Inzwischen waren nach und nach die einzelnen Gruppen des Festzugs zur Aufstellung nach der Neuen Stuttgarter Straße abgegangen. Dort sammelten sich die Festwagen in der im Festprogramm angegebenen Reihenfolge. Die Straßen der Stadt hatten sich ungemein belebt. Viele Fremde und viele Bewohner der Nachbarorte füllten die Stadt. Gleich lebenden Mauern umstanden die Massen teilweise die Häuserreihen, die der Festzug passierte. Eine lange Kette Festwagen sperrte die Neue Stuttgarter Straße und bei ihrem Anblick lachte einem das Herz im Leibe sowohl wegen ihrer oft sehr zarten Besatzung, als auch aus Freude darüber, daß jetzt doch wirklich alles gelingen und keine Wetter und kein ungünstiger Zwischenfall noch im letzten Augenblick die Veranstaltung des Festzuges unmöglich machen sollte. Mit verhältnismäßig geringer Verspätung setzte sich der
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vom Aufstellungsplatz aus in Bewegung. Er passierte vom Aufstellungsplatz aus die Bischoffstraße, lenkte über den Festplatz nach der Ledergasse zum Marktplatz, von da durch die Badgasse über die neue Brücke, kam dann durch die Bahnhof- und Bischoffstraße wieder zum Festplatz. Dem Zug vorauf ritt ein Herold und zwei Vorreiter, alsdann schlossen sich an die Calwer Stadtkapelle, der die Festgäste, Vorstands- und Ausschußmitglieder des Landwirtschaftlichen Bezirksvereins und seiner Zweigvereine folgten. Zwischen diesen und dem ersten Festwagen war der Trupp prämiierter Dienstboten eingeschoben und dann, dann stellte man sich auf die Zehen und reckte die Hälse — der erste Festwagen kam! Diese Festwagen bildeten den Glanzpunkt im Zug und dem Berichterstatter ist es sehr schwer gemacht, über sie zu seinen geehrten Lesern zu plaudern — er muß sich leider darauf beschränken, nur kritiklos die mitgeführten Wagen hier anzugeben. Von dem ersten der Festwagen strahlte einem Göttin Herta entgegen, umstellt von den vier Jahreszeiten, die sie werden läßt. Dann sah man zwei Ochsen ein Ungetüm daherziehen, einen Pflug aus vorkeltischer Zeit. Sowohl ihn, als auch den erstgenannten Wagen stellte der Hauptverein. Unterreichenbach war mit einem altgermanischen Jagdzug vertreten, hinter dem her ein Köhlereiwagen sich verirrt hatte. Dahinter schritt die Calwer Jugendkapelle und von ihr weg lenkten sich die Blicke auf den Wagen des Bezirksfischereivereins, allwo allerlei hübsche Fische bei den Netzen zappelten. Der Bezirksverein für Geflügelzucht und Vogelschutz verkündete gleich mit zwei Wagen sein Dasein; auf dem einen war während des ganzen Festzugs ein Kücken im Begriff, aus dem Ei zu schlüpfen und auf dem andern ward allerlei Geflügel in kunstgerecht gezimmerten Behausungen untergebracht. Die Bienen, die der Wagen des Bienenzüchtervereins mit sich führte, konnte man sich gefallen lassen, die stachen wenigstens nicht, schwärmten nur. Dem Wagen des Obstbauvereins mit seinen lockenden Früchten und dem des Kaninchenzüchtervereins hatte sich der von den vereinigten Handelsgärtnern in Calw verfertigte angeschlossen,
kichtenstein.
41) Romantische Sage von Wilhelm Hauff.
5.
Durch diese hohle Gaffe mutz er kommen-.
Es führt kein andrer Weg nach Kütznacht. — Hier Vollend' ich's — die Gelegenheit ist günstig.
Schiller.
