' Eine längere Debatte entspinnt sich über die Wahl des Mg. Becker-Hessen.
Mg. Braband (F. Bp.): Mit Entschiedenheit muß der Ansicht entgegengetreten werden, als ob es sich hier Am eine Machtfrage handle. Ist der Reichstag nicht stark genug, in eigener Sache zu handeln, so muß er die Wahlprüfung an ein ordentliches Gericht abgeben.
Mg. List-Reutlingen (natl.): Ich gehöre zu denen, die sich in der Kommission nicht für die neue Praxis haben entscheiden können. Das eine scheint aus dieser Debatte hervorzugehen, das Geschäft der Wahlprüfungen nach dem Muster Elsaß-Lothringens einem unabhängigen Gericht zu überlassen. Ich darf schon bei dieser Gelegenheit darum bitten, unseren diesbezüglichen Initiativantrag anzunehmen.
Mg. Spahn (Z.): Ter klare Wortlaut des Wahlgesetzes besagt, daß der Wahlakt von Sprendlingen kassiert werden muß. Diese alte Praxis, einzelne Ergebnisse kassieren zu können, hat sich durchaus bewährt.
Arendt (Reichsp.): Seit 40 Jahren hat sich die Praxis, die wir vertreten, durchaus bewährt. Ter Reichstag würde sehr viel Zeit sparen, wenn die Wahlprüfungen einem Gerichte übergeben würden.
Schwarze (Z.): Tie Wahlprüfungen aus früherer Zeit ergeben, daß Rest Praxis schon vielfach geübt worden ist. Ich verstehe deshalb nicht die Stellungnahme einzelner Parteien, die jetzt von dieser Praxis abgehen wollen.
Wald st ein (F. Vp.): Auch ich bin der Ansicht, daß, wenn an einem Orte Unregelmäßigkeiten dorgekom- men sind, das Resultat dieses Ortes zu kassieren ist, zugleich aber auch die ganze Wahl.
Nach weiterer Debatte wird die Wahl in namentlicher Abstimmung mit 159 gegen 158 Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen für gültig erklärt. (Lebhaftes Bravo rechts, Zischen links.)
Bei der Wahl des Abg. Haupt (Svz.) beantragt die Kommission Ungültigkeitserklärung. Tie Sozialdemokraten beantragen Gültigkeitserklärung.
Reiß Haus '(Soz.): Ich hoffe, daß nunmehr auch unserem Antrag entsprochen wird.
Auf Antrag des Grafen Westarp (kons.) wird auch über diese Wahl namentlich abgestimmt werden.
Schwarz (Z.): Bei dieser Wahl sind erhebliche Verstöße gegen das Wahlreglement vorgekommen. Wir müssen die Wahl für ungültig erklären.
Veit (KonsO erklärt sich für Ungültigkeit.
Neumannhofer (Vp.): Die Gültigkeitserklärung der Wahl des Abg. Becker ist nur auf die Stimmenthaltung des Abg. Haupt zurückzuführen, dessen Wahl jetzt zur Verhandlung steht. Um volle Klarheit in dieser Angelegenheit zu erhalten, sollte nochmals eine Beratung in der Kommission stattfinden.
Schmidt (Soz.): Der Abzug von 6 Stimmen in Möckern ist zu Unrecht erfolgt. Auch sonst bestehen manch« rechtliche Bedenken, sodaß über die Wahl zum mindesten noch einmal in der Kommission beraten werden sollte.
Nach unwesentlicher weiterer Debatte wird die Wahl des Abg. Haupt in namentlicher Abstimmung mit 170 gegen 142 Stimmen an die Kommission zurückgewiesen. Morgen nachmittags 1 Uhr Weiterberatung. Schluß s/i? Uhr.
Unsere Zeitung
„Aus den Tannen"
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^ -L- r-*. K»
In der Tiefe, in der Stille wächst der Allbesieger: Wille.
Tereie Köstlin.
Der tote Nompyr.
Roman von H. Hill.
(Fortsetzung.! (Nachdruck verb t-nO
4 . Kapitel.
Der Mann mit den Blechzähnen.
Melneck wankte vom Fenster zum Schrank. Mit Zittern und Beben schaute er hinein, und wirklich, es war so, wie Harald gesagt, das Fach war leer. Das unterste Fach, in das er Benkerts Leichnam, dessen Hut, den befleckten Teppich und das Mordinstrument gesteckt, war zweifellos vollkommen leer. Er traute seinen Augen nicht; aber die Wahrheit ließ sich nicht wegleugnen, es war nichts mehr vorhanden.
