st Stuttgart, 1. Jan. Im Hause Johannes- straße Nr. 29 ist heute der Kaufmann Karl Frey­tag vom zweiten Stock zum Fenster seiner Wohn­ung hinaus in den Hof gestürzt. Er erlitt so schwere Verletzungen, daß bald darauf der Tod eintrat. Heute nachmittag kurz vor 2 ^ Uhsr wurde am Hauptbahnhof vor dem Portal ein etwa 65 Jahre alter Mann namens Beiß von einem Auto überfahren und zur Seite geschlendert. Er erlitt Kopfwunden und eine schwere Gehirnerschüt­terung. Um 5 Uhr nachmittags ist von der Straßenbahn in der Neckarstraße vor der Stöckach- schule eine Frau ristckwärts abgesprnngen. Sie wurde auf den Hinterkopf geschleudert und erlitt einen Schädelbruch.

st Maulbronn, 31. Dez. In serres brach ge­stern nachmittag 12 Uhr im Hause des Gold­arbeiters Peter Jourdan der Boden der im 2. Stock befindlichen Küche in den Stall hinunter. Tie 24jährige Tochter und ein Knabe fielen mit hin­unter. Erstere erlitt dabei schwere Verletzungen durch die nachfolgenden Möbelstücke und Lteine. Vieh wurde nicht verletzt. Das Haus wurde erst 1904 gebaut.

st Wangen i. A., 31. Dez. Für die Erbauung eines neuen Bezirkskranke nhaus'es in Wan­gen ist vom Bezirksrat schon ein Bauplatz zu 9 einhalb Morgen in hervorragender Lage zu an­gemessenem Preis erworben worden. Das Bedürfnis der Erbauung eines neuen Bezirkskrankenhauses für den u nteren Bezirk mit 70 Betten wurde auch von der Amisversammlung anerkannt und die Ausführung des Baues einstimmig beschlossen. Mit dem 1906 in Jsny erbauten KrankenhausWil­helmsstift" mit'"40 Betten, das'als Bezirkskran­kenhaus für den oberen Bezirk dient, ist als­dann für die Krankenpflege im Bezirk ausreichend gesorgt.

ss Pforzheim, 1. Jan. Der hiesige Bijouterie- fabrikant Emil Hab er st roh hat sich in seinem Geschäftslokal mit Zyankali vergiftet. Er litt an einer starken Nervenzerrüttung, die ihn in den Too getrieben haben soll.

Erdbeben.

st Ebingen, 1. Jan. Gestern abend um drei- diertel 7 Uhr wurde hier ein Erdstoß wahrge­nommen, der von einem starken Rollen begleitet war. Die Erschütterung war allgemein wahr­nehmbar.

st Reutlingen, 1. Jan. Nach längerer Pause wurde gestern abend hier wieder ein Erdbeben verspürt, das an Heftigkeit demjenigen des 16. November 1911 gleichkam, aber nur in einem dumpfen Stoß sich äußerte, sodaß irgendwelcher Schaden nicht entstand. Momentan wurde die Ein­wohnerschaft von einer gewissen Unruhe erfaßt, die sich jedoch bald legte, als alles ruhig blieb und sich das Phänomen nicht wiederholte. Wahr­genommen wurde der Erdstoß selbst in den Kir­chen, wo um diese Zeit Gottesdienst stattfand.

ss Stuttgart, 1. Jan. Das alte Jahr hat sich ziemlich geräuschvoll verabschiedet, es hat uns zum Schluß noch einen gehörigen Kumpler gebracht, der am Silversterabend ziemlich genau um 6.50 Uhr in einem großen Teile des Landes mehr oder weniger deutlich empfunden wurde. Der Erdstoß war von leichtem unterirdischem Rollen beglei­tet. Er dauerte nur etwa eine Sekunde, hat aber doch mancherorts einige Aufregung hervorgerusen.

M L«lef*»rchL. N-

Wird man wo gut ausgenommen,

Muß man nicht gleich wiederkommen,

P. A. Wolfs.

UrbrrwinbrnL^ Krbr.

Erzählung von B. v. Winierfeld.

(Fortsetzung.) Nachdruck verboten.

