Nus dem Reiche.
* Berlin, 5. Okt. Zum Unterstmrtssekretär des Reichskolonialamts ist Ministerialdirektor Dr. Conze ernannt »norden. Zu i ein ein NaMolger ist Geh. OberregierilUgsrat Dr. Schnee bestimmt worden.
Nus ländisches.
st Turin, 5. Okt. Der König von Italien besuchte heute in der Ausstellung die deutsche In dustrkehalle und verweilte Längere Zeit bei den .Schiffsmodellen der Firma Schichau. Der König interessierte sich besonders für die türkischen Torpedoboote und das noch in Bau befindliche dänische Torpedoboot sowie für den russischen Kreuzer Nowik und für das Projekt eines modernen Aufklärers.
st Paris, 5. Okt. Im heutigen Ministerrat teilte der Minister der öffentlichen Arbeiten Entwürfe zu Minenkonzessionen mit, die eine wesentliche Beteiligung des Staates an den Erträgnissen der Bergwerke vorsehen. Die Entwürfe werden dem Ministerrat vorgelegt werden.
js Toulon, 5. Okt. Eine Frau, die bei der Panik während des Leichenbegängnisses der Opfer der Liberte niedergeworfen und getreten worden war, ist ihren Verletzungen erlegen. Der Zustand der anderen Verletzten ist befriedigend.
st Lissabon, 5. Okt. Die aus englischer Quelle stammenden Meldungen von einer Besetzung Nordportugals durch monarchistische Elemente wird als unrichtig bezeichnet.
st Petersburg, 5. Okt. Auf der Reede von Reval sind 2 Torpedoboote zu s a m m e n g e st oß e n und leicht beschädigt worden.
st Buenos Aires, 5. Okt. Die Südpolarexpedition des Oberleutnants Milchner hat gestern an Bord der „Deutschland" die Ausreise angetreten.
Ein Attentat im österreichischen Abgeordnetenhaus.
st Wien, 5. Okt. Während der Lärmszenen bei der Beratung des Teuerungsantrags feuerte ein Besucher der zweiten Galerie auf der linken Seite gegen die Ministerbank, wo der Justizminister und der Unterrichtsminister saßen, vier scharfe Schüsse ab. Es wurde niemand getroffen. Eine unbeschreibliche Aufregung entstand. Der Täter, ein neunzehnjähriger Dalmatiner, wurde verhaftet. Er gab an, Sozialist zu sein. Er habe den Justizminister erschießen wollen, lieber das Attentat wird weiter berichtet:
Der erste Antragsteller zu der Teuerungsangelegenheit, Dr. Adler, verurteilte zunächst das.Vor gehen Italiens gegen die Türkei, besprach dann die Teuerung, sowie die Fleischnot und protestierte gegen die Schärfe der Urteile gegen die Demonstrationsteilnehmer in Wien. Der Redner behauptete, die Gerichte hätten unter dem Einfluß des Justizministers gehandelt (lebhafte Entrüstungsversuche der Sozialdemokraten gegen den Justizminister). In diesem Augenblick erfolgte der gemeldete Anschlag. Der Täter ist ein 26jähriger Arbeiter namens Tavrak aus Sebenics in Dalmw tieu. Er rief bei Abgabe der Schüsse: „Hoch der Sozialismus!" Die ungeheure Erlegung, die sich des Hauses bemächtigte, dauerte auch nach der vom
Präsidenten angsordneten Unterbrechung der Sitzung nock fort. Der Justizminister von Hohenburger war Gegenstand lebhafter Beglückwünschungen von allen Seiten. Während der Pause kam es fortwährend zu andauernden Kontroversen zwischen den Sozialdemokraten einerseits und den Mitgliedern des deutsch-nationalen Verbandes und den Christlich sozialen andererseits. Auf die Kunde von dein Attentat erschienen der Ministerpräsident und die übrigen Mtglieder der Regierung in dem Sitzungssaale. Auch der Polizeipräsident von Wien begab sich sogleich nach dem Abgeordnetenhaus. Die Spuren der Schüsse sind an der Ministerbank und unterhalb der Präsidentenestrade sichtbar. Eine Kugel wurde auf der Estrade gefunden. Sämtliche Eingänge des Parlaments, das von der Polizei streng bewacht wird, sind gesperrt. Nach der Festnahme des Täters wurde die Galerie geräumt. Nach mehr als l- einhalbstündiger Pause wurde die Sitzung wieder ausgenommen.