Ein Blick nach den oberen Fächern ließ Melneck sofort erkennen, daß die Dinge nicht mehr so lagen, wie er sie gestern abend hinterlassen hatte. Eine Kassette, in der
er verkäufliche Wertpapiere aufzubewahren pflegte, und eine kleinere Kassette, in der sich Bargeld für unerwartete Ausgaben befand, fehlten. Das oberste Gefach, das Geschäftspapiere enthielt, die nur für den Eigentümer Wert hatten, war vollständig durchwühlt, und dann waren die Sachen wieder ganz regellos hineingestopft worden, als ob man sich über ihre gänzliche Wertlosigkeit geärgert hätte.
„Besinnen Sie sich, lieber Herr Melneck," sagte nun Harald, „sollten Sie wirklich nicht die ganze Geschichte geträumt haben?"
„Himmel, nein," versetzte der ganz fassungslose Mann,
Landesnachrichten.
Wtenrteig, 28. Februar ISIS.
* Königs Geburtstag war ein Tag voll Sonne, so recht geeignet, die festliche Stimmung zu erhöhen. Morgens 6 Uhr kündeten hier Böllerschüsse Königs Geburtstag an. Die Häuser trugen reichen Flaggenschmuck. Um 11 Uhr bewegte sich der Fest zug zur Kirche, an dem sich der Kriegerverein geschlossen- beteiligte. Nach dem Gottesdienst war um 12 Uhr für den Kriegerverein das Festessen im „Grünen Baum". Der Vorstand, Oberförster Pfister, brachte dabei den Königstoast aus, Oberreallehrer Dr. Steiner toastete auf die Königin und Steuerwächter Rieder auf die Veteranen. Die Kapelle Maier konzertierte während des Essens. Das Festessen in der „Traube" begann gegen 1 Uhr. Dabei feierte Kameralverwal- ter Fromlet unseren geliebten König als treuen Landesvater und brachte das Königshoch aus, während Oberförster Rommel unserer Landesmutter gedachte und das Hoch auf die Königin ausbrachte'. In den Zwischenpausein konzertierte die Kapestlo Maier. Der gemeinsame Gesang patriotischer Lieder verschönte die Feier. Abends veranstaltete der Kriegerverein im „Grünen Baum" eine Zusammentunst. Vorstand Pfister begrüßte dabei die Erschienenen und dankte dem Liederkranz für seine freundliche Mitwirkung bei dieser Veranstaltung. Oberreallehrer Dr. Steiner hielt dann einen ausgedehnten fesselnden Vortrag über: Weltlage und Wehrpolitik. Es waren ernste Worte, mit denen der Redner die Weltlage beleuchtete. Er knüpfte an die Freiheitskriege vor 100 Jahren an, gab einen geschichtlichen Rückblick aus die Ereignisse in den verflossenen 100 Jahren und betonte den Erstst der gegenwärtigen Lage für Deutschland, das mit entschlossenen Gegnern zu rechnen hat, bei denen sich die Kriegslust immer mehr steigere. Er betonte, wie unbedingt notwendig es sei, in Anbetracht der großen Aufwendungen unserer Gegner für Heer, Marine und Luftflotte, unsere' Wehrmacht weiter auszubauen, da wir bei einem Krieg nicht nur mit einem Gegner zu rechnen haben und dabei in der Hauptsache auf unsere eigene Kraft angewiesen seien. Es sei in den letzten Jahren eine bedauerliche Lauheit bezüglich der Ausgestaltung unseres Heerwesens zu beobachten gewesen, die weite Kreise auffalle und die insbesondere auch die Gründung des Wehrvereins zur Folge hatte, dessen Aufgaben der Redner näher erklärte und schließlich zum Beitritt in denselben ausforderte. Der Vortrag machte einen tiefen Eindruck aus die Zühörer und löste zum Schluß begeisterten Beifall aus. Später folgte Hauptlehrer Schwarz mit einem kleinen, aber gediegenen Vortrag über unsere Vorfahren, die Schwaben. Er schilderte wie die Schwaben immer ein tüchtiges Volk waren, zählte die bedeutenden Kriegs- und Geisteshelden der Schwaben auf und schloß mit einem Hoch auf unser Schwabenland. Stadtwundarzt Vogel sprach dann in begeisterten Worten von unserer Militähnacht und wie, wenn heute der Ruf an die Waffen ergehe, unsere Soldaten ebenso wie anrio 70/71 ihre Pflicht erfüllen und mit Begeisterung für unser geliebtes deutsches Vaterland Umpfen würden. Sein Hoch galt unserem Heer, unserer Marine und ihren Führern. Oberförster Pfister dankte den Rednern für ihre Aus-
»nein, es hat sich so zugetragen, wie ich es Ihnen erzählt habe. Ich habe nicht geträumt, aber — ich verstehe das nicht."
