die Vernehmung der namhaft gemachten Zeugen statt.' Es handelt sich um die Vorgänge im Wahllokal der Pliensauvorstadt. Das Ergebnis :st nicht bekannt.

(-) Besigheim, 2. April. (Ein gewagter April­scherz.) Der Postagent Geißel in Freudental ist von der Staatsanwaltschaft Heilbronn verhaftet und zunächst ins hiesige Untersuchungsgefängnis eingeliefert worden.^ Er hatte anscheinend versucht, mit dem gemeldeten Raubüber­fall die Behörden und das Publikum in den April zu schicken, um das Fehlen eines Betrages von annähernd 5000 Mark in seiner Kasse zu verdecken. Die Schußver­letzung an der Hand soll er sich selbst hergebracht baben.

Württembergischer Landtag.

Stuttgart, 2. April.

Die Zweite Kammer beendigte heute die Beratung der Anfrage des Abg. Hanser (Z.) betreffend die Neckar­kanalisation. Der Abg. Frhr. Pergler v. Perglas (BK.) erklärte, angesichts der gestern vom Minister ge­machten Rentabilitätsberechnung beginne der Optimis­mus zu bleichen. Seine Partei sei dem Kanal nicht feindlich gesinnt, aber es sei eine große Frage, ob die ganze Industrie davon Nutzen haben werde. Durch die Anlegung des Rheinhafens in Karlsruhe habe sich die Zage zu ungunsten des Kanals verschoben. Vor dem Zustandekommen des Rheinstromverbands sei eine Ka­nalisierung nicht möglich. Der Abg. Feuerstein (S.) brachte folgenden Antrag ein: Die Kammer nimmt mit Genugtuung davon Kenntnis, daß die Regierung bereit ist, mit den beteiligten Staaten wegen des Zustandekom­mens der Neckarkanalisation in Verbindung zu treten und ersucht die Regierung, die Verhandlungen einzulei­ten, sowie darauf bedacht zu sein, daß die Ausführung eines Neckarkanals (von Heilbronn nach Mannheim) keine weitere Verzögerung erleidet. Der Abg. Haust mann (Bp.) bedauerte, daß man jetzt erst ernstlich an die Frage herantrete und betonte, daß sich in Baden ein Umschtvunz zu Gunsten des Kanals vollzogen habe. In finanzielle Abenteuer wolle man das Land nicht stürzen und man sollte sich auf einen Antrag einigen, der insbesondere gegenüber Holland und Baden das hohe Interesse des Landes und den Willen der Volksvertretung, die Regie­rung zu unterstützen, wirksam und klar zum Ausdruck bringe. D!r. v. Mülberger (N.) erklärte die Zustimmung seiner Kartei zu dem sozialdemokratischen Antrag. Tie Abgg. Schmid -Besigheim (Bp.) und Feu er stein (S.) hoben hervor, daß das Lebensinteresse der Industrie die Schaffung des Kanals unbedingt erfordere. Minister des Innern v. Fleischhauer stellte fest, daß im großen und ganzen eine Uebereinstimmung zwischen der Regierung und dem Hause besteht, und verwahrte sich gegen den Vorwurf, daß die Regierung in dieser Frage geschwankt habe. Der große Umschwung, der sich in Ba­den und Mannheim in den letzten Monaten vollzögen habe, gestatte es, mit mehr Aussicht auf Erfolg in wei­tere Verhandlungen einzutreten. Der gute Wille, das Projekt zu fördern, sei bei der Regierung in vollem Maße vorhanden; da es sich indessen um ein Millionen- prvjekt handle und da das Defizit jährlich 2 Millionen betragen würde, wenn Württemberg den Kanal allein bauen wollte, so könne man der Regierung keinen Vor­wurf daraus machen, wenn sie die Frage mit Vorsicht prüfe. Ihre weitere Stellungnahme werde von dem Er­gebnis der Verhandlungen mit Baden abhängen. Die Abgg. Hanser (Z.), Haußmann (Vp.), Mülberger (N.) und Vogt-Weinsberg (BK.) brachten darauf einen An­trag ein, der die Zustimmung des Hauses dazu aus­spricht, daß die württembergische Regierung wiederholt bei der Reichsregierung auf die Wichtigkeit und Dringlich­keit der Stromverbesserung am Rhein und Neckar hin­gewiesen hat, ferner, daß die Reichsregierung mit der