Nach der Wiederaufnahme der Sitzung nach 3 Uhr nachmittags setzte Dr. Adler seine Rede unter immerwährenden stürmischen Schließrufen bei den Deutschen und den Christlich-Sozialen fort. Der Abgeordnete Dr. Adler drückte sein tiefstes Bedauern über das Attentat eines Unzurechnungsfähigen aus. Nachdem er unter lebhaftem Beifall seiner Parteigenossen und lärmenden Proteste anderer Parteien seine Rede beendet hatte, ergriff Ministerpräsident Baron von Gautsch das Wort u. erklärte: Der verbrecherische Anschlag war nicht nur gegen die Ministerbank, sondern auch gegen das Haus und den Parlamentarismus gerichtet. (Stürmischer Beifall.) Der Ministerpräsident weist auf die täglich in öffentlichen sozialdemokratischen Versammlungen gehaltenen aufreizenden Reden hin, die eine unverkennbare Aehnlichkeit mit der heute gehaltenen Rede des Abgeordneten Adler hätten. Man könne sich schließlich nicht wundern, wenn es zu solchen verbrecherischen Attentaten komine. Der Ministerpräsident verliest unter stürmischen» Beifall der Sozialdemokraten und unter Protestrufen bei den Deutschen eine gestern von dern Abgeordneten Adler in einer Volksversammlung gehaltenen Rede und schließt: Sie fürchten sich nicht und ich fürchte mich auch nicht. Wir werden uns absolut nicht abbringen lassen, die Ordnung und die Gesetzlichkeit aufrecht zu erhalten. ''Lebhafter, anhaltender Beifall bei den Christlichsozialen und den Deutschen.)
Marokko.
st Paris, 5. Okt. Das Ministerium des Auswärtigen beobachtet die größte Zurückhaltung über das Ergebnis der letzten Unterredung zwischen dem Botschafter Cambon und dem Staatssekretär des Aeußern von Kiderlen-Wächter und den Stand der Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich. Ebenso ist keine Mitteilung erfolgt über den Ausgang des Ministerrates, der sich mit den auswärtigen Angelegenheiten heute morgen befaßte. Die Verschiebung des ursprünglich auf morgen festgesetzten Ministerrates auf Samstag läßt die Vermutung aufkvm- men, daß eine neue Unterredung zwischen Cambon und v. Kiderlen-Wächter für notwendig erachtet wird, um eine Uebereinstimmung über die letzten strittigen Punkte herbeizuführen. . Mau wird also erst am Samstag wissen, ob all die kleinen Schwierigkeiten des ersten Teils der Verhandlungen endgiltig ausgeglichen sind.
Ein Zwischenfalk in Agadir.
* Mogndor, 30. Sept. Der Kaid Gelluli sandte dem deutschen Konsul »nit der gleichzeitigen Bitte um Schutz einen Originalbericht des Kalifa von Agadir, wonach die dortigen Franzosen auf die Tatarennachricht von der Absicht Deutschlands, Südmarokko zu verlassen, sich durch einen Puts ch des Forts bemächtigt, die französische Flagge gehißt und sie durch Kanonenschüsse salutiert hätten; sie hatten ferner die Deutschen ausgefordert, das Land zu verlassen, da ein französischer Kreuzer unterwegs sei, um das Gebiet zu besetzen. Der Zwischenfall ist umso ernster, weil der Kalifa sich bei dem Kommandanten des deutschen Kriegsschiffes beschwerte, worauf dieser ihm erwiderte, er solle nach seinem eigenen Ermessen handeln. Darauf forderte der Kalifa die Franzosen auf, die Flagge zu entfernen, die indiessen auch ein gewaltsames Entfernen der Flagge verhinderten. Das untätige Verhalten des deutschen Kriegsschiffes wirkt auf die dort ansässigen Deutschen gegenüber den Eingeborene»», die eine deutsche Landung ersehnen, direkt kompromittierend.
