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Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

87. Jahrgang.

Erscheinungsweise: 6mal wöchentlich. Anzeigenpreis : Im OberamiS- S-eKirr Talw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg.» außerhalb desselben 12 Psg., Keklamen 25 Psg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.

Freitag, de« 29. November 1912.

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich. Post­bezugspreis für den Orts- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20. im Fernverkehr Mk. 1.A). Bestellgeld in Württemberg 30 Psg.. in Bayern und Reick 42 Vfg.

Der Balkankrieg.

Konstantinopel, 28. Nov. Wie die Blätter er­fahren, sind seit drei Tagen erbitterte Kämpfe zwi­schen türkischen und griechischen Truppen auf Chios im Gange. Eine gestern nacht erschienen amtli­che Mitteilung besagt, dag die Bevollmächtigten bei den gestrigen Beratungen in meritorische Verhand­lungen eingetreten seien. Nach Empfang des Tele­gramms über das Ergebnis der Konferenz beriet der Ministerrat bis Mitternacht und übersandte den Be­vollmächtigten neue Instruktionen. Die amtlichen Mitteilungen der türkischen Blätter sind voll Opti­mismus. Man glaubt, dag die Bulgaren ihre ur­sprünglichen, als übertrieben angesehenen Ansprüche aufgegeben haben und geneigt sind, den Frieden so schnell als möglich zu schließen.

Belgrad, 28. Nov. Die Zeitung Prawda behaup­tet, gestern abend habe die serbische Regierung von Cettinje ein Telegramm ihres Gesandten erhalten, wonach die serbischen Truppen Durazzo eingenom­men hätten. Andere Zeitungen bringen diese Mel­dung nicht. Durazzo ist der Hafen am Aegäischen Meer, den die Serben sich einverleiben wollten, was ihnen Oesterreich aber verwehrt.

Paris, 28. Nov. Der Sonderberichterstatter des Matin meldet aus Belgad: Die serbische Regierung bestehe nicht mehr darauf, den Hafen von Durazzo zu erhalten. Sie werde sich mit einem nördlicher ge­legenen Hafen begnügen und als Südgrenze eine vom Kap Rodoni an der albanischen Küste nach Dib- ra gehende Linie annehmen.

Parlamentarisches.

Ausdem Reichstag.

Berlin, 28. Nov. 1912.

Am Bundesratstisch: Staatssekretär Kühn und preuß. Landwirtschaftsminister Frhr. v. Schorlemer. Präsident Dr. Kämpf eröffnet die Sitzung um 11,18 Uhr. Die Besprechung der Teuerungsinterpellation in Verbindung mit der 1. Lesung der Vorlage be­treffend vorübergehende Zollerleichterungen bei der Fleischeinfuhr wird fortgesetzt. Abg. Wendorff (Vpt.): Bedauerlich ist, daß der Reichstag nicht schon früher zur Erörterung dieser schwerwiegenden Frage zusammenberufen worden ist. Es wäre zu ewägen, ob nicht eine Ergänzung der Verfassung geboten wäre. Der wahre Ursprung dieser Teuerung liegt in unserer Wirtschaftspolitik, die nur für die Land- witschaft zugeschnitten ist. Die Abhilfemaßnahmen dürfen sich nicht auf die großen Städte beschränken, die kleinen Städte sind noch schlimmer daran, weil der dortige .Viehstand in die Großstädte abgetrie­ben wird. Das jetzige Einfuhrscheinsystem, das eigent­lich eine Ausfuhrprämie darstellt, mutz dahin geän­dert werden, daß es nur Gültigkeit behält für die­selben Getreidearten und dieselben landwirtschaftli­chen Produkte. Landwirtschaftsminister Frhr. von Schorlemer: Die vorjährige Dürre und die Maul- und Klauenseuche werden einen erheblichen Rückschlag auf unsere Viehhaltung und eine anhal­tende Teuerung nicht verursachen. Wenn es einzel­nen Stadtverwaltungen gelungen ist, billiges einhei­misches Fleisch zu liefern, dann kommt es daher, weil es gelungen ist, den Zwischenhandel auszuschalten. Ferner wird das Fleisch auch dadurch verteuert, daß von den Händlern nur eine gewisse Menge Vieh auf den Markt gebracht wird. Die Behauptung, daß die Zölle auf Futtermitel verteuernd einwirken, ist hin­fällig. Die Behauptung, daß nur die Großgrund­besitzer an der Aufrechterhaltung der Eetreidezölle ein Interesse haben, ist eine objektive Unwahrheit. Gerade die kleinen Besitzer haben ein Interesse da­ran, wie das auch die Freisinnigen auf ihrem Par­teitag erklärt, auch sozialdemokratische Zeitungen zu­gegeben hben. Aus den Kolonien Vieh einzuführen, ist aus verschiedenen Gründen nicht gut möglich. In weiten Kreisen wird das Eingreifen der Regierung