niederländischen über die Srromverbesserung am Rhein und seinen Zuflüssen und über die Finanzierung des deut­schen Strombauprogramms in Verbindung getreten ist und daß ernste Verhandlungen mit Baden und Hessen von der württembergischen Regierung eingeleitet sind. Der Antrag ersucht schließlich die Regierung, auf eine möglichste Beschleunigung der Verhandlungen mit den Regierungen der Niederlande, Baden und Hessen hinzu­wirken. Nach weiteren Ausführungen der Abgg- Vogt- Weinsberg (BK.), Hanser (Z.), v. Gauß (Vp.), Keil (S.) und Feuerstein (S.) wurde der Antrag Feuerstein in namentlicher Abstimmung mit 63 gegen 17 Stimmen und 1 Enthaltung abgelehnt. Dar Antrag Hanser wurde dann in namentlicher Abstimmung mit 59 gegen 14 Stimmen und 8 Enthaltungen angenommen. Sodann wurde in der 2. Beratung des Gesetzentwurfs betreffend die Zuruhesetznng zweier Beamten der Knnst- gewerbeschule wieder ausgenommen. Nach längeren Aus­führungen der Abgg. Baumann (N.), Schees (Vp.), v. Kiene (Z.) erklärte Kultminister v. Habermaas: die Regierung stehe nach wie vor auf.dem Standpunkt, daß die Stellen nicht mehr notwendig sind. Wenn die Regierungsvorlage falle, mache er auf jeden Fall keine Versuche mehr, die Stellen im nächster: Etat aufzusühren, dazu gebe er sich nicht her. Um 143 Uhr wurde die Sitz­ung abgebrochen. Morgen vormittag 9 Uhr: 1. Fort­setzung, 2. Beschaffung von Radium, 3. Kreditwesen, 4. Entschädigung für im Militärdienst Stehende, 5. Ge­meindebesteuerungsrechte.

Deutsches Reich.

Dichter Paul Hehse gestorben. s Z ? M

Mönche«, 2. April. Der Dichter Paul Heyse ist heute Nachmittag 5.20 Uhr im 85. Lebensjahre an den Folgen einer Lungenentzündung gestorben. Um 4 Uhr nachmittags war plötzlich eine Wendung zum Schlimmem eingetreten. Der Kranke verfiel in Bewußtlosigkeit und entschlief kurz darauf in den Armen seiner Gemahlin. Am Sterbelager waren nur der Hausarzt und die Gattin anwesend. Im Laufe des heutigen Tages hatten zahlreiche Mitglieder des königlichen Hauses noch Erkundigungen nach dem Zustande des schwer erkrankten Dichters cinziehen lassen.

Ausland.

Die Kaiserin auf der Reise «ach Korfu.

Innsbruck, 2. April. Der Hofzug mit der deutschen Kaiserin passierte heute Tirol und traf 8.55 Uhr in Inns­bruck ein, wo zu einem Maschinenwechsel ein Aufenthalt von 10 Minuten gemackit wurde. Diesen Aufenthalt benützten die Kaiserin und Prinz Joachim zum Aussteigen und zur Be­sichtigung des Gsbirgspanoramas. Nachmittags gegen 3 Uhr passierte der Hofzug Ala.

Wieder eiu Flieger wegen Spionage verhaftet.

Wien, 2. April. Unweit Gersdorf bei Reichenberg in Böhmen landete ein Aeroplan. Mehrere Minuten später kam ein Auto mit zwei preußischen Offizieren heran. Die Offiziere meldeten der Gendarmerie, daß der Flieger ein russischer Spion sei. Der Flieger, der verhaftet wurde, er­klärte, sein Name sei Philipofs, er stamme aus Petersburg, sei aber weder Osfizier noch Spion. Eine eingehende Unter­suchung wurde eingeleitet.

Im Strom der Welt.

Erzählung von Paul Bliß.

(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.

Lucke hatte im Namen der Mutter an Herrn Iensen geschrieben. Zwar war es ihr nicht leicht geworden» da man aber im Augenblick keinen besseren Rat wußte, um für das Fortkommen Kurts zu sorgen, so hatte sie sich endlich doch zum Schreiben entschlossen.

Schon am nächsten Tage kam Fritz Fensen.

Lucie empfing ihn, und sie war erstaunt, wie der ehedem so unscheinbare und stille junge Mann sich zu seinem Vorteil verändert hatte: Ein stattlich gewachsener, militärisch strammer Herr, mit ebenso verbindlichen als taktvollen Umgangsformen, stand vor ihr.

Sie begrüßte ihn mit harmloser Freundlichkeit und vanne voraus für lerne Nevenswurmge Hilfsbereitschaft. An das Vergangene wurde mit keinem Worte gerührt.

Auch er war taktvoll genug, jenen peinlichen Vorfall von ehemals vollständig zu ignorieren.

Dann kam Mama und später Kurt. Eine lebhafte Unterhaltung entwickelte sich, und gleich ging man auf den Kern der Sache los.

Iensen hatte bereits mit dem Prokuristen der Firma gesprochen, und man war nicht abgeneigt, Kurt aufzu­nehmen; er solle sich erst mal vorstellen.

