' Kiderlen Wackrer zu übermitteln. Der Ministerprä­sident und die Minister haben heute ihre Karte in der Botschaft abgegeben.

ss Wien, 30. Dez. Die Nachricht von dem Plötz- ' lichen Hinscheiden des Staatssekretärs von Kiderlen- Wächter hat hier in allen politischen Kreisen auf­richtigste und schmerzlichste Teilnahme heroorge- rufen. Alle Blätter widmen dem Staatssekretär .warm empfundene Nachrufe, in denen sie seines ' kraftvollen, zielbewußten Wirkens in der Leitung der Politik Deutschlands gedenken und hervorheben, daß nicht nur Deutschland, sondern die ganze euro­päische Deplomatie mit Kiderlen einen ihrer mar­kantesten Vertreter, Oesterreich-Ungarn besonders aber auch einen aufrichtigen Freund und treuen, überzeugten Anhänger des Dreibundes verloren habe. Der Tod habe diesen hervorragenden Staats­mann mitten aus seiner aufrichtigen und konse­quenten, auf die Erhaltung des europäischen Frie­dens gerichtete Tätigkeit, gerissen, in einer Zeit', die trotz eingetretener Entspannung noch krisenhaft sei, und einen erfahrenen Mann, wie es Kiderlen war, in der Leitung der Politik fordere. Der schwere Verlust, den das verbündete Deutsche Reich in dieser kritischen Zeit erlitten habe, werde auch in Oesterreich-Ungarn aufs tiefste mitempfunden und betrauert.

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Landesnachrichten.

mienrteig, 31. Dezember. 1912. ss Neujahr. Schon die alten Aegypter feier­ten den Neujahrstag als Volks- und Freudenfest mit Opfern, und Festversammlungen. Ihr Sonnen­jahr begann beim Aufgang des Sirius. Am Neu- jahrstagmorgen empfing der König von seinen Be­amten, wie noch heute in Aegypten der Hausherr von seinen Hausgenossen, Geschenke. Babylonier und Perser begannen ihr Jahr mit der Frühjahrs-, Tag- und Nachtgleiche. Die Römer feierten den Jahresanfang als Volks- und Freudenfest mit ge­genseitiger Beglückwünschung, Austeilung von Ge­schenken, jedoch erst seitdem der Neujahrstag vom 11. März im alten zehnmonatigen Jahr auf den 1. Januar verlegt worden war. Die weltliche Feier fand auch bei den Christen Eingang und wurde ihre Ausartung von den Kirchenvätern viel­fach bekämpft. In den europäischen Ländern wurde im allgemeinen und zwar das ganze Mittelalter hindurch das Jahr mit dem 25. März (Mariä Verkündigung) mit Ostern und mit dem Weih- ilachtstage begonnen. Tie größte Mannigfaltigkeit in Bezug auf den Jahresanfang herrschte in Deutschland. Karl der Große begann das Jahr mit dem 25. März. Im 10. Jahrhundert kam in Deutschland der Gebrauch auf, das Jahr mit dem Weihnachtstage anzufangen. Erst inr Jahre 1582 sing man an, einen feststehenden, allgemein giltigen Jahresanfang zu denken und es war Papsi Gregor 13., der den Anfang machte, diesen Uebel- ständen abzuhelfen, indem er den alten Kalender reformierte und den Anfang des Jahres auf den 1. Januar festsetzte. Jndeß fand die Neuerung geraume Zeit hindurch keinen allgemeinen Anklang. Bei den Deutschen war früher die Sitte der Neu­jahrsgeschenke ganz allgemein, nach und nach wurden sie jedoch durch die Weihnachtsgeschenke verdrängt. !

L » i esrircd

So führt das Schicksal an verborgnem Band Den Menschen "auf geheimnisvollen Pchden:

Dort über ihmZrveilt eine Götterhand,

Und wunderbar entwirret sich der Faden.

Slbiller.

Aebrrwiudrnds Liebe.

' Erzählung von B. v. Winierfeld. (Fortsetzung.) Nachdruck verboten.

Heideck kehrte bald nach Berlin zurück. In der Billa am Tiergarten wurde er mit Freuden empfangen. Sein enttäuschtes Herz fand Trost und Erholung unter der zu­vorkommenden, warmherzigen Umgebung. Edith war hin- gebend freundlich und suchte alle seine Wünsche zu erraten.

