Ter griechische Vormarsch.
st Athen, 30. Okt. Wie aus Koschani telegraphiert wird, ist Verria gestern durch die grie- -ckische Armee ohne Widerstand besetzt worden. Die muselmanischen Familien 'sind in Der Stadt gehlieben. Die muselmanischen Notabeln erschienen vor dem Kronprinzen, um ihre Unterwerfung zu bezeugen. Die Eisenbahnverbindungen zwischen Verria und Monastir sind unterbrochen.
Tie Serben in Mazedonien.
* Belgrad, 30. Okt. Die Gesamtverluste der Serben bei Kumanowo werden offiziell mit vierhundert Toten unsd zweitausend Verwundeten angegeben. Die Türken sollen bei Ku- «anowo und auf der Flucht 16 000 Tote, bei Veles 5600 Tote verloren und fast sämtliche Geschütze eingebüßt haben.
Ein deutscher Augenzeuge über KirMisse.
Den ersten Bericht eines Augenzeugen, und noch dazu eines deutschen, über die Kämpfe um Kirk-lisse und dessen Fall enthält der von den „Leipz. N. N." soeben veröffentlichte Brief eines Verwundetenpfletzers vom Deutschen Roten Kreuz, der in den Reihen der Bulgaren während der Schlachttage tätig war. Unmittelbar nach dem Fall Kirkilisses'wurde"er zum Holen weiteren Verbandsmaterials nach Rustschuk an der Donau geschickt. Während das Material verladen wurde, brachte er feine Erlebnisse stenographisch zu Papier und übergab den Brief auf dem andern Donauufer der rumänischen Post.
Der Briefschreiber faßte seine Eindrücke in die Worte zusammen: Eine fünftägige Schlacht vor den Wällen von Kirkilisse ist geschlagen. Bulgarien hat glänzend gesiegt. Die türkischen Truppen sind teils gefangen," teils getötet, der Rest ist entflohen. Nachdem die Festung von allen Seiten eingeschlossen worden war, so heißt es in dem umfangreichen Schreiben im einzelnen, traf am Sonntag, 20. Oktober, mittags der Befehl zum Angriff ein. Um 1 Uhr begannen die schweren Geschütze der zahlreichen türkischen Forts zu donnern. Gegen die feuerspeienden Höhen der modern ausgestatteten Forts vorzugehen, war ein geradezu wahnsinniges Unternehmen. Dabei war das Terrain vor den Forts für die Bulgaren das denkbar ungünstigste. Nichts als Weingärten, die von Hecken und Zäunen sowie künstlich hergestelltem Stacheldraht, Erd- nnfwürfen, Schützengräben mit Sandsackverdeckung, verborgenen Minen und ähnlichen Dingen unterbrochen waren. Und die Türken verteidigten ihre Positionen tapfer.
Ein mörderisches Feuer aus den Weingärten empfing die bulgarische Infanterie, als diese sich zum Frontongriff entwickelte. Die Verteidiger in den Weingärten waren Irreguläre, Kurden und Tataren, und diese türkischen Hilfsvölker schlugen sich weit besser als ihre Herren. Diesen Hilfsvölkern ist es zu verdanken, daß die türkischen Truppen den Rückzug überhaupt durchführen konnten, durch sie erlitten auch die Bulgaren ihre furchtbaren Verluste. Andererseits wurden von diesen Hilfsvölkern auch die fürchterlichen Verstümmelungen an den toten oder verwundeten Bulgaren verübt. Im Norden der Festung mußten die Bulgaren einen
Gurgelnd, rauschend, aufzischend in dem hohen Gischt, die beiden oft mit feinem Sprühregen übergießend, kamen die Ealzwellen an sie herangerollt. Unendlich schön war das Meer in seinem wilden Spiel. Die Sonne konnte nicht hinübersteigen über die dunklen Wolken.
„Wild pfeift der Wind, dumpf braust das Meer.
Die Wolken hangen so regenschwer."
Dr. Böttcher sprach halblaut die Verse.
„Dichten Sie, Herr Doktor?"
„Ich? Manchmal, wenn mein Herz mich treibt I Ich glaube, mich wandelt das Schicksal noch ganz und gar, Frau Forti."
