* Tübingen, 26. Sept. In den Neckar gesprun­gen und ertrunken ist am Sonntag oberhalb der Alleeubrücke das 26jährige Dienstmädchen Katharine Seibold aus Unterjesingen. Heute sollte ihre Hoch­zeit sein.

st Stuttgart, 26. Sept. Da die Heizungsfirmen den Forderungen ihrer Monteure nicht entsprochen haben, haben diese die Arbeit eingestellt. Bon dem Streik werden im ganzen l5 Firmen betroffen.

ff Heibenheim, 25. Sept. Ein bei einem hiesigen Bäckermeister in der Lehre stehender Junge lud am Samstag abend einen sich in der Nähe der Backstube aufhaltenden jungen Menschen ein, den Neuen" zu versuchen und stellte ihm absichtlich! einen mit Bäckerlauge gefüllten Krug hin. Der ahnungslose junge Mann nahm einen Schluck und verbrannte sich so gefährlich, daß er in das Kran­kenhaus geschafft werden mußte.

st Steinheim, OA. Heidenheim, 26. Sept. Vor ungefähr 7 Jahren stiftete ein wohlhabender Bür­ger einem neugegrüudeten Verein die ansehnliche (!) Summe von 50 Pfg. Kürzlich äußerte er in einer Wirtschaft mehreren Mitgliedern gegenüber, daß es ihn sehr reue, die Summe gespendet zu haben. Allein der Verein ließ sich solches nicht länger bieten, son­dern zahlte ihm gleich darauf die gestiftete summe samt 4 Prozent Zinsen zurück.

Aus dem Gerichtssaal.

* Stuttgart, 26. Sept. Ein Steuerprozeß, der Mch Politisch fruktifiziert wurde, wurde vor dem Ellwanger Landgericht in zweiter Instanz verhan­delt. Die Direktoren der Vereinigten Filzfabriken in Giengen a. B. Dehlinger und Dr. Otto Haehnle tpqren vom Amtsgericht Heidenheim wegen fahrläs­siger Steuergefährdung zu 300 bezw.250 Mark Geld­strafe verurteilt worden. Anlaß gab ein schon jahre­lang zwischen dem württembergischen Steuerfiskus und der Gesellschaft geführter Streit darüber, wel­cher Teil des steuerpflichtigen Einkommens in Gien­gen aus der Fabrikationsstätte und welcher Teil für die Berliner Filiale aus der Verkaufsstelle des Un­ternehmens zur Versteuerung heranzuziehen sei. Die preußische Steuerbehörde behauptet, daß der Rein­gewinn ausschließlich und vollständig als von der Verkaufsstelle erzielt anzusehen sei und demgemäß dort versteuert werden müsse. Die Folge war, daß hie württembergische Steuer stark verkürzt wurde. Dazu kam noch, daß die beiden Direktoren, einer Entscheidung des Berwaltungsgerichtshofes folgend, die gesetzlich zur Milderung der Doppelbesteuerung zugelassene Verzinsung von 3 Prozent des gesam­ten Aktionskapitals an der württembergischen Steuer ganz in Abzug brachten. Die württembergische Steuerbehörde wollte dieses Verfahren nicht gelten lassen und nahm schließlich die beiden Direktoren in die angeführten Strafen, die vom Amtsgericht bestätigt wurden. Das Ellwanger Landgericht aber kam zu dem Ergebnis, daß die Steuererklärungen der beiden Direktoren nicht zu beanstanden seien und sprach sie frei. Der Prozeß war von der ultra­montanen und sozialdemokratischen Presse zu Angrif­fen gegen die Familie Haehnle, besonders aber ge­gen den Verteidiger Rechtsanwalt Haehnle-Ulm, der im 14. württ. Reichstagswahlkreis für die Fort­schrittliche Volkspartei kandidiert, benützt worden.

Aus dem Reiche.

* Heidelberg, 26. Sept. Die Neckardampf- schiffahrt, die wegen des niederen Wasserstan­des drei Monate lang eingestellt war, ist wieder aus­genommen worden. Allerdings war dies nur durch Stauung des Wassers bei Eberbach möglich. Wenn das Wasser nicht in den nächsten Tagen eine er­hebliche Zunahme erfährt, müssen die seit Wochen in Mannheim beladen liegenden Schiffe ihre Fracht der Bahn übergeben. Die Schiffer erleiden durch den trockenen Sommer einen großen Ausfall.

