Deutscher Reichstag.

Berlin, 20. Febr.

Am Bundesratsttsch die Staatssekretäre Kräfte, Wahn­schaffe. Präsident Kämpf eroffnete die Sitzung um 1.20 Uhr. Die Etatsberatung wird fortgesetzt. Äbg. Seyda (Pole) führt aus: In den öffentlichen Streit der Parteien über die Wahl wollen wir uns nicht einmischen. Aber es ist charakteristisch, daß nach der Rede eines Fraktionsgenoffen der Abg. Arendt sofort die Regierung aufforderte, ihre Polenpolitik unverändert sortzusetzen. Wir verlangen vor allem, daß bei den Wahlen kein amtlicher Mißbrauch der Stellung, des Ansehens und der Gewalt geübt wird. In Schwetz ist eine große Anzahl von Stimmzetteln aus nichtigen Gründen für ungiltig erklärt worden. Schulz (Reichspartei): In Schwetz sind zahlreiche Stimmzettel wegen ungenauer Namensangabe für ungiltig erklärt worden, aber nur vom örtlichen Wahlvorstanv, nicht vom Wahlkommiffar. David (Soz.): Wir verlangen angesichts der großen Vermögen, daß endlich mit der Einführung der direkten Reichssteuern be­gonnen wird. Gesparr werden kann nur an den Ausgaben ' für Rüftungszwccke. Für eine neue Heeres- und Marine- 'lage ist gegenwärtig der schlechtest gewählie Augenblick. Die Masse der Bevölkerung hat kein Interesse an einem Krieg mit Frankreich oder England. Nur kleine, aber finanziell mächtige Kreise wünschen den Krieg, um dabei ihr Geschäft zu nrachen. Der alldeutsche Verband hat erklärt, daß die Ausführungen des Staatssekretärs von Kiderlen-Wächter in vielen Punkten unrichtig seien. Wenn der Reichskanzler uns als antinational bezeichnet^ so hat er das mit international verwechselt. Den Vorwurf des Terrorismus geben wir den Konservativen zurück. Gewaltsame Revolution ist nicht unser Ziel. Der philosophische Reichskanzler versteht alles, nur nicht seine Zeit (Heiterkeit.) Herrn Paasche rief er in rührender Weise zu: Hermann kehre zurück, alles vergeben. (Große Heiterkeit.) Von Konzessionen will der Reichskanzler nichts wissen. Da war ein Flint Bülow ein anderer Kerl (Heiter­keit), da wurden Konzessionen gemacht, sogar das preußische Wahlrecht sollte geändert werden. Viel schlimmer als Scheide­manns Aeußerung ist die konservative Hetze gegen Bülow und den König von Preußen gewesen, die darau' hinauslief, das gegebene Versprechen über die Wahlreform nicht einzu­halten und einen Wortbruch zu begehen. Der Nichtempfang des Präsidiums durch den Kaiser stellte sich als eine Pression gegen den unabhängigen Reichstag als souveräne Körper­schaft dar. Der Regierung muß es genügen, wenn wir-bereit find, mit der Regierung des Monarchen praktisch zu arbeiten und das ist wiederholt und einwandfrei erklärt worden. Wir find bereit zur positiven Mitarbeit an der Ausgestaltung unserer Verfassung im demokratisierenden Sinne (Beifall bei den Soz.) Schiffer (narl.) erklärt über die Vorgänge bei der Präsidentenwahl: Bebels Aeußerungen konnten nur dahin aufgefaßt werden, daß der sozialdemokratische Vizepräsident im Falle der Verhinderung, des Präsidenten verpflichtet und bereit sei, den Besuch bei Hof zu machen und das Kaiserhoch auszubringen. Diese Auffassung hatten sämtliche Teilnehmer an der Besprechung. Um jedes Mißverständnis auszuschließen, habe ich das Ergebnis der Besprechung sofort festgelegt. Ich muß bei der von mir gegebenen Schilderung bleiben. Jeden­falls kann ich konstatieren, daß unsere politischen Entschließ­ungen für die Zukunst wesentlich erleichtert werden (lebh. Bravo). Bebel (Soz.): Ich bin einfach starr über diese Erklärung des Herrn Schiffer. An seiner ganzen Darstellung ist kein wahres Wort. (Große Unruhe im ganzen Hause.) Der Redner gibt eine eingehende Darstellung der Vorgänge bei der vertraulichen Besprechung und schließt: Ich habe nur gesagt: Wenn der Präsident verhindert ist, die offiziellen Verpflichtungen zu erfüllen, so versteht es sich von selbst, daß der Vizepräsident eintreten muß (Rufe: Na also!). Von

Auf und wende den Schritt,

Heiter ins Leben hinein!

Schmäle die Stunden nicht,

Die dir der Tag beschert.