Man hat zu allen Zeiten viel Schönes und Wahres über die Torheit der Eifersucht geschrieben, und dennoch sind die Menschen seit Urias Zeiten darin nicht weiser geworden. Leute von überaus kühler Konstitution werden zwar sagen, wenn jener berühmte jüdische Hauptmann nicht die Torheit begangen hätte, seine schöne Frau nur für sich allein haben zu wollen, oder gar auf den König David eifersüchtig zu werden, so wäre der berüchtigte Uriasbrief nie geschrieben worden, und besagter Hauptmann hätte es vielleicht noch weit im Dienste bringen können. Andere aber, denen die Natur heißes Blut und einen Stolz, ein Gefühl der Ehre gegeben hat, das durch Hintansetzung oder Treubruch leicht aufgeregt und beleidigt wird, werden beim eintretenden Falle jenem unglücklichen Uebel unterliegen, wenn sie auch mit allen Beweisgründen der kälteren Vernunft sich selbst die Torheit ihres Beginnens vorpredigen.
Georg von Sturmfeder war nicht von so kühlem Blute, daß ihn die Nachricht, die er heute erhielt, nicht aus allen Schranken der Billigkeit und Mäßigung herausgejagt hätte; er war überdies in einem Alter, wo zwar die offene Seele sich noch nicht daran gewöhnt hat, dem Menschen a prioi-i zu mißtrauen, wo aber ein solcher Fall um so überraschender ist, um so gefährlicher wirkt, eben weil das arglose Herz ihn nie gedacht hat. Da kocht das Gefühl der gekränkten Treue, da braust der Stolz auf, der sich beleidigt dünkt; den prüfenden Verstand, der das Fal-
ihm der des Ziegenzuchtvereins und dann ging's zur Industrie über: die Sensenfabrik Haueisen und Sohn (Neuenbürg) hörte man, obwohl ziemlich verkleinert, schon von weitem mit ihrem Sensengehämmer. Hinterdrein führte der Wagen der Gemeinde Althengstett tadellos geschnittene Frucht und eine ebenso tadellose Trachtengruppe, weiterhin richtete der Blick sich dann auf den Heuwagen von Stammheim und noch mehr auf die ihm folgenden Schnitterinnen. Lebhaft beguckt, passierte die Schwarzwälder Spinnstube, die die Stadtgemeinde Neubulach nach Calw versetzt hatte, und dann war eingereiht in langem Zuge eine Schwarzwälder Bauernhochzeit mit Musik. Diese Gruppe wäre dem Zweigverein Calw des Württemb. Volkstrachtenver- eins zu verdanken, der Trachtenwagen der Gemeinde Deckenpfronn. Die Festwagen von Bezirks- Handels- und Gewerbeverein, Bäcker- und Metzgerinnung brachten entsprechend zusammengesetzte, die Zwecke bezw. die Berufstätigkeit und -erzeugnisse darstellende Gruppen und den Klängen der ' Kurkapelle aus Bad Liebenzell zunächst saßen die aus dem schneeglitzernden Festwagen der Strickwarenfabrik Chr. Ludwig Wagner hier untergebrachteu Skier, Schlittschuhläufer usw. usw. im tadellosesten Weiß. Die Vereinigten Deckenfabriken hier führten außer ihrem Wagen noch eine in aller Nationen Gewänder gekleidete Gruppe vor. Während dem Zuschauer auf dem Wagen der Neuen Höheren Handelsschule und Handelsakademie Handel und Industrie, Landwirtschaft und Gewerbe um Minerva, die Göttin des Wissens gruppiert fand, war auf dem Wagen der Spöhrerschen Höheren Handelsschule ein antikes Motiv zum Vorwurf genommen: römische und griechische fahrende Schüler. Die Badeverwaltung in Teinach, Besitzer Emil Boßhardt, stellte ein Gesundheitswasser bergendes Felsengeklüfte mit, Nixen und Zwergen und den lieblichen Schluß machte der Wagen der Stadtverwaltung mit der Eberhardsgruppe, davor eine Anzahl weißgekleideter singender Mädchen, Wimpeln tragend.