Maria sah von der Seite in sein Gesicht. Was für »in lieber, guter Mensch er doch war! So bescheiden, so dankbar und doch so viel Können! Unwillkürlich mußte sie an Johannes denken. Und heute, heute empfand sie zum erstenmal, daß diese Gedanken nicht mehr wehe taten I Ae Zeit lag so fern von ihr, so weit, und doch waren erst Monate ins Land gegangen.
Johannes Rosner! Nie hätte sie es für möglich gehalten, daß sie darüber hinwegkäme!
Geändert hatte das Erlebnis sie, ernster gemacht; sie hatte sich völlig in sich zurückgezogen: ihre Harmlosigkeit «en andern gegenüber war dahin, aber ihre Seele war *uhig, und wenn sie, was ihr Hedwig Hübner neulich an- vedeutet, wirklich als Tatsache erführe, daß Johannes Rosner die Tochter seiner früheren Wirtin geheiratet, sie würde es ohne Schwerz ertragen. Sie hatte kein Bedauern für ihn, keinen Haß; er wählte sich, was seiner innersten Veranlagung nach zu ihm paßte und würde nuf seine Weise sein Leben ausbauen. Er entbehrte ja nicht, denn er wollte es nicht anders. Wie an einen Fremden dachte sie an ihn, und heute schon wußte sie, die «eit würde sein Bild ganz verwischen. Ein Seufzer der Befreiung rang sich von ihren Lippen.
Dr. Böttcher war still neben ihr geschritten.
»Das ist ja das Erhabene an der See, daß sie so teilend und klärend wirkt. Frau Maria."
fluchtartigen Rückzug unter dem scharfen Feuer der Festungsbatterien antreten, als die Baschibozuks und Kurden aus den Deckungen hervorbrachen und alle Verwundeten vor der Feuerlinie in barbarischer Weise massakrierten. Den Verwundeten waren die Augen ausgestoßen, Nasen und Ohren abgeschnitten, vielen war der Leib ausgeschlitzt.
Erst gegen Abend erneuerten die Bulgaren ihre Angriffe in der Hoffnung!, den Feind zu überraschen. Aber gleich nach den ersten Schüssen flammten auf sämtlichen Forts elektrische Scheinwerfer auf und erhellten das Kampfgelände. Wiederum mußten die Bulgaren unter ungeheuren Verlusten sich zurückziehen. Ein dritter Angriff brachte endlich das Vorterrain in die Hände der Stürmenden. Ein furchtbarer Nahkampf entspann sich in den Weingärten, die von den Bulgaren rnkt blanker Waffe genommen wurden, während die Gegner jeden Schritt breit Landes zäh verteidigten. Uatagans, Handschars, Messer und Gewehrkolben, Tatarenbeile, selbst die bloße Faust und die Zähne benutzten die Verteidiger. Mehr als einem Bulgaren war die Gurgel durchgebissen worden. Viele gefangene Bulgaren wurden von den Kurden gepfählt.
Am Montag früh waren die Weingärten endgültig erobert, es ging nun an die Erstürmung der Höhen. Was das für eine Blutarbeit war, kann die kühnste Phantasie nicht ausdenken. Unzählige Stürme und Bajonettangriffe wurden zurückgeschlagen. So dauerte das Morden ohne Unterbrechung bis Mittwoch abends 5 Uhr. Da trat ein Stillstand auf der ganzen Linie ein. Die Türken ahnten jedoch, daß dies nur die Stille vor dem Sturm war. Auf der Festung und den Forts stiegen Raketen auf, die östlich von Kirkilisse stehenden Bulgaren meldeten den Rückzug der Türken. General Stoilow erhielt Befehl zur Verfolgung und von dem Generalissimus Sawoff wurde ein letzter umfassender Sturmangriff vorbereitet. Gegen 11 Uhr abends setzten sich die Sturmkolonnen in Bewegung, um mit gefälltem Bajonett die Höhen zu nehmen: zu schießen, war verboten. Die feindlichen Scheinwerfer verhinderten den Erfolg. Eine rasende Kanonade begann von den Höhen. Reihenweise stürzten die Bulgaren. Plötzlich erlahmte der Widerstand, sei es, daß die vielen christlichen Soldaten Schwierigkeiten machten, oder dstß der Rückzug der Hauptarmee entmutigend wirkte . Die Bulgaren nahmen drei Forts.