Seine Aufregung war so groß, daß er sich kaum aus den Füßen halten konnte. Schetzler führte ihn an den Schreibtisch und ließ ihn sanft in den davorstehenden Sessel gleiten. Dann zog er eine Flasche heraus, schraubte den silbernen Verschlußbecher ab und goß ihn voll.
„Hier, trinken Sie. Ich dachte mir schon, daß wir bei dem Geschäft ein bißchen Kognak brauchen würden!"
Melneck schluckte die Flüssigkeit, und Harald blieb einen Augenblick über ihn gebeugt stehen. Dann ging er wieder zu dem Schrank, und indem er sich auf die Knie niederließ, untersuchte er den Boden des untersten Faches.
„Hat außer Ihnen jemand einen Schlüssel zu dem Schrank? fragte er dann.
„Nein, es gibt überhaupt keinen zweiten. Die Firma, die mir den Schrank lieferte, fertigt niemals zwei gleiche Schlüssel an, das ist Prinzip bei den Leuten," versetzte Herr Melneck, der sich infolge des Kognaks ein wenig erholt hatte, „warum fragen Sie?"
„Weil ich auf dem Boden Blutspuren entdeckt habe, die Ihre Erzählung bestätigen. Es handelt sich also jetzt darum, herauszufinden, wie die Leiche verschwunden ist. Sind Sie ganz sicher, daß der Schlüssel sich niemals in anderen Händen befunden hat als in den Ihren?"
„Ich trage ihn stets bei mir!"
„Wäre es nicht möglich, daß jemand ihn so lange gehabt hatte, um einen Wachsabdruck davon zu machen?"
„Ganz unmöglich. Ich trage ihn immer in der Westentasche mit ein paar anderen kleinen Schlüsseln zusammen, wie Sie sehen, und würde seinen Verlust sofort bemerkt haben."
„Die Einbrecher müssen aber doch an dem Schrank gewesen sein," fuhr Harald fort. „Sie sehen es ja auch an den anderen Sachen, die fehlen. Und sie müssen es mit der Leiche so gemacht haben, wie ich zuerst vorschlug. Sie haben sie offenbar durch das Fenster nach der Iakobi-
sührungen. Während des Abends trug der Liederkranz manch schönes Lied vor, die Maier'sche Kapelle spielte fleißig und gemeinsam gesungene Volkslieder gaben der patriotisches Stimmung Ausdruck, die den Abend beherrschte. — Der im Entstehen begriffenen Ortsgruppe des Wehrvereins haben sich schon zahlreiche Mitglieder angeschlossen.
() Göttelsingen. 26. Febr. Die Geburtstagsfeier S. M. des Königs wurde gemeinsam von dem Militär-Verein Göttelsingen, dem Gesang-Verein und dem Militär-Verein Erzgrube und Umgebung gefeiert. Eingeleitet wurde die Feier durch Böllerschüsse. Im Gasthaus z. „Sonne" war Früh!- schoppen, um 11 Uhr Kirchgang, wobei sich außer den drei Vereinen mit ihren Fahnen eine stattliche Zahl Göttelfinger Einwohner beteiligten. Nach dem Gottesdienst marschierten die Vereine ins Gasthaus z. „Traube", wo das gut zubereitete Festessen von 46 Mann eingenommen wurde. Ehrenvorstand Pfarrer Kögel gedachte in einer längeren Rede des Königs, des Schwabenlandes u. des deutschen Reiches und endete mit einem Hoch aus dieselben.
// Nagold, 25. Febr. Der Geburtstag des Königs wurde hier in üblicher Weise begangen: mit Begrüßung des Tags durch Böllerschüsse, durch einen Festzug durch die Stadt zur Kirche, wo Dekan Psleiderer die Festpredigt hielt und durch eines Seminarfeier, bei welcher Seminaroberlehrer Kübele einen Vortrag hielt über das Thema: „Warum soll u. wie kann die Schule zur Selbständigkeit erziehen" und Mnsikoberlehrer Schmid durch verschiedene musikalische Darbietungen erfreute. Bet dem Königsessen im Hotel zur Post toastierte Oberamtmann Kommerell ans den König und Oberamtsrichter Ulzhöfer auf die Königin. Abends hielt der Militär- und Veteranenverein noch ein Bankett im Gasthof zum Rößle, das durch Reden und 'Gesänge gewürzt wurde.
