Kegrüsdkt

1877.

Fernsprecher Nr. 11.

Die TageSausgabe trüct vierteljährlich im Bezirk Nagold Md MchbirortSvei-kehr M. 1.28

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Die Wochenausgabe (Schwarzwälder SonAlagsLlatt)

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Bm Reichstag.

Schlag aus Schlag gibt es im deutschen Reichs tage bedeutsame Ereignisse, nachdem die wiederholt verunglückte Präsidentenwahl Mitte voriger Woche endlich vollzogen war. Tags daraus kündigte der Reichskanzler v. Belhmann Hollweg an, daß tat sächlich Besprechungen mit England eingeleitet seien, um freundlichere Beziehungen herbeizuführen. Zu der folgenden Sitzung ließen der leitende Staats­mann und der frühere Staatssekretär des Innern Gras Posadowsky laute Mahnworte an die bürger­lichen Parteien zur Sammlung gegenüber der So zialdemvkratie erschallen, und am letzten Tage der Vorwoche prasselten die Ordnungsrufe des Präsiden Leu Kämpf auf den sozialdemokratischen Abgeord neten Ledebour nieder, der den Reichskanzler wegen seiner tags zuvor gehaltenen Rede und den Staats sekretär v. Kiderlen.-Wächter wegen dessen Marokko Politik heftig angegriffen hatte. Der Staatssekretär konnte mit gutem Recht auf die LeistunMn der deul scheu Politik Hinweisen. Als eine leichte Wolke erschien von neuem der Streit um die Erbschafts­steuer am politischen Horizont des Reichstages, die Abg. Gröber vom Zentrum entschieden bekämpfte, während Reichsschatzsekrctär Wermuth erklärte, daß ohne diese Steuer eine volle Gesundung der Reichs sinanzen «sicht möglich sei.

Dann kam die Lösung der Frager:Wird der Kaiser das Reichstagspräsidium empfangen, da der erste Vizepräsident Scheidemann es mit seinen so­zialistischen Anschauungen nicht vereiniAm kann, dein Oberhaupte des Reiches die herkömmliche Aufwar­tung zu machen ?" Die durch das kaiserliche Hof marschallamt erteilte Antwort, der Kaiser danke für die Mitteilung von der Konstituierung des Reichstags, sei aber verhindert, das Präsidium zu empfangen, kam nicht unerwartet, und hat außer­halb des Reichstages mehr Aussehen erregt, wie in diesem selbst. Der Reichskanzler hatte seine Worte vom Freitag in die Praxis umgesetzt, indem er dein Kaiser vorschlug, vom Empfange des Prä­sidenten und des zweiten Vizepräsidenten abzusehen, da es üblich sei, nur das ganze Präsidium im Schlosse in. Audienz zu empfangen.

' ES ist nicht das erste Mal, daß ein Empfang des Reichstagspräsidiums durch Kaiser Wilhelm,2. unterbleibt. Die Audienz siel aus im Frühjahr ! 89b, als das Präsidium zurücktrat, nachdem die Parlamentsmehrheit dem Fürsten Bismarck den Glückwunsch zum achtzigsten Geburtstag versagt, und der Kaiser feine Entrüstung darüber ausgesprochen hatte. Die damals neugewählten Präsidenten von Buol-Berenberg und Spahn (Ztr.) und Schmidt Elberfeld (freis.! wurden nur zu einem Hoffeste gleich anderen Gästen einMladen, ans dem der Kaiser sie ansprach und den Wunsch nach guten Er folgen für die Reichs tags arbeite n ausdrückte. Viel leicht kommt es jetzt nach der Rückkehr des Monar­chen von Kiel ähnlich, wie !89ö.

Zu, Reichstag ist die Anschauung die allge­meine, daß dieser Zwischenfall an den tatsächlichen Verhältnissen nichts ändert. So lange kein Miß trauensvotum aus dem Haufe erfolgt, bleiben die drei Präsidenten bis zum 13. Mürz im Amt, wo, wie stets in der ersten Session einer neuen Wähl Periode, die entgültige Wahl des Präsidiums zu er folgen hat. Der 13i März All ia freilich als ein bedenklicher Tag, und der an seinem 70. Geburt-?

