* Stuttgart, 30. Okt. Roald Amundsen, der Entdecker des Südpols, wird am Mittwoch, 4. Noo. im Festsaal der Liederhalle vor dem Stuttgarter Publikum seinen Bericht in deutscher Sprache geben. (Karten bei Albert Auer, Calwerstr. 43.)
js Stuttgart, 30. Okt. (Bahnhwfs-Automat.) Ein Ereignis für den modernen Wirtschaftsbetrieb bildet die Errichtung eines Wirtschaftsbetriebs auf dem hiesigen Bahnhof nach einem neuen elektrischen Selbstbedienungs-System. Die Einrichtung, die von der Internationalen Automatengesellschaft G. m. b. H. Straßburg im Auftrag des Bahnhofwirtes Herrn C. Reiniger ausgeführt ist, entspricht vollständig den Anforderungen der Zeit. Jnsbesonders verdient hervorgehoben zu werden, daß die neue Einrichtung!, wenn sie auch äußerlich den Automaten-Restau- rants ähnlich ist, doch im System eine Aenderung bedeutet, da die Betätigung der einzelnen Apparate durch einen Elektro-Motor bewirkt wird und sämtliche Getränke, das Bier direkt vom Faß, ohne die üblichen Bormaße zum Verschank kommt. Unstreitig ist dem reisenden Publikum mit der großzügigen Anlage eine Bequemlichkeit geschaffen worden, wie sie in ganz Süddeutschland nur der Stuttgarter Hauptbahnhof bietet.
js Eßlingen, 30. Okt. Die bürgerlichen Kollegien haben die Erstellung eirpes Krem'a- toriums auf dem hiesigen Friedhvfe nunmehr endgültig beschlossen.
X Lomersheim, OA. Maulbronn, 30. Okt. Gestern abend gegßn dreiviertel 10 Uhr brach in dem seit längerer Zeit leer stehenden Wohnhaus des verstorbenen Karl Häcker Feuer aus. Das Haus ist vollständig niedergiebrannt.
js Oehringen, 30. Okt. (Lieferungen fürs Krankenhaus.) Die Verwaltung des Bezirkskrankenhauses vergab die Lieferung von Fleisch und Wurstwaren mit 10 Proz., Brot ktnt 15 Proz., Kleinbackwaren mit 20 Proz. unter dem Ladenpreis.
Zur Laudtagswahl.
js Schorndorf, 30. Okt. Irr einer gemeinschaftlichen Sitzung der Nationalliberalen und der Volkspartei wurde gestern einstimmig beslchossen, die Kandidatur Kolb, die für beide Parteien unverbindlich sei, nicht zu unterstützen.
P Stuttgart, 30. Okt. Der Bund der Landwirte hat für Balingen, Cannstatt, Freudenstadt, Göppingen, Heilbronn-Stadt, Ludwigsburg- Stadt, Reutlingen-Stadt, Stuttgart-Amt und Tübingen-Stadt als konservativen Zählkandidaten den Rechtsanwalt Kraut aufgestellt.
Aus dem Gerichtssaal.
ß Stuttgart, 30. Okt. (Landgericht.) Vor der Strafkammer des Landgerichts kam heute die Anklage gegen den hiesigen Patentanwalt Schwöb sch wegen Betrugs und unerlaubter Ti- telsührung zur Verhandlung, Aus der heutigen, siebenstündigen Verhandlung, ist bemerkenswert, daß von den ehemaligen Angestellten des Angeklagten leichtfertige Beschuldigjungen erhoben wurden und zwar auf Grund von Klatsch und Zwischenträgereien, die den Kern der Anklage keineswegs berührten. Bemerkenswert ist, daß die Aussage der geladenen Sachverständigen durchaus zu Gunsten des Angeklagten lauteten. Die Verhandlungen werden morgen fortgesetzt.
M L«s«s»ucHt. W
Das Resultat meiner Lebenserfahrung ist die Ueberzeug- ung von der Kurzsichtigkeil des Menschen und der Leitung der Vorsehung; ihr folge man, berate sich mit seinem Gewissen und strebe, durch Herzensreinheit und Selbstverleugnung ihres Schutzes würdig zu werden.
