Würtlrmdergischer Landtag.

Stuttgart, >3 Juur.

Die Zweite Kammer beriet heute nachmittag die Gehaltsordnung. Eingegangen sind Anträge des Finanzausschusses: 1: Die K. Staatsregierung zu ersuchen, in die Erwägung einzutreten, ob die be­stimmten Grundsätze für die Gehaltsvorrückung nach Dieustaltersstufen im Weg eines Besoldungsgesetzes verabschiedet werden sollen, 2; die K. Regierung um die Erwägung zu ersuchen, ob nicht die Be­stimmungen aufgehoben werden sollen, wonach Be­amte bei feierlichen Gelegenheiten Uniformen zu tragen haben. Berichterstatter Liesching: Angesichts der Belastung des Etats im ersten Jahr mit 8 und im zwei ten Jahr mit >0 Mil lionen ist es selbstverständlich, daß sich die Re gierung in allererster Linie fragen muß, ob diese Ausgabe wirklich nötig ist, denn es kann keinem Zweifel unterliegen, daß l O Millionen unseren Etat außerordentlich belasten. Man mußte bei der Neu belastuug auch die Zukunft ins Auge fassen und be denken, ob die Ennähmen aus unserem Etat wirklich so groß sind, daß ohne weitere spätere Steuer- erhöhung diese Vorlage getragen werden kann. Eine Aufbesserung ist schon notwendig mit Rücksicht auf die Bezüge der Beamten anderer deutscher Bundes­staaten,. die allgemeine Teuerung und die allge meine Steigerung der Lebenshaltung. In beinahe sämtlichen anderen Staaten haben umfangreiche Auf­besserungen der Beamtengehälier stattgefunden, die weit über die in Württemberg gewährten Erhöh ungen hinausgehen. Es ist unmöglich, daß ein Staat wie Württemberg seinen Beamten ganz andere Be­züge gewährt als die anderen Staaten des Deutschen Reiches. Natürlich ist auch damit zu rechnen, daß die Gehaltserhöhungen vielen Gemeinden neue Be­lastungen bringen. Seit 1901 betragen die Auf besserungen der Beamtengehälter 22 Millionen, hier­bei entfallen auf einen Beamten 755 Mark. Die Zahl der Beamten hat sich seit 1901 von 14 670 auf l 9 000 erhöht. Bezüglich der Frage der Einrech­nung der diätarischen Dienstzeit ist der Ausschuß teil­weise aus dem Standpunkt gestanden, daß eine Ein- rcchnung bis zu drei Jahren angezeigt wäre. Die Vorrückung nach Dienstaltersstufen hat man als 'Hauptgrundlage für die Gehaltsordnung angesehen. Die dreijährigen Vorrückungsstufen sind beibehalten worden. Das Wohnungsgeld sollte noch präziser ab­gestuft werden. Die Frage, ob eine besondere Ab­stufung für kinderlose und ledige Beamte zu schaf fen sei, ist auch diesmal nicht gelöst worden. Die Pcnsionsbezüge in Württemberg sind solche, daß die Pensionen, namentlich der höheren Beamten, grö­ßer sind als die in Preußen. Sie sind von 5 400 000 Mark in den Jahren l 905/06 auf 12 Millionen im Jahre 1912 gestiegen. Die Auffassung, daß die Festsetzung der Gehälter in verschiedenen Abteilun­gen gewissermaßen eine Rangordnung darstelle, ist im Ausschuß zurückgewiesen worden. Er hat sich bemüht, das Richtige zu treffen. Die Beamten mö­gen den schwierigen Verhältnissen Rechnung tragen, unter denen Württemberg zu leiden hat. Minister­präsident v. Weizsäcker: Die Regierung trägt gerne die Verantwortung für die zur Beratung stehende Vorlage. Der Finanzausschuß hat dem Plane der Regierung im allgemeinen und in den Einzelheiten im wesentlichen zugestimmt, wohl in der Erkennt­nis, daß diese Maßregel eine Notwendigkeit ist. Ich möchte konstatieren, daß in der Zeit von der Reichs- ,