Acht Tage später fand zur großen Freud« der gräf­lichen Eltern Baron Heidecks Verlobung mit Gräfin Edith Eichen in Berlin statt.

Ls war an einem stürmischen Abend, der Februarr-siud begann den Schnee von der Erde zu tauen, und wie leises Ahnen kommenden Frühlings lag es « der Luft.

Hilde kam eben von einem Besuch bei der Steinklopfers- frau, die sich, dank ihrer Fürsorge, immer mehr erholte. Voller Dank hegen Hilde hing die arme Familie mit größter Liebe und Verehrung an ihr. Wie wohl tat diese An­hänglichkeit ihrem Herzen.' Ueberhaupt bereicherte es ihr Leben über die Maßen, zu wissen, daß sie im Dorf überall geliebt war und man ihren Besuchen an Kranken- und Siech betten stets mit Sehnsucht und Vertrauen entgegensah. Die Hausleute waren ebenfalls glücklich über ihre Rückkehr aus Berlin, und die alte Mamsell bot alles auf, um es

* Neuausgabe dos Kirchenbuchs. Im Amts­blatt des Ev. Konsistoriums wird ein kirchliches Gesetz vorn 18. Dez. 1912 veröffentlicht, das be­stimmt:An die Stelle des bisherigen dritten Teils des Kirchenbuchs für die evang. Kirche in Württemberg tritt die in der amtlichen Ausgabe enthaltene neue Fassung des dritten Teils". Gleich­zeitig wird ein Erlaß über die Einführung be­kannt gegeben.

* Pfalzgrafenweiler, 30. Dez. Am Johannis­feiertag hielt der Landw. Bezirksverein hier seine jährl. Hauptversammlung im Gasthof zum schwanen" ab. Tierzuchtinspekror Storz-Heilbronn hielt dabei einen Vortrag über Viehzucht. Er trat insbesondere für die qualitative Verbesserung des Tierbestandes ein, für eine sorgfältige Zucht­wahl und eine naturgemäße Aufzucht de«' Kälber.

* Calw. 30. Dez. In der mech. Holzwarensabrik von Blank und Stoll brach gestern früh im Säg­mehlstall Feuer aus. Das Feuer konnte durch die Feuerwehr gelöscht werden, ehe es größere Aus­dehnung annahm. Der Schaden wird auf 3000 bis 4000 Mark geschätzt. Die Entstehungsursache wird auf Heißlaufen eines LageBs zurückgeführt.

ss Schönmünzach, OA. Freudenstadt, 30. Dez. Die auf der Murgbrücke in Forbach von dem Post­wagen umgefahrene ledige Händlerin Walpurga Birk von Oos ist nach Amputation des verletzten Fußes ihren Leiden erlegen. Ob den württembergi- schen Postillon eine Schuld trifft, wird die Unter­suchung ergeben.

ss Leonberg, 30. Dez. Im Mehlschen Stein­bruch in Malmsheim ist der Aufseher Steidle mit einem Rollwagen entgleist. Er hat schwere innere Verletzungen erlitten und schwebt in Lebensgefahr.

ss Machtolsherm, 30. Dez. Gestern abend ist die dem Zimmermann Johs. Erz jun. gehörende Sägerei samt den darin befindlichen Maschinen, Holz- und Oelvorräten vollständig niedergebrannt.

ss Bietigheim, 30. Dez. Ein schreckliches Un­glück löst das andere ab. Gestern wurde der Eil­gutbeförderer Johannes Binder von hier, ein ver­heirateter Mann, während er auf dem Bahnhof mit Ein- und Umladen von Frachtgütern .beschäftigt war, von einem einfahrenden Zuge erfaßt und auf der Stelle getötet.

js Heiibronn, 30. Dez. Zu dem Gerücht, daß der Billensbacher Schwindler, der dort die Kasse des Gemeindepflegers als Landjäger revidierte und einen größeren Betrag mitnahm, in Gestalt eines Notariatsgehilfen entdeckt worden sei, bestätigt sich nickt. >

js Großküchen, 3d. Dez. Der ^teinhauer Se­bastian Eberle, Vater von 7 Kindern, wurde. im Walde beim Holzmachen von einem stürzenden Baume getroffen und wurde io schwer verletzt,s daß er bald daraus verstarb.

si München, 30. Dez. In der Station Bruck­berg bei Moosburg hat sich heute abend ein schwerer Ei s e n b a h n u n fa l l ereignet. Der Personenzug, der um 6.40 Uhr von Landshut nach München abgeht, wurde in der Station Bruckberg allsgehalten, weil er durch den Berliner Luxus­zug 16, der Landshut auf seiner Fahrt nach Mün­chen um 6.25 Uhr verläßt, überholt wurde.

dem lieben, gnädigen Fräulein an nichts fehlen zu raffen.