Da iMuisch-MW Krieg.
Das Bombardement von Tripolis.
* Rom, 5. Okt. Gestern wurde die Beschießung der Außenwerke von Tripolis fortgesetzt, während man die zentralen Forts aus Rücksicht auf die Stadt schonte. Die Batterien „Sultania" und „Hamiüie" wurden zerstört. Das Kriegsschiff „Garibaldi" landete 2 Offiziere und »nehrere Matrosen an der geräumten Batterie „Hamtdie"; sie fanden dort drei türkische Tote. Die Italiener »»ahmen die Geschützschlösser mit.
* London, 5. Okt. Das „Daily Chronicle" er
hält ein längeres Telegramm von Djerba in Tunesien, das das B o m bar d e me nt schildert. Der Korrespondent fuhr am Dienstag »nit einem Dampfer von Djerba nach Tripolis. Zehn Meilen von dort wurde das Schiff von dem italienischen Kreuzer „Vareje" gestoppt, doch konnte man die Operationen verfolge»». Am Dienstag nachmittag ließ Admiral Faravelli für kurze Zeit das Bombardement aussetzen, um Zeit zur Uebergabe zu gewähren. Als aber kein Zeichen gegeben wurde, ging die Kanonade fort. Die Hasenbefestigungen wurden bis zum ^ Boden abrasiert. Die Forts litten schwer. Der Leuchtturm im Nordwesten der Stadt wurde durch einen Schuß vom „Garibaldi" zerstört. Am Mittwoch wurde die Kanonade zu früher Stunde wieder be- i gönnen. Es sei ferner zu vermuten, sagt der Kor- j respondent, daß Ordres ergangen sind, heute, Don- ! nerstag, auch Benghasi und Derna zu bombardieren, s wahrscheinlich durch das Geschwader unter dem Vize- i
admiral Ricci. In Tripolis sind der Palast des I
Gouverneurs und die drei Hafenfvrts zusammengeschossen. Es soll nicht die Absicht der Italiener sein, sofort Matrosen auszuschiffen, sondern die'Landung bis zur Ankunft des Expeditionskorps zu verschieben.
* London, 5. Okt. Die Glasgower Reederfirma Elliott erhielt heute ein Telegramm aus Djerba (Tunis >, wonach die italienische Flagge in Tripolis aufgepflanzt sein soll.
M Lefefrrrch r. M
Verachtung des Lebens ist leicht in harter Bedrängnis; Tapfer allein ist der Mann, welcher das Unglück erträgt.
Martial.
Feindliche Höfe.
Bauern-Roman von Paul Hantel.
(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
„Achtzig Jahre!" sprach der Pfarrer langsam und voll Ehrfurcht. „Wer in diesem Alter noch so frisch ist, der muß Gott wohlgefällig gelebt haben!"
Der alte Christian lachte und sprach: „Einfache Kost in »re:er Luft, das hält den Körper gesund und frisch. Ich glaube aber, daß es in Gottes Ratschluß liegt, daß er mich so alt hat werden lassen. Ich bin noch nicht reif für das Jenseits, sonst wäre ich schon längst in die Grube gefallen.
ein Philosoph in Schäfertracht zu sein!"
„Gottt bewahre m»ch vor solchem Erdendünkel! Wenn man aber den Weltenlauf schon achtzigmal mit angesehen bst und »inmer und »mmer wieder das Gleiche sieht, da „ragt sich das Weltbild fest »n das Hirn, und man macht sich darüber so seine Gedanken. Ein Schäfer ist immer «in Grübler, wenn er nicht von Geburt ein Dummkopf ist. Das bringt so das Gewerbe halt mit sich. Mas soll man wohl anders auf einsamer Weide machen, als Strümvfe stricken und dabei denken?"
„Ich werde Euch manchmal besuchen aus stiller Heide. Christian", entgegnete der Pfarrer, „denn ich glaube von Euch kann ich noch lernen."
„amn Sie das nicht!" sprach der greise Schäfer und lächelte. „Stubenweisheit und Wiesenweisheit passen schlecht in einen Kopf!"
