Landesnachrichten.
Wtenrteig, 2l Oktober 1813.
* Besitzwechsel. Bühler z. „Rose" verkaufte seine Wirtschaft um die Kaufsumme von 14 000 Mk. an Chr. Lutz, Metzger hier. Die Uebernahme erfolgt am 1. November ds. Js.
* Molkereikurs für Frauen und Mädchen. An der Molkereischule zuGerabronn wird ein sechstägiger Lehrkurs für Frauen und Mädchen abgehalten. Der Beginn des Kurses ist auf Montage den 8. Dezember ds. Js. festgesetzt. Gesuche um Zulassung zu dem Kurs sind spätestens bis zum 25. November ds. Js. an das Sekretariat der Kgl. Zentralstelle für die Landwirtschaft in Stuttgart einzureichen. Nähere Auskunft geben die Schultheißenämter.
* Wiederholungskurse für die früheren Besucher -er Obstbaulehrkurse. Um den früheren Besuchern der zehnwöchigen Obstbaulehrkurse Gelegenheit zu geben, ihre Kenntnisse in den praktischen Arbeiten des Obstbaus (Kronenschuitt, Verjüngen, Umpfropfen, Schnitt.der Formbäume) zu festigen und zu vervollkommnen, ist beabsichtigt, neben Wiederholungskursen im Sommer auch ; solche im Winter einzurichten. Der erste derartige Kurs wird unter der Voraussetzung genügender Beteiligung in der Zeit vom 3. bis 10. "Dezember lös. Js. durch Obstbauinspektor Winkelmann in Ulm a. Donau abgehalten worden. Gesuche um Zulassung zu dem Kurs sind mit einem schultheihenamtlichen Zeugnis über die Erfüllung vorstehender Bedingungen spätestens bis zum 10. November ds. Js. an das „Sekretariat der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft in Stuttgart" einzusenden.
* Kurs über Weingärung, Hesereinzucht, Krankheiten der Weine usw!. An der Weinbauversuchsanstalt zu Weinsberg wird im mikroskopischen Laboratorium vom 1. bis 13. Dezember ds. Js. ein Kurs über Weingärung usw. abgehalten. Gesuche um Zulassung zu dem Kurs sind spätestens bis zum 15. November ds. Js. an den Vorstand der -Weinbauversuchsanstalt zu richten.
js Das Recht auf die Straße. Das Reichsgericht hat dieser Tage in einem Urteil mit der vielfach bei Wagenlenkern, besonders bei Kraftwagenfüh- rern verbreiteten Ansicht aufgeräumt, daß nicht sie die Pflicht haben, dem Fußgänger auszuweichen, sondern daß diese Verpflichtung dem Fußgänger zukomme. In dem Urteil wird hervorgehoben," daß für den Fußgänger mit Ausnahme der an Schienen gebundenen Fahrzeuge keine Ausweichungspflicht vorliege, weil sonst eine übermäßige Hemmung des Fußgängerverkehrs entstehen würde. Sobald ein Fußgängpr sich vor dem Ueberschrei- ten der Straße überzeugt hat, daß ihm von den nahenden Fahrzeugen bei richtigem Verhalten ihrer Führer keine Gefahr droht, so ist, falls er überfahren wird, selbst daran, wenn es sich herausstellt, daß er sich unvorsichtig gehalten habe, diesem Verhalten keine weitergehende Bedeutung zuzumessen, sondern die Haftpflicht des- Wagenführers gegeben.
js Mn alter Zopf. Das Zusammenlesen der Zeitung ist immer noch hier und da im Gebrauch. Ist denn die geringe Ausgabe, die das monatliche Abonnement ausmacht, wirklich so fühlbar, daß sich noch mehrere Familien darin teilen müssen? Das
Zusammenlesen gibt stets Veranlassung zu Berger und Unzufriedenheit. Entweder erhält mau die Zeitung verspätet, versäumt gar wichtige Termine und dergleichen und erfährt die wirklich interessanten Neuigkeiten erst, wenn sie veraltet sind. Oder man sucht nach einigen Tagen die Zeitung nochmals, um irgend etwas erneut nachzulesen, und muß dann die Entdeckung machen, daß sie nicht mehr vorhanden oder noch nicht zurück ist. Alle solche kleinen Mißstimmungen lassen sich vermeiden, wenn jede Familie ihre eigene Zeitung« hält. Wer hinsichtlich der Zeitung sein eigener Herr sein und von niemand abhängig bleiben will, der versäume nicht, sich für seinen Haushalt ein -'eigenes Exemplar der Zeitung zu bestellen.