Frhr. von Stein.
Steine, deren Glanz erborgt.
Kriminal-Novelle von Iohanna Zunk - Friedenau.
(Schluß) (Nachdruck verboten.)
Jetzt weilten die beiden Frauen schon eine Woche in Norderney.
Friedrich Karl war durch Herrn Schneiders Vermittlung frei in das „Seehospiz der KaiserinFriedrich" ausgenommen
Täglich durfte Maria ihn besuchen, ja sogar einige Tage bei ihm bleiben.
Der Weg dorthin führte sie aus der eleganten Kaiserstraße hinaus, den Hohen Steindamm entlang. Hinunter geht es an das brausende Meer zu einem langgestreckten Backsteinbau hinter den schützenden, grünbewachsenen Dünen.
Vier große Gebäude, mit lufiigen, von wucherndem Grün umzogenen Veranden, umfaßt der ganze Komplex.
Bald fand sie, jetzt auf dem Wege völliger Genesung, Gelegenheit, sich nützlich zu machen. Eine der helfenden Schwestern war erkrankt, und Marias Bitte, sich betätigen zu dürfen, wurde gewährt. Der leitende Arzt, durch Herrn Schneider in ihr Geschick eingeweiht, behandelte sie wie eine Kranke, deren Medizin leichte Arbeit ist. Er sah, daß manchmal noch ihre Seele litt, während der Körper der Gesundung entgegenstrebte.
Lus dem Reiche.
* München, 30. Okt. Heute stürzte auf dem Flugfeld Oberwiesenfeld der Leutnant Hamburger vom 16. Infanterieregiment mit seinem Flugapparat ab und starb bald darauf.
Ein Unfall des Kronprinzen.
* Danzig, 30. Okt. Der Kronprinz ist gestern infolge eines Fehltrittes seines Pferdes bei der Schleppjagd mit dem Hferde zu Fall gekommen. Er zog sich einen 'Bluterguß im rechten Arm, Verletzungen im Gesicht und Kopf zu unt> müßte in die kronprinzliche Villa nach Danzig gebracht werden. Das Befinden des Kronprinzen ist heute durchaus befriedigend, doch ist er verhindert, an den Beisetzungsfeierlichkeiten für die Prinzessin Rupprecht von Bayern in München teilzunehmen, an denen als Vertreter des Kaisers nun Prinz Eitel Friedrich teilnehmen wird.
Ein Ei senk cchn-Zus ammensto tz auf der Berliner Stadtbahn.
* Berlin, 30. Okt. Auf dem Bahnhof Janno-
witzbrücke fuhr heute morgen kurz nach 7 ein- helb Uh-t ein Stadtbahnzug auf den in der Halle stehenden Vorortzug. Es wurden mehrere Wogen zertrümmert und e tw a 50 P e r s o n e n verletzt, davon 6 schwer. )
NusLäuMkchrs
js Newyork, 30. Okt. Polizeileutnant Becker ist vom Schwurgericht zum Tode durch Elektrizität verurteilt worden. Becker wurde sofort nach Sing-Sing in Einzelhaft gebracht. Die Hinrichtung wurde indessen verschoben, da Berufung gegen das Urteil eingelegt worden ist, deren Erledigung 1 Jahr in Anspruch nehmen kann.
st Newyork, 30. Okt. Nach einer telegraphischen Meldung aus San Antonio in Texas sind bei dem Brande eines Hospitals in Santa Rosa 6 Kranken s ch w e st e rn , un d 1 Kijnd umgekdmmen. Mehrere Personen werden vermißt.