Der Umzug durch die Straßen nahm stark zwei Stunden in Ansprach. Sein Anblick war herrlich und allgemein als großartig in Ausführung und Darbietung gerühmt. So etwas sah man weit im Land umher noch selten, in Calw noch nie! Auf dem Festplatz bezw. der Straße nach Hirsau löste der Zug sich auf. Etwa um 3 Uhr nahm im „Badischen Hof" das
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seinen Anfang. Der große Saal war dicht besetzt; es mochten gegen 230 Gedecke aufgelegt gewesen sein. Die Kurkapelle von Bad Liebenzell konzertierte. Am Essen nahmen außer den Ausschüssen der festgebenden Vereine auch Stadtschultheiß Conz, Landtagsabgeordneter Staudenmeyer und eine größere Anzahl von Mitgliedern des bürgerlichen Kollegiums, sehr viele Festbesucher und die ausgezeichneten Dienstboten teil; im kleinen Saal hatte sich die Schwarzwälder Bauernhochzeit platziert. Den Königstoast brachte der Vereinsvorsitzende, Reg.-Rat Binder, aus. Einleitend erinnerte er daran, wie
sche vom Rechten zu sondern pflegt, umziehen trübe, düstere Wolken und verhüllen ihm das Wahre; ein Wörtchen Wahrscheinlichkeit in einem Gewebe von Lüge überzeugt ihn; die Sonne der Liebe sinkt hinab, und es wird Nacht in der Seele. Dann schleichen sich jene nächtlichen Gesellen: Verachtung, Wut, Rache, in das von allen guten Engeln verlassene Herz, und die unendliche Stufenleiter der Empfindungen, welche von Liebe zu Haß führt, hat die Eifersucht in wenigen Augenblicken zurllckgelegt.
Georg war auf jener Stufe der düsteren, stillen Wut und der Rache angekommen; über diese Empfindung brütend, saß er unempfindlich gegen die Kälte der Nacht auf dem bemoosten Stein und sein einziger, immer wiederkehrender Gedanke war, den nächtlichen Freund „zu stellen und ein Wort mit ihm zu sprechen".
Es schlug 2 Uhr in einem Dorf über dem Walde, als er sah, daß sich Lichter an den Fenstern des Schlosses hin bewegten; erwartungsvoll pochte sein Herz, krampfhaft hatte seine Hand den langen Griff des Schwertes umfaßt. Jetzt wurden die Lichter hinter den Gittern des Tores sichtbar, Hunde schlugen an; Georg sprang auf und warf den Mantel zurück. Er hörte, wie eine tiefe Stimme ein vernehmliches „Gute Nacht" sprach. Die Zugbrücke rauschte nieder und legte sich über den Abgrund, der das Land von Lichtenstein scheidet, das Tor ging auf, und ein Mann, den Hut tief ins Gesicht gedrückt, den dunkeln Mantel fest umzogen, schritt über die Brücke und gerade auf den Ort zu, wo Georg Wache hielt.
Er war noch wenige Schritte entfernt, als dieser mit einem dröhnenden: „Zieh', Verräter, und wehr' Dich Deines Lebens!" auf ihn einstürzte; der Mann im Mantel trat zurück und zog; im Augenblick begegneten sich die blitzenden Klingen und rasselten klirrend aneinander.
das Blühen von Landwirtschaft, Handel, Gewerbe und Industrie nur möglich sei in einem geordneten Staatswesen, unter einer starken Militärmacht und bei einer Gesetzgebung, die bei einem gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der verschiedenen Berufsstände unablässig auf das wirtschaftliche Wohl aller Bürger des Landes bedacht sei. Bezüglich der Landwirtschaft wolle er Hinweisen auf die Tätigkeit der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft, mit ihren verschiedenen landwirtschaftlichen Lehr- und Versuchsanstalten, das Landesgestüt, die Bezirksrindviehschauen, Schweine- und Ziegenprämiierung, auf die Herausgabe des „Landw.' Wochenblattes" und auf die finanzielle Unterstützung der einzelnen landwirtschaftlichen Bezirksvereine durch die K. Zentralstelle. Darum haben wir allen Grund, für die unablässige Förderung der Landwirtschaft durch die Kgl. Staatsregierung zu danken. Daraufhin erhoben sich die Anwesenden zu Ehren unseres Königs und stimmten in das Königshoch mit ein. — Der nächste Redner