Die christlichen Soldaten der Besatzungen ergaben sich ohne weiteres, während die Türken noch wie die Löwen kämpften. Die bulgarische Artillerie erklomm die Höhen und griff die Festung Kir- kilisse selbst an. In den Weingärten unmittelbar vor der Stadt kam es noch einmal zu einem grausigen Nahkampf in stockfinsterer Nacht. So oft auch die bulgarische Infanterie vordrang, immer wieder wurde sie zurückgeworfen. Dieser Deil des Kampfes war für die Bulgaren der verlustreichste. Zahlreiche Erdminen wurden entzündet, die entsetzliche Verheerungen unter den Bulgaren anrich^ teten. Endlich, am Donnerstag früh zwischen 8 und 9 Uhr, drangen die Stürmenden von drei Seiten in die Stadt ein.
In ihre Gedanken hinein klangen seine Worte; fi
mußte ihn in dem Augenblick mit ihrem verstorbenen Mann vergleichen.
Der hatte ihr auch so oft unbewußt Antwort gegeben auf das, was ihre Seele bewegte.
Die beiden hatten überhaupt eine gewisse Aehnlichkeit ,m Charakter, fuhr es ihr durch den Sinn . . .
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Jahre sind ins Land gegangen; in gleichem Wechsel» Leiden und Freuden bringend.
In einem Vororte Hamburgs ist ein Kinderheim entstanden, eine Anstalt, die all den Kleinen, die Mutterliebe entbehren, zeitweilig eine Heimat werden soll; hier sollen sie finden, was das Leben ihnen vorenthielt: die Liebe.
Zwei Schwestern wirken mit an dem Gedeihen des Hauses; zwei junge, fröhliche Geschöpfe, die Frohsinn und Heiterkeit den Kleinen geben.
Die wirtschaftliche Leitung hält Hedwig Hübner, eine behäbige und würdige ältere Dame in ihrer festen Hand.
Der Liebling des Heims aber ist Frau Dr. Böttcher, Frau Maria; ihr eilen die Kleinen und Größeren mit ausgestreckten Armen entgegen. Die Tante „Doktor" will ein jeder gern haben.
Und Maria?
Eine ernste, stille Frau ist sie geworden; schlank, wie in ihrer Jugendzeit. Das Haar legt sich noch in vollen Wellen um ihre Stirn, ihr Gang ist frei und leicht. Gütig blicken ihre Augen auf die kleine Schar; voller innigster Liebe aber auf ihr vierjähriges Töchterchen.
Jetzt ist sie über sechs Jahre in dem Heim, und seit fünf Wintern die Frau des Anstaltsarztes Dr. Böttcher.
Wie sie den Mann verehrt, zu ihm aufschaut l Nicht mehr in so überschwenglicher Weise wie einst vor Jahren zu jenem andern, so demütig und bewundernd, wie ein voller Mensch zu seinem Kameraden.
Vermischtes.