Es ist höchste Zeit

aus unsere Zeitung

Aus den Tannen

für IV. Quartal 1911

sofort zu abonnieren!

st Duisburg, 26. Sept. Die hiesige Strafkam­mer verurteilte den Kaufmann Schmidt aus Duis­burg, jetzt in Bielefeld, der früher Privatschreiber des Gouverneurs von Deutsch-Ostafrika, Frhr. von Rechenberg, war, wegen Bestechlichkeit zu sechs Mo­naten Gefängnis. Schmidt hatte geheime Schreiben, die Frhr. von Rechenberg für das Reichskolonialamt angefertigt hatte, kopiert und an ein Oppositions­blatt in Dar-es-Salam zur Verwertung als Hetz­artikel gegen Bezahlung geliefert. Als Schmidt dann in Duisburg verhaftet wurde, fand man bei einer Haussuchung die Kopien. ,

st Berlin, 26. Sept. In der Besserungsanstalt Bethabara" in Weißensee haben heute acht Mädchen,, die zu einer Abteilung vereinigt waren, revol­tiert. Die Mädchen hatten-sich schon seit einigen Tagen sehr renitent benommen. Als sie heute mittag nach dem Speisesaäl geführt wurden, zertrümmerten sie Stühle, Fensterscheiben und Türfüllungen und konnten nur mit vieler Mühe überwältigt werden. Zwei der Mädchen, die sich besonders widerspenstig zeigten, wurden in eine Arrestzelle gesteckt. Später brachte man alle acht Mädchen nach dem Berliner Polizeipräsidium.

st Prag, 26. Sept. Wie die Blätter aus Nachod melden, zerstörten gestern abend 2000 Textil­arbeiter im Dorfe Zbecnik acht Wirtschaftsge­bäude und vernichteten die Vorräte. 170 Gendar­men sind nach Zbecnik entsandt worden.

ss Archengelsk, 26. Sept. In der Nähe der Murmar-Küste lief ein englischer Dampfer au f Grund. Die Mannschaft wurde gerettet, das Schiff ist verloreu.

st Rom. 26. Sept. Die versuche der So­zialisten, in Rom, Mailand, Como und anderen Städ­ten den Generalstr eik zu erkläre», um gegen ein Vorgehen in Tripolis zu protestieren, sind an der einmütigen Haltung der allgemeinen Meinung gescheitert.

st London, 26. Sept. Eine an der Außenseite des Gebäudes der Bank of Eghpte angeschlagene Bekanntmachung besagt: Die letzten Nachrichten aus Egypten hätten es klar gemacht, daß die Bank keine genügenden Summen Bargeld beschaffen könne, um ihren laufenden Verpflichtungen zu entsprechen. Die Direktoren seien daher zu dem Entschluß gezwun­gen worden, daß eine Susspendierung der Bank nicht vermieden werden könne und daß eine Zahlungs­einstellung vom gestrigen Tage an dem Interesse ! aller Beteiligten am besten entspräche.

st London, 26. Sept. Im Zusammenhang mit dem Ausstand der Arbeiter in den Waggonfabriken in Swansea kam es dort gestern abend zu ernsten Unruhen. Die Menge richtete großen Schaden an, die Polizei war machtlos. Erst als Verstärkungen eintrafen, wurde die Ruhe wiederhergestellt. 10 j Polizeibeamte wurden verletzt. >

st London, 26. Sept. In den Docks sind von neuem Unruhen ausgebrochen. 500 Arbeiter sind ausständig. Die Lage scheint ernster zu werden.

st Peking, 26. Sept. Ein chinesisches Blatt ver­öffentlicht heute die Antwort des Wai-wu-pu auf Rußlands Vorstellungen wegen der Unruhen in der Mongolei. Meldungen aus Urga besagen, daß der Khutuchta Launa tatsächlich ein Gefangener sei. Chi­nesische Truppen umgeben die Residenz und lassen keinen Verkehr mit mongolischen Fürsten zu. 200 russische Soldaten sind in> Urga eingetroffen, um das russische Viertel und die Gesandtschaft zu schützen.