Mamachen war glücklich, auch Lucie freute sich, nur Kurt nickte leichthin, gewiß, er könne ja mal mit dem Herrn reden.

Als sich Herr Iensen empfahl, hatte Lucie das Gefühl, daß er ein netter, anständiger und vertrauenswürdiger Mensch sei, mit dem man recht gut verkehren konnte: sicher hatte er auch seine Illusion von ehemals ganz verlasen und war ein praktisch denkender Mensch geworden, der ihr nichts von ehedem mehr nachtrug.

Auch Mama war voll des Lobes über das taktvolle und diskrete Benehmen des jungen Menichen.

vcur Kurr zuckle lerchtym die Schultern, na ja, er wäre ganz nett und sachlich, eben der Typus eines schmieg­samen Ladenjünglings, aber weshalb davon Aufhebens machen?

Lucie war empört und erregt erwiderte sie:Du hast durchaus keinen Grund, dich auf das hohe Pferd zu setzen, mein lieber Kurt, jener junge Mann hat sich bereits eine ziemlich selbständige und einflußreiche Stellung geschaffen; das mache ihm erst mal nach, bevor du über ihn die Achseln zuckst."

Nun wurde auch er heftig. Mit rotem Gesicht rief er: Na, zum Kuckuck, bin ich denn an dem Pech vielleicht schuld!? Wer hat mich denn in solche mißliche Lage ge­bracht? Ich doch nicht! Wäre der Krach nicht gekommen, trüge ich doch heute noch den bunten Rock und brauchte nicht mit Hinz und Kunz zu fraternisieren!"

Schlichtend trat die Mutter dazwischen.

Doch Lucie sprach ernst und ruhig weiter:Das Unglück trifft nicht nur dich, sondern uns alle gleich hart. Das be­denke gefälligst. Mit nutzlosen Klagen ist hier aber nichts getan. Wenn du wirklich ein Mann von soldatisch stram­mer Erziehung bist, so wirst du nun im bürgerlichen Leben dir eine Position erkämpfen können, die dir ebensoviel Ehre einbringt, wie dein bunter Rock, °das beweise jetzt."

Nun gut, ich werde den Posten annehmenl" rief er

laut.

Hoffentlich bekommst du ihn," ergänzte Lucie.

Da ging er hinaus und warf die Tür ins Schloß.

Die Mama wollte ihm nachlaufen, doch die Tochter hielt sie zurück.

Laß ihn nur schmollen, Mutting," sagte sie, der alten Frau die Hände zärtlich streichelnd,so ein ernstes Wort zu hören, tut ihm ganz gut» dann wird ihm erst klar werden, daß er jetzt wirklich ans Arbeiten denken muß."

Und in der Tat wirkten die schwesterlichen Er­mahnungen derart auf ihn ein, daß er noch am selben Tage sich in dem Bankhause vorstellte.

Er machte einen guten Eindruck, und weil die Firma keines Vaters fast ein Jahrhundert makellos dagestanden

Schiffszusammenstoß.

London, 2. April. Aus Dover wird hierher gemeldet, daß heute Nacht im Nebel zwei Dampfer bei den Godwin- Sandbänken zwischen Dover und Ramsgate zusammenstießen. Eines der Schiffe, der spanische Dampfer Jose de Aoambura wurde voll Wasser nach Dover geschleppt, das andere Schiff, ein französischer Dampfer, dessen Name noch nicht seststeht, soll untergegangen sein.

Vom Sturm «mgeschlage».

Kiew, 2. April. Bei Tschernobil in Südrußland unweit Kiew, wurden bei der Ueberfahrt über den Dnjeper 3 Boote vom Sturm umgeschlagen. Von den 23 Jnsaßen sind 14 ertrunken, Männer, Frauen und Kinder.

Durch Schueesturm abgetrieben.

St. Jea« (Neufundland), 2. April. 170 Mann der Besatzung des Dampfers Neufundland wurden beim See­hundsfang mit einem Eisfeld während eines Schneesturms abgetrieben. Nach 48 Stunden wurden 50 Personen tot oder sterbend aufgefunden. Schiffe suchen nach den übrigen Vermißten.

Von Nah und Fern.

* Ein deutscher Sturzflieger. Vom Flugplatz Bork in der Mark meldet der Flugprüfer Vogler: Der Osnabrücker Flugzeugführer Gustav Tweer ncachte am Mittwoch nachmittag 5 Uhr auf einem 50 PS. Gradeeindecker einen

Sturz-undRückflug.