gründung bis zu Ende des vorigen Jahrhunderts in Württemberg recht wenig auf diesem Gebiete ge­leistet worden ist. Man will jetzt zu einer durch­greifenden Regelung schreiten. Ich habe selten eine solche Einmütigkeit zu beobachten Gelegenheit gehabt, wie sie bei der vorliegenden Vorlage zwischen den Mitgliedern des Ausschusses und der Regierung be standen hat. Aus etatsrechtiichen Gründen hat der Ausschuß davon abgesehen, eine gesetzliche Reform der Gehaltsordnung herbeizuführen. Die Regierung hat aus Opportunitätsgründen davon Abstand ge­nommen, eine Gesetzesform der einzelnen 'Gehälter festzulegen. Heber den ersten heute eingebrachten Antrag des Finanzausschusses werde ich in Erwäg ungen eiutreteu. Das Tragen der Beamtenuniform ist durchaus kein staatsrechtlicher Zwang. Wir Be­amte müssen uns darüber klar sein, daß unsere Inter­essen allein nicht immer auf der Tagesordnung stehen können. Im Falle der Anuahme des Airsschußan­trags wird die Regierung einen Nachtragsetat ein bringen. Die Deckungsfrage ist zwar heute noch nicht erledigt, aber sie ist doch soweit fertig, daß die Kammer es wagen kann, einen Beschluß zu fassen; Schließlich dankte der Minister den Mitgliedern des Finanzausschusses, besonders dessen Vorsitzenden, Dr. v. Kiene, und dem Berichterstatter Liesching für ihre Mitarbeit. In eine allgemeine Erörterung wurde nicht eingetreten und die Sitzung um halb 6 Uhr geschlosseu. Morgen vormittag 9 Uhr Einzelberatung.

L/mdesnachricht?N.

Alit-ttstsig, 14. Juni.

* Der volkswirtschaftliche Ausschuß der württ. Kammer der Abgeordneten hat sich bekanntlich gegen Schluß des vergangenen Jahres mit der Frage der Nenregeiung des Su-missionswesens befaßt Nun haben die bau technischen und Handwerkerverbände des Landes in gemeinsamer Beratung eine Denk­schrift fertiggestellt und dieser Tage sowohl an die Regierung wie an die beiden Kammern des Landtags eingereicht. Die uns vorliegende Denkschrift, eine umfangreiche fleißige Arbeit, bringt zum ersten Male die gesamten Wünsche des württ. Handwerks inbezug auf das Submissionsmesen zum Ausdruck und ge­winnt noch dadurch an Bedeutung, daß sie auf ein­mütigen Beschlüssen der sämtlichen in Betracht kom­menden bautechnischen und Handwerkerorganisatio­nen beruht und daß bei ihrer Ausarbeitung füh­rende Vertreter aus Architekten-, Bauwerkmeister- und Baubeamtenkreiserl beteiligt waren. Dieser Um­stand läßt auch den Schluß zu, daß die Denkschrift keine unmöglichen Forderungen enthält. Nachdem nunmehr in der Frage der Verbesserung des staatl. Snbmisfionswejens auf beiden Seiten so gründliche Vorarbeit geleistet ist, darf wohl gehofft werden, daß eine endgiltige zufriedenstellende Lösung in Bälde erfolgt. Dieselbe Eingabe ist auch deri Gemeinden und Amtskörpsrschafteu des Landes zugegangen mit der Bitte, das Verdinguugswesen dieser Selbstver­waltungsbehörden gleichfalls einer Revision in der Richtung der in der Eingabe niedergelegten Wünsche zu unterziehen.

