Ultenrteig, L-r. November 191-.

Helferinnen vom Roten Krenz. Am Donnerstag fand in Anwesenheit Ihrer Kaiserl. Hoheit der Herzogin Robert von Württemberg, welche im Äuto von Stuttgart hier eintraf, der von der Helferinnen-Abteilung Altensteig neu eingerichtete Lehrkurs im schön geschmückten Saal des Gasthofs z.grünen Baum" Kl e irrer Prüfung lernen ^Ab­schluß. Zehn Teilnehminnen,'9 Mädchen unk eme Frau aus Stadt und Umgebung waren dem Rufe des Landesvereins vom Roten Kreuz gefolgt. Beim Eintreten in den Saal wurde Ihre Kai'erl. Hoheit von einem 6jährigen hiesigen Bürgertöchterchen in Schwarzwaldtracht ein Waldstrauß mit einem poe­tischen Willkommgruß überreicht, wofür Ihre Kai­ser!. Hoheit sichtlich erfreut dankte und sich mit dem Kind in huldvollster Weise unterhielt. Nach­dem Herr Oberamtmann Kommorell irr kurzer An­sprache Ihre Kaiserl. Hoheit und die Borstands­mitglieder 'des Landesvereins vom Roten Kreuz be­grüßt und für ihr Erscheinen gedankt hatte, wurde die Prüfung von Herr Dr. Rich, Vogel, welcher den Unterricht erteilt hatte, abgehalten; dieselbe ergab ein in jeder Beziehung befriedigendes Resultat. Herr Direktor Dr. v. Geyer aus Stuttgart dankte Herrn Dr. Vogel im Namen des Landesvereins für die vorzügliche Ausbildung seiner Schülerinnen und Len Vorsitzenden Damen für ihre Mühe. Ferner sprach er den Helferinnen seine volle Anerkennung aus u. gab der Hoffnung' Ausdruck, daß ihr Wirken in Kriegs- und Friedenszeitcn ein segensreiches sein möge. Herr Dr. Vogel dankte den Helferinnen» und beglückwünschte sie zu dem bestandenen Exa­men. Nach Beendigung der Prüfung überreichte ein hiesiger Bürgersohn, der mit anderen zu den Ver­bandsübungen bestellt war, Ihrer Kaiserl. Hoheit mit poetischen Worten einen Waldstrauß. Nachdem sich Ihre Kaiserl. Hoheit verabschiedet hohe, blie den die Helferinnen noch einige 'Zeit mit Frei sräulein Helene v. Gültlingen, welche den Anlaß zum Zustandekommen der hiesigen Helferinnen-Ab- teilnng des Roten Kreuzes - der ersten im Bezirk gegeben hat, und den Vorsitzenden zusammen. Von auswärts waren zur Prüfung noch weiter erschie­nen: Herr Oberamtsarzt Sanitätsrat Dr. Fricker und Herr Oberarzt Dr. Korn vom Militärgenesungs­heim ^Nagold, Frl. Klara Springer von Ludwigs­burg, sowie die leitenden Schwestern der Bezirks­krankenhäuser Nagold und Calw, welche nun die praktische Ausbildung der Helferinnen übernehmen werden.

* Museum. In der gestern abend in der Traube" stattgefundcuen Generalversammlung des Museums wurde der seitherige stellvertretende Vor­stand, W. Nieter, zum Vorstand gewählt. Für di? nächste Zeit ist ein Vortrag, sowie eine Weih­nacht s u n t e r h a l t ufn g vorgesehen.

* Tie seitens der liberalen Parteien zu Ehren des Kandidaten Vogel aus morgen Sonntag vor­gesehene Feier findet, da der Traubensaal ander tveitig belegt ist, imSternen" statt.

- HochLorf, 22. Nov. Bei der am Donners­tag stattgehabten S ch u ltheiß enw ah l kam der seltene Fall vor, daß beide Kandidaten gleich viele Stimmen bekamen. Es findet deshalb eins zweite Wahl statt. Beide Bewerber, Gauß und Schaiblc, sind Schultheißensöhne von Hochdorf. - Die Tatstraße nach der Stadt ist gegenwärtig aufgeweicht wie noch nie und die Zugpferde haben schlimme Zeit. Dem Vernehmen nach wird diese Straße nächstes Jahr gewalzt.

