Schon vormittags rückte die Kolonne aus, um unter den Augen von Geh. Hofrat Herrmann, des Kommandeurs des roürttb. Sanitätskorps, zu üben, damit die Mannschaft die Hauptllbung am Nachmittag desto zuversichtlicher an sich herankommen lasten konnte. Während des Vormittags waren ein­getroffen: Generalleutnant z. D. v. Vossert, Ex­zellenz Generaloberarzt Dr. v. Dotter, Oberarzt Prof. Dr. Hoffmeister und andere Herren des Präsidiums. Die Einladungen an die Bruderkolon­nen hatte den Erfolg, daß offiziell zu dem Ehren­tag der Calrver Kameraden zu Besuch kamen: die Vertreter der Kolonnen aus Neckarsulm, Geislingen, Balingen, Durlach, Pforzheim, Ehningen, Schram­berg, Untertürkheim, Reutlingen, Freudenstadt, Aalen, Heilbronn-Weinsberg, Nürtingen, Stuttgart- Berg, schätzungsweise insgesamt etwa 150 Mann in Uniform. Die Bürgerschaft der Stadt hatte da und dort dem in Calwer Tagblatt geäußerten Wunsche willfahren und die Häuser beflaggt und den Straßen dadurch einen festlichen Anstrich verliehen, der den Gästen als ein freundlicher Willkommgruß dünken mochte. Die Zeit der Vorstellung nahte heran. Die Kolonnen sammelten sich von 1 Uhr ab beim Bahn­hof, wo auch Veteranen- u. Militärverein Aufstellung genommen hatten und rückten dann unter Trommel- und Pfeifenklang der Fugendkapelle nach der als Ort eines Eisenbahnunglücks gedachten Stätte, Len Wiesen bei der Kratzenfabrik (Oeländerle). Bald auch sammelte sich im Umkreis als Zeuge des inter­essanten und für Calw neuen Schauspiels eine wohl die Tausendzahl überschreitende Volksmenge. Land­jägerkorps und Militärposten hatten Arbeit in Hülle und Fülle, um der übenden Sanitätsmannschaft freie Bahn zu halten. Die Mannschaft machte einen vor­züglichen Eindruck. Wie sie so draußen auf dem un­mittelbar an die Häuser desKrappen" stoßenden Wiesengelände stand, mit Front gegen die Land­straße, im Rücken die Nagold, in tadelloser Uniform, frisch und mit vor Aufregung geröteten Gesichtern, zeigte sie ein Bild zielbewußter Entschlossenheit und selbstverständlicher Disziplin. Ihr gegenüber, mit der Front gegen die neue Kolonne, hatten die frem­den Sanitätskorps und der Krieger- und Militär­oerein Aufstellung genommen und ganz in der Ord­nung war es, daß auch die Schwestern und die Kran­kenpflegerinnen unsres Krankenhauses, Töchter hie­siger Familien, in ihrer schlichten Tracht dem wich­tigen Vorgänge anwohnten. Die inspizierenden Herren, denen sich u. a. hiesige Militärpersonen, an der Spitze Major Blaich, beigesellten, desglei­chen in Zivil Reg.-Rat Binder, Stadtschult- heih Conz (in Uniform) und viele geladene Gäste, fuhren im Wagen auf dem Uebungs- felde an. Die Kolonne dantte dem General Exz. v. Bosse rt für seinen Gruß:Guten Tag, Kolonne!" mit einem lauten:Guten Tag, Ex­zellenz!" Alsdann führte sie unter Leitung ihres Führers Pfizenmaier mehrere Schulübungen aus, die das Interesse namentlich der Fachleute sicht­lich fesselten. Da, was war das? Ueber die eiserne Nagoldbrücke donnert der Zug. Die Augen^weilen noch auf dem Bilde der exerzierenden Kolonne, als ein gewaltiger, markerschütternder Aufschrei aus tau­fend Kehlen in die kalte Winterluft hinausdringt: unter furchtbarem Getöse und Gekrache ist der Zug abgestürzt! Ein eiserner Pfeiler war gewichen, so- datz die eisernen Tragbalken wichen und Lokomo­tive samt den anhängenden vier Wagen mit sich in