Schwäbischer Ueberlandflug. Letzten Freitag besichtigten die Herren Oberleutnant Funk aus Mannheim und Mehl das Gelände in der Umgebung von Ulm und Reutlingen. Bei Reutlingen ist eine Wiese, vor dem Georgenberg in unmittelbarer Nähe der Stadt sehr gut für eine Zwischenlandung und

für Schauflüge geeignet. Es ist mit Bestimmtheit zu erwarten, daß in Reutlingen die Geldmittel aufge­bracht werden, die für die mit sehr beträchtlichen Kosten verbundene Umleitung des Fluges über Reut­lingen und die Veranstaltung von Schauflügen un­umgänglich nötig sind. Wohlgemut geht die Leitung der Ortsgruppe Reutlingen des Deutschen Luftflot- teuvereins an die Werbearbeit. Die Besichtigung der Geländeverhältnisse in Ulm ergab, daß sich die Fried­richsau aufs beste zu einem Landungsplatz und zu Schauflügen eignet. Die Stadt Ulm hat in Ge­meinschaft mit wohlhabenden Privaten 15 000 Mark für den Ueberlandflug ausgesetzt. Auch wird tatkräf tig an der Beschaffung weiterer Geldmittel gear­beitet. Der Rennplatz Weil bietet nach Ansicht von Oberleutnant Funk, der als Mitglied des Organi­sationsausschusses und als Sportsleiter des Ober­rheinischen Zuverlässigkeitsfluges große Erfahruu gen gesammelt hat, alle Vorbedingungen für einen Flugplatz. Bei vorsichtigem Manöverieren der Flie­ger sind alle Hindernisse leicht zu vermeiden. Den Zuschauern aber sind die günstigsten Sicherheits­und Absperrungsmaßregeln gewährleistet. In Stutt­gart wird nun die Propaganda eifrig betrieben wer­den. Die Stadtverwaltung hat das Unternehmen durch einen Beitrag von lOOOO Mark unterstützt. Nach diesem dankenswerten Vorgehen dürfte auch von Seiten der Privaten reiche Unterstützung zu erwar­ten sein. Bedenkt man, welch lebhaftes Interesse in anderen Bundesstaaten den großen Flugnnter- nehmungen der letzten Zeit entgegengebracht wurde und zu welchen Opfern die Allgemeinheit bereit war, so sollte man annehmen, daß die Summe von 110 bis 120 <100 Mark im Schwabenland leicht aufzubrin­gen sei. In unseren Nachbarländern wurden z. B. für den Oberrheinischen Ueberlandflug 270 000 Mark, für den deutschen Rundflug 450 000 Mark gesammelt. Städte wie Mainz, Worms rc., in deren Nähe keine Zwischenlandung stattfand, haben dem Oberrheinischen Ueberlandflug erhebliche Zuweisun­gen gemacht. Ferner sei die Opferwilligkeit unserer bayerischen Nachbarstadt Lindau manchen heimat­lichen Städten vor Augen gehalten. Lindau, das abseits der Flugbahn liegt, hat eine hübsche Summe in Aussicht gestellt. Bei uns sind heute rund 60 000 Mk. zusammengebracht. Es ist zu hoffen, daß unsere Industriellen das Unternehmen opferwillig unterstüt­zen. Ende Juni muß das Unternehmen sicher ge­stellt sein, damit die Ausschreibungen für die Flie­ger erfolgen können. Es ist höchste Zeit, daß ein jeder ein Scherflein dazu beitrage, wenn es gilt, die Flugtechnik im Heimatland des Grafen Zep­pelin zu unterstützen. Sollten die nötigen Geld­mittel nicht aufgetrieben werden können, dann geht der größte Teil der gestifteten Spenden an den Deutschen Rundflng und somit an Berlin über.

j s Doenstetten, OA. Freudenstadt, 13. Juni. Der bis vor einigen Monaten bei Milchhändler Maier in Glatten bedienstet gewesene Knecht Frey ist wegen eines bei einem Roßhandelprozeß geschworenen Falscheids verhaftet und an das Amtsgericht Freu­denstadt eingeliefert worden.

ss Freudenstadt, 13. Juni. Gestern stieß dem Murgbahnzug, der um halb neun Uhr hier eintref- fen soll, an dem Viadukt beim Schiff ein Maschi­nendefekt zu. Die Kurbelstange brach und der Zug traf erst mit zweistündiger Verspätung hier ein. Die gleiche Verspätung hatte dann der letzte Zug nach Klosterreichenbach.

O rrctzl. M

Wissen ist des Lebens Preis

Glücklich, wer weiß!

Aber das macht keinen vollen Mann

Glücklich, wer weiß und kann!

Ernst Ziel.

Neuer Frühling.