* Calw, 23. Nov. Am morgigen Sonntag fin­det die Vorstellung und Prüfung der hiesigen freiwilligen S a n it äts ko l o n ne statt, die im No vember 1911 durch Amtmann Rippmann hier ins Leben gerufen wurde und sich seither durch theore­tische und praktische Hebungen unter der Leitung von Dr. Tchiler und des Kvlvnneuführers zur Ausnahme in den Verband des württ. Freiwilli­gen Sanitätskorps vom Roten Kreuz vorbereitete.

p Freudenftadt, 22. Nov. In den letzten Tagen ist reichlicher Schnees all niedergegangen. Auf dem Kniebis liegt bereits mehr als ein halber Meter Schnee, sodaß wiederholt der Balhnschlit- ten in Tätigkeit treten mußte.

1 Schramberg, 22. Nov. Gestern abend kam ein mit Bretter beladener Güterwagen auf dem hiesigen Bahnhof ins Rollen und fuhr iviccher bis nach Tchiltach zurück. Hier wurde er auf ein Nebengleis geleitet, wo er aus zwei Güterivagen stieß, die er beschädigte, während er selbst zer trümmert wurde. Er hatte zur Zurücklegung die ser Strecke, die ein Personenzug in 30 Minuten durchsährt, nur fünf Minuten gebraucht.

ii Stuttgart, 22. Nov. (Evangelische Lau dessynvde. Der König hat zu landesherrlichen Mitgliedern - für die 8. Evangelische Landessynode den Prälaten von Plant in Ulm, den Dekan Stahl ecker in Reutlingen und den Dekan Pezold in Kirch- heim, ferner den Direktor Dr. von Haffner, den Ministerialdirektor von Scheurlen und den Ober- kandesgerichtsrat von Mayer, die 'letzteren Lvei in Stuttgart, ernannt.

s s Gerabronn, 22 . Nov. (Eine überfa h r e n e Schafherde.) In der Nähe von Adelsheim be­fanden sich fast 200 Schafe eines Schäfers aus Blaufelden auf djer Landstraße unterwegs, als plötz­lich ein Automobil austauchte und in unheimlichem Tempo in d i e H e rd e h i u e i n/j a g t e. Die Wirk­ung war schauderhaft. Ein Viertelhundert Stück Schafe lagen verletzt auf der Straße. Ein halbes Dutzend mußte gleich geschlachtet werden. Der Schaden ist sehr beträchtlich. Auch das Automo­bil kam Bei dem Zusammenstoß schlecht weg.

st Friedrichshafen, 22. Nov. Der mit 16 000 Mark Postgeldern am 22. September flüchtig ge­gangene 17jährige Postanwärter O t t o Schenzle, auf dessen Ergreifung von der Generaldirektion der Posten und Telegraphen 1000 Mk. Belohnung ausgesetzt waren, ist gestern in London verhaftet worden. Die Auslieferungsverhandlnngen sind ein­geleitet.

Zur Landtagswahl.

st Stuttgart, 22. Nov. Der nach den Beschlüs­sen der Oberndorfer Landesversammlung verstärkte Landesvorstand der Z e u t r u m s p a r t e i hat ge­stern über das Verhalten der Partei im zweiten Mahlgang der Landtagswahl Beratung gepflogen. Die Beschlüsse werden zunächst geheim gehalten, Sie werden den einzelnen Bezirksdistrikten zuge­stellt werden. Gleich nach dem Abschluß der Haupt­wahlen sind zwischen der So zia ld e m'o k'rlatie und der Volks Part ei Verhandlungen über ein Zusammengehen bei den Neuwahlen angjeknüpft worden. Sie sind jetzt soweit gediehen, daß in verschiedenen Wahlbezirken mit einer gegenseitigen Unterstützung der beiden Parteien zu rechnen ist. Die in Betracht kommenden Wahlbezirke werden in nächster Zeit parteioffiziös bekannt gegeben. Auch dürsten da und dort noch lokale Widerstände zu überwinden sein. Die nationatliberale Partei wird an ihrem früheren Standpunkt der Ablehnung einer Grotzblockbildung unbedingt festyalten.