die Tiefe rissen. Alarm! Im Sturmschritt eilt die Mannschaft zur llnglücksftätte. Ein Jammerfeld. Wehklagen und Hilferufe der Verwundeten und Sterbenden füllt die Luft in herzerschütternder Weise, seufzend und schmerzlich hallts in den ernsten Wäldern wider und das rauschende Wasser der Na­gold färbt sich rot. Holzbalken und Eisen schwemmt sie auf ihrem Rücken mit, rauschend und gurgelnd, fast als Triumph zu deuten, während verzweifelnde Rufe um Rettung aus den Fluten tönen. In zwei Abteilung^ wird vorgegangen. Eine dringt unter Aufbietung aller Kräfte und Ueberwindung fast un- übersteigbarer Hindernisse zu den zwischen die Zugs­trümmern eingekeilten Hilfeheischenden im kalten träg dahinziehenden Wasser der Nagold. Zwei oder dreimal bahnt sich der Kahn, gesteuert von kräftigen Männerfäusten, seinen schweren Weg und bringt die dankbaren Verunglückten in Sicherheit, nachdem sie zuvor rasch und kundig Notverbände erhalten hatten. Die zweite Abteilung sah ihre Aufgabe darin, den am Ufer Hilfebedürftigen Rettung zu bringen. Fieberhaft und doch mit der notwendigen Sorgfalt, bringen die Hände die Binden an, werden die Ge­retteten, u. mit Rückenmarksverletzung, Oberschenkel­bruch, Schulterbruch u. dgl. dem Tod Entronnenen, liebevoll auf die Bahren gebettet und zu den Wagen getragen. Drei Wagen, Vorüberfahrenden kurzer­hand enteignet und innerhalb 10 oder 15 Minuten zur Aufnahme von sieben Schwer- und einigen Leichtverwundeten fertigbereitet, führten dann den traurigen Zug zur Stadt in die Spitäler zur Weiter­behandlung. War das ein Arbeiten und ein Treiben gestern, während der Aufnahmeübung der Sanitäts­kolonne Calw unter den Augen der offiziellen In­spizienten! Aber die Aufgabe wurde gelöst, gewissen­haft und rasch, sodaß das Unglück im Entstehen schon gemildert war. Bald darauf leerte sich die Unglücks­stätte von den Zuschauern. Ruhig flössen die. Na­goldwellen ihre Bahn und stumm und still stand der Wald. Auf dem zu Beginn der Uebung einge­nommenen Platze hielt Eeneraloberarzt Prof. Dr. o. Hoffmeifter Kritik, die recht gut ausfiel und mit der Anerkennung über das vom Korps Geleistete nicht zurllckhielt. Er könne die Kolonne Calw mit bestem Gewissen dem Präsidium zur Aufnahme emp­fehlen. Vom militärischen Standpunkt aus und als militärischer Inspizient unterstrich General z. D. Exz. v. Bossert die Anerkennung der Leistungen der Kolonne, nicht ohne, gleich seinem Vorredner, auf die ernsten Zeiten verwiesen zu haben, in denen heute oder morgen das Eingreifen der Sanitäts- mannschaft im Ernstfälle notwendig werden könne. Er dankt dem Gründer, dem ärztlichen Leiter und dem Führer mit warmen Worten, auch zugleich im Na­men des Präsidiums des Landesvereins vom Roten Kreuz, für die Opferwilligkeit, die sie mit der Schaf­fung der Kolonne und der Tätigkeit innerhalb der­selben an den Tag legten und schloß mit einem Hoch auf die Protektorin des Landesvereins, unsre Köni­gin. Die Stadtkapelle führte die Mannschaften nach dem Dreißschen Saal, wo in gemütlicher Stim­mung und kameradschaftlichem Geiste eine lebhafte Unterhaltung in Fluß kam, die durch eine ganze Reihe von Ansprachen belebt wurde. Kolonnenfüh­rer Pfizenmaier entbot den zahlreichen Gästen und Kolonnen in schwungvollen Worten den Will­kommgruß. Major Blaich dankte dem General v. Bossert für sein Erscheinen und ließ die Kolonne Calw leben. Im Namen der versammelten Mann­

gen aus Feindes Lager, Höhlen zeigen, wo man sich verbergen kann, das ist keine schwere Sache, Herr, und das allein tuts nicht. Ich weiß, ich werde noch einmal für ihn sterben müssen und dann, Herr, nehmt Euch meines Weibes und meiner Tochter an."

