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Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

87. Jahrgang.

Erscheinungsweise: 6mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamts­bezirk Calw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg.. außerhalb desselben 12 Pfg.. Reklamen 25 Pfg. Schluß für Jnserarannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.

Montag, den 23. September 1912.

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich, Post­bezugspreis für den Orts- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg-, in Bayern und Reich 42 Pfg.

Das landwirtschaftliche Bezirksfest.

Nun sind die Festeswogen wieder leise am ver­klingen. In machtvollen Akkorden rauschten sie am Samstag durch unser grüngebettetes Calw, um über den Sonntag und den heutigen Montag herein wie­der zu verebben. Was haben diese beiden hinter uns liegenden Tage an ideellem und materiellem Nutzen nicht nur für die Landwirtschaft unseres Bezirks, sondern für alle die im Gefolge gehabt, die durch irgend welche Berührungspunkte mit ihr engere oder losere Verbindung haben! Nach bangen Tagen, in denen man immer das Gespenst vor sich sehen mußte: alle eifrigen Vorbereitungen sind nutzlos, weil ja doch die Witterung ihr Entfalten unmöglich macht, ist nun eitel Freude über ein über Erwarten gutes Gelingen eingekehrt. Wie schwer mag's der Ver­einsleitung manchmal geworden sein, an den Auf­gaben, die fürs Fest zu lösen waren, weiter zu ar­beiten, wenn sie sehen und erfahren mußte, daß die erste Bedingung, die die Stimmung zum frohen Mit­festen weckt, das Blühen der Berufsarbeit, ein sicht­barer Erfolg, durch die diesjährigen Witterungs­verhältnisse fast völlig fehlte und so ein Fest der Landwirtschaft zu feiern nahezu unmöglich schien. Aber in aller Unbeirrtheit, mit Begeisterung und Opferwilligkeit hielt sie den nun einmal beschritte- nen Weg ein und der Erfolg am Ziel ist der aller­deutlichste und unumstößliche Beweis für die Be­rechtigung ihres Tuns. Denn einen Erfolg bedeu­tet die Veranstaltung des Bezirksfestes 1912 für den Landwirtschaftlichen Vezirksverein. Einen großen und unvergeßlichen.

Calws Häuser und Straßen waren in fröhlichen Schmuck gehüllt, sie boten den Besuchern gleich beim Betreten der Stadt ein freundliches Bild. Aber erst, nachdem die Morgennebel sich gelegt hatten, ver­trieben durch die schneidigen Trommel- und Pfei­fenklänge der Jugendkapelle und das Wecken durch die Stadtmusik, gab auch die Natur ihr Ja zum äuße­ren Gelingen. Frau Sonne, als sie gegen 10 Uhr die Augen sich ausgerieben hatte, mag nicht schlecht gestaunt haben über das farbenfreudige Bild, das das kleine Calw ihr am Samstag bot, und sie wehrte sich wacker, unt zu sehen, was da unter ihr vorging.

Mit dem Zuführen und der Aufstellung der zum Preisbewerb bestimmten Tiere begann der erste Teil des Festprogramms. Bald sah man auf dem Brühl in langer Reihe Rinder, Pferde, Schweine, Schafe und Ziegen, vorgeführt, bestaunt und kriti­siert von vielen Sachverständigen, deren Zahl immer mehr anwuchs. Die Ausstellung war nach dem Katalog beschickt mit 15 Pferden, 104 Stücken Rind­vieh, 18 Schweinen, 23 Schafen und 70 Ziegen. Um 10 Uhr konnte der Vorstand des Landwirtschaft­lichen Vezirksvereins Calw, Regierungsrat Bin­der, die

Eröffnung der Ausstellung vornehmen. Um die mit den Landesfarben aus­geschlagene Tribüne hatten sich die Erschienenen in weitem Halbkreis gesammelt, auf der Tribüne selbst hatten sich eingestellt Reg.-Rat Binder und Ver­einssekretär Fechter mit den Vorständen der Zweigvereine des Landwirtschaftlichen Bezirksver­eins,. ferner Stadtschultheiß Lonz und Major Vlaich. Ein Trompetenstoß verkündigte den Er­öffnungsakt. Dann übergab Reg.-Rat Binder Sie Ausstellung dem öffentlichen Besuche mit fol­genden Worten: Werte Festgäste!Tages Arbeit, abends Gäste, saure Wochen, frohe Feste!" mit diesen Worten möchte ich Ihnen ein herzliches Will­kommen zurufen! In der Tat: saure Wochen lie­gen hinter Ihnen und zugleich auch sehr nasse Wo­chen, so daß es dem Ausschuß des Landwirtschaft­lichen Bezirksvereins fraglich war, ob überhaupt das auf den heutigen Tag vorgesehene Fest abgehalten