Erzählung' aus der Gegenwart von O. E l st e r. Fortsetzung. L.achdruck verboten.

Der Tag der Vermählung war gekommen, ein regen- schwüler Frühlingstag. Am Himmel zogen immer wieder von neuem schwarze Gewitterwolken empor, ans denen grell zuckende Blitze die graue Dämmerung durchdrangen.

Der Arzt und der Rechtsanwalt waren als Zeugen gebeten. Der Standesbeamte hatte sich bereit erklärt, die gesetzliche Eheschließung im Zimmer des Kranken vorzu- nehinen. Am Nachmittag sollte dann die kirchliche Trauung folgen, und am nächsten Tage wollte man nach Bad Dehn- Hausen abreisen.

Das war ein trauriger Hochzeitstag voll Tränen, Kum­mer und Leid!

Die Majorin und Else waren in tiefes Schwarz ge­kleidet. Die Trauzeugen standen mit ernsten Mienen da, SlS kämen sie zu einem Begräbnis. Die gesetzliche Ehe­schließung ging auch rasch von statten: der Standesbeamte mochte wohl fühlen, daß hier zu längeren Auseinander­setzungen kein Platz sei; er stellte nur die gesetzlichen Fragen,

ließ die Eheleute und die Trauzeugen unterschreiben, fer­tigte die nötige Bescheinigung für den Pfarrer aus und ent­fernte sich dann rasch nachdem er verlegen den herkömm­lichen Glückwunsch gemurmelt.

Er war ein alter Beamter. Eine derartige Trauung hatte er jedoch in seinem ganzen Leben noch nicht vollzogen.

Nun sind wir Mann und Frau," sagte Robert, und in seinen Augen glänzte es fieberhaft auf, während er mit krampfhaftem Blick Elses Hand festhielt.

Aus seinen eingefallenen Wangen glühte Fieberröte, indes ElseS Antlitz totenblaß äuSsah und sie an allen Gliedern zitterte.

Der Arzt sah sie mit unendlich mitleidigem Blick an. Er merkte, .daß sie jetzt mehr der Ruhe und der Sammlung bedürfte, als Robert.

Ich würde Ihnen raten," sagte er deshalb zu Ro­bert um Else Gelegenheit zu geben, sich zurückzuziehen jetzt einige Stunden zu ruhen. Sie bedürfen für die heilige Handlung heute nachmittag und für die Reise morgen Kraft und Ruhe. Legen Sie sich ein paar Stunden nieder, ich werde Ihnen ein beruhigendes Pulver geben."

Sie haben recht, Herr Doktor," entgegnete Robert. Ich fühle mich sehr matt. Tn verzeihst mir, Else..."

Gewiß, Robert. Ruhe Dich nur ans."

Er zog sie näher an sich.

Ich habe eine Bitte, Else," flüsterte er.Heute nach­mittag bei der kirchlichen Trauung erscheinst Du als wirkliche Braut . . . nicht währ?"

Wie meinst Du das?"

Als Braut ... im weißen Kleide ... mit Schleier und Kranz ... bitte, bitte! In meinen Träumen habe ich Dich immer so gesehen ..."

. Lue erbebte.

Aber dann küßte sie ihn auf die Stirn und sagte:

Ja, Robert ... ich werde so erscheinen ..

Tank, tausend Dank!" >

Man trennte sich für einige Stunden. ' .

Else blieb bei der Majorin.

Sie saßen schweigend beieinander und hielten sich bei den Händen.

Was hätten sie auch sprechen sollen? Bei jedem Worte würden sie ja doch mit Tränen zu kämpfen gehabt haben.

Sie schauten hinaus in den grauen Tag; sie sichen die schwarzen Gewitterwolken sich anftürmen; sie sahen star­ren Auges hinein in die zuckenden Blitze und hörten ohne Erschrecken das Grollen des Donners, der dumpf drohend über den Himmel dahinrollte.

Und ein Gewitter folgte dem andern eine Stunde der anderen.

Es ist Zeit, daß ich mich umziehe," sagte Else und :rhob sich.

Weinend umarmte die Majorin sie.

Gott segne Dich, mein teures Kind! Laß mich mit Lