schmausen, ist abgekommen. Im Oberamt Ulm er­halten da und dort die Knechte und Mägde an diesem Tage einen Laib Schwarzbrot. Auf dem Lande nehmen die Karzen ihren Anfang.

' Wahlsache. Es wird uns geschrieben: Wenn man in der Samstags-Nummer des Gesellschafters und vonAus den Tannen" den Wortlaut der von Herrn Amtsgerichts­sekretär He yd in Nagolv bei der Altensteiger konservativen Wahlversammlung gemachten Ausführungen und die Art, wie Herr Heyd daneben jetzt seine Worte zu drehen und deuteln sucht, vor Augen führt, so niuß man sagen: Herr Heyd besteigt damit den höchsten Gipfel der Vermessenheit. Was er nicht verantworten kann, leugnet er kurzerhand weg und unterstellt dem Gegner in kühner Weise unsachliche Be­richterstattung. Auch nennt er das bestehende Bündnis der Konservativen und des Bauernbunds mit dem Zentrum ein altgebackenes Ammenmärchen". Herr Heyd! Dieses Bünd­nis ist durchaus kein Ammenmärchen, sondern es ist eine alte und neue und neueste Tatsache. Erst in den letzten Tagen hat Ihr Bundesbruder, der Kandidat Ströbel, bei einer Versammlung in Niederstotzingen auf eine Anfrage diese Tatsache bejaht. Er hat zugegeben, daß Konservative und Bauernbund im ganzen Land beim ersten und zweiten Wahl­gang für das Zentrum stimmen werden und zwar da, wo sie keinen eigenen Kandidaten durchbringen. So verhelfen sie in Ncckarsulm, Künzelsau und Geislingen dem Zentrum zum Sieg. Tie Gegengabe ist, daß das Zentrum in Mergent­heim den Nationalliberalen Häffner stürzen hilft, um an seine Stelle einen Kandidaten des Bauernbunds zu setzen. Das Bündnis der K. B. mit dem Zentrum ist also Tat­sache und kein Ammenmärchen und es ist sehr zu bedauern, daß Umstellungen dieser Art bei den konservativen Wahlversammlungen in den ländlichen Gemeinden als bare Münze ausgenommen werden. Umso notwendiger ist es, daß man hier der ländlichen Bevölkerung die Wahrheit vor Augen führt.

- Wählerversammlung. Die sozialdemokra­tische Partei veranstaltete am gestrigen Sonn­tag nachmittag, imSchwanen" hier eine gut be­suchte Wählerversammlung, bei der ihr Kandidat, Gemeinderat Grockenberger aus Stuttgart, sprach. Der Redner gab einen Bericht über die Tätigkeit der sozialdemokratischen Fraktion im Landtag und wies darauf hin, daß auch der kom­mende Landtag, entgegen den Ausführungen des Präsidenten Payer, wichtige Aufgaben zu erfüllen habe.. Die Bevölkerung sollte mehr Interesse an den Landtagswahlen haben, denn sie seien von großer Bedeutung. Wenn man sich die Versprech­ungen der konservativen Partei in ihrem Wahlpro­gramm ansehe, so entspreche diese allen Wünschen und die anderen Parteien seien dann überflüssig. Man solle sich auch die Tätigkeit dieser Herren im Landtag ansehen und sich darnach richten. Als Aufgaben des ko mostenden Landtags be­zeichnet der Redner in erster Linie die Ausdehn­ung der Proporzwahl für die gesamten Wahlen zur 2. Kammer, eine Erweiterung der Schulreform derart, daß die befähigten Köpfe auf Kosten des Staats ausgebildet werden, wer die Sache bezahle sei eine Frage für sich, Einführung des 8. Schul­jahrs, Ausbau der Gesundheitsverhältnisse und Verstaatlichung der Apotheken, zunächst Konzessio- nierung derselben, Einführung der Arbeitslosen­versicherung. Zum Schluß seiner gewandten Aus­führungen bemerkte Grockenberger, der gemeinsame liberale Kandidat sei gewiß die geeignetste Per­sönlichkeit, man solle sich aber bei der Wahl nicht von seinen Gefühlen leiten lassen, man solle die Tätigkeit der einzelnen Parteien und nicht die Person ansehen. Da sich trotz wiederholter Auf­forderung zur Teilnahme an der Diskussion nie­mand zum Wort meldete, ergriff ein Anhänger der Kandidatur Vogel das Wort, wies an Hand des letz­ten Landtagswahlergebnisses darauf hin, daß der sozialdemokratische Kandidat bei uns noch keine Aussicht auf einen Sieg habe und forderte die anwesenden Wähler auf, bei der Wahl am kommen­den Samstag dem liberalen und fortschrittlichen Kandidaten die Stunrne zu geben. Grockenberger erwiderte unter lebhaftem Beifall seiner Anhänger man solle aus das nicht eingehen, sondern den so­zialdemokratischen 'Kandidaten Wahlen.

Der landwirtschaftliche Bezirksverein hielt am gestrigen Sonntag nachmittag imLamm" in Haiterbach seine Hauptversammlung ab, die sehr gut besucht war. Landes- ökonomieral Länderer von Kachberg hielt dabei einen Vortrag über die Beeinflussung der Viehzucht durch den Milchhandel und über die Gründung einer Farren- aufzuchtstation. Er wies auf die Notwendigkeit hin, die Viehzucht im Bezirk zu heben. Die Mllchiieferung müßte eingeschränkt und mehr Aufzucht getrieben werden, das liege im Interesse der Landwirischaft. Bezüglich der Gründung einer F a r r e n z u ch t st a t i o n betonte der Redner, daß ein Anschluß an dis Farrenzuchtstation in Harthausen bei Rottweil möglich und empfehlenswert sei. Es sei darauf hinzuwirken, daß nicht mehr so viel Geld in die Schweiz getragen werde, sondern daß die Farren von den Landwirten im eigenen Bezirk gekauft werden könnten. Beschlossen wurde, im Jahre 1913 ein landw. Bezirks- f e st abzuhalten und zwar in Nagold. Nach dem seit­herigen Modus wäre Altensteig an der Reihe gewesen, dieses hat Anfang der 90er Jahre das letzte landw. Fest gehabt. Es ist bedauerlich, daß der Hintere Bezirk durch diesen Beschluß benachteiligt wird. Im Anschluß an diese

Beschlußfassung erfolgte die Verteilung der bei der heu­rigen Bezirksrindviehschau und bei der Eber- und Ziegen­bockschau zuerkannten Preise. Den Schluß der Versamm­lung bildete ein Apell an die Landwirte, dem landw. Verein beizutreten.

* Eine Ehlrung. Bei Wirt Großmann in Hesel­bronn vereinigten sich am gestrigen Sonntag nach­mittag die Vorgesetzten und Kollegen des nach 43- jähriger Tätigkeit in den Ruhestand getretenen Postboten Seeg er, um mrt ihm einige Stunden gemütlich beisammen zu sein. Alle Postboten und Briefträger der Umgebung waren anwesend. Durch zahlr ache Ansprachen, poetische Widmungen und De­klamationen wurde Seeger geehrt und ihm von stin?n Vorgesetzten und Kollepxn ern^kMbscher Mohr­ruhesessel überreicht. Es' war ein- äußerst ge­mütliches Zusammensein und die Wünsche der zahl­reich Versammelten gipfelten darin, daß es 'dem treuen Alten vergönnt sein möge, seinen wohl­verdienten Ruhestand lange genießen zu dürfen.

w. Die von der hiesigen Stadtkasse seit 3 Jah­ren eingeführten Haussparlassen erfreuen sich reger Benützung. Zur Zeit sind 434 Stück a.usgeliesert. Es ist eine Lust, zu beobachten, mit welchem Stolz die sparenden Kinder dies abgeschlossene Kästchen zur Entleerung abgeben. Gewiß wandert auf diese Weise manches Geldstück auf die Sparkasse, das sonst unnütze Verwendung gefunden hätte; die Nickel- und Markstücke summieren sich und im Ver­lauf eines Jahrzehnts wird das Guthaben bei einigem Sparfleiß ein schönes Sümmchen aus­machen. Wer noch ein Käßchen will, kann sich sol­ches an der Kasse geben lassen.

* Tie Barfrankierung der Briefsendungen aller Art ist nun auch für unser Land gesichert. Würt­temberg wird nach dem Muster der Reichspost­verwaltung Maschinen zur Barfrankierung verwen­den und die Marken aus die Sendungen auftleben. Das Barfrankierungssystem der Reichspost hat den Vorzug, daß die betreffenden Sendungen auch im Weltpostverkehr zugelassen sind.

n. Nagold, 9. Nov. Die vom nationalliberalen Wahlkomitee einberufenen Wahlversammlun­gen in Mindersbach und Rohrdorf waren gut besucht. Der Kandidat, stadtwundarzt Vogel, legte in ruhiger sachlicher Weise sein Programm dar und fand" mit seinen Ausführungen allseitig Beifall. In Rohrdorf entspann sich am Schluß eine kleine Diskussion, die aber in schönster har­monischer Weise vertief. Der Kandidat hat durch seine bestimmte, klare Art, durch seine gerade aufrichtige Persönlichkeit auch im vorderen Bezirk schon viele Freunde erworben und diese werden am Wahltag gerne und freudig ihre Pflicht tun.

d. Nagold, 9. Nov. Auf Veranlassung der Ver­einigung selbständiger Gärtner führte die Dres­den e r D y n a m i t f a b y>i k heute nachmittag im Ge­wand Ziegelrain, wie schon früher an anderen Orten Württembergs das neueBodensprengkultur- verfahren" mit Romperit C vor. Dieses Romperit C ist nicht etwa zu verwechseln mit dem gefürch­teten Dynamit, es sind handhabungssichere, patro­nenähnliche Körper, gefüllt mit Sicherheitsspreng­stoff und sind zum Stück- und Eilgut-Transport auf der Eisenbahn zugelassen. Auch wird jeder­mann ohne weiteres ein Erlaubnisschein zum Be­sitz zur Verwendung und Lagerung von Romperit C ausgestellt. Anwesend waren ca. 200 Personen ans Nah und Fern. Die Versuche erstreckten sich in der Hauptsache auf Umreuten von einem Stück Land, Herstellung von Baumgrn- ben, Hebung ganzer Bodenschichten zwecks Durchlüftung, Heraussprengen von Baumstümpfen und Zerschmettern von Uelsblöcken. Die Zuschauer verfolgten mit sichtlichem Interesse die die Versuche und waren darin einig, daß dieses Verfahren wohl verdiene, künftig bei allen ein­schlägigen land- und forstwirtschaftlichen Arbeiten, sowie auch im S t e in b r u ch als wert­volle Hilfe und Erleichterung, Verwendung zu fin­den.

st Schramberg, 9. Nov. (Tödlicher Sturz.) Gemeinderat Wandel von Reutin ist bei Alvirsbach in der Dunkelheit über eine mehrere Meter tiefe Mauer in den Aischbach gestürzt. Dort wurde er morgens tot auf,gefunden.

st Stuttgart, 10. Nov. (Ein Schutzmann erschossen.) In der unteren Neckarstraße gab es heute nacht vor der Wirtschaft von DeyhLe Streithändel, zu deren Schlichtung der Schutzmann Wahl 2 herbeigerufen wurde. Als er einschritt zog einer der Rowdies eine Schußwaffe und gab auf ihn einen Schuß ab. Die Kugel drang dem Schutz­mann in den Kopf und blieb dort stecken. Die Ver­letzung ist lebensgefährlich. Der Schutzmann wurde kn das Karl-Olgakranlenhaus geschafft, wo er zwar heute vormittag nöeh lebte, aber im Sterben lag. Die Rowdies entflohen zunächst, wurden aber in Cannstatt, als sie gerade in einen Zug einsteigen wellten, verhaftet. Zwei davon mit Namen Röder und Wiedmer sind lichtscheue und vorbestrafte Kerle von zweifelhafter Berufsart. Den Schuß hat der angebliche Siebmacher S. Röder abgefeuertr. Sein Opfer ist unverheiratet.

s> Stuttgart, 9. Nov. (Das Umgeld.) Die Umfrage des Landesverbands der Wirte Württem­bergs bei sämtlichen La.ndtggskandida.ten bezüglich ihrer Stellung zur Umgeldfrage hatte folgendes Ergebnis- Für die völlige bedingungslose ALschafs. ung des Umgeldes treten ein:1. Sämtliche so­zialdemokratische Kandidaten, 2. 8 Kandidaten der Fortschrittlichen Volkspartei, darunter Krämer- Schorndorf unter der Bedingung, daß der Wein­gärtnerstand nicht belastet wird; 3. Sechs Kan­didaten der Deutschen Partei; 4. ein Kandidat der Zentrumspartei und 5. 10 Kandidaten des Bauern­bundes und der Konservativen, unter ihnen drei unter der Voraussetzung, daß der Weingärtnerstand nicht belastet werden dürfe. Von 17 Kandidaten der Fortschrittlichen Volkspartei, denen sich Hasel- Geislingen (Ntl.) angeschlossen hat, ist ihre Stell­ung zur Umgjeldfrage folgendermaßen formuliert worden:Die Fortschrittliche Volkspartei ist für vollständige Abschaffung des Umgeldes. Ein teil­weiser oder völliger Ersatz für den hierdurch ent­stehenden Ausfall ist in einer den Wein oder das Wirtsgewerbe etwa in Form einer abgjesUrften Kon­zessionssportel treffenden Ersatzsteuer bisher in be­friedigender Weise nicht gefunden worden. Es muß deshalb bei Abschaffung des UmMlds in erster Linie auf Ersatz aus allgemeinen Steuermitteln Bed-ckt genommen werden. Sollten sich der als­baldigen völligen Abschaffung des Umgeldes mit Rücksicht auf die Finanzen des Staates unüber­windliche Hindernisse entgegenstellen, so würde die Partei jedenfalls für alsbaldige Herabsetzung ein- treten. So lange dieser Schwebezustand aber be­stehen wird, würde die Ausdehnung des Umgeldes ans die Wirts ähnlichen Betriebe befürwortet wer­den: Für Abschaffung des Umgeldes bezw. Er­mäßigung unter der Bedingung, daß zuvor ein Ersatz für den Ausfall geschaffen wird, treten 6 Kandidaten, davon drei Nationalliberale und 3 Kon­servative ein. Für eine allgemeine Weinsteuer sind 7 Kandidaten verschiedener Parteien zu haben. Dr. v. Hieber-Welzheim und Kübel-Cannstatt (natl.) sind für eine Prüfung der Umgeldsfrage in der Rich­tung, daß eine Abschaffung oder Herabsetzung mög­lich ist Wieland-Ulm (natl.) ist für die Abschaff­ung des Umgeldes im Prinzip. Drei Kandidaten haben sich ihre Stellung zu der Umgeldfrage Vor­behalten. (

st Crailsheim, 9. Nov. (Hohe Schweine­preise.) No chselten standen die Preise für Milch­schweine so hoch wie gegenwärtig. Auf den letz­ten Märkten wurden 4570 Mk. für das Paar bezahlt, eine Summe, für welche man vor eini­gen Jahren noch drei Paar bekommen hat. Dabei reichten die starken Zufuhren von 600700 Stück kaum zu, die rege Nachfrage zu decken. Auch die Läuferschweine haben einen hohen Preis und gel­ten bis zu 120 Mk. per Paar. Bei solchen Preisen dürfte sich die Schweinezucht sicher gut lohnen, zumal Heuer bei der reichen Kartoffelernte.

st Oberndorf, 10. Nov. (Gerechte Strafe.) Das Schöffengericht hät die Bauerntochter Magda- lene Stockburger von Rötenberg, wegen Milchwäs- serung zu acht Tagen Gefängnis, Veröffentlich­ung des Urteils in zwei Zeitungen und Tragung der Kosten verurteilt. Die Milchfälscherin hatte es in raffinierter Weife verstanden, sogar beim Kon- trollmelken, wo eine Person zur Beobachtung neben ihr stand, der Milch Wasser beizumischen.

* Ulm, 9. Nov. Das Schwurgericht Ulm verurteilte heute den früheren Redakteur der so­zialdemokratischen GöppingerFreien Volkszeitung", Dr. August Thal heim er, wegen zweier Ver­gehen gegen die ßß 130 und 110 St. G. B. (An­reizung Zu Gewalttätigkeiten und Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze oder obrigkeitliche Anordnungen) zu 1000 Mart Geldstrafe. Die Vergehen erblickte das Gericht in einem Artikel, der überschrieben wart:Reserve hat Ruh" und Ausreizungen der Militärpersonen zu Gewaltigen enthielt, und ferner in einem Artikel, in dem die Aufforderung an die Soldaten gerichtet war, das vierte und fünfte Gebot im Kriege und bei inneren Unruhen zu befolgen und vom Waffengebrauch abzusehen.

st Ulm, 9. Nov. (Schwere Diebstähle in Schulgebäuden.) Die K. Staatsanwaltschaft macht bekannt, daß seit Juni ds. Js. in Eßlingen, Göppingen, Ravensburg Memmingen und Ulm schwere Diebstähle in Schulgebäuden vorgekommen sind, wobei es vornehmlich auf die Amtszimmer der Schulvorstände und die dort verwahrten Kas­sen abgesehen war. Die Einbrüche sind vermut­lich von demselben Täter ausgeführt worden. In der Mädchenvolksfchule in Eßlingen erbeutete er 70 Mk., in der Oberrealschule 170 Mk., in Göp­pingen 5600 Mk., in Ravensburg- machte er keine Beute, in Memmingen dagegen 500 Mk^und in Ulm 53,60 Mk. Außerdem fiel dem Gauner jeweils eine Anzahl anderer Gegenstände in die Hände. Ju Memmingen wurde er entdeckt, aber vergeblich s verfolgt.