Der junge Pfarrer schaute nachdenklich dem alten Christian in die Augen.
„Na, nichts für ungut", sprach dieser mhig lächelnd. „B»n nur ein Mensch voll Sünden und Schwächen, und rin ewiges Irren war mein ganzes Leben."
Er wandte sich zum Gehen, kehrte sich aber nochmals um und sprach: „Was die Geschichte von vorhin anbetrifft, da folgen Hochwürden nur .dem Ratschlage des Lehrers. Mischen Sie sich nicht in die vererbte Feindschaft der beiden Bauern. Die wird währen bis zum jüngsten Tage, wenn die ganze Welt in Rammen aufgeN und auch die delomi M« Höste. Auch ein Pfarrer kann dagegen nichts ausrichten. Nichts für ungut, Hochivürden — bin ein alter Mann und habe so meine Erfahrung. Könnte Ihr Vorgänger aus dem Grabe aufstehen, dann würde er Ihnen das bestätigen »ind Sie warne»» vor zwecklosem Verdruß und Arger. Alles Gute weiter!"
Dainit entfernte sich der Schäfer Christian, denn sein Hund hatte die Herde schon weiter getrieben.
Für sein hohes Alter ging es mit dem Gehen noch ganz leidlich. Ohne zu keuchen, schritt er dahin, ruhte stch nur ab und zu ein wenig aus und stützte sich dann aus seinen Stecken.
„Ein seltsamer Mensch dieser Schäfer!" rief der Pfarrer und schaute dem Greise nach.
„Jawohl — ein seltsamer Mensch!" bestätigte de« Lehrer. „Und dabei kann er weder lesen noch schreiben."
„Eben deshalb »st er weise geworden!"
Fragend sah der Lehrer den Pfarrer an.
„So vermochte kein fremder Geist ihn zu formen, und anderer Menschen Gedanken raubten den eigenen nicht Platz und Kraft. Wo ein jeder lesen und schreiben kann, sterben die Originale aus. 's ist eigentlich schade darum l"
.Run haben Hochwürden auck noch aus eines andern
Munde die'Bestätigung meiner Behauptung vernommen", sprach nach einer kleinen Pause der Lehrer.
„Wohl!" rief der junge Pfarrer bestimmt. „Sogar aus dem Munde des greisen „Wiesenphilosophen"! aber trotzdem werde ich es mit den beiden Bauernschädek» auf« nehmen und werde nicht ruhen, bis ich die vererbte Feind« schaft dieser Nachbarn gebrochen Habel"
*
Schon am Nachmittag machte stch der Pfarrer aus den Weg. um die beiden Bauern zu besuchen. Er ging zunächst zu dein Kahlbauer, denn er mußte an dessen Tür vorüber, um zu dem Lindenhofe zu gelangen.
Der Kahlbauer hatte eben sein Nachmittagsschläfchen beendet, als der junge Pfarrer mit frommem Gruße in die Stube eintrai.
Man sah es derselben nicht an, daß hier ein reicher Bauer wohnte. Sie war blaßgrün gestrichen und niedrig. Ein etwas großer Mann konnte das Deckengebälk mit seinen Händen erreichen. Drei Fenster nach vorn heraus ließen das Sonnenlicht ungehindert in das Zimmer fluten» denn sie entbehrten der Gardinen und Rouleaux.
Wenn abends Licht angezündet wurde, verschloß man die Fenster mit den grünen Läden, die am Tage dem Hause von außen ein etwas freundliches Aussehen oer« liehen. Der Fußboden der Stube war weiß gescheuert und m»t Sand bestreut. Ein großer brauner Kachelofen füllte die eine Ecke aus, und vor demselben stand ein« rohgez»mmerte Bank. Der große Tisch in der Mitte trug eine weiße Ahornplatte, die allerdings schöner zierte, als "Es kunstvollste Teppich über einem eleganten Mahagoni« mobel.
Schemel, und längs der Wand, den Fenstern gegenüber, standen zwei breite Schränke und dazwischen einig« Lruhen.
, ,/luch den» Bauer selbst sah man »n der Kleidung nicht seinen Reichtum an. Sie bestand aus ein paar