A O. Bterbaum.

Angelas Heirat.

R man von L. G. Moderig.

(Forhetzung) Nachdruck verboten.

Wieder vergingen Wochen, und noch immer kam keine Nachricht von Erich. Die Wüste schien ihn verschlungen zu haben: die wilden Stämme, die das unerforschte Land bewohnten, in dem er verschwunden war, mußten ihn er­mordet habe» oder ihn in strenger Gefangenschaft halten. Oder der Gedanke stieg zuweilen in Angelas Herzen aut und wollte sich nicht gleich verbannen lassen oder war es möglich, daß Erich absichtlich verschwunden war, daß er mit voller Ueberlegung seine Spur verwischt hatte, und zwar aus einem Grund, den sie nicht einmal in Gedanken zu nennen wagte! Und wie sie auch gegen den furchtbaren Verdacht ankämpfte, sie war unfähig, ihn ganz aus ihrem Herzen zu verbannen, und der schreckliche Zweifel machte es ihr noch schwerer, die Einsamkeit und ! de» Kummer zu ertragen, und nur ihre große Energie ließ sie unter der schweren Last nicht zusammenbrechen.

In diesen Tagen des Zweifels und der Angst war Rolf Stern ihr ein treuer, ergebener Freund, bei dem sie Rat und Trost fand, aber ie längere Zeit veraing, seit der

Hofgängerei und Kaiserhoch war keine Rede. Tie National- liberalen wollen jetzt mit einem Sündenbock aus der Ver­legenheit herauskommen und der Sündenbock soll ich sein. Haase (Soz.) Wir haben aus eigener» Antrieb und unum­wunden erklärt, ein sozialdemokratischer Vizepräsident würde die staatsrechtlichen Verpflichtungen übernehmen, und darauf wurde uns gesagt, inehr zu fordern hätten die anderen Par­teien keinen Anlaß. Gröber (Z.): Bebel täuscht sich. Uns genügte die Erfüllung der staatsrechtlichen Verpflichtungen nicht. Wir verlangen von jedem Präsidenten, daß er alle Verpflichtungen, mögen sie geschrieben oder ungeschrieben sein, erfüllt. Meine Erinnerung deckt sich im wesentlichen mit derjenigen des Herrn Schiffer. Die Herren ivaren be­reit, eventuell auch zu Hof zu gehen und auch das Kaiser­hoch auszubringen (hört, hört, große Unruhe im ganzen Hause). Dagegen haben die Herren ausdrücklich erklärt, daß ohne eine Zwangslage der soziald. Vizepräsident nicht zu Hofe gehen würde, auch könne man nicht verlangen, daß die Partei das Kaiserhoch mitmache. Iunck (natl.) pflichtet der Ansicht Gräbers und Schiffers bei. Bebel (Soz.) fragt: Haben Herr Iunck und Herr Basfermann sich nicht bereit erklärt, sich mit der Erfüllung der staatsrechtlichen Pflichten zu begnügen? Müller Meiningen (F. B.)t Wir bieten hier doch ein trauriges Bild (ironisches sehr richtig im Zentrum und rechts), zumal da es sich darum handelt, die Glaub­würdigkeit eines Abgeordneten herabzusetzen, noch dazu eines so angesehenen Mitgliedes wie Bebel (große Bewegung). Was Herr Gröber gesagt hat, entspricht vollkommen meinen Aufzeichnungen (Bewegung).

Damit schließt die erste Lesung des Etats, der an die Budgetkommission verwiesen wird. Die Anträge auf Ab­änderung der Geschäftsordnung werden ohne Debatte an die verstärkte Geschäftsordnungskommiffion verwiesen. Nach Erledigung einiger Rechnungssachen vertagt sich das Haus auf Mittwoch 1 Uhr: Interpellation betreffend Futtermittel und Kaffeezölle. Schluß 5.16 Uhr.

Tanvesnachrichleu.

Akt«rst-ig. 31. Februar.

* Taubstlullineustatiftik. lieber die. Aufnahme einer sortiansewden Statistik der Taubstummen des Landes haben die Ministerien des Innern und des Kirchen, und Schulwesens eine neue Verfügung ergehen lassen, wonach küufsizjhin im Januar jeden Jahres durch die gemeinschaftlichen Oberämter in Schulsachen eine statistische Aufnahme der Taub­stummen itn Lande zu veranstalten ist, bei welcher jedes taubstumme, oder der Taubstummheit ver­dächtige Kind gezählt wird, dtas in dem betreffen­den Kalenderjahr in das schulpflichtige Alter gin tritt und noch nicht in einer Taubstummenanstalt nntergebracht ist. In der VerfüMiig wird auch bestimmt, daß für die Untersuchung der .Kinder und die Ausfüllung der Fragebogen den Angehörigen keinerlei Gebühren angerechnet werden dürfen.