// Nagold, 25. Febr. Bei der Jahresversammlung des hiesigen Geslügslzuchtvereins, dis durch einen Vortrag vvn Hauptlehrer Günther „über Entenzucht mit besonderer Berücksichtigung der Rouen-Rasse" belebt und vertieft wurde, teilte der Vorstand mit, daß im Herbst hier eine Geflügeil- schau abgehalten wird und daß Mitglied Sitzler- Rohrdorf letzten Sonntag vor 8 Tagen in Stuttgart mit einem 1. und einem Ehrenpreis für schöne Minorca-Hühner ausgezeichnet wurde.
* Wildberg, 25. Febr. Gestern hielt der Bezirksobst bauverein im SchwarzwaldbränhauA hier seine Generalversammlung ab. Nach dem Rechenschaftsbericht betrugen die Einnahmen Mk. 842.63, die Ausgaben Ml. 703.40. Das Gesamtvermögen des Vereins beträgt Mk. 990.10/ die Mitgliederzahl 647. Der Vorstand wurde einstimmig wiedergewählt, Bizevorstand, Schriftführer und Kassier bleiben ebenfalls dieselben. Der Ausschuß setzt sich wie folgt zusammen: Stadtpfleger Lnz-Altensteig, Schultheiß Dengler-Ebhausen, Waldmeister Walz-Rohrdorf, Rechner Stockinger-Rotfel- den und die Banmwarte Wurster-sSchönbronn, Breh- maier-Wildberg, Seeger-Ueberberg, Julius Raas- Nagold, Wialz^Walddors. Den Wahlen folgte ein Bor trag von Gärtner Raaf-Nagold über Spalier- und Zwergobstbau. In der Diskussion trat Oberamtmann Kommerell für die Anpflanzung von Spalierbäumen an öffentlichen Gebäuden, wie Rat- nnd Schulhänsern re. ein. l '
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kirchstraße hinabgelassen und sie dann auf dem Karren forttransportiert, den der Schutzmann gesehen hat. Aber wie sind sie nur an den Schrank gekommen? Halt, jetzt Hab' ich's!" rief er plötzlich. „Alle Achtung, ein feines Stückchen Arbeit, das muß ich sagen! Sehen Sie her! Ja, solche geriebenen Einbrecher brauchten allerdings keinen Schlüssel." Und er führte Herrn Melneck wieder nach dem Schrank. Halb betäubt folgte der Handelsherr mit den Augen Haralds Zeigefinger.
„Sehen Sie her! Diese ganze Seite des Schrankes ist mit einem scharfen Instrument herausgeschnitten und, nachdem die Kerle herausgeholt hatten, was sie brauchten, wieder lose eingefügt!" So war es, und zwar war das Werkzeug so fein und scharf, daß der Schnitt, der sich gm die ganze Füllung zog, nur sichtbar wurde, wenn man ganz genau kinsah.
Melneck starrte mit einem ganz blöden Ausdruck auf den Schrank. „Ja, ja," sagte er, „aber ich begreife nicht, warum sie — warum sie — „das" mitgenommen haben."
Harald begriff es wohl, aber er wagte nicht, es dem Manne zu sagen, der offenbar am Ende seiner Kräfte angekommen war. Um ihn abzulenken, fragte er daher: „Welchen Wert haben wohl die gestohlenen Sachen?"
„Ungefähr vierzig tausend Mark doch immerhin," war die Antwort. „Die größere Kassette enthielt Wertpapiere für rund dreißigtausend und die kleinere Gold, Silber und Noten für etwa zehntausend."
„So, so! Na, das scheint den Herren nicht genug gewesen zu sein, offenbar verwöhnte Leute. Aber Mut und Entschlossenheit müssen sie wohl auch besitzen. Ich kann mir den Schrecken ungefähr vorstellen, den sie kriegten, als sie die Seitenfüllung Herausnahmen. Aber schnell genug hatten sie auch ihren Vorteil begriffen. Sie nahmen den Leichnam mit, um Sie zu verhindern, den Einbruch anzuzeigen. Hätten sie ihn dagelassen, und wir hätten ihn fortgeschafft, dann hätte kein Mensch ihnen die Geschichte geglaubt, ma» hätte siutach angenommen«