st Stuttgart, 22. Nov. Der Beobachter erklärt bezüglich der Stellungnahme der Volkspartei zum zweiten Mahlgang, seine Partei werde den Kampf in allen Wahlkreisen durchfechten mit Aus­nahme der für die aussichtslosen Bezirke. Das sei erfreulicherweise eine sehr kleine Zahl. Der engere 'Ausschuß der Volkspartei werde darüber in einer heute stattfindenden Sitzung Beschluß fassen.

st Tübingen, 22. Nov. In dem Wahlbezirk Tübingen-Amt hat die Deutsche Partei ihre Kan­didatur zu Gunsten der Volkspartei zurückgezogen. In der Hauptwahl erhielten: die Sozialdemokratie >709, die Volkspartei 1450, die Deutsche Partei 1199, der Bund der Landwirte und die Konserva­tiven 269 Stimmen.

st Schorndorf, 22. Nov. Für die Laindtags- nachwahl sollen, wie verlautet, die liberalen Kan­didaten Kramer und Kolb nicht mehr aufgestellt, sondern durch neue ersetzt werden. Verhandlungen sind bereits eingeleitet.

st Sulz, 22. Nov. Wie die Snlzer Chronik berichtet, hat die Sozialdemokratie beschlossen, im zweiten Wahlgang die Kandidatur KowaD aufrecht zu erhalten, sodaß sich also wieder drei Kandida­ten gegenüber stehen werden.

Ter Besuch des österreichischen Thronfolgers.

* Berlin, 22. Nov. Um 12 Uhr fand zu Ehren

des Erzherzogs Franz Ferdinand Frühstücks­tafel im Königlichen Schloß statt. Nach der Tafel begaben sich der Kaiser und der Erzherzog im Automobil zum Lehrter Bahnhof, wo um 2.10 Uhr die Abfahrt nach Springe erfolgte. ?

Ter bayerische Iesuitenerlaß.

* München, 22. Nov. lieber den b a y eris ch e n Antrag ans authentische Ausle.gung der durch das Gesetz vom 4. Juli 1872 verbotenen Ordens- tätig teil der Gesellschaft Jesu ist ein B nn d e s r a ts b e s ch lju ß bis zur Stunde noch nicht ergangen, soll aber nunmehr gefaßt werden. Kenner der Sachlage bezweifeln jedoch, ob dies noch in den wenigen Tagpn bis znm Wiederzusam­mentritt des Reichstags möglich sein wird, denn bisher haben, wie dieMünchen-Augsburger Abendzeitung" zu melden weiß, die Bundesrats- ausschüsse, an die das Plenum den Antrag ver­wiesen hatte, sich noch gar nicht mit der Ange­legenheit näher beschäftigt. Es liegen ihnen außer den Eingaben des bayerischen und preußischen Episkopats auf vollständige Aufhebung des Jesuiten- gesetzes bisher nur Anträge der vrenßischen Re­gierung zum bayerischen Antrag vor. Zunächst werden die Gegenäußerungpn der bayerischen Re­gierung hierzu erwartet. Nach deren Eingang, der bis zu dieser Stunde noch nicht erfolgt ist, muß den übrigen Bundesstaaten Gelegenheit gegeben wer­den, Stellung zu nehmen und ihre Vertreter im Bnndesrat mit neuen Weisungen zu versehen, was immer noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Dann erst werden die Bnndesratsansschüsse ihr Vo­tum abzngeben haben und auf Grund dessen wird

das Plenum seinen Beschluß fassen. Allerdings steht zu erwarten, daß im Reichstag alsbald eine erneute Interpellation hierüber eingebracht werden wird. Bis sie aber zur Verhandlung kom­men müßte, wird wohl der schwierige Bundesrats­beschluß endlich zustande gekommen sein. Es soll nämlich, wie das genannte Blatt weiter mitteilt eine Formel gefunden werden, die jede Verminder­ung der Autorität der bayerischen Regierung äußerlich vermeidet und es sachlich dennoch beim bisherigen Status quo hinsichtlich der Handhab­ung des Jesuitengesetzes beläßt. Der jüngste Be­such des bayerischen Justizministers v. THecke­rn ann beim Reichskanzler stand zweifellos mit dieser Frage im Zusammenhänge. Daß man zu einem Ausgleich kommen will und wird, darüber besteht längst zwischen Berlin und München volle Uebereinstimmung. Wie die Ausgleichsformel un­gefähr aussehen wird, weiß man wohl in den beteiligten Regierungskreisen auch bereits. Aber bisher ist eine endgültige Formulierung anschein­end noch nicht gefunden worden, sonst hätte man die Beschlußfassung des Bundesrats nicht immer von neuem hinausgeschoben in der Hoffnung, daß den Juristen in der Zwischenzeit schon irgend etwas Gescheites einfallen werde.

