Getreide und Gemüse, sondern auch Fruchtbäume gedeihen hier in Menge, und oft kommt es vor, daß dasselbe Feld im Laufe eines Jahres Weizen und Reis hintereinander trägt, weshalb auch ein Sprichwort sagt: .Valencia, Gottes Preis, denn gestern Weizen, heute Reis". Bald daraus taucht Alicante auf, die Stadt, die bekannt geworden ist durch den süßen, dunkelroten gleichnamigen Wein und durch den gleichfalls hier wachsenden Vino Tinte, der zum Färben anderer Weine dient.

Immer weiter geht es nach Süden, entlang an der spanischen Küste. In genießender Ruhe strecken wir uns auf den Liegestühlen, blicken über das von kleinen weißen Schaumkämmen gekrönte Meer, über dem die Sonne glitzert, oder schauen dem neckischen Spiel der Delphine zu, die sich in munterem Wettschwimmen, bald aus den Fluten heraus- schnellend, bald dicht unter der Oberfläche einherflitzernd, um den Bug des Schiffes tummeln. Wie ganz, ganz anders, wieviel genußreicher und sorgloser ist doch eine Vergnügungs­fahrt zu Wasser, als eine solche zu Lande, in die immer wieder der leidige Alltag mit seiner Sorge um Bahnver­bindungen, Hotelrechnungen, Trinkgelder, Verständigung usw. hineinspielt.

Ost schon bin ich hier gefahren, aber immer wieder ist der Zauber neu. Diese wundervoll zarten Farben über Himmel und Meer, die oft so seltsame duffe Beleuchtung, die um schroffe Felsen liegt, dieses matte Gelb, dieses bräun­liche Rosa, dieser Hauch von Violett. Mutwillig lecken kleine Wellen an der Küste empor und fallen zerstäubend wieder zurück, ein Segler gleitet langsam vorbei, einsame Straßen ziehen sich an den Bergen hinauf, ab und zu ein kümmer­liches Gehöft, wie Blütenduft weht es vom Lande herüber, legt sich um uns, umschmeichelt uns, wiegt uns in ein lächelndes Träumen- Vulkanische Inselgruppen in dunkel­rotem Abendschein, Riffe, um die ein grünlich und grau schillerndes, immer mehr dunkelndes Meer spielt, satte Farben, vor denen sich Schleier auf Schleier senkt, bis sie in eine geheimnisvolle Entrücktheit verdämmern ... bis sich alles ü die sehnsuchtdurchwobene weiche Nacht des Südens verliert.

Der nächste Morgen findet uns im Hafen von Malaga. In bläulichem Duft, in feine Schattierungen von Rosa, Violett und Purpur gebettet, liegt die Stadt, hinter der schneeleuchtend die Sierra Nevada thront, die .beschneite Säge", die sich bis zu 3500 Meter erhebt, lieber der Stadt,' deren Klima zu den schönsten und gleichmäßigsten Europas gehört, ragt ein steiler Felshügel mit einer Feste aus dem 13. Jahrhundert. Alt- und Neustadt sind scharf voneinander unterschieden. Winklige, finstere Gassen mit Häusern, die wenig Vertrauen erwecken, aut der andern Seite weite, luftige Promenaden und schöne Plätze mit Cafes und Vergnügungslokalen. Unter letzteren natürlich der un­umgängliche Zirkus für Stiergefechte, der hier 110 009 Per­sonen faßt, aber trotz sener Ausdehnung fast stets bis auf den letzten Platz besetzt ist. Steht doch dies wenig erquickliche Schauspiel immer noch im Brennpunkt des Volksinteresses und wird wohl auch trotz der immer mehr sich einbürgernden Kinos unumstritten im Mittelpunkt bleiben.

In eindrucksvoller Fahrt mit anschließenden Besichtigungen lernen wir Kathedrale und Gibralfare, Villenviertel und Parkanlagen kennen und verweilen geraume Zeit in der in. tereffanten Markthalle, in der sich ein buntes Leben zu­

sammendrängt. Bunt und lecker sieht es besonders auf dem Fruchtmarkt aus. Hat man doch nicht mit Unrecht Andalusien das Paradies von Spanien genannt. Wälder und grüne Saaten, Wiesen und Flüsse wechseln ab. Liebliche Ortschaften liegen inmitten von Oleander- und Olivenwäldchen, umblüht von Pfirsich- und Feigenhainen, umschattet von Granatbäumen. Garten reiht sich an Garten, duftend von Myrten, Jasmin und Rosen, und über dem Ganzen wölbt sich ein Himmel von durchsichtigem Blau. Nicht nur auf die Uwa7000 Wein­berge in der Umgegend von Malaga sei hingewiesen, sondern auch darauf, daß hier der Acker dreißigfältig trägt, ohne daß etwas Besonderes für ihn getan wird.

Der ganze Reichtum der Umgebung spiegelt sich gewisser­maßen in der Markthalle wieder. Melonen und Kürbisse, Gurken und Tomaten liegen auf Bastmatten aufgeschichtet, daneben stehen Körbe, die aus Palmblättern geflochten sind, hoch gefüllt mit Feigen und Oliven, Zitronen und Apfel­sinen, Weintrauben und andere Herrlichkeiten. Und zwischen all diesen Spenden der Natur die urwüchsige Buntheit der Verkäufer.