Indessen war Hilde geschäftiger und tätiger denn je. Sie wurde ihrer Tante in dieser Vorbereitungszeit für das Hochzeüsfest unentbehrlich. Was gab es da nichk zu be­denken und zu tun! Sie lebte in all der äußeren Unruhe ihr stilles Innenleben im steten Erinnern an ihren ge­liebten Vater und alle seine goldenen Worte und Rat­schläge, ihr reiches Vermächtnis von ihm. Sie war im Herzen still geworden und begegnete dem Brautpaar mit liebevoller Freundlichkeit; sie wünschte ihren Verwandten, denen sie sich zu warmem Dank verpflichtet fühlte, neidlos ein reiches Lebensglück, und sie jagte sich, daß sie ja dank­bar sein müsse, daß das Schicksal die arme Waise an einen Platz gestellt, an dem sie so viel Gutes schaffen und anderen nützen durfte. Wie wenigen in ihrer Lage würde das zuteil! Es wäre ja bitterer Undank, wenn sie noch mehr begehrte I Und jo brachte sie ihr Herz nach und nach zum Schweigen und zum stillen Entsagen. Sie zwang sich, ihr Glück immer mehr, nur in dem Glück anderer, zu suchen. Und jo kam es denn auch, daß ihr weiches, blasses Gesicht mit der Zeit wieder den alten, zufrieden heiteren Ausdruck gewann, den es früher getragen, wenn auch ihr Wesen immer ein stilles Zurücktreten blieb, wie es stets ihre Art gewesen. Man bemerkte kaum ihre Anwesenheit, aber man vermißte sie, wenn sie fort war, sogleich fühlbar und munerzllw.

In Stuttgart und Umgebung hob alsbald ein Te- ! lephonieren an, hauptsächlich bei den Redaktio­nen, ob es wirklich ein Erdstoß gewesen sei und ob mau nock stärkere zu erwarten habe. Auf den Fildern und im Neckartal scheint der^Stoß mehr empfunden worden zu sein als im Stutt­garter -Kessel. In Tübingen entstanden in der Stiftskirche, wo gerade, wie anderswo auch, der Jahresschlußgottesdienst abgehalten wurde, unter den Kirchenbesuchern eine merkliche Aufregung, die sich aber bald wieder legte.

Ter Tod des Staatssekretärs v. Krd-erieni.

st Stuttgart, 1. Jan. Der morgen mittag drei­vierter 12 Uhr mit dem Nürnberger Schnellzug von fernem Schloß Hohenfinow zur Beisetzung des Staatssekretärs v. ' Kiderlen-Wächter hier eintres- sende Reichskanzler v. Bethmann-Hollweg wird im Namen des Kaisers und der Kaiserin dem ver­storbenen Staatsmann die letzte Ehre erweisen.

Ter neue Präsident des Konsistoriums.

st Stuttgart, 31. Dez. (Ernennung.) Der König hat den Präsidenten des Steuerkollegiums v. Zeller zum Präsidenten des Evang. Konsi­storiums ernannt.

Der an die Spitze des evang. Konsistoriums berufene Präsidenten v. Zeller ist von Haus aus Kameralist, womit der Brauch, an die Spitze des Konsistoriums einen Juristen zu stellen, wieder­um wie bei Prälat v. Sandberger unterbrochen wurde. Präsident v. Zeller ist 63 Jahre alt. Er ist in der Laufbahn eines Finanzbeamten bis zum Ministerialrat im Finanzministerium ausgestie­gen, wurde dann Direktor des statistischen Han- desamts und war seit 1904 Präsident des SLeuer- kollegiums. Der Landessynode gehörte er seit 1894 an und war in der 6 ., 7. und 8. Synode ihr Präsident und als solcher zugleich Mitglied der Ersten Kammer, der er auch fernerhin als Prä­sident des Konsistoriums angehören wird.

Zentralstelle für Landwirtschaft.

st Stuttgart. 31. Dez. In der Sitzung des Gesamtkollegiums der Zentralstelle für Landwirt­schaft, ließ sich der neue Staatsminister des In­nern, Dr. v. Fleischhauer, wegen Krankheit ent­schuldigen. Der Vorsitzende, Regierungsdirektor v. Sting, widmete dem zurückgetrenen Staatsmini­ster Tr. v. Pischek herzliche Worte des Dankes für seine 19jährige Wirksamkeit auf dem Gebiete der Landwirtschaft. In seinem Bericht über die Frage der Erlassung, gesetzlicher Vorschriften zur Bekämpfung der schädlichen Auswüchse des Güter­handels' beantragte Landwirtschaftsinspektor Strö- bel-Ulm, der Minister möge zur Bekämpfung die­ser Auswüchse ähnliche gesetzliche Vorschriften be­antragen, wie in Bayern, durch das Güterzer­trümmerungsgesetz von 1910. Dieser Antrag fand einstimmige Annahme, da aus dem Referat eine Zunahme der Mißstände hervorging. Regierungs­rat Gaugser berichtete über die Ausfuhrungsbestim- mungen zum Gesetz betr. den Absatz von Kali­salzen. Auf seinen Antrag schloß sich das Kol­legium einer Erklärung an, die bei der Verhand­lung des gleichen Gegenstandes in der Sitzung des Deutschen Landwirtschaftsrares seftgestellr wurde, insbesondere betr. eine Abänderung der Bestim­mungen über die Sicherung gegen Untergehalt und über die Verwendung der Abgaben aus § 27.