Der Balkankrieg.

Tie Bedingungjen des Waffenstillstandes.

st Konstantinopel, 22. Nov. Die Waffenstill­stillstandsbedingungen der verbündeten Balkanstaa­ten setzen die Uebergabe von Janina an die Grie­chen, von Skutari an die Montenegriner, von Mo- nastir an die Serben und von Adrianopel an die Bulgaren' fest, ferner die Einstellung; aller Truppen- und Munitionssendungen nach der Tscha- taldschalinie, die Verpflichtung in Tschataldscha keine neuen Befestigungen zu errichten. Außer­dem sollen die aus Anatolien kommenden Truppen an jenen Punkten, wo sie sich im Augenblick'des Abschlusses des Waffenstillstandes befinden, ver­bleiben. Die Kriegsschiffe an den Küsten von Der- kos und Bujuk-Tschekinetsche sollen nach Konstan­tinopel fahren.

Die Friedeusverurittler.

st Sofia, 22. Nov. Der Präsident der Sob- ranje, Danew, der Chef des Generalstabes, Fitschew, wurden von seiten Bulgariens mit den Waffen- stil lst a n d s v er h a rrd tun g e n betraut, und wer­den unverzüglich nach Tschataldscha abreisen, um sich mit den türkischen Delegierten zu besprechen. Ferner werden Tschapraschikow, Sekretär des po­litischen Kabinetts des Königs und Stanciow, Rat im Ministerium des Aeußern, die bulgarischen De­legierten unter dem Titel von Sekretären begleiten.

Friedensfttmmuttg in Bulgarien.

* London, 22. Nov. Das Reutersche Bureau meldet aus Sofia: Der Ministerrat hält eine besondere Sitzung ab, um die türkische Mit­teilung zu beraten. Es ist wenig wahrscheinlich, daß die Feindseligkeiten sofort wieder aus­genommen werden. Nach gewissen Andeutungen wird Bulgarien eine versöhnliche Haltsung einnehmen und die ursprünglichen Wasfenstill- standsbedingnngen abändern.

Wenn diese Reutermeldung zutreffend ist, wäre sie mit Freuden zu begrüßen. Sie eröffnet dann die Aussicht auf eine erfolgversprechende Fortsetzung der Verhandlung zwischen den Kriegführenden. Im übrigen bestätigt sie aber, daß die Friedfertigkeit der Bulgaren mindestens teil­weise auf ihre ungünstiger gewordene militä­rische Lage zurüchAeführt werden muß.

ß?iie Besetzung von Mytilene.

* Athen, 22. Nov. Das Marineministerium teilt mit: Ein griechisches Geschwader erschien gestern nachmittag vor Mytilene. Admiral Kun- turiotis forderte die Stadt /zur sofortigen Uebergabe aus. Die fremden Konsuln rieten, mn unnötiges Blutvergießen zu vermeiden, zur Räum­ung der Stadt durch die 700 Mann starke türkische Garnison. Der Admiral ließ 1500 Mann landen, von denen 400 die Stadt besetzten und 1100 die Verfolgung des Feindes aufnahmen. Die Land­ung fand unter dem Schutze des griechischen Ge­schwaders statt, das hierauf nach Lemnos wei­terfuhr.

Oesterreich und Rußland.

* Wien, 22. Nov. Während aus Belgrad der Beginn einer ruhigeren Auffaslsung in der Adriafrage gemeldet wird, wird hier auf An­fragen offiziös zugegeben, daß Rußland militä­rische Vorbereitungen treffe. Infolgedessen tauchen auch die Gerüchte über österreichische Mobilisier­ungen hartnäckiger auf, ohne jedoch von den maß­gebenden Stellen bestätigt zu werden. Die ge­troffenen Maßnahmlen bleiben auch tatsäclst lich weit hinter dem zurück, was man als Mo­bilisierung bezeichnen könnte. Die inspirierten Aeußernngen über die allgemeine Lage sind re­servierter, ohne alarmierend zu sein.