Alles dies half ihr, den inneren Schmerz einer tiefen Enttäuschung, die sie sich freilich selber nicht eingestehen wollte, leichter zu tragen. Sie wußte ja längst, daß es so kommen würde, wie es kam. Dennoch, als sie an jenem Februarabend bei ihrer Heimkehr den Brief mit ihres Onkels Handschrift auf dem Teetisch vorfand, zitterten ihre Hände, während sie las, und als sie es nun schwarz auf weiß stehen sah, was sie längst kommen gesehen, da krampfte sich ihr Herz zusammen, und sie konnte lange, lange nicht einschlafen in jener Nacht. Immer stand Heidecks treuer, teilnehmender Blick oor ihrer Seele, der Blick, der ihr unter Tausenden im Leben am meisten Verständnis verraten, der ihr so wohlgetan hatte.

Nun wurde er ihr Vetter, Ediths Gatte! Sie schalt sich selber töricht, daß sie ihren Gefühlen erlaubt hatte, so weit zu spinnen. War er nicht nur ein gutherziger Mensch, dem eben die arme Waise leid getan hatte? Es war höchste Zeit, daß sie ihren Empfindungen nicht nachgab l Nein, sie mußte und wollte stark und pflichttreu sein, und niemand durfte ahnen, wie viel sie innerlich durchritt! Ihr Onkel bat sie, zu der offiziellen Verlobungsfeier nach Berlin zu kommen.Unsere kleine Hilde, unser treuer, lieber Hausgeist darf doch bei solchem Freudenfest nicht fehlen!" hatte er geschrieben

Und so nahm sie denn an all der frohen, glänzenden Unruhe teil, die diese Verlobung mit sich brachte, und sie zwang sich, zu lächeln, und zwang sich, auch innerlich den beiden Beteiligten alles erdenkliche Glück zu wünschen.

Heideck machte einen zufriedenen Eindruck. Strahlende Heiterkeit lag überhaupt nicht in seiner Art. Er sagte sich selber, e» sei glücklich, nun oald ein liebendes Weib, eme treue Gefährtin in seinem bisher einsamen Leben und öden Heim zu haben. Weil und breit lobte man seine Wahl, als überaus passend und wünschenswert, desgleichen pries man das gräflich Eichensche Paar glücklich, einen solchen Schwiegersohn gefunden zu haben.

Man kam wenig zur Ruhe. Gesellige Verpflichtungen,

Mehrere Passagiere des Personenzuges stiegen nun vorzeitig aus und wurden von dem gerade pas­sierenden Schnellzug erfckßt. 3 Personen wurden getötet und t schwer verletzt. Unter den Getöteten sollen sich eine Gastwirtsgattin und ihre 12jährige Tochter befinden, lieber die Personalien der beiden anderen Verunglückten ist noch nichts näheres bekannt.

Rücktritt v. d. Goltz Paschas.

* Berlin, 30. Dez. Im April find größere Ver­änderungen in den leitenden Heeresstelken zu er­warten. Feldmarschall Freiherr v. d. Goltz Pascha, der 70 Jahre alt wird, wird von feiner Stellung als Inspektor der 5. Armeeinspektion zurücktreten'. Als neuer Inspektor wird unter anderen der Kom­mandierende General des 16. Armeekorps von Pritt- witz und Gaffron und der des' dritten Armee­korps von Kluck genannt. Wahrscheinlich wird zur selben Zeit ein Wechsel innerhalb der Besetzung der Armeeinspektionen stattfinden.

Tie Bergarbeiterbewegung im Saarrevier.

si Saarbrücken, 30. Dez. In der heutigen Re- vierkonferenz des Gewerkvereins christlicher Bergar­beiter wurde nach fast 5stündiger Beratung mit etwa Zweidrittel-Mehrheit eine Resolution an­genommen, nach der nicht in den Streik ein­getreten, sondern ein vorübergehender Waffen­stillstand abgeschlossen und ein I2gliedrige Kom­mission gebildet werden, die prüfen soll in­wieweit die versprochenen Zugeständnisse der Berg- werkdirektion in der Lohnfrage, sowie zur Arbeits^- ordnung erfüllt werden. Der Bericht der Kom­mission wird in 4 bis 5 Wochen zu erwarten sein und die Revierkonferenz hätte alsdann über die weiter einzuschlagenden Verhandlungen zu beraten.