Eine Träne fiel in seinen Bart, doch als schämte er sich, so weich zu sein, verbarg er sein Gesicht in der Hand und fuhr fort:Doch dazu bin ich noch gut genug; wie jeder Kriegsmann, wie jeder im Volk, darf ich für ihn sterben, o könnte ich durch meinen Tod seine Huldigung abändern und ihm das Land wieder verschaffen, noch in dieser Stunde wollte ich sterben!"

Der Herzog erwachte; er richtete sich auf, er sah mit verwunderten Blicken um sich her, als sei er durch einen Zauber in diese Erdenschlucht versetzt und sähe jetzt erst diese Felsen und Bäume, das spärliche Feuer u. die von den Flammen beschienenen Männer, seine Begleiter, er bedeckte seine Augen mit der Hand, doch er sah wieder auf, als prüfe er, ob diese Erscheinun­gen blieben; sie blieben und schmerzlich sah er bald den einen, bald den andern an.Ich habe heute ein Land verloren," sprach er,es hat mich nicht so geschmerzt als dieses Erwachen, denn ich habe es im Traume wieder und noch viel schöner besessen."

Seid nicht ungerecht, Herr," sagte Marx Stumpf von Schweinsberg; indem er sich aus seiner gebück­ten Stellung aufrichtete, seid nicht ungerecht gegen diese Wohltat der Natur. Wie unglücklich wäret Ihr

wenn Ihr auch im Schlummer, der Eure Kräfte für das schwere Unglück stärken soll, Euren Verlust noch fühlet, auch da noch so düster darüber gebrütet hät­tet. Ihr seid finster und verschlossen eingeschlummert, jetzt sind Eure Züge milder und freundlicher; ver­danken wir dies nicht Eurem Traum?"

So hätte ich mögen nie erwachen; o daß ich Jahrhunderte fortgeträumt hätte und dann erwacht wäre; es war so schön, so tröstlich, was ich träumte!"

Er stützte die Stirne in die Hand und schien schmerzlich bewegt. Der alte Herr von Lichtenstein war von den Stimmen der Sprechenden erweckt wor­den, er kannte Ulerich und wußte, daß man ihn nicht über seinem schmerzlichen Verlust brüten lassen dürfe er rückte ihm daher näher und sprach:Nun, und wollt Ihr uns nicht auch sagen, was Ihr geträumt habt? Vielleicht liegt auch für uns ein Trost darin, denn wisset, ich glaube an Träume, wenn sie in einer wichtigen, verhängnisvollen Stunde in unsere Seele einziehen, und ich glaube, sie kommen von oben, um uns zu trösten."

Der Herzog schwieg noch eine Weile, er schien über die Worte des Ritters nachzusinnen, dann fing er an zu erzählen:Mein Schwager, Wilhelm von Bayern, hat mir heute zur Probe seiner Freundschaft die Burg meiner Ahnen niedergebrannt. Dort hau­sten sei undenklichen Zeiten die Württemberger, und das Land, was wir besitzen, trägt von diesem Schloß den Namen. Es scheint, als habe er damit uns eine I Todesfackel anzünden und mit diesen Flammen unser

schäften sprach diesen Dank auch Geh. Hofrat Herr­mann aus. Daß sich zwischen Württembergs und Badens Kolonnen ein recht enges Band knüpfen möge, wünschte ein Kamerad aus Baden. Der hie­sige Vezirksvertreter, Amtmann Ripp mann, brachte seinen Dank der neuen Kolonne Calw, dankte herzlich für die Spenden aus und von der Stadt an die Kolonne und schloß seine Ansprache mit einem Königshoch. Exz. General v. Bossert widmete seinen Dank den freundlichen, an ihn gerichteten Worten und denen, die dem Präsidium galten, er trinkt auf das Wohl des Korps-Kommandanten Geh. Hofrat Herrmann und auf das der Sanitütskolonne Calw. Eisenbahnbauinspektor Schlierholz über­brachte die Grüße von Oberstleutnant v. Ritter und vom Baudirektor v. Böger, die der Nachfeier nicht anwohnen konnten. Als ältestes Mitglied vom Roten Kreuz wünscht er der Kolonne Glück. Für die anerkennenden Worte Sr. Exzellenz dankte Reg.- Rat Binder; er dankt aber auch Amtmann Ripp­mann, Dr. Schiler und Kolonnenführer Pfizenmaier und wünscht der Kolonne gutes Wachsen, Blühen und Gedeihen. Namens des Zentralausschustes des Landesvereins vom Roten Kreuz sprach Eeneral­oberarzt v. Dotter in humoristischer und ernster Form. Stadtpfleger Dreher überbrachte die Glück­wünsche der Stadtgemeinde und des Stadtvorstandes. Dr. Schiler erhob sich, um eine Dankrede auf die finanzielle Beihilfe städtischer- und privaterseits zu halten, und der Führer der Reutlinger Kolonne hob die Arbeit des Geh. Hofrats Herrmann hervor. Zum Schluß überbrachte der medizinische Leiter der Schramberger Kolonne den Dank für die Einladun­gen. Während des Beisammenseins spielte die Stadtkapelle der, gleicherweise wie der Jugendkapelle, der Landjügermannschaft und der Schutzmannschaft für ihre Mitwirkung Dank ausgesprochen sein soll, ebenso auch der Einwohnerschaft für das Beflaggen der Häuser. Wünschen wir, daß unsre Calwer Sanitütskolonne ein tüchtiges Glied innerhalb des Sanitütskorps bleiben möge, und in Friedens- oder Kriegszeiten ihren Platz auszufüllen in der Lage ist, unsrer Stadt, unsrem Volk und Land zum Nutzen!

