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1877.

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GamStag, d»n 23. Rov<«rbes«

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ISIS.

Krisgsverluste einst und jetzt.

Phantastische Ziffern über schreckliche Opfer der Türken und Bulgaren lassen sich heute noch nicht nachprüsen. Sind sie wahrscheinlich? Ja und nein! Zwei Jrrtümer stehen sich gegenüber: daß moderne Feuertechnik den Verlust steigerte oder umgekehrt das aufgelöste Gefecht ihn minderte, daß also die Kriege heute blutiger oder minder blutig seien. Beides läßt sich statistisch widerlegen und die tiefe Wahrheit entdecken, daß sich alles Kall für Fall nur nach den jeweiligen Gefechtsbedingungen rich­tet, daß kein Gegensatz von Einst und Jetzt seit Einführung der Schußwaffen bemerkbar wird.

Im Erbfolge-Krieg finden wir 6 sRamillias), 11 einhalb (Oudenarde), 20 (Malplaqnet), 33 (Blen-- heim, angeblich) Prozent Blutverlust. Den größten Sieg bei Leuthen erkaufte Friedrich mit nur l 4 Prozent Verlust, den von Roßbach mit 3 Prozent, sonst aber kosteten Siege und Niederlagen entsetz­lich viel und die Russen dürften bei Zorndorf nahezu 50 Prozent verloren haben. Trotz so schlech­ter Musketen und Geschütze konnte also die Einbuße sehr groß sein, wenn nicht besondere Umstände ein Äbweichen von der Regel erlaubten. Man wähnt, daß taktische Fechtweise dabei mitspreche, und nach Einführung der ryscher beweglichen n a - pol eo Nischen Kolonne nebst vorausschwärmen­den Plänklermassen bildete sich die Legende, sie sei in Verlustwirkung der starren geschlossenen Linie überlegen gewesen, Beispiel Jena. Weit gefehlt! Bei Auerstädt fielen 33 Prozent und bei Jena- bluteten die Franzosen kaum weniger, nach dem genau bekannten Verlust der Division Suchet abge- scbätzt. Sie büßten ferner, falls wir die richtigen (nicht die falschen eingebürgertem Ziffern zu Grunde legen, bei Austerlitz, Eylau, Heilsberg', Friedland, Aspern, Wagram, Borodino 1 2, 30, 16, 13, 3l, 19, 23 Proz. Tote und Verwundete, ihre Gegner (ausschließlich der Gefangenem l 9, 30, 13, 31, 24. 25, 40 Prozent ein, ^ch»n Üe durchweg Ueber- macht (bei Eylau uns Peru erdrückendes oder in Anbetracht ihrer starken Stellung bei Wagram und Borodino gleiche Kräfte hatten. Bei angeblich ver­besserter Fechtweise hielten sich also die Verluste der friedericianischen und napvleonischeu Aera durchschnittlich die Wage. Die Briten aber behielten die alte Lineartaktik bei und behaupteten, deren Feuer habe auf die dickeren französischen Kolonnen vernichtend gewirkt, wofür sie allerlei Schwindel Vorbringen. Die Statistik lehrt das Gegenteil. Bei Talavera und Badajozsturm verloren sie 30, bei Albuara, wo Linie und Sturmsäule in seltener Reinkultur aufeinanderstießen, gar 70 Prozent, bei Waterlo wurde z. B. die Division Picton vollständig vernichtet. Doch das allerdings hat schlechterdings nichts mit Fechtweise und Bewaffnung, sondern nur mit jeweiligen Kämpfverhältnissen zu tun, freilich auch mit ungewöhnlicher Erbitterung und Tapferkeit beider Parteien. Der Vergleich, daß Verluste nur von Gefechtslage und Führung ab- hängen, läßt sich auch im einzelnen ausbaueu. sv verlor bei Wagram Oudinot 30, der erfolg­reichere Vizekönig 20, der gm längsten und erfolg­reichsten fechtende Davout nur 13 Prozent. Und was geschah im Krimkrieg? Die schlechter bewaff­neten Franzosen litten prozentual viel weniger als die Briten, schnitten überhaupt besser ab, weil eben besser geführt. Bei Svlferino machte sich das bes­sere österreichische Gewehr nirgends geltend und sticht die unbehilflichere Fechtweise gegen die fran­zösischen Schützenschwärme, sondern d'e schlaffe nn taugliche Führung erlag. Umgekehrt wirkten die neuen gezogenen Geschütze der Franzosen keines Wegs ausschlaggebend, weil die schlechterenglat­ten" österreichischen wiederholt trefflich massiert wurden. Ebensowenig änderte die weit bessere öfter reichrsche Artillerie 1866 etwas am preußischen Er­folg: auch führte der preußische Hinterlader M jW weniger die Blutbäder herbei, als die unsinnige Taktik der Bataillonskolonuen und allgemeine Er­bärmlichkeit der österreichischen Führung.