>! Nagold, 20. Febr. Am Sonntag' wurde die renovierte Kirche in Pfrondorf eingeweiht. Der Ortsgeistliche, Pfarrer Sfgwart in Emmingen, hat von den Kosten ein großes Teil übernommen lind den Rest der Gemeinde unverzinslich vvrgeschossen.

Is Caltv, 20. Febr. Gestern vormittag wurde aus der Straße zwischen Teinach und Kentheim die Leiche eines Bürgers von Kentheim am Fuße einer hohen Böschung in erner Blutlache gefunden. Es scheint., daß der während der Nacht ans dem Heimweg begriffene bejahrte Mann totgeschlagen und die Böschung hinunter gestürzt worden ist. Der

Geheimrat ihr die schreckliche Mitteilung gemacht, desto ' mehr schien es Angela, als ob Rolf Stern nicht mehr jo i felsenfest von der Unschuld seines Freundes überzeugt sei, wie am Anfang. Die letzten paar Male, die er für einen Tag nach Grauberg gekommen war, um ihr über den Stand der Nachforschungen zu berichten, hatte sie ihn ver­ändert gesunden, und sie schrieb diese Aenderung in feinem Wesen einem Grund zu, der weit davon entfernt war, der richtige zu sein. Ihre eigene Angst und die Zweifel, die sie sich redlich Mühe gab zu unterdrücken, machten sie ge­neigt anzunehmen, daß Rolf Grund habe, Erich des Ver­gehens für schuldig zu halten, das man ihm zuschrieb. Sie war zu rein und unschuldig, um zu erraten, daß die wahre Ursache der Veränderung in Rolfs Benehmen die immer wachsende Leidenschaft für sie war, die ihn die Pflichten gegen den Freund und gegen seine eigene Ehre immer mehr vergessen ließ.

Mit jedem Besuch, den er Angela machte, mit jeder Stunde, die er in ihrer Gesellschaft zubrachte, versank er tiefer in den Abgrund, aus dem er gar nicht inehr oer-

M'wWcyrÄ, EjÄste

hrer Stimme, beobachtete jede Bewegung ihrer schlanken Figur, jede Wendung ihres zierlichen Kopfes und war sich voll bewußt, daß er, um Angela zu gewinnen, nicht zaudern würde, mit allen Kräften Erichs Rückkehr nach Deutschland zu verhindern. Aber wie konnte er Mittel indem um es demverhaßten Rivalen", wie er ihn in Jedanken schon nannte, unmöglich zu machen, wieder in ne Heimat zu kommen? Das war die Frage, die ihm etzt als die wichtigste erschien. Konnte man Erich für mmer fernhalren?

So weit war Rolf Stern gekommen, nachdem er zu- .-rst der Versuchung nachgegeven, auf die ersten bösen Einflüsterungen gehorcht hatte, die ihm ein böser Geist nach enem Besuch Angelas bei ihm in Berlin zugeraunt. Er zatte damit angefangen, zu hoffen, sein Freund werde

Polizeihund verfolgte die Spur, verlor sie aber itu Walde.

jj Kloslcrreicheubach, 2i>. Febr. Der hiesige Schivarzwaldvereiu beabsichtigt, auf der linken Seile der Murg abseits der Autvmobilstraße von. hier bis zur Landgrenze die Durchführung eines Fußwegs, svdaß, da die badischen Mnr,gkalvrte mit Anlegung eines solchen voraugegaugen find, eilt 20 Kilometer langer aurofreaer Fußweg von hier bis Forbach bestehen würde, der für die Wanderer eine große Wohltat wäre. , x !

tt Reutlingen, 20. Febrs Die Jahresversamm­lung des Landesverbands der Geflügel- und Bo- gelschntzvereine Württembergs hat sich dafür ent­schieden, die 2b!. Geffügelanchstellnng >913 in Ra­vensburg stattfinden zu lassen, wo gleichzeitig die nächste Landesverfaimnlung abgehalten wird.

!! Stuttgart, 20. Febr. Fürst Karl von Urach, der schon feit längerer Zeit erkrankt ist, mußte sich heute nachmittag einer Operation ün Marien- hospikal unterziehen. Die Operation wurde von Professor Dr. Zeller ausgeführt. Es handelt sich um ein Leber leiden.