Z Etwas vom Hopsen. Die Gerste, Lezw. das Malz liefert das Material, aus dem Alkohol und Kohlensäure des Bieres entstehen, der Hopfen aber gibt an das Bier Stoffe ab, die diesem Getränk seinen von allen anderen Getränken verschiedenen Charakter geben, der von dem Begpiffe Bier nicht zu trennen ist, jenen bekannten bitteren und würzigen Geschmack. Gleichzeitig aber erhöht er dessen Haltbarkeit und verbessert die Schaumhaltigkeit. Für Hopfen gibt es kein Surrogat, so oft auch schon versucht wurde, solche auf den Markt zu bringen. Demnach spielt er auch eine überaus große Rolle als Handelsartikel, jährlich werden ca. 85 Millionen Kilogramm Hopfen im Werte von 150—180 Millionen Mark verbraucht.' Der beste Hopfen ist der aus Saaz in Böhmen stammende, der im Minimum mit 70—100 Mark der Zentner bezahlt wird. Der Teil der Hopfenpflanze, der bei der Biererzeugung! verwendet wird, ist die weibliche Blütendolde. Es sind Vestalinnen der menschlichen Genußansprüche, die ihr Leben einsam verbringen müssen, denn da die Samenbildung! den Hopfen entwerten würde, sind männliche Pflanzen in den Hopfengärten nicht geduldet. — Unter den dachziegelähnlichen übereinanderliegenden Schuppen der Hopfenkatzchen befinden sich goldgelbe, nierenförmige Drüsenkörner, das Hopsenmehl oder Lupulin, die sich durch Klopfen und Absieben von den Blättchen trennen lassen. Die Wertbestimmung des Hopfens erstreckt sich auf den Geruch, nach dem geübte Hopfenhändler allein schon die Qualität bestimmen können, auf Farbe und Glanz. Der Saazer Hopfen hat einen sehr schwachen, an Heu erinnernden Duft. Der sogenannte Rothopfen hat bei seiner Reife eine grünliche, ins Goldige spielende Farbe, der sogenannte Grünhopfen ist rostfarbig, ungarischer saftig hellgrün, Elsässer olivgrün. Durch Verletzung der Zapfen entstehen oft scharf umgrenzte rote Flecken, die sogenannte Stangenröte. Große Wichtigkeit besitzt die Trocknung des Hopfens, die so weit gehen muß, daß die Dolden beim Biegen mit der Hand brechen, denn auf unvollkommen getrockneten Hopsen siedeln sich' Kleinlebewesen an, die seinen Wert verringern und sich durch die sogenannte Bodenröte anzeigen.
Literarisches.
Statistisches Handbuch für das Königreich Württemberg. Jahrgang 1910 und 1911. Herausgegeben von dem K. Statistischen Landesamt. Kartonniert Preis Mk. 2.50.
Zu beziehen durch die W. Rieker'sche Buch>- handlung, L. Lauk, Alten steig.
Konkurse.
Christian Friedrich Kappler, Säger, Kiefers Tochtermann in Calmbach, OA. Neuenbürg. Konkurs- sorderungen sind bis zum 20. November 1912 bei dem K. Amtsgericht Neuenbürg anzumelden. Prüfungstermin ist auf Mittwoch, den 27. November 1912, vormittags 11 Uhr vor dem K. Amtsgericht Neuenbürg bestimmt. — Nachlaß des h Remigius Ott, gew. Schmieds in Weitingen. — Friedrich Töpperwien, Hoteliers zum Bahnhotel in Ludwigsburg. — Eduard Ragg, Kleidermacher in Wurmlingen.
Verantwortlicher Redakteur: Ludwig Lauk.
Druck und Verlag der A>. RSeker'schen Buchdruckerei in Mensteig.
Eben geht er über den Hof, wie stolz, aufrecht seine Haltung! Wie gut er aussieht!
Sie muß daran denken, was ihr Friedrich Karl, ihr großer Sohn, als er aus Heidelberg kam, wohin sie ihn aufs Gymnasium gegeben, gesagt hat: „Mutter, ich glaube, mein Vater kann auch nicht ein besserer Mensch gewesen sein, als mein Pflegevater."
Er hat Recht, der große Junge!
Da hebt der Arzt den Blick und grüßt zu seiner Frau hinauf.
Maria nickt herunter.
Unwillkürlich legen sich ihre Hände zusammen. Wie reich ihr Leben doch, noch geworden war, wie gesegnet durch echte, wahre Liebe. Die, gleich Steinen, hell leuchtend, im eigenen Glanz und den andern ihr Licht spenden.
Ende.
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* Doppelsinnig. Kaiser Wilhelm I besichtigte im Jahre 1875 mit seiner Tochter, der Grotzherzogin von Baden, die berühmte Kaiserglocke, welche mit ihrem mächtigen Klange seitdem die Andächtigen in den hohen Dom zu Köln einladet. Zu dem Gieser derselben, Meister Hamm, sagte die Großherzogin: „Die Glocke hat Ihnen bis zu deren Vollendung gewiß viele Sorge bereitet?* „Freilich, Königliche Hoheit", entgegnete Hamm, „sie hat mir manche schlaflose Nacht verursacht." Hier fiel der Kaiser ein: „Glauben Sie nur, lieber Meister, das Metall, aus welchem die Glocke gegossen, hat mir auch in vielen Nächten Schlaf gestört!" Das Metall an der Glocke wurde bekanntlich aus den eroberten französischen Kanonen gewonnen.