* Martinsmoos, 20. Ott. Joh. Gg. Kübler von hier hat die Meisterprüfung im Schneidergewerbe mit Erfolg bestanden.
js Neuenbürg, 20. Ott. (Die Bahn nach Marxzell.) Im Beisein des Landtagsabgpord- neten Commerell und zahlreicher Gemeindevertreter hat der Referent der Zweiten Kammer für das- Eisenbahnprojekt Neuenbürg-Marxzell Dr. v. Kiene hier das Gelände besichtigt und eine Aussprache veranstaltet, aus der hervorginjg, daß die wirtschaftlichen Interessen eine Ausführung des Planes recht- fertigen und daß die Geländeschwierigkeiten nicht bedeutend seien. Die Bahn sei aber so zu führen, daß auch die Interessen des oberen Enztals gewahrt würden.
js Leonberg, 20. Okt. (Gut ab ge laufen.) Am hiesigen Gaswerk wurde gestern die Zuleitung zum neuen Gaskessel angeschlossen. Der Gasmeister Hübe, der Gasänstaltsarbeiter Trefz und ein Monteur waren damit beschäftigt, als die beiden letzteren plötzlich bewußtlos zusammenbrachen. Hübe übersah sofort die Gefahr und stellte im letzten Augenblick, bevor ein großes Unglück entstand, das ganze Werk ab. Es Klang nach etwa 1 Stunde die beiden Bewußtlosen wieder zum Leben zurück- zurusen.
js Leonberg, 20. Okt. (Räubergeschichte.) Zwei Hemminger Einwohner, die unter dem Verdacht, in der dortigen Wirtschaft zum Löwen einen räuberischen Ueberfall verübt zu haben, ans hiesige Amtsgericht eingeliefert worden waren, sind wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Ein Gast in der Wirtschaft will von zwei Leuten, die ihm den Hut über das Gesicht gedrückt hätten, um 235 Mk. beraubt worden sein. Er hat die beiden Einwohner, die allein mit ihm in der Wirtschaft weilten, der Tat bezichtigt.
js Mönsheim, OA. Leonbertz, 20. Okt. (Ein schauerlicher Fund.) Am Samstag fand man bei einer Jagd im Walde ein Skelett eines Mannes, das dort fchon seit einem halben Jahr gelegen hatte. Wie sich aus einem Wanderbuch zeigt, war es der 62 Jahre alte Lampert aus Neibsheim bei Breiten.
j s Balingen, 20. Okt. (Sämanns Geburtstag.) Der 100jährige Geburtstag von Johann Martin Sämann in Ostdorf wurde zu einem kleinen Volksfest. Vormittags war Festgbttesdienst, dann Festzug zu dem geschmückten Hause des Geburtstagskindes, wo der Gesangiverein ein Ständchen brachte und der Landtagsäpgeordnete des Bezirks die Festrede hielt. Ein Gesandter der Reut- linger Handwerkskammer überbrachte deren Festgrüße. Ein Enkel des Jubilars sprach Djankes-
uorte. Sodann war in der Sonne und in der Krone der übliche Festfchmaus. Vor dem Haus des Jubilars waren ein Schlitten und eine Leiter zu sehen, die der Alte Heuer selbst angefertigt hat, ein Beweis für seine Rüstigkeit. Wagner Sämann erhielt eine wertvolle Kaffeetasse mit Untersatz als Geschenk des Kaisers, das mit folgendem Begleitschreiben gekommen war: „Seine Majestät der Kaiser und König haben vernommen, daß es Ihnen durch Gottes Gnade vergönnt ist, am heutigen vaterländischen Gedenktage Ihr 100. Lebensjahr zu vollenden. Zu diesem seltenen Feste lassen Se. Majestät Ihnen Glück und Segen wünschen und haben Ihnen als Zeichen wohlwollender Teilnahme an Ihrem Ehrentage, die beifolgende in der Kgl. Porzellan-Manufaktur hergestellte Tasse mit Aller- höchstihrem Bildnis zu verleihen geruht. Es gereicht mir zur Freude, im Allerhöchsten Auftrag Sie hievon zu benachrichtigen. Der Geh. Kabinettsrat I. V. v. Strempel." Aus dem Kabinett unseres Königs gingen dem Geburtstagskind 100 Mk. -zu „mit den besten Wünschen Seiner Majestät."