Is Wkinsberg, 20. Febr. Das Wahrzeichen Weinsberg, dieWeibertren" das Erinnerungszei­chen an die edle und tapfere Tat der Weinsberger Frauen, die am Christfest des Jahres l 140 ihre Männer durch Herabkrag,eu von der durch Kaiser Kvnrad III. belagerten Burg vor dem sicheren Tode retteten, jene Burgruinen, die heute noch gxn Hrm tuel enrporragen, verdanken ihre Rettuag vor dem gänzlichen Verfall keinem anderen als Justinus Ker ner. Nach der Zerstörung der Burg im Bauernkriege des Jahres 1020 blieben ansehnliche Ueberreste üb rig, die zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts den Umwohnern teilweise als Steinbruch dienten und mehr und mehr verschwanden. Justinus Kerner verstand es, durch Gründung eines Frauenvereins weitere Kreise Deutschlands ans dieses schwäbische Juwel aufmerksam zu machen und '» dieWerber- treu" vor vollständiger Vernichtung! zu bewahren. König Wilhelm l. brachte den Bestrebungen Ker ners wohlwollendes Interesse entgegen, er kaufte die Burg und schenkte sie. dem Verein. Viel gab es für Kerner zu tun, uni den Trümmerhaufen ein: germaßen zugänglich zu machen. Auf Kosten des Vereins wurden die. alten Mauern ansgebessert und die Türme gesichert, sowie das Innere in eine lieb­liche Anlage verwandelt. Nach dem Tode Kerners betrachtete es sein Sohn Theobald als Ehrenpflicht, die Lebensaufgabe des Vaters weiter zu führen. Als ein rastloser Hüter des Denkmals deutscher Weiberlrene hat er bis zu seinem im Jahre 1907 erfolgten Tode mit inniger Hingabe für die Er­haltung und Verbesserung der Burganlagen ge sorgt.

ff Geislingen n. SL., 20. Febr. Abgereist, ohne das Reiseziel seiner Hinterlasfenen Frau anzugeben, «aber unter Mitnahme des vorhandenen Sparkassen­buchs und der Lebensversicherungspolice, ist Polizei soldat Zähler von hier. Warum ist nicht bekannt. Vor verschiedenen Jahren ist ein Polizeiwachtmei­ster von hier auf ähnliche Art und Weise plötzlich abgereist: ein Bizewachtmeister hat sich erschossen und nun geht der Polizeidiener auch ab.

'! Wakdfee, 20. Febr. (Die geladene Flinte ans dem Ball. > Gestern abend ereignete sich ani dem Bürgerball in Heisterkirch hiesigen Oberamks

weryaupt nicht wieoer zurucrreyren; er parke pcy gejagt, Lrich und Angela hätten einander ja doch nicht l:eb, würden es also nicht sehr schwor empfinden, wenn sie ich nie wiedersähen. Aus diesen ansängtichen schwachen Hoffnungen hatte sich später der Wunsch entwickelt, Erich nöge für immer verschollen sein, und jetzt, wo der Marz gekommen war und die Frühlingsluft ihn kosend um- ächrtte, da nahmen seine Gedanken und Wünsche eine - stt rc Form an. Er begann Pläne zu schmieden, Pläne, die Lrich verhindern sollten, nach Berlin zurückzukehren, die ihn ni Afrika fesseln sollten. Aber diese fein ausgedachten Pläne ießen sich nicht verwirklichen, solange man keine Ahnung falte, wo Martens sich befand. Solange dies dunkle Ge- feimnis über seinem jetzigen Aufenthalt schwebte, konnte nan ebensowenig Schritte unternehmen, um Erichs Rück­kehr zu verhindern, wie um sie zu ermöglichen. Deshalb benutzte Rolf die Zeit, um sich Angela so unentbehrlich vie nur möglich zu machen und glaubte, wenn der Augen­blick käme, wo er sich offen aus dem Freund in den Lieb­haber verwandeln könne, würde es ihm nicht schwer fallen, hre Gegenliebe zu erwecken. In der Zwischenzeit spiette -r sich als iln und iwes Gatten denen O-reund am. und lein Zweifel an seiner Ehrlichkeit und Preue stieg in Angelas Herzen auf. Seine Bemühungen, die Rolle des uneigen­nützigen Freundes durchzuführen, waren vollkommen von Erfolg gekrönt. Anqelas Verlassenheit, die Haltung der Nachbarschaft ihr gegenüber und vor allein ihr unschuldiges Vertrauen zu Rolf oeranlaßten sie, sich mehr und mehr auf ihn zu stützen, besonders, da der Iustizrat Grüning ihr so deutlich gezeigt hatte, daß er nicht an Erichs Unschuld glaube, so daß sie es nicht wagen tonnte, ihn um Rat und Hilfe anzugehen.

Mit den, Einzug des Frühlings wurden Sterns Be­suche in Grauberg immer häufiger, und da die Grauberget immer die Augen weil offen Hielien, so war es bald im Städtchen bekannt, daß die junge Frau Martens so oft den Besuch eines Herrn empfing. Frau Bürgermeister Scheibler fand das häufige Kommen Rolfs so unpassend, daß sic