werden könnte. Aber einesteils die Rücksicht auf die von langer Hand getroffenen Vorbereitungen, ande­rerseits aber auch der Umstand, daß die Erntever­hältnisse des nassen Sommers nicht gerade so schlecht sind, wie man anfänglich annehmen mußte, haben den Ausschuß des Landwirtschaftlichen Bezirksver­eins bestimmt, das Fest heute doch abzuhalten und den Landwirten Gelegenheit zu geben, die Frucht der sauren Arbeit zu genießen, sich wieder einmal von Herzen zu erfreuen und ein Fest zu feiern, wie schon lange keines mehr von ihnen gefeiert worden ist. Der Landwirtschaftliche Bezirksverein ist 1839 gegründet worden; er hat seit 1880 kein ähnliches Fest mehr gefeiert, und man kann ihm also nicht zum Vorwurf machen, daß er zu viel Feste feiere." Der Redner empfahl den Zuhörern die Festschrift, die Hauptlehrer Mönch in liebenswürdiger und dankens­werter Weise verfaßt habe ihr Inhalt überhebe ihn der Ausgabe, die Entwicklung der Landwirtschaft des Bezirks Calw hier in seiner Rede zu schildern. Der Landwirtschaftliche Bezirksverein Calw ist nicht eine einseitig agrarische Standesorganisation, son­dern, wie es die Ausstellung und noch viel mehr der nachfolgende Festzug ausweifen, weiß er sich als ein Glied des volkswirtschaftlichen Ganzen und als sol­ches vertritt er die Meinung, daß alle Berufe auf­einander angewiesen sind. Im Namen des Ausschus­ses des Landwirtschaftlichen Bezirksvereins erkläre ich die Ausstellung für eröffnet. Es ist mein Wunsch, daß der Zweck der Ausstellung, die Fortschritte in der Landwirtschaft zu zeigen und wei­terhin Interesse und Anregung für die Landwirt­schaft und ihre verschiedenen Zweige zu geben und in weite Kreise zu tragen, voll und ganz erreicht wird." Nach dieser Rede, die von den Umstehen­den mit lebhaftem Beifall entgegengenommen wurdet begingen die Herren die Ausstellung in der Turn­halle. Ziemlich pünktlich konnte um 12 Uhr auf dem Festplatz die

Verteilung der Prämien an die Dien st boten

vor sich gehen, die eine bestimmte Zeit lang in ein und derselben Familie in Diensten standen. Reg.- Rat Binder richtete an die Neunzig, die, zum Teil in Tracht, diesen Ehrentag begehen durften, freundliche Worte. Er sagte dabei, daß es umso notwendiger sei, zu erkennen, wenn heutigentags Dienstboten längere Zeit in landwirtschaftlichen Be­trieben verbleiben, da seit fünf Jab^^nten ein Zug nach der Stadt durch die Jugend vom Lande gehe und dadurch die Arbeitsverhältnisse auf dem Lande schwierigere geworden seien. Er verlas die Namen der Dienstboten und ließ darauf jedem den vom Landwirtschaftlichen Bezirksverein ausgesetzten Geldbetrag überreichen. Es erhielten die Zahl der Dienstjahre ist in Klammern beigesetzt Preise von 15 Mark für eine Dienstzeit von 15 Jahren und darüber: 1. Maier, Mathilde, von Waiblingen (45); 2. Hamberger, Anna Maria, von Oberreichenbach (40); 3. Sailer, Karoline, von Altensteig (37); 4. Rothfuß, Friederike, von Calw (37); 5. Lang, Anna Maria, von Hornberg (31); 6. Häcker, Wilhelmine, von Ditzingen (30); 7. Härd- ter, Friedrich, von Enztal (29) ; 8. Gleiter, Marga­rete, von Durzbach (24); 9. Eppinger, Marie, von Untertürkheim (22); 10. Spöhr, Johann Georg, von Althengstett (21); 11. Waidelich, Christine, von Som­menhardt (20); 12. Ruß, Friedrich, von Martins­moos (20); 13. Kleinbub, Magdalene, von Sommen- hardt (18); 14. Köhler, Marie, von Dachtel (18); 15. Kronenbitter, Hedwig, von Dettingen (17); 16. Vaier, Luise, von Liebenzell (17); 17. Wurster, Bar­bara, von Altbulach (17); 18. Luz, Maria, von Sommenhardt (17); 19. Heldmaier, Marie, von