Italien und Tripolis.

* Wien, 26. Sept. Nach hiesigen Informationen

hat die Türkei bisher kein Ersuchen um Intervention s au Oesterreich und Deutschland gerichtet. !

* Rom, 26. Sept. Die Meldung derAgenzia. ! Stefani", wonach der italienische Geschäftsträger in Konstantinopel energisch gegen die Entsendung von Verstärkungen nach Tripolis protestierte, wird hier ! als ein Anzeichen der unmittelbar bevorstehenden ! Aktion begrüßt. Im einzelnen zirkulieren hier un­kontrollierbare Meldungen über die ^ Flottenbe- ^ weguug; die Zensur verhindert die Uebermittelung aller diesbezüglichen Nachrichten.

* Konstantinopel, 25. Sept. Die Antworten der Pariser und der Londoner Regierung auf das Er­suchen der Pforte um Vermittlung gegenüber ! der italienischen Aktion in Tripolis lauten kühl l und fast abweisend. Sie haben nicht dazu bei­ge tragen, die hiesige Stimmung zu heben. Die Ant­worten der Kabinette von Paris und London, de­nen sich eine ähnliche von Petersburg heute an­schließt, müssen als fast für Italien ermunternd aufgefaßt werden. Die Blicke der Türken bleiben auf Berlin gerichtet. Man rechnet auf eine di­rekte Einwirkung des deutschen Einflusses bei dem verbündeten Italien als einzige Möglichkeit, das Schlimmste zu vermeiden.

* Konstantinopel, 26. Sept. Die Zeitungen fah­ren fort, die schwersten Repressa lien gegen die Italiener anzukündigen, falls der Kup gegen Tripolis zur Ausführung gelange. Jedenfalls schwe­ben in diesem Falle die italienische Kolonie in Tri­polis, die <8000 Seelen beträgt, sowie die zahlreichen italienischen Kolonien in Kleinasien - beispiels­weise sind in dem durch Fanatismus berüchtigten Wilajet Adana 12 000 Italiener ansässig in emi-

L e sefrrrcH 1.

Brechet mit euren Leidenschaften, und ihr werdet sehen, wieviel weniger ihr euch Leiden schafft.

TaLaoka.

Novelle von Lothar Brenkendorf.

(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)

Ihr Japaner soll ja gestern einen großartigen Be­weis seiner Heldenhaftigkeit abgelegt haben," meinte er scherzend.Ich hörte es von dem Kommerzienrat, der ganz voll Bewunderung war."

Plie wir alle." bestätigte Martha mit einem Eifer, der, wie mir schien, ihre Augen Heller leuchten machte. Er hat durch seine Geistesgegenwart und seine todes­mutige Entschlossenheit ein Menschenleben gerettet. Es gibt sicherlich nicht viele, die ihm das nachgetan hätten."

Darf ich fragen, worin die Heldentat des Herrn Takaoka bestand?" fragte ich, während sich mir das Herz in einer bisher kaum gekannten häßlichen Empfindung zusammenzog. Und mit einer Bereitwilligkeit, als hätte sie nur darauf gewartet, mir den Ruhm des Fremdlings zu künden, erwiderte Martha:

Ein Arbeitsbursche war in einer der Werkstätten von der Transmission erfaßt worden, und sie würde ihn eine Sekunde später zerschmetternd in das Getriebe der Maschine geschleudert haben, wenn nicht Herr Takaoka, der eben den

Raum betrat, mit kaum begreiflicher Schnelligkeit und fast übermenschlicher Kraft den sausenden Riemen von dem Transmissionsrade herabgerissen hätte. Wenn es ihm nicht gelang, mußte er unfehlbar selbst erfaßt und gräßlich ge­tötet werden. Und die Leute, die den Vorfall mit an­sahen. erklären es für ein offenbares Wunder, daß es nicht geschah. Aber er ist zum Glück ganz unversehrt geblieben, und der Bursche hat nur einige geringfügige Verletzungen erlitten. Jetzt wird, wie ich hoffe, niemand mehr gering­schätzig über den kleinen Japaner lächeln."