war Stadtschultheiß Conz: „Die Landwirtschaft ist wie eine königliche Braut, blühend geschmückt, zu uns herein in die Stadt gezogen und ist geführt und geleitet worden von dem städtischen Bräutigam, der ihr als kostbare Morgengabe städtischen Gewerbefleiß entgegengebracht hat. Und so sind beide, ein glückliches Paar, Stadt und Land in festlich bewegtem Schritt eben durch unsere Stadt gezogen und aus ihren Augen und von ihren Stirnen hat die Freude geleuchtet, die Freude an der gemeinsam vollbrachten Arbeit, an dem gemeinsam gewonnenen Erfolg, an dem Zusammenhalt, zwischen Stadt und Land zu unsrer aller Heil! Die Stadt Calw hat die Bedeutung des heutigen Tages gewiß hoch zu schätzen gewußt. Sie hat ihrer Freude an dem heutigen Feste und an der Landwirtschaft Ausdruck gegeben durch eine reiche Gabe an den Landwirtschaftlichen Bezirksverein, wie sie andern festgebenden Vereinen bislang nicht ausgemittelt wurde und durch opferwillige Bereitstellung alles dessen, was dazu gehört zur würdigen und festlichen Ausgestaltung des Tages." Redner gab dann den dunklen Stimmungen Ausdruck, die ihn und wohl auch die Leitung des Landwirtschaftlichen Bezirksvereins überkamen beim Blick auf das schlechte Jahr für den Landmann, und fuhr dann fort: „Was hätten wir Calwer angefangen mit einem verregneten Fest und Festzug? — Die festlichen Zylinder der zu erwartenden Festgäste waren meine einzige Rettung, denn auf die Festgäste baute ich. Ich danke namens der Stadt Calw allen diesen verehrten Gästen, den Herren Vertretern der benachbarten Oberämter und den landwirtschaftlichen Vereinen und Ausschüssen, allen denen, die aus Berufsgrlln- den, aus Interesse, aus Freude zur Landwirtschaft hierher eilten, allen denen freundliche Grüße, auch der Nachbarstadt Neuenbürg nicht zu vergessen, die mit einem der schönsten Wagen auch im Zuge vertreten war, den landwirtschaftlichen Vereinen allen, die zum Fest kamen, freundlichen Dank und Gruß. Wir bieten ihnen alles, aber prämiieren können wir unsere Festgäste nicht — viele nämlich haben
„Lebendig sollst Du mich nicht haben," rief der andere; „wenigstens will ich mein Leben teuer genug bezahlen!" Zugleich sah ihn Georg tapfer auf sich eindringen, und an den schnellen und gewichtigen Hieben merkte er, daß er keinen zu verachtenden Gegner vor der Klinge habe. Georg war kein ungeübter Fechter und er hatte manch ernstlichen Kampf mit Ehren ausgefochten, aber hier hatte er seinen Mann gefunden. Er fühlte, daß er sich bald auf die eigene Verteidigung beschränken müsse, und wollte eben zu einem letzten gewaltigen Stoß ausfallen, als plötzlich sein Arm mit ungeheurer Gewalt festgehalten wurde; sein Schwert wurde ihm in demselben Augenblick aus der Hand gewunden, zwei mächtige Arme schlangen sich um seinen Leib und fesselten ihn regungslos, und eine furchtbare Stimme schrie: „Stoßt zu, Herr! Ein solcher Meuchelmörder verdient nicht, daß er noch einen Augenblick zum letzten Paternoster habe!"
„Das kannst Du verrichten, Hans," sprach der im Mantel; „ich stoße keinen Wehrlosen nieder; dort ist sein Schwert, schlag ihn tot, aber mach' es kurz."
„Warum wollt Ihr mich nicht lieber selbst umbringen, Herr!" sagte Georg mit fester Stimme; „Ihr habt mir meine Liebe gestohlen, was liegt an meinem Leben?"
„Was habe ich?" fragte jener und trat näher.
„Was Teufel ist das für eine Stimme?" sprach der Mann, der ihn noch immer umschlungen hielt; „die sollte ich kennen!" Er drehte den jungen Mann in seinen Armen um und wie von einem Blitz getroffen, zog er die Hände von ihm ab! „Jesus, Maria und Josef! da hätten wir bald etwas Schönes gemacht! Aber, welcher Unstern führt Euch auch gerade hierher, Junker? Was denken auch meine Leute, daß sie Euch fortlassen, ohne daß ich dabei bin!"
(Fortsetzung folgt.)