Wimsheim (16); 20. Lörcher, Eotthilf, von Ober- kollwangen (15); 21. Groß, Karoline, von Weilim­dorf (15). Preisevon12Mk. für eine Dienst­zeit von 10 bis 15 Jahren: 22. Dürr, Jakob, von Simmozheim (15); 23. Mast, Jakob, von Neuweiler (15); 24. Roller, Barbara, von Altbulach (14); 25. Böhm, Pauline, von Stammheim (14); 26. Schüle, Eva, von Lettenstich (14); 27. Günther, Katharine, von Neuweiler (14); 28. Mayer, Katharine,

von Tübingen (13); 29. Däuble, Eottliebin, von Deckenpfronn (13); 30. Günther, Eva Maria, von Neuweiler (13); 31. Dittus, Margarete von Ober­reichenbach (12); 32. Gall, Christine, von Hünerberg (12); 33. Bäuerle, Dorothea, von Zwerenberg (12); 34. Keppler, Regine, von Würzbach (12); 35. Rath­felder, Margarete, von Altbulach (11); 36. Dieterle, Christian, von Wildberg (11); 37. Mauch, Frida, von Stuttgart (11); 38. Schmid, Marie, von Riedlingen (11); 39. Wohlbold, Friedrike, von Hildrizhausen (11); 40. Heselschwert, Miachel, von Emberg (11); 41. Greule, Barbara, von Vreitenberg (11); 42. Funk, Marie, von Stammheim (10); 43. Stickel, Pauline, von Neubulach (10); 44. Mauerhan, Julie, von Stuttgart (10). Preise von 10 Mk. bei einer Dienstzeit von 5 bis 10 Jahren: 45. Weik, Luise, von Winnenden (10); 46. Roller, Pauline, (10); 47. Wacker, Marie, von Deckenpfronn

(10); 48. Baier, Dorothea, von Weltenschwann (9); 49. Maier, Regine, von Neubulach (9); 50. Ehr- mann, Karoline, Calw (9); 51. Rentschler, Jakob, von Emberg (9); 52. Dongus, Marie, von Decken­pfronn (8); 53. Müller, Katharine, von Glatten (8); 54. Rentschler, Anna, von Breitenberg (8); 55. Gall, Elisabethe, von Rötenbach (8); 56. Schleeh, Barbara von Agenbach (8); 57. Züfle, Marie, von Neuweiler (8); 58. Roller, Katharine, von Neu­bulach (7); 59. Rembold, Luise, von Calw (7); 60. Lang, Anna, von Weilersteußlingen (7); 61. Haa- rer, Katharine Rosine, Neubulach (7); 62. Raible, Johann, von Nordstetten (7); 63. Bayer, Christine, von Enztal (7); 64. Schlecht, Wilhelmine, von Neuweiler (7); 65. Greule, Katharine, von Ober- kollwangen (7); 66. Schnürle, Friedrike, von Unter- haugstett (6); 67. Lörcher, Friedrich, in Neuweiler (6); 68. Stahl, Barbara, von Weltenschwann (6); 69. Grimm, Marie, von Knittlingen (6); 70. Weiß, Mina, von Althengstett (6); 71. Schwendenmann, Wilhelmine, von Calw (6); 72. Braun, Dorothea, von Hofstett (6); 73. Wurster, Maria Barbara, von Wllrzbach (6); 74. Günther, Barbara, von Altburg (6); 75. Burkhardt, Martin, ledig, Sommenhardt (6); 76. Schuhmacher, Anna Maria, von Agenbach (6); 77. Gall, Margarethe, von Rötenbach (6); 78. Schulz, Regine, von Siehdichfür (6); 79. Günther, Joh. Georg, von Egenhausen ( 51 / 2 ); 80. Kalmbach, Christine, von Martinsmoos ( 514 ); 81. Volz, Mar­tin, von Aichelberg (514); 82. Wurster, Friedrike, von Aichelberg ( 514 ); 83. Weiß, Berta, von Calw ( 514 ); 84. Däuble, Frida, von Mühlheim (5);

85. Kienzle, Wilhelm, von Sulz OA. Nagold (5);

86. Kindler, Gottliebin, von Deckenpfronn (5); 87. Paulus, Marie, von Deckenpfronn (5); 88. Schnei­der, Eottliebin, von Deckenpfronn (5); 89. Oehl- schläger, Elisabethe, von Neuweiler (5); 90. Stückel, Christian, von Simmersfeld (5). Denjenigen Dienst­boten, die in Volkstracht erschienen waren, über­reichte Vereinssekretär Fechter noch ein blankes Dreimarkstück. Sämtliche ausgezeichneten Dienst­boten waren auch zum Festessen am Nachmittag ge­laden. Die Stadtkapelle stimmtePreisend mit viel schönen Reden" an und diese Ehrung war vorüber. Darnach erfolgte die Preisverteilung an die prämiierten Tiere. Das Ergebnis hiervon wer­den wir noch veröffentlichen.