Im stillen hatte sich Heideck hierüber gewundert, doch j er sagte sich :Horst wird Hildes Trauerjahr erst abwarten, ! bis er sich dem Grafen erklärt, und dann wird die Ver- j lobung ja veröffentlicht werden."

Sein Verhalten der neuen, jungen Cousine gegenüber war ein eigenartiges. Der frühere ungezwungene, ver­trauensvolle Verkehr hatte aufgehärt. Es fand sich niemals mehr eine Gelegenheit zu Aussprachen, wie früher. Anfangs wurde es Hilde unsagbar schwer, sich an diese Veränderung zu gewöhnen; aber nach und nach lernte sie es, einfach und freundlich gegen ihn zu sein, wie gegen ihre übrige Umgebung, so, als hätte er niemals mehr von ihrem Innen­leben besessen.

In dieser Zeit gewährte es ihr einen Trost, wenn inan ihr von allen Seiten versicherte, welch ein Glück es sei, sie in Eichenrode zu haben, als Ersatz für die einzige nun aus dem Elternhause scheidende Tochter. Dann umarmte die Gräfin sie unter Tränen und sagte:Hildchen, du darfst uns aber nie verlassen, versprich uns das!"

Bei solchen Gelegenheiten sah Heideck dann fragend zu Edith hinüber, und im Herzen dachte er:Wie mag es noch werden, wenn sie bald in die Oberförsterei zieht? Dann wird man sich doch ohne den sonnigen Hausgeist beheben müssen!"

^ ersten Nachtigallen in den Blütenbüschen des Eichenroder Parks ihre Frühlingslieder sangen, und weiße gelbe Anemonen bunte Muster über den Waldboden webten, da wurde im Herrenhause zu Eichen- rode die Hochzeit gefeiert. Alles war schön und sehr p^chkig hergerichtet. Die Braut sah berückend schön aus.

Lmüor hielt eine herzbewegende Traurede, in der das Gluck des jungen Gatten gepriesen wurde, ein solches Kleinod heimführen zu dürfen.

Unter den Brautjungfern befand sich auch Hilde, die überaus zart u»d lieblich in ihrem duftigen, weißen Kleide mit blaßroia Losen aussah.

... OorftSrster von Horst war für längere Zeit ve» GlückZÄ"AN?att- -r kurz und höflich schriftlich seine

Taran schloß sich ein Vortrag desselben Referenten über Maßnahmen zur Hebung der Schweinehaltung in Württemberg mit Ausführungen über die Schweinemastanstalt in Reute, Bezirksamt Neu-Ulm, und der Schweineaufzuchtstation in Weißenhorn. Dem Wunsche, die nächste Sitzung des Kollegiums in Ulm abzuhalten, um diese Anstalten besichtigen zu können, wurde beigstreten. Oberregierungsrat Baier erstattete den Bericht über die Gewährung eines erhöhten Kredits durch die K. Staatshaupt- tasft an die landwirtschaftliche Genossenschastskasffe, insbesondere über den Antrag, neben der bisher gewährten 1 Million Staatskredit einen weiteren bis zu 2 Millionen reichenden Kredit einzuräumen. Ter Antrag wurde einstimmig angenommen, des­gleichen ein Antrag, sich gegen eine Ermäßigung des Frachtsatzes für Auslandgetreide auszusprechen und für eine Erhöhung der Frachtsätze für die .Mehlversendung einzutreten, um die einheimische Landwirtschaft und die Müller zu schützen.

Der Balkankrieg.