Mittwoch, d«r LI. A»bruar.

tag zum Ehrendoktor der Rechte ernannte Präsident .Kämpf hat es selbst ausgesprochen, daß er nicht wisse, ob er länger als vier Wochen Präsident sein würde. Nachdem s. Z. der Reichskanzler und die Minister im ersten Berliner Wahlkreise in der Stich Wahl Herrn Kämpf zum Abgeordneten gegen seinen sozialistischen Gegenkandidaten gewühlt hatten, war es auznuehmeu, daß Herr v. Belhmann Hollweg ibm zum Geburtstage grarulieren würde. Und so ist es auch gekommen, der Kanzler ubersandte seinen Glückwunsch mi: Visitenkarte, die Minister Dr. Del­brück und Sydolv in liebenswürdigen Telegrammen. Die Entscheidung darüber, was am 13. März ge­schehen soll, haben die. Angehörigen der national liberalen Partei, die zumeist dem ersten Vizepräsi deuten Scheidemann ihre Stimme gaben. Ans wel ches eveuluelle neue Präsidium mau sich einigt, bleibt abzuwarten.

Ans den Worten des Reichskanzlers klang Kampfstimmung gegen die Sozialdemokratie, und diese wird sich in den Sitzungen des Reichstages noch mehr gellend machen. Aber auch die Ber pslichlnng zur Arbeit ist vorhanden, und ihrer wird iiwn sich nach allem Zwist wieder zu erinnern haben. Schwerere Kämpfe als geMnwürtig harren in einer späteren Session, wenn die wiederholt erwähnte Erbschaftssteuer von neuem in, den Be reich greifbarer Wirklichkeit für die Deckung der Ausgaben der nuen Heeresvorlagen treten sollte, wie es allen Anschein bat.

Tages-Rundschau.

Tie Festlegung des Osterfestes

beschäftigt schon seit langem weite Kreise des Han -dels und der Industrie. Jetzt ist von rechts stehen den Abgeordneten 'im Reichstag ein Antrag einge­bracht worden, worin der Reichskanzler ersucht wird, dahin zu wirken, daß in den christlichen Staa­tei! übereinssimmeud das Osterfest auf den ersten Aprilsoun:ag sestgetegt werde. Bekanntlich hat auch die römische Kurie gegen eine solche Festlegung des Osterfestes nichts elnzuwenden.

Tie Gkueralversammtuug des Bundes der Landwirte.

Am. Monlag trat in Berlin die Generalver­sammlung des Bundes der Landwirte zusammen. Es mögen wohl 0000 bis 8000 Manu gewesen sein, die den Riefensaal des Sportpalastes füllten. Wie vorauszusehen war, bildeten die Wahlen und die Vorgänge in den noch kurzen Reichstagsverhand lungen den Hauptinhalt der Reden. Die Versamm lung genehmigte folgende Resolution!

Der Bund der Landwirte tritt in ungebrv chcuer Kraft für den gleichmäßigen Schutz jeder nationalen Arbeit ein und erachtet es gerade jetzt für besonders wichtig, das deutsche Volt in seiner Versorgung mit Fleisch und Brot vom Auslände immer uuÄhängiger zu machen und zu erhalten. Für dir Erreichung dieses Zieles ist aber die Er Haltung des bisherigen Systems des Schutzes der landwirtschaftlichen Produktion unbedingt geboten, und zwar einschließlich der Erzeugnisse des denk scheu Futterbaues und der deutschen Gärtnerei.

Der Bund der Landwirte sieht eine besonders wichtige Aufgabe der gegenwärtigen Zeit in der so­zialen lind wirtschaftlichen Fürsorge für den ge werblichen und kaufmännischen bürgerlichen Mttel- stand, der in einer von Jahr zu Jahr gesährlicher werdenden Weise durch großkapitalistische Unterneh­mungen, gewerkschaftliche Zusammenschlüsse, Äon sumvereinsbestrebungen usw. in seiner Existenz be droh: wird. Diese Fürsorge muß sich in gleicher Weise aus unseren immer zahlreicher werdenden Be amtenstand ausdehnen.

Der Bund der Landwirte hält es für unbe dingi geboten, den Zusammenschluß der christlichen und nationalen Arbeiterschaft zu unterstützen und hierbei die Arbeitswilligen vor der Vergewaltigung durch sozialdemokratischen Terrorismus unbedingt zu schützen.

Amtsblatt für Pfalzgrafenweiler.

IM«.