* Stuttgart, 20. Okt. Der volkswirtschaftliche Ausschuß der 2. Kammer beriet heute die Eingabe der Stadt und der Amtskörperschaft Aalen um baldige Erbauung einer Bahn von Abtsgmünd nach Aalen. Der Referent beantragte, die Eingabe der Regierung zur Berücksichtigung zu überweisen, was einstimmig angenommen wurde.
js Stuttgart, 18. Okt. "(Eine neue Nationalspende?) Ein hiesiges Blatt gibt einer Zuschrift Raum, welche einen Aufruf zur Spende eines Versuchs- oder Schulluftschiffs an den Luftschiffbau Zeppelin in Vorschlag briggt.
js Böblingen, 20. Okt. (Brand.) In dem von 4 Familien bewohnten Hause des Kaufmanns Christian Knoll brach Feuer aus, das für die Einwohner sehr gefährlich zu werden drohte, weil das! ganze Treppenhaus verqualmt war. Es Klang aber der Feuerwehr, den Brand im Herd zu ersticken, so daß niemand verunglückte und auch der Schaden verhältnismäßig gpriug blieb.
j s Heilbronn, 20. Okt. (Betrüger.) Ein hierauf Besuch weilender, lediger Kaufmann aus Frankfurt ist gestern nachmittag wegen Betrugs! in Höhe von 30 000 Mk. festgenommen und dem Gericht übergeben worden.
js Urach, 20. Okt. (Selbstmord.) Der 45 Jahre alte, noch nicht lange verheiratete Polierer Greiner hat sich in selbstmörderischer Absicht eine Kugel- in den Kopf gpschossen. Er wurde noch lebend ins Bezirkskrankenhaus geschafft.
js Oehringen, 20. Okt. (Rascher Tod.) Der 21jährige Sohn der Familie Giebler in Obersöllbach, wollte gestern per Rad in ein Nachbardorf fahren. Kameraden, die nachfuhren, fanden ihn kaum 5 Minuten vom Ort entfernt tot neben seinem Rad liegen. Da keine Verletzungen sichtbar waren, nimmt man an, daß ein Schlaganfall dem jungen Leben ein frühes Ziel Ksetzt hat.
js Hohenstaufen, 20. Okt. (Zum Heiraten gehören zwei.) Ein Fabrikarbeiter und seine Braut von hier beantragten kürzlich die Erlassung des Aufgebots, um nach Ablauf der gesetzlichen Aushangsfrist sich sofort in den Stand der Ehe zu begeben. Auf Samstag war nun die Hochzeit bestimmt, die Gäste geladen, das Festessen bestellt und alle Vorbereitungen getroffen. Aber wer nicht kam, ! das war der — Bräutigam. Er soll sich in Ulm
Lerekru cbt.
Die wahre Tugend ist, daß Jeder jede Frist Das tüchtg tut, wozu er taugt und tüchtig ist.
Rückert.
Vom Guten das Beste.
Erzählung von A. Hottner-Grese. sFonsetzung.j sNachdruck verboten.)
„Also nehmen wir alle Anhaltspunkte noch einmal durch, mit Ruhe durch, lieber Werner. Da ergibt sich folgendes: Bis vor zwei Tagen hatten wir alle überhaupt noch nicht den mindesten Anhaltspunkt für irgendeine Vermutung betreffs Christas Verschwinden. Daß gerade du den Becher kauftest mit der eigentümlichen Außenschrift und dem noch merkwürdigeren Inhalt — dies war ein Zufall. Ob ein glücklicher? Das läßt sich heute noch nicht im entferntesten bestimmen."
„Was willst du damit sagen, Onkel Ernst," fragte Werner jäh dazwischen. Er dachte heimlich immerfort an das hellblaue Kuvert, das Iettchen Helmus gefunden. Dort war der Poststempel „Krakau" — auf jenem Umschlag, in dem die Zeichnung des Bechers gesteckt hatte, den er der kemden, jungen Frau aufhob bei Markus, war der gleiche Stempel. Und die Frau sagte doch zu dem Alten, sie wolle nach Krakau fahren. Dort mußte also dieser schwerkranke Felix sein. Ob er es noch heute dem Onkel, mitteilte? Oder ob er weiter schwieg über jenes Kuvert? Und weshalb wollte er eigentlich gerade darüber nicht sprechen? Doch nur deshalb, weil Onkel Rasmer ebenso wie Tante Iettchen denken und auch sagen würde: „Also, deine Christa hat mit jemand Briefe getauscht. von denen du
Nichts wissen solltest. Dieser Jemand muß ihr doch sehr nahe gestanden haben. Vielleicht näher als du. Und mit dieser Voraussetzung fällt am Ende alles zusammen, woran du einst geglaubt hast, und auch die Annahme, daß sie das Opfer eines tückischen Geschickes wurde. Sie hat vielleicht selbst dieses Geschick herbeigeführt."