Nach seinem Aufstieg erreichte er in kürzer Zeit eine Höhe von 800 Metern, kam dann in einem senkrechten Sturzflug nieder und überschlug sich hier­bei zweimal, ein doppeltes S beschreibend. Er näherte sich der Erde bis auf 20 Meter und richtete den Apparat erst daun wieder in die normale Lage. Der Flieger beabsichtigt, diesen Flug in verschiedenen Städten vorzuführen und geht zunächst nach Leipzig. Der Apparat ist für Sturzflüge besonders konstruiert und weist z. B. ein doppeltes Fahrgestell, oben und unten, auf.

* Abgestürzte Flieger. Am Donnerstag vor­mittag stürzten auf dem Flugplatz Schleißheim bei Mün­chen zwei Fliegeroffiziere mit ihrem Flugzeug ab. Oberleutnant Ruchtl vom 16. bayerischen Infanterie­regiment wurde schwer verletzt, Leutnant Lank­meyer vom 2. bayerischen Feldartillerieregiment wurde getötet. Der Unfall ist vermutlich darauf zurückzufüh­ren, daß irgend eiu Gegenstand in den Pro iler geriet, wodurch dieser zertrümmert wurde. Durch di-? Trümmer wurden die Drähte zerrissen und der Absturz herbeigeführt.

* Folgenschwere Zugentgleisung. In Ba­tavia (Holl. Indien) ist am Donnerstag ein Eisen-' bahuzug auf einer Brücke nahe bei Tanjongpriek entgleist. Tie Lokomotive und fünf Wagen stürzten in den Fluß. 20 Eingeborene wurden getötet und 50 ver­letzt. Die europäischen Passagiere, die sich im hinterm Teil des Zuges befanden, blieben unverletzt.

* SPionagever-ächtig. Nach einer Blättermel­dung aus Brieh wurde ein elegant gekleideter Tourist in der Gegend von Mars la Tour unter dem Ver­dacht der Spionage f e st g eno mmen. Der Ver­haftete, der den jüngsten Artillerieschießübungen beige­wohnt hatte, hat verschiedene Namen angegeben, die sämt­lich unrichtig zu sein scheinen.

* Das PetersburgerBcrgistungskonritee". Das Geheimnis der zahlreichen anffallenden Erkrankun­gen von Arbeiterinnen in Petersburger Gummi- und Tabakfabriken scheint jetzt nach der Versicherung der Po­lizei eine einfache Lösung zu finden. Der Staatsanwalt und die Geheimpolizei wollen, einer Meldung desB.

> T." zufolge, bei ihren Nacbforschungen ein sogenanntes

hatte, engagierte man ihn als Volontär; die ersten sechs Monate müßte er umsonst arbeiten, dann bekäme er ein kleines Gehalt, das bei guten Leistungen schnell gesteigert werden sollte. Sofort nahm er an und trat be- . reits am nächsten Tage die Stelle an.

Als er zum ersten Male in die Bureauräume trat, einen Platz angewiesen erhielt und nun mit der Arbeits­methode bekannt gemacht wurde, da erst schien ihm klar zu werden, was er durch seinen militärischen Beruf verloren hatte. Jedoch biß er die Zähne zusammen, verriet nichts von seinem Unmut und erledigte pünktlich und aufmerk­sam die ihm zuerteilten Arbeiten. Nur der Gedanke, daß er jetzt mit diesen jungen Leuten, die er früher nicht an­gesehen hätte, verkehren sollte, war ihm noch schier un­faßlich. Und so hielt er sich denn auch in der ersten Zeit so still, ernst und reserviert, daß niemand mehr als das rein Geschäftliche mit ihm besprach.

Er atmete erst frei auf, wenn die Geschäftsstunden vor­bei waren und er Herr seiner Zeit war.

Aber trotz seiner Zurückhaltung grollte man ihm tm Bureau nicht. Man glaubte eben, daß der Kummer, der über seine Familie hereingebrochen war, ihn so ernst und wortkarg machte, deshalb kam man ihm von allen Seiten mit respektvoller Artigkeit entgegen.

Das alles nahm er wie etwas Selbstverständliches hin. Noch immer konnte er sich nicht darin finden, daß er nun sein Leben lang in solchen Räumen am Putt vertrauern sollte.

Der Gedanke war ihm direkt widersinnig. Wie eine heimliche Wut, wie Haß und Groll lohte es in ihm auf, wenn er so seine Ketten fühlte. Nein, und tausendmal nein! Das ertrug er auf die Dauer nicht!

Dazu war er mit zu großartigen Ansprüchen an da» Leben erzogen!

Zu Hause vor Mutter und Schwester verriet er nichts von alledem, was in ihm vorging. Wenn er aber in seinem Zimmer allein war und über kaufmännischen Büchern brütete, dann kam all der wilde Groll hoch, dann ballte er die Hände zusammen, und dann kam es sogar vor. daß er dem Andenken des unglücklichen Vaters fluckte.

(Fortsetzung folgt.)