Darüber, daß die Schlußbemerkung einzig und allein aus mich gemünzt sei, konnte ich mich kaum einer Täuschung hingeben. Schweigend nahm ich sie hin. Aber auch um nichts in der Welt hätte ich in diesem Augenblick ein Wort der Anerkennung für Herrn Takaoka über die Lippen bringen können. Wenn sich der Vorfall so zugetragen hatte, wie Martha ihn geschildert und ich mußte wohl glauben, daß es so war - dann hatte der Japaner ja wirklich etwas fertig gebracht, was zu versuchen ich mich schwerlich getraut hätte. Aber schließlich mußte doch auch unglaublich viel Glück dabei im Spiel gewesen sein, und ich hätte ihm nicht raten mögen, das tollkühne Wagnis zum zweitenmal zu versuchen. Martha hatte ofttzubar erwartet, daß ich irgend etwas sagen würde, und ich bemerkte wohl, daß mein Verstummen ihr mißfiel. Aber ich war ja, wie es schien, ohnehin dazu verurteilt, immer aufs neue ihr Mißfallen zu erregen und eine kurze, beglückende Täuschung mit desto schmerzlicheren Bitterkeiten zu bezahlen. Mußte ich doch jetzt noch minutenlang den geduldigen Zuhörer machen, während sie zu dem Besucher von der Liebens­würdigkeit, der Bescheidenheit und dem beinahe stauenhaften Zartgefühl des Japaners sprach, und erfuhr ich doch gleich, zeitig bei dieser Gelegenheit, daß er ein veinahe täglicher Gast in der Villa sein mußte. Das wurde schließlich 'mehr, als ich aushalten konnte, ohne mich durch irgendein un­überlegtes Wort zu verraten. Und ich beugte dieser Ge­fahr vor, indem ich mich kurz empfahl.

Zwar reichte mir Martha, wie immer, zum Abschied die Hand, und für eine kurze Zeitspanne durfte ich ihr letzt auch in die schönen Augen sehen. Es schien mir, als wäre etwas wie eine vorwurfsvolle Frage in ihrem Blick aber ich konnte sie weder durch ein Wort noch durch ein Zeichen beantworten, weil ich ihren Sinn nicht begriff. Traurig ging ich meines Weges, und traurig verbrachte ! ich die Tage, die diesem unglücklichen Besuche folgten. ' Daß sich meine ursprüngliche Abneigung gegen den Japaner in verstärktem Maße wieder eingestellt hatte, brauche ich kaum zu versichern.

Denn es war ja augenfällig, daß die Veränderung in Marthas Verhalten gegen mich irgendwie im Zusammen- ^ Hang stehen mußte mit seiner Person. Was ich gegen ihn ! empfand, war vielleicht nicht sehr weit entfernt von wirk­lichem Haß; Eifersucht im gewöhnlichen Sinne des Wortes i aber war es nicht. Denn die Vorstellung, daß der gelb­häutige und beinahe zwerghafte Asiate das Herz des schönen, blühenden, vielumworbenen Mädchens gewonnen haben sollte, war zu ungeheuerlich, als daß ich sie ernstlich hätte in das Gebiet der Möglichkeiten ziehen können. Ich hatte ihn eben nur in dem Verdacht, daß er mich bei > Martha verleumdet habe, und wenn ich auch selbstverständlich zu stolz war. eine Aussprache mit ihm zu suchen, nahm ich mir doch vor. bei passender Gelegenheit sie selbst um eine offene Mitteilung zu bitten.

Aber diese Gelegenheit sollte, wie es schien, sehr lang« auf sich warten lassen. Unaufgefordert wollte ich die Villa nicht wieder betreten, und so verging abermals eine lange Reihe von Tagen, ohne daß ich Martha gesehen hätte.

Da nötigte mich eines Tages ein unangenehmes Vor- kommnis, mich bei meinem Chef melden zu lassen. Man hatte mich während der Arbeitszeit aus meinem Bureau abgerufen, weil in einer der Schmiedewerkstätten eine be­drohliche Rauferei entstanden sei. und ich kam in der Tw gerade noch zu rechter Zeit, um durch mein Dazwischen­tret«» Schlimmes zu verhüten. Die Urheber des Streites»