X Cäcilienfeier des katholischen Kirchenchors. Die katholische Gemeinde sammelte sich gestern im Badischen Hof zu einer Cäcilienfeier und zugleich zur Feier des 25jährigen Jubiläums des katholischen Kirchenchors. Aber es waren nicht nur Glieder der katholischen Gemeinde; unter der überraschend großen Zahl der Besucher bemerkte ntan auch sehr viele Mitglieder der evangelischen Konfession. Die Ver­anstalter der Feier halten ein reichhaltiges, ernste und heitere Darbietungen umfassendes Programm zusammengestellt, das dem Ruf Calws, eine musik­liebende Einwohnerschaft zu besitzen, alle Ehre machte. Sehr umfangreich war der Chor in diesem Programm vertreten. Unter der musikalischen Leitung des Hauptlehrers Lehner brachte er eine Reihe passender Gesänge schön zu Gehör; sein Können übertrifft tatsächlich die Erwartungen, die in der Regel an einen Chor von dieser zahlenmäßigen Stärke gestellt werden. Die Zuhörer hielten mit ihrem Beifall auch in keiner Weise zurück. Im Mittelpunkt des Abends standen die Soli von Fräu­lein Jda Geißinger, die auf Veranlassung von Stadtpfarrer Heberle, dem Vorsteher der kathol. Kirchengemeinde, eigens von Rottweil nach Calw gekommen war, um mit ihrem Besuch der Feier einen besonders festlichen Charakter zu verleihen.

Wappen und Gedächtnis u. selbst den Namen Würt­temberg vertilgen wollen. Und fast könnte er recht haben, denn mein einziges Söhnlein, Christoph, ist in fernen Landen, mein Bruder Georg hat noch keine Kinder, und ich ich bin geschlagen, verjagt, sie haben wiederum mein Land besetzt, und wo ist die Hoffnung, daß ich es wieder einmal erlange?" Wie ich nun so ganz verlassen und elend hier am Feuer saß, wie ich nachdachte über mein kurzes Glück, und wie ich vielleicht mein Unglück selbst verschuldet habe; wie ich bedachte, auf welch schwachen Stützen meine Hoffnung beruhe, und wie selbst der Name Württemberg auslöschen könne, gleich den letzten Funken in der Asche meiner Stammburg, da über­mannte mich der Jammer, und bitterer als je fühlte ich die Schläge meines Schicksals. Unter diesen Gedanken entschlief ich. Doch wie im Wachen meine Seele mit Sehnsucht und Trauer auf den Höhen des Rotenberges und um die rauchenden Trümmer von Württemberg schwebte, so erging sich auch mein Geist auch im Traume dort."

Ulerich hielt inne, es war, als fülle ein Bild seine Seele, das zu schön, zu groß sei, um es mit sterb­lichen Lippen zu beschreiben, ein milder Friede lag auf den Zügen des unglücklichen Fürsten, und ein wunderbarer Glanz drang aus seinen aufwärts ge­richteten Augen. Die Männer umher blickten ihn staunend an; sie hingen an seinen Lippen und lausch­ten auf seine Rede, die ihnen so Wichtiges zu ver­künden schien. (Forts, folgt).