Die stetig steigenden Anforderungen für Heer und Flotte verlangen nach der Ankündigung der Regierung wiederum die Einführung neuer Steuern. Der Bund der Landwirte erwartet, daß hierbei unsere Steuerpolitik nach dem Grundsatz sozialer Gerechtigkeit geregelt wird. Angesichts der Tat­sache, daß dfe Ausgaben für die Erhaltung und Verbesserung des gegenwärtigen Kultnrstaudes in Deutschland den Einzelstaaren, Provinzen und Kom­munen obliegen und überwiegend durch direkte Steuern aufgebracht werden, die in erster Linie zweifellos den Mittelstand belasten, bedeutet es einen gerechten Ausgleich, wenn sich demgegenüber

an den Aufwendungen für unsere nationale Ver­teidigung- und für die Erweiterung unserer positiv scheu und wirtschaftlichen Weltmachtstettnng auch die­jenigen Bevölkeruugskreise in gerechtem Maße be­teiligen, denen die Segnungen dieser Ans men dün­ge n in besonderem Maße zugute kommen. NaÄ kann aber nur unter Beibehaltung indirekter Steuern und bei gleichzeitigem Ausbau einer be­sonderen Besteuerung des mobilen Großkapitals ge ­schehen, nicht aber durch eine ebenso sozial unge­rechte wie in ihren Erträgen weit überschätzte Aus- dehnnng der Erbschaftssteuer aus Kinder und Ehe­gatten, deren Wiederei nbrinMiig nur dazu dienen würde, die Zerrissenheit der bürgerlichen Parteien von neuem zu vermehren. . -

lieber alle wirtschaftlichen Fragen jedoch stellt der Bund der Landwirte die Sorge um Kaiser und Reich. Für des Reiches Macht und Stärke, für die unverminderte Erhaltung der Machtfülle der Monarchie werden wir in unerschütterlicher Treue zu Kaiser und Reich mit allen Kräften ein- treten."

Zu Gras Arhrcnthals Dobf. .

Mit Sem Grasen Aehrenthal ist einer der Drei- bttnömittister aus dem Leben geschieden, deren An­denken unauslöschlich ist. Der Verstorbene, der ur seiner Energie, die außer Sem Staatswohl kein«! andere Rücksichten kannte, an Bismarck erinnert, reih: sich würdig dem Grasen Julius Andrassy an, mi; dem Fürst Bismarck im September >879 zu Gastein das deutsch-österreichische Bündnis abschlvß, sowie an seinen Lehrmeister und persönlichen Freund, den Grasen Äalnvky, dem die Wiederan­näherung Deiuschlands und Oesterreich Ungarns an Rußland zu danken ist. Trotz der starken von dem Thronfolger geleiteten Gegnerschaft erfreute sich der Verstorbene bis zum letzten Atemzug des Ver­trauens seines kaiserlichen Herrn, dessen huldvolle Anerkennung ihm die letzte Lebensstnnde verschönte. Der neue Leiter der auswärtigen Politik Oester­reich Ungarns, Graf Berchtold, ist politisch bisher weniger hervorgetreten. Er steht erst im 49. Lebens­jahre und ist selbständig erst seit >906 tätig. Da­mals ging er als Botschafter nach Petersburg, wo er bis zu seiner Berufung in die leitende Stelle des Auswärtigen Ministeriums erfolgreich tätig war. Für den Dreibund ist es ein offenbarer Gewinn, daß der auswärtige Minister der habsburgischen Doppelmonarchie wiederum ein Mann ist, der mit den leitenden Petersburger Kreisen persönlich be­kannt ist und zu ihnen in freundschaftlichen Be­ziehungen steht. Gras Berchtold erfreute sich der besonderen Gunst des Zaren. .

Der drohende Bergarbeiterstreik in England

macht sich bereits in zahlreichen Arbeiterkündig- ungen aus industriellen Werken fühlbar. Auch stei­gen die Kohlenpreise, zumal die Zechen in den nächsten Tagen die Kohlenlieseruugxn einstellen wer­den, weil sie selbst einige Vorräte nötig, haben, um die eigenen Maschinen in Betrieb zu erhalten. In Glasgow befinden sich bereits Tausende von Hafenarbeitern im Ansstand. Der englische Sozia- liste nsührer Keir Hardie sprach in csiuer Versammlung in Lyon die Hoffnung aus, daß die Grubenarbeiter in Deutschland, Frankreich und Belgien iu dem be vorstehenden Kamps die Echtheit der so oft erklär Leu sozialistisch-brüderlichen Gesinnung beweisen würden.