anerkannt. Die erfreuliche Mitwirkung der Städte bei der Linderung der Notlage läßt erkennen, daß die Städte die Verpflichtung anerkannt haben, in derartigen Zeiten auch hier eingreifen zu müssen. Die Einfuhr argentinischen Gefrierfleisches würde in erster Linie den Schweinekonsum einschränken und damit den bäuerlichen und den Landarbeiter, den wir uns bemühen, seßhaft zu machen, in seiner Exi­stenz gefährden. Wir müssen die Produktion der Landwirtschaft und der Industrie schützen, damit wird die Zukunft des deutschen Vaterlandes am besten ge­sichert. Matzinger (Z.): Ein Abbau oder eine Beseitigung der landwirtschaftlichen und industriellen Zölle wird bei uns unter keinen Umständen Unter­stützung finden. Präsident des Reichsgesundheits­amtes Vumm: Den Grundsatz, daß dem Volke je­derzeit Fleisch ausreichend und zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung steht, vertreten wir auch heute. Es wäre aber verfehlt, wenn man den Fleischbedarf einseitig für das ganze Volk bestimmen und sagen wollte: Jedermann braucht so und so viel Gramm Fleisch für seine Ernährung. Auch an­dere Nahrungsmitel kommen in Betracht. Anzei­chen dafür, daß das deutsche Volk an Unterernährung leide, sind nicht vorhanden. Nächste Sitzung Freitag 1 Uhr. Tagesordnung: Kurze Anfragen, Fortsetzung der heutigen Beratung, Interpellation betr. Wagenmangel, kleine Vorlagen. Schluß nach 5 Uhr. _^_

Stadt, Bezirk und Nachbarschaft.

Ealw, 29. Nov. 1912.

Der hiesige Kirchengesangverein wird, wie all­jährlich, so auch dieses Jahr, am 1. Advent, Sonn­tag, 1. Dezember, abends 7 Uhr in der evangelischen Kirche ein Kirchenkonzert geben. Freunde Bachscher Musik seien auch an dieser Stelle darauf aufmerk­sam gemacht. Stadtpfarrer Werner wird Mit­wirken.

^4>. Mutmaßliches Wetter. Zwar ist der letzte Luftwirbel ebenso wie sein Vorgänger in nordöstli­cher Richtung abgezogen, aber es erscheint bereits eine neue Depression aus dem Atlantischen Ozean. Für Samstag und Sonntag ist daher weiterhin wech­selnde Bewölkung mit zeitweiligen Niederschlägen verbundenes, in Höhenlagen zu Schneefällen ge­neigtes Wetter zu erwarten.

Vom Rathaus.

Oeffentliche Sitzung des Eemeinderats bezw. der bürgerlichen Kollegien unter dem Vorsitz von Stadt­schultheiß Conzam Donnerstag, 28. Nov. von nach­mittags 4 Uhr ab. Anwesend sind 11 Gemeinde­räte und 13 Bllrgerausschußmitglieder. Ueber die Waldnutzung s- und Kulturpläne für 1913 macht der Vorsitzende die Mitteilung, daß an Haupt­nutzung vorgesehen sind, 2900 Festmeter, an Kosten für die Kulturen (Pflanzen) 1140 Mark. Der Abmangel der Gewerbeschule beträgt 1911/12 4226 Mark, wovon vom Staat die Hälfte gedeckt wird. Im Etat waren als Abmangel eingestellt 2000 Mark. Der Abmangel in der Rechnung der Frauenarbeitsschule, im gleichen Zeitraum, beläuft sich auf 1795 Mark; im Voranschlag sind als Abmangel 700 Mark angegeben. Der größere Ab­mangel stammt von den mit dem Umzug der Schule verbundenen Kosten. Der Vorsitzende will im Ein­verständnis mit dem Eemeinderat um 500 Mark Staatsbeitrag einkommen. Ein Erlaß des Ge­werbeoberschulrats betrifft die Teilung der ersten Klasse der Gewerbeschule. Die Zahl der Schü­ler in dieser Klasse beträgt 36 u. darum möchte der Gewerbeoberschulrat eine Parallelklasse wenigstens für den Unterricht im Projektionszeichnen. Der hie­sige Eewerbeschulvorstand teilt mit, daß die 3 Jahr­gänge der Schule sämtliche überfüllt seien; er habe aber mit Rücksicht auf die Raumschwierigkeiten hier von der vom Gewerbeoberschulrat angeregten Para­