Tie Weih« des Denkmals bei Tauroggen.

* Königsberg i. Pr., 30. Dez. Bei Taurog­gen, auf russischem Boden, erfolgte heute die Weihe des Denksteins, den Graf Dorck seinem Vorfahr in Erinnerung an die vor 100 Jahren zwischen dem preußischen Generalleutnant v. Uorck und dem russischen Generalmajor v. Diebitsch zu Tauroggen geschlossene Konvention errichten ließ. An der Feier nahmen außer den Mitgliedern der Familien Aorck und Diebitsch Vertreter preußischer und russischer Zivil- und Militärbehörden teil.

Die Entwicklung der deutschen Marine im Zahre 1912.

Die Entwicklung unserer Kriegsmarine im Jahr 1912 wird ihr besonderes Gepräge aufgedrückt durch die Einstellung der ersten Turbinen-Linien- schiff,' und der ersten Luftfahrzeuge, sowie durch 'die Annahme der die Bildung eines dritten ak­tiven Linienschiffs-Geschwaders fordernden Novelle zum Flottengesetz. Zum ersten Male konnte an den diesjährigen Manövern ein volles Geschwader aus modernen Linienschiffen teilnehmen, nachdem kurz zuvor bas im Frühjahr in Dienst gestellte LinienschiffOldenburg" als achter Dreadnought in den Geschwaderoerband eingetreten war.Olden­burg" ist das letzte deutsche Schlachtschiff, das noch mit Kolbenmaschinen bewegt wird. Die Weiter­entwicklung der Hochseeflotte geschah d/lrch die Bild­ung der 5. Linienschiffdivision, die als Grundlage

ore sich gerade jetzt häuften, die Besorgung oer Aussteuer, die Veränderungen in dem Schloß zu Heiüburg nahmen Zeit und Gedanken in Anspruch. Alles geschah, um Edith zu verwöhnen, um ihr künftiges Leben als junge Schloß­frau möglichst angenehm, bequem und herrlich zu gestalten. Sie selber nahm dies alles als ziemlich selbstverständlich hin. Fast noch schöner erschien sie jetzt mit dem frohen Lächeln auf dem stolzen Gesicht. Sie liebte ihren Ver­lobten wirklich, soweit ein in Selbstzucht ausgewachsener Mensch lieben kann, und er war ja der Mann ihrer Wahl, den sie sich nicht ohne Mühe gewonnen.

Die Hochzeit sollte bald sein, denn Heideck ersehnte das Ende seiner Einsamkeit. Zuweilen, wenn er in seltenen stillen Augenblicken zur Besinnung kam, dann dachte er wohl, dag er sich früher die Braurzeit anders geträum:; da hatte ihm ein unermeßliches Glück allein durch die Liebe und das tiefe Verständnis des einen für des andern vor­geschwebt. Von allen den zahllosen äußeren Vorbereitungen, Anforderungen, von der Wichtigkeit, mit der man Haus, Zimmereinrichtungen usw. behandelte, hatte er keine Ahnung gehabt. Aber für die alte Gräfin und auch für Edith galten diese Dinge als Hauptsache in dieser Zeit. Und wenn er zuweilen seufzend meinte:Ach, das ist ja so gleichgültig, wenn wir beide nur erst gemütlich in unserm Heim zusammen sind!" und dabei seine Braut liebevoll an sich zog, dann entgegnen diese lachend:Ach, du träumst immer noch von dem Raum in der kleinsten Hütte, in der ein liebend Paar glücklich sein kann! Du yast eben keine liebe Mutter und keine Schwester gekannt, Schatz, und darum verstehst du eben diese unerläßlichen Dinge nicht, die einmal in unserm Stande nötig sind I Aber laß Mama und mich nur alles machen, nachher wird es dir schon auch gefallen I" Und als sie sein ernstes Gesicht ,ah, streichelte sie mit ihren weißen Händen seine Wange, und ruhte nicht, bis er sie lächelnd küßte.

Fortsetzung folgt.