Tie deutsch-englische Verstciudigungskonferenz.
st London, 30. Okt. Die deutsch-englische Verständigungskonferenz wurde heute vormittag in der Guildhalft vom Lordmajor eröffnet. Er wies in einer kurzen Ansprache auf den Zweck der Konferenz hin und gab der Ueberzeugung Ausdruck, daß ein Krieg zwischen den blutsverwandten Völkern unmöglich sei. Sodann übernahm Sir Frank Las- celles den Vorsitz, begrüßte die deutschen Mitglieder, dankte dem Lordmajor für die Erlaubnis, daß die Konferenz in der Guildhall tagen dürfe, sowie für seine Förderung der Berständigungsbe- wegung und führte dann aus, man dürfe von der Konferenz nicht zu viel erwarten, doch könne sie dazu beitragen, Mißverständnisse zu beseitigen, die die wirkliche Ursache des bestehenden Mißtrauens seien. Man müsse sich die Verschiedenheiten beider Rationeri klar machen, um dieses Mißtrauen aus dem Wege zu schaffen. Unterschiede beständen in den Regierungsformen, den Erziehungsmethoden u. der allgemeinen Anschauungfsweise beider Völker. Aber diese Unterschiede seien nicht unvereinbar Mit
Und Maria freute sich der Beschäftigung; sie gehörte zu den Naturen, die nichts, was sie auch tun mögen, halb tun. Der Gedanke, in Hamburg eine Anstalt im kleinen zu errichten, gab ihr die alte Energie zurück.
Sie fing an, das Leben im Hospiz zu studieren: sie sah, wie hier Licht und Luft die hauptsächlichsten Faktoren sind.
Früh um sechs Uhr mußten die Gesunden dem „Tamtam", welches zum Wecken rief, folgen.
Maria wollte Friedrich Karl geschont wissen, der Arzt widerriet ihr.
Dem Jungen gefiel es gut in dem großen luftigen Schlafsaal, dessen breite Fenster auf das Meer hinausgingen; er war fix aus dem blaugestrichenen, eisernen Bettchen heraus und angezogen. Wie schmeckten ihm die Weihbrötchen und die Frühstücksmilch! Nie hatte ihn die Murier so viel essen sehen!
Vor dem Baden zeigte er wohl die ersten Male Angst; als aber der Bademeister energisch auf „Untertauchen" drang, und er den ersten Schauer überwunden hatte, begleitete sein Jauchzen jede kommende Welle.
Marias Augen, die matten, müden, leuchteten dann wohl hell auf, und des Mittags, wenn sie zusah, wie das Kind die Suppe mit den „Sternnudeln" aß, wie er sein Stückchen Kalbsbraten verspeiste und von dem Schokoladenpudding nichts übrig ließ, sondern verlangend zur austeilenden Schwester hinüberblickte, dann kam der alte, lebensfrohe Ausdruck wieder in ihr Gesicht. Des Nachmittags lag sie dann mit der Freundin in den hohen Dünen; lauschte der Brandung der ewigen See und 'olgte den tausend und tausend Wellen, die hochtürmend aon der Mitte der See heranstürmten, um endlich still im Sande zu zerfließen. Ruhe und Frieden überkam sie; ihr ngenes Leid versank im Hinblick auf die Unendlichkeit. Zhre Seele genaß, läuterte sich. Manchmal beobachtete ie wohl auch, wie die Kinder Festungen im schneeigen Sande bauten, Kanäle vom Meere her leiteten und Schiffchen
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gegenseitiger Achtung und gegenseitigem Vertrauen. Graf Leyden antwortete dem Redner namens der deutschen Delegierten. Dr. Ernst Schuster begrüßte die Konferenz im Auftrag der deutschen Kolonie. Alsdann sprachen Pros. Karl Rathgen und Sir Charles Macara über Wettbewerb auf wirtschaftlichem Gebiet.
Der BMMrieg.
Eine Entscheidungsschlacht?
* Konstantinopel, 29. Okt. Nach einer offiziellen Publikation des Generalissimus begann mittags eine Schlacht zwischen der Ostarmee und den Bulgaren.
* Konstantinopel, 30. Okt. Der rechte Flügel der türkischen Ostarmee mit Mahmud Mukthar Pascha soll, wie hierher berichtet wird, nach 12- stündigem Kampfe gegen Abend die Bulgaren mit starken Verlusten zu rück ge- sch logen haben.
Um Adrranopel.
ß Konstantinopel, 30. Okt. Gestern, Dienstag, machten die türkischen Truppen aus Adrianopel einen Ausfall an der westlichen Seite gegen Marasch und warfen die Bulgaren, die ungefähr die Stärke einer Brigade hatten, mit vielen Verlusten zurück. An demselben Tag hat die türkische Armee auf dem östli chen Flügel die Offensive ergriffen und den Feind zurückgeschlagen. Die bulgarische Division, die im Zentrum vordrang, wurde auch zurückgeworfen. Die türkische Armee hatte 800 Tote und Verwundete.