Nicht minder interessant ist das Treiben am Hafen, in dem die Schätze des Landes verladen werden. Außer Feigen, Mandeln, Olivenöl und Erzen spielt wohl die Hauptrolle der jährlich in 20 000 Fässern zum Export verladene Malagawein, der auf dem Tonschiefer des sich 60 1cm in die Ebene vor- ftreckenden Hügellandes üppig gedeiht. Gehören doch Trauben in Gewicht von 2 bis 2sz Kilo nicht zu den Seltenheiten.

Die Kais, die eine schöne Aussicht auf das Meer bieten, sind des Abends, wenn die Hitze nachläßt, von einer bunten Menge belebt. Die Männer, die als Leute von Weltsitte einen Ruf haben und sich dieses Rufes wohl bewußt sind, rauchen ihre duftenden Zigaretten, die wegen ihrer Schönheit und Grazie berühmten Frauen, in deren dunkelsprühenden Augen schon so mancher Romantiker mehr gelesen hat als in ihnen zu lesen ist, fächeln sich kokett mit den Fächern frische Luft zu. Dazwischen Seeleute aus Italien, England oder Afrika auf ihren gewichtigen Seebeinen, Matrosen mit roten Zipfelmützen, Landleute mit Jacken von Schaffell, schwarzen Gamaschen und gelbledernen Schuhen; mit hohen, spitzen Hüten auf dem Kopfe. Wasserträger, in Spanien ein ständiges Requisit der Straße, preisen ihr klares Wasser an. uguu, quien quiere aZuu? sieluäs,

kresguitu coms !u nieve." (Wasser, Wasser, wer wünscht Wasser? Wasser klar, frisch wie der Schnee!" Dazwischen bisweilen kleine Kinder, die in Schalen glühende Kohlen umhertragen, damit sich die Raucher an ihnen die Zigaretten anzünden sollen.

Weshalb es 1864 zum Kriege kam.

Schleswig-Holstein nahm seit dem Jahre '1460, in dem die Schleswig-Holsteiner den dänischen König Christian I. zu ihremHerzog und Grafen" wählten, eine eigenartige staatsrechtliche Sonderstellung in dem dänischen Reiche ein. Es war nur durch Personalunion mit 'Dänemark verbunden, der dänische König herrschte nicht als König von Dänemark, sondern nur als Herzog von Schleswig-Holstein in den beiden Herzogtümern. Das muß man sich stets vor Augen halten, da, wie Fr. Lorenzen in denZeiten und Völkern" (Stuttgart) schreibt, allein aus der Verletzung dieser Grundrechte der ganze schleswig-holsteinische Streit entstanden ist. Berücksichtigen muß man ferner noch, daß Schleswig up ewig ungedeelt" mit Holstein, das stets ein deutsches Land gewesen ist, und später auch zum deutschen Bunde gehörte, untrennbar verbunden war.

Ueber 300 Jahre lebten Dänemark und Schleswig- Holstein in Frieden und gutem Einvernehmen mit­einander. Im Anfang des vorigen Jahrhunderts jedoch traten in Dänemark die Bestrebungen der sogenannten Eiderdänen hervor, die Schleswig bis zur Eider der dänischen Monarchie einvcrleiben und ganz dänisieren wollten. Diese Bestrebungen führten schließlich dahin, daß Schleswig-Holstein sich im Jahre 1848 von Dänemark lossagte und zu den Waffen griff, um seine alten Rechte zu verteidigen.

In diesem Kriege, der von 1848 bis 1850 währte, wurde Schleswig-Holstein anfangs von Preußen unter dem General Wrangel unterstützt, dann aber schmählich verlassen, worauf es auf eigene Faust den Kampf gegen den dänischen Unterdrücker fortsetzte. Trotz aller Tapfer­keit erlitten die Schleswig-Holsteiner 1850 schwere Nieder­lagen bei Jdstedt und Friedrichstadt. Ehe es jedoch noch zur Entscheidungsschlacht kam, mischten sich die Groß­mächte ein, zwangen, Preußen an der Spitze, die Schles­wig-Holsteiner, die Waffen niederzulegen, und lieferten sie ihren erbitterten Feinden, den Dänen, aus. Freilich ward den Herzogtümern feierlich versprochen, daß ihre alten Rechte gewahrt bleiben würden, daß insonderheit Schleswig nicht in Dänemark inkorporiert werden sollte. Das von fünf Großmächten Unterzeichnete sog. Londoner Protokoll vom 8. Mai 1852 bestätigte noch ausdrücklich diese Zusicherungen, die aber trotzdem von Dänemark fortgesetzt aufs gröblichste verletzt wurden.

Im Frühjahr des Jahres 1863 nun hielt Däne­mark den Zeitpunkt für gekommen, um seine Gelüste auf Schleswig zu befriedigen und dieses Land endgültig der dänischen Monarchie einzuverleiben. Die allgemeine Weltlage war dafür so günstig wie nie Zuvor, voncheiner