Rumäniens Entschädigungsforderungen an Bul­garien wurden soeben in Sofia bekanntgegeben. Rumänien fordert die Abtretung eines Gebietes von 3000 Quadratkilometern Umfang /sowie den Schutz der Rechte der Kutzowalachen in Maze­donien. Daß Rumänien bereit und imstande ist, seine Forderungen durchzusetzen, bewies die mit Einstimmigkeit in der Bukarester Kammer erfolgte Annahme des Gesetzes, das 200 Millionen Francs zur sofortigen Vervollständigung des rumänischen Heeres verlangt. Die 400000 Mann zählende Ar­mee Rumäniens wird in kürzester Zeit um 80 Reservebataillone verstärkt werden. Der bulgarische Bevollmächtigte Dr. Danew in London erhielt laut Voss. Ztg." die Vollmacht, mit dem rumänischen Gesandten Mischu über die Vorschläge der rumä­nischen Regierung zu unterhandeln und selbst bin­dende Abmachungen zu treffen. Eine Entscheid­ung muß schon im Lause dieser Woche erfolgen angesichts der entschlossenen Haltung der rumä­nischen Regierung.

st Athen, 1. Jan. Die griechische Artillerie beschoß in der letzten Nacht die großen Biwaks der Türken zur Linken der Straße nach Janina, sowie den Ort Bisani. Die Türken antworteten, nicht, machten aber um 3 Uhr morgens einen Angriff auf das Zentrum und den linken Flügel der Griechen, der jedoch zurückgeschlagen wurde. Das Artilleriefeuer dauerte den ganzen Tag des 31. Dezember. .

Tie Friedenskonferenz.

st Konstantinopel, 1. Jan. Nach dem gestrigen Ministerrat wurden den türkischen Bevollmächtig­ten in London neue Instruktionen gesandt, auf Grund deren man glaubt, daß die Verhand­lungen morgen einen entscheidenden Schritt vor­wärts machen werden. Der Kriegsminister ist mit den Stabsoffizieren aus dem Hauptquartier an der Tichataldschalinie zurückgekehrt. Der Besuch des Sultans im Hauptquartier, der auf morgen abend angesetzt und für den alles vorbereitet war, wurde vorläufig ausgegeben. Hier verlautet, daß Bul­garien zur Entsendung von Heilmitteln und Ver­pflegungsmaterial nach Adrianopel seine Einwil­ligung gegeben habe. Die erste Sendung ist be­reits heute erfolgt.

Endlich war das HochzeNssesl vorüber. Unter Tränen und Lächeln hatte man Abschied genommen, und als der Wagen mit dem jungen Paar den Blicken entschwunden war, meinte Hilde, daß für sie nun ein neuer Lebensab­schnitt beginne. Wie vieles mußte sie von nun ab den alternden Verwandten ersetzen, die ihr einziges Kind sehr vermissen würden, selbst wenn sie es später in ihrer nahen Nachbarschaft behielten. Sie bat Gott um Kraft, ihre Auf­gabe treu und dankbar erfüllen zu können.

In Heidburg war alles auf das schönste hergerichtet: die geschmackvollen, reich ausgestatteten Salons, das reizende Boudoir, der Helle Gartensaal, von dem eine Freitreppe hinunter an den See führte, den die uralten Bäume des weiten Parkes umrahmten, alles erschien Hilde märchenhaft und entzückend, als sie mit ihrer Tante am Tage vor der erwarteten Ankunft des jungen Paares dort war, um noch bei den letzten Empfangsvorbereitungen zu helfen.

Edith erschien ihr zuweilen wie die Prinzessin im Märchen, über die eine gute Fee alle Glücksgüter der Erde ausgeschüttet.

Während der letzten vier Wochen waren einige Male Postkarten, von Heidecks Hand geschrieben, eingetroffen. Sie zeigten immer wundervolle Ansichten von Gebirgen und Städten, Orten und Gegenden, die sie durchreist. Edith schrieb gar nicht, bestellte nur Grüße, die ihr Gatte auf den Karten ausrichtete.

Hilde dachte bei sich: wie ist das möglich! Sie müßte doch glückatmende Briefe voll seliger Dankbarkeit an ihre Eltern schreiben, die sich bisher noch nie von ihrem Kinde getrennt hatten! Die kurzen Ansichtskarten waren im Grunde auch nichts anderes, als gerade nur Lebenszeichen. Aus Heidecks wenigen Worten entnahm man so gar keine besondere Glückseligkeit. Hilde war enttäuscht. Sie hatte sich immer gedacht, Leute auf der Hochzeitsreise könnten gar nicht anders, als ihr unermeßliches Glück auch gegen die nächststehenden Menschen auszusprechen, und sei es mit noch io wenigen Worten.