ß Sofia, 30. Okt. Die türrischen Truppen von Adricmovel machten mehrere Ausfälle nach verschiedenen Richtungen, wurden aber überall von den Bulgaren z u r ück g äs ch l a g e ck.
Die Montenegriner.
ß Rjcke, 30. Okt. Unweit von Dardonjolt, östlich von Stntari, unternahmen gestern die Türken einen Ausfall auf montenegrinische Truppen, die Austlärungsdienste versahen. — Eine Zroße Abteilung Weiß-Türken, die zwar serbischer Zunge, doch Anhänger des Islams sind, gaben durch mehrere weiße Fahnen ihre Bereitwilligkeit zu Unterhandlungen kund, worauf eine starke Truppe von Montenegrinern vorgsing. In einer Entfernung von 30 Schritt gaben die Weiß-Türken unvermft- tell eine Salve ab. 40 Montenegriner wurden getötet, mehrere hnnderlt verwundet. Das Feuer der Angreifenden wurde sofort erwidert. Die Weiß-Türken, die große Verluste erlitten haben, wurden zersprengt. Der König entsandte, nachdem ihm von dem Kampfe Meldung ^st^ttet worden war, heute 'früh eine Sanitätsabteilung ans Cetinje auf den Kampfplatz. Er erschien dann persönlich und ließ sich Bericht erstatten.
ß Rjeka, 30. Okt. Bei dem Zwischenfall von Bardonjolt standen 2 montenegrinische Bataillone der Division Niksijc dem Feinde gegenüber. Die Verluste der Montenegriner sollen 300 Mann an Toten und Verwundeten betragen. Die Türken wurden umzingelt und bis auf den letzten Mann niedergemacht. Die Verwundeten wurden z. Z. dem Spital in Cetinje zur Pflege übergeben.
!chwimmen ließen, die sie mit den aufgelesenen Muscheln beluden. Friedrich Karl's Wangen färbten sich rotbraun, seine Augen glänzten; der Junge, der ohne Spielgefährten einsam ausgewachsen, genoß jetzt doppelt die Kameradschaft.
Als sie damals in Hamburg aus der Haft kam, da war ihr die Kränklichkeit des Kleinen gar nicht schwer auf das Herz gefallen, jetzt gedachte sie mit Schrecken, daß sie nahe daran gewesen sei, ihr Kind aus Liebe zu einem Fremden aufzugeben.
Hier, in der stärkenden Seeluft, mit dem gesundenden Körper und der frischen Seele fand sie die alte Kraft zurück.
Der Arzt sagte ihr eines Tages:
„Um Sie hatte ich mehr Sorge als um Ihr Kind. Sie machten zu sehr den Eindruck, als wollten Sie nicht genesen!"
Kurz, ehe sie die Insel verließ, bat sie der Arzt eines Tages, doch zum Kaffee zu seiner Familie herüberzukommen.
Bei ihrem Eintritt erhob sich Dr. Böttcher.
Maria streckte ihm in aufrichtiger Freude beide Hände entgegen.
Dr. Böttcher sah sie innigen Blickes an.
„Wie gut Ihnen das Meer getan!"
„Das Meer und die Liebe hier, Herr Doktor! Und den Jungen sollen Sie sehen! Wie der gediehen I"
Dann gingen sie an den Strand.
Dr. Böttcher erzählte ihr, daß er sich hier eine Zeitlang aufhalten wolle, um die Einrichtung des Hospizes zu studieren, um zu sehen, was davon für eine Privatanstalt zu gebrauchen sei.
Herr Schneider harte ihn hergesandt.
Der Strand war einsam. Der sausende Nord-Ost hatte wohl die Badegäste in die Hotels oder hinter die schützenden Dünen getrieben. Höher und höher peitschte er die blaugrünen Wogen, zu Wellenbergen mit grauweißen Schaumkämmen und -Kuppen warf er sie gegen den Strand.