So würden sie sprechen, die Alten, deren Herzen längst nichts mehr wußten von den großen Leidenschaften des Lebens. Und mit all diesen Worten würden sie ihm ruhig wegnehmen, was ihm noch das Dasein lebenswert hatte erscheinen lassen, die reine, holde Erinnerung.
Der alte Herr war aufgestanden und ging mit wuchtigen Schritten in dem Zimmer hin und her.
„Wir wollen jetzt alle Schlüsse lassen, alter Junge," sagte er ernsthaft. „Nur zu oft habe ich es in meinem langen Dasein erfahren, daß alle Schlüsse und Folgerungen — und seien sie noch so scharfsinnig — oft als Irrtümer sich entpuppen. Wir wollen nur sehen, ob dieser Becher, dieses Herz wirklich mit unserer Christa in irgendeinem Zusammenhang standen. Denn der Zufall spielt oft sehr absonderlich, und immerhin könnte sich auch das Geburtsdatum als ein solcher Zufall Herausstellen. Nun aber ist es fast ganz sicher, daß unser« Christa gemeint ist, denn der Verlierer des Bechers — eben jener kranke Felix wahrscheinlich — will gerade deine Mitwisserschaft absolut vermeiden. Der erwähnte „Herbert" ist sicher von allem unterrichtet. Also: da sind zwei Personen, welche bestimmt mehr wissen, als wir von Christa Weltin, denn sie wußten genau, wann sie starb."
Werner Mertens hielt die Hand vor die brennenden Augen. Doktor Rasmer warf wieder einen scheuen Blick nach ihm hin. Er sah es wohl, daß der Jüngere furchtbar litt. Aber leidet nicht auch der Kranke, wenn eine schmerzhafte Operation notwendig ist? Und ist nicht trotzdem diese Operation oft die einzige Heilungsmöglichkeit?
„Da haben wir nuck überdies," fuhr Rasmer fort — er sprach mit Vorbedacht langsam und breit, um dem andern Zeit zu lassen, sich etwas zu sammeln —, „da haben wir diese uns fremde. juriLe Frau. Daß sie mehr
weiß, als sie dem alten Gottfried sagte, ist sicher wahk. Aber ob sie alles weiß? Das bezweifle Ich fast. Schade, schade, daß du nicht erfahren konntest, wo sie wohnt. Aber du hattest ganz recht, zu verschwinden! Vielleicht wird ihr Verdacht gegen dich eingeschläfert. Sehen durfte sie dich auf keinen Fall. Und auch dieser alte Gottfried, dem sie wahrscheinlich deine genaue Personenbeschreibung gab, auch er darf keine Ahnung davon erhalten, daß du sie belauscht hast. Es muß da entschieden noch etwas vorliegen, etwas, das mit dem Tode des Menschen zusammenhängt, dessen Leiche da draußen in dem kleinen Hause liegt. Und dieser alte Gottfried könnte uns vielleicht mehr Aufschlüsse geben, als alle anderen."
Doktor Rasmer schwieg scharf nachdenkend. Mertens hob den Kopf.
„Aber dieses alten Gottfrieds können wir ja jeden Augenblick habhaft werden," sagte er schnell. „Seine Wohnung finde ich sofort. Und er muß doch auch den Namen, die Adresse der jungen Frau wissen. Man müßte ihn zwingen, sie anzugeben."
„Womit?" fragte Rasmer. „Mit Gewalt? Das geht doch nicht, denn ich bleibe nach wie vor bei meiner Ueber- zeugung: Je weniger die Oeffentlichkeit bei dieser Angelegenheit ins Spiel kommt, desto besser ist es. Können wir sie ganz allein zu Ende führen, so ist dies jedenfalls das Gescheiteste. Aber der alte Mann kommt doch bestimmt morgen in aller Frühe ins Dorotheum. Ich werde mich bei den Schaltern Herumtreiben, wo die verpfändeten Gegenstände ausgelöst werden, und ich hoffe, den alten Mann nicht zu verfehlen. Uebrigens kenne ich von meiner praktischen Tätigkeit der zwei höhere Beamte dort. Die Pfandleihanstaltgn haoen ja sehr häufig mit Verbrechern, Dieben usw. zu tun und die Polizei muß oft mit den Beamten Hand in Hand arbeiten. Du kannst nicht Hinsehen. dich würde der alte Mann vielleicht erkennen. Aber mich hat die junge Frau kaum beachtet. Auch weiß sie nicht, daß wir zusammen gehören. Also diesen Teil unserer Aufgabe nehme ich in die Hand. Wenn es mir gelingt, degi alten Manne LU folgen — er sollte doch