llelisierung abgesehen. Der Gewerbeschulrat hier will dem Eewerbeoberschulrat vorschlagen, die Aen- derung bis zu Beginn des neuen Schuljahres, 15. Mai 1913, hinauszuschieben und in diesem Sinne will Eewerbeschulvorsteher Aldinger nach Stuttgart berichten. Der Eemeinderat spricht seine Bereitwil­ligkeit dazu aus, spätestens bis Mai 1913 die Aen- derung vorzunehmen, wenn die Schülerzahl es erfor­dert. Der Vorsitzende gibt unter der Hand auch einen Entscheid des Oberlandesgerichts bekannt, in dem die Feuerwehrabgabepflicht der Amtsgerichtssekretäre unbedingt bejaht wird, na­mentlich dort, wo mehrere dieser Beamten tätig sind. Vom K. Rektorat des Realprogymnasiums ist ein Entscheid eingelaufen, der die Dienstpflicht bei der Feuerwehr von einem Oberreallehrer und einem Präzeptor mit Rücksicht auf die bei beiden vorliegen­den Dienstverhältnisse verneint. Eine ministerielle Entscheidung hierüber soll aus besonderen Gründen in diesem Jahr nicht mehr herbeigeführt werden. Die Beifuhr von 200 Köm ungeschlagenen Stei- den, die als Vorbereitung zur Inangriffnahme des Hirsauer Wxgs geschlagen werden sollen, erhielt Bauwerkmeister Alber übertragen, der das billigste Angebot unterbreitet hat. Der Gasver­brauch der Stadt betrug 1911 insgesamt 314 703 Kbw. Davon kommen auf Leucht- und Nutzgas 3 00 569 kbw und auf Motorgas 14 134 kbw. Dieser Verbrauch in Geld berechnet, ergibt für Gas 49 809 Mark, für Gasmessermiete 1767 Mk. Auf Straßenbeleuchtung kommen 26 W3 Kbw, auf die städtischen Gebäude 5972 Köm und auf das Gas­werke selbst 3195 Kbw. Gegenwärtig wird eine 300kerzige Lampe (an der Rathausstaffel) auspro­biert. In einer kurzen Besprechung kommt zum Aus­druck, daß die Stadt im allgemeinenüppig" beleuch­tet sei. Vom Planerschen Stift in Tü­bingen sind 156 Mk. an die Stadt abgeliefert wor­den; das Geld wird in kleineren Beträgen einer Reihe Bedürftiger ausgehändigt werden. Die Ab­rechnung über den Umbau des Eichamts stellt sich auf 2005 Mark; der Voranschlag sah 1800 Mark vor. Zu dem 290 Mark betragenden Mietzins kom­men nun, lt. vertraglicher Festlegung, vom Bauauf­wand noch 4 Prozent 80 Mark. Das Kilo­gramm Teer will das Gaswerk künftig für 5 Pfg., bisher 3 Pfg., verkaufen. Es handelt sich um jähr­lich 200300 Kilogramm, die an Bezirksangehörige abgegeben werden. Gemeinderat und Bürgerausschuß wählen hierauf je eines ihrer Mitglieder in die Wahlkommission für die Bürger­ausschußwahl; der Gemeinderat Herrn Schlatterer (Stellvertreter Herr Schönlen), der Bürgerausschutz Herrn Wagner (Stellvertreter Herr Deyhle). Das Forstamt hat den Antrag gestellt, zum Vollzug des Wirtschaftsplanes im Altweg einen W a l d w eg zu bauen; Kosten 1700 Mark, ferner im Hardtweg (Walkmühleweg) mit einem voraussichtlichen Auf­wand von 800 Mark einen Schleifweg anzulegen. Elfterer soll 700 Meter, letzterer 300 Meter lang werden. G.-R. H. Wagner und B.-A.-M. Zahn äußern sich dahin, daß der Staat, der zum mindesten dasselbe Interesse am erstgenannten Wege habe, wie die Stadt, einen Beitrag leisten soll. Die Befürch­tung einiger Kollegialmitglieder ist, daß der Staat hier den Bau des Weges von der Stadt will, damit er ihn nachher, zum Teil wenigstens, benützen kann. Für die Anlegung des Weges sprechen sich G.-R. Georgii und B.-A.-M. P frommer aus. E.-R. Bäuchle glaubt, daß der Staat jetzt schon sich nicht zu einem Beitrag veranlaßt sieht, da er den Weg erst nach 25 Jahren benötigt. Den Weg von der staatlichen Grenze an zu bauen (also nicht durch den Staatswald hindurch), dafür spricht auch E.-R. Staudenmeyer. Der Beschluß geht schließlich dahin, daß der Weg von der Staatsgrenze ab gebaut wird, das Weitere will die Stadt an sich herankom­men lassen. Jedenfalls soll der Staat den Weg sei-