Nun verloren laut Molinaris Memoiren 26 500 Mann des 4. Korps bei Königgrätz binnen 6 Stun­den 6446 Tote und Verwundete, also rund 25 Prozent, was noch nicht einmal Ondinols Wagram­verlust gleichkam. Dagegen erging es dem 0. Korps ärger beim Sturm aus Chlum: 6370 von 20000 tot und verwundet binnen 20 Minuten, also 32 pCt. Auch das ist weniger, als das Korps Erlon bei Waterloo einbüßte (7000 von 18 000), doch schnellere Zerreibuug scheint hier vorzuliegen. Durch den Hinterlader an und für sich? Nein vergleiche das 4. Korps! , sondern durch besonders wahnsinnige Führung Obendrein sind Brigade Manstein bei Kvlin, Division Manteuffel bei Zorn- dorf, Regiment Wedel bei Hochkirch, Avantgarde bei Torgau, Korps Ungjereau bei Eylau, Division Morand bei Borodino, Kolonne Prinz Württem­berg bei Wachau, mehrere preußische Brigaden bei Ligny in ebenso kurzer Frist aufAerieben worden.

1870 spielten zum erstenmal beiderseits Hin­terlader und gezogene Geschütze gegeneinander, und wenn auch Halbbataillons- und Aompagniekolon- nen beiderseits unzeitgemäß angjewendet wurden, gab doch im allgemeinen der Schützenschwarm den Ton an. Man hat hier das berühmte Schul­beispiel der Brigade Wedel bei Mars la Tour, die um 45 Prozent Jsthmolz, angeblich binnen lur zester Spanns Zeit und wegen ungeschickter Forma­tion. Das sind lauter Mythen, die Brigade focht innerhalb der eigentlichen Kampfzone fast ganz 'in Schützen aufgelöst, die 16e'' hielten sich jenseits der Schlucht eine halbe Sru-.v, der Kamps dauerte mehr als eine Stunde, das Znsammenschieße'n trat erst beim Rückzug über die Schlucht ein, also we­gen abnormer lokaler Schwierigkeiten und gegen doppelte Ueberrnacht. Der Hinterlader an sich wirkte gar nicht verheerend, denn die Legende irrt völlig: Frontal- und Fernfener erzielte gar nichts gegen die Brigade, die vielmehr nur durch Flan­kenfeuer ans nächste Distanz vernichtet wurde, wobei das aufgelöste Gefecht den Verlust nicht minderte wegen des heutigen massenhaften Ge- schoßregens. Man fragt daher kopfschüttelnd: Würde der Verlust früher durch den- altenKuh­fuß" und Kartätschen geringer gewesen sein, näm­lich bei solcher Bewandnis der Gefechtslage, un­ter doppelseitiger Umfassung an einer Schlucht? Erfahrungsgemäß nein! Man vergleiche ähnliches am Kuh- und Tiefengrnnd bei Kunersdorf! Auch ähnliche Vorfälle am Ostflügel an der Gorzer Schlucht (11er, 56er, 72er) fallen unter gleiche Rublik, die preußische Linke am Spitzberg-Kuners- dors litt prozentual noch ärger, als jene neu- preußischen Stürmer. Auch die so oft betonte Nie- dermetzelung der Garde bei St. Privat entsprang keineswegs dem Jrcnital-Ferttfeuer worin allein ein Unterschied der modernen Feuerzone bestehen könnte, sondern sehr nahen: Flankensener von derTerrasse" ans. Auch nicht der Chassepotwirk- nng an sich, obschon durch rasante Flugbahn auf demGlacis" abnorm hier begünstigt. Auch nicht angeblich zu geschlossener Formierung, denn die Garden lösten Gch unter der Flankenbestreichnng ganz von selbg in dünne Schützenlinien auf, wie dies instinktiv immer geschieht. Sondern lediglich die allgemeine ungünstige Gefechtslage ohne Ar­tillerievorbereitung und Abwarten der sächsischen Umgebung verschuldeten hier Einzelverlnste von 64 bis 83 Prozent, während der Gesamtverlnst der Garde 26 Prozent nicht übersteigt. Kurz, es ging alles so zu wie in der alten Zeit. Hier lehrt nun ein Rückblick, daß bei Leipzig das Ringen um Wachau, Probstheida, Schönfeld viel mörderischer anssiel als bei St. Privat. Wie schon die Divi­sion Souhem bei Lützen und Bautzen prozentual viel mehr litt, als Garden und Brandenburger in den Metzer Schlachten, so auch Division Brecher bei Schönfeld, desgleichen überall die Verbündeten bei Leipzig. lieber deren wahren Verlust schweigt zwar des Sängers Höflichkeit, doch wir müssen hier gleich ergänzen, daß 335 000 (nicht 305 000! Ver bündete wahrscheinlich 75 000 verloren (nicht 54 000, früher hieß es 45 000, was wie ein absichtlicher

Druckfehler aussieht), obschon ein Drittel nicht rich­tig mitfocht, während Napoleon 25 Prozent (45 000, nicht 30000, von 180 000) einbüßte. Das ist aber bedeutend mehr, als die ähnlicheVölkerschlacht" bei Mukden, wo noch größere Massen fochten, den Russen und Japanern kostete, sogar in noch längerer Zeit. Dort focht man mit allermodernster Taktik und Fenertechnik. Wer aber daraus folgern würde, daß die Ausdehnung des Schlachtfelds und die dünne Auflösung die stärkere Feuerwirkung ganz paralysiert, der würde vorschnelle Schlüsse ziehen. Einzelverluste widerlegen dies, vor "Port Arthur gab es abnorme Einzelverluste. Selbst diese aber übertrafen keineswegs ähnliche bei früheren Fest­ungsstürmen. Im Vergleich hierzu und mit äl­teren Zeiten gab es z. B. bei Wörth Verluste von 48 >)Brigade Maion) bis 75,90 Prozent (3. Zuaven, 2. Turcos-, bei Sedan fanden in der Division Bassotgne 35, in der Division Lieebert gar 50 Of­fiziere den Heldentod, ein Totenprozentsatz eines schwachen Offizierkorps, der in der Kriegsgeschichte seinesgleichen sucht.

An dieser summarischen Uebersicht wird klar, daß Verlustdifferenzen von 10 bis 75 Prozent all­zeit vorfielen, möchten Wckffen und Kechtweise sein, welche sie "wollten, dcktz sie daher stets nur von jeweiliger Gefechts lag« abhingen, daß es einst wie jetzt keine Regel und lauter Asus nah­men gibt. Das fällt erst recht auf, sobald wir die Nebenwaffen berücksichtigen. Die Holsteiner Artil­lerie bei Gravelorte und oie französische bei Se­dan litten ungemein, doch Napoleons Gardeartil­lerie bei Wagram prozentual weit mehr in viel kürzerer Frist, ebenso die preußische Kleists bei Kulm, Bülows bei Leipzig. Auch der allgemeine Artillerieverlust bei Leipzig war ungleich größer als bei Gravelotte oder Mukden, trotz unendlich besserer Beschaffenheit der Fernzone der modernen Geschütze einerseits, und der sie bekämpfenden mo­dernen Gewehre andrerseits. Freilich wäre lächer­lich zu leugnen, daß letztere noch größere Verheer­ung als früher nnrichten könnten, wenn erstens die Standhaftigkeit auf nahe Distanzen gleich groß wäre, zweitens Fern- und Schnellfeuer, worauf doch der Hauptunterschied beruht, etwas ausrich- ten könnte. In den Metzer Schlachten entzog sich aber die französische Artillerie oft in geradezu feiger Weise den deutschen Granaten, deren ma­terielle Wirkung aber gerade bei Sedan, wo man bisher vom Gegenteil fabelte, trotz allergünstig­stem Lireuzfeuer gering blieb, da das französische Fußvolk in Deckungen sich sicherte. Ein einziges Mal entstand großer Verlust durch Granatsplitter; angeblich Dreiviertel der Niedergssstreckten des 67. Regiments bei Rezonville, eine unerhörte Abnor­mität. Gleichzeitig räumten aber Chassevotlalven mörderisch unter den Brandenburger Batterien auf, wie bei Wörth Mac Mahons Reserveartillerie blitz schnell unter Schützenfeuer zu. . '.menbrach. Nun wohl, in all diesen Fällen (auch an die Holsteiner Batterien bei Gravelotle gingen Tirailleurschwärme ganz nahe heran handsE" ? .sich um ,Abnorme Nähe des Feuerka rn p fs. Somit sind wir hier wieder bei ältesten Vorgängen, wo Kariätscke und Muskete auf 300 Schritt geradeso vernichtend wirk ten, da bei langsamerem Schießen aber auch besser gezielt wird als bei nervösem Drauflosgssknalle. Desgleichen hebt sich bei Reiterattacken teder Un ­terschied auf. 14000 preußische Reiter bei Kolin und 8000 ernstlich engagierte bei Vionville verlo ren beide Male rund 1400 Köpfe, also lO und l 7,5 pCt. Bei Zorndorf 17, bei Aunersdorf '20 PCt., sonst meist überraschend wenig. Unter Napo­leon stieg der Reiterverlust oft auf 20 bis 22 PCt., bei Waterloo auf 33, bei den Briten dort sogar auf 50 und zwar nur durch Raufen mit den feind­licken Reisigen. Aehnliches trifft aber auc- in al­len andern Fällen zu, da die Legende sei, rig die Wirkung der Vierecksalven bei Asvern und Wa­terloo übertreibt. Stets sprach nicht größere Trag­weite der Feuerwaffen, sondern allenfalls größere Kamrfwm und im Einzelnen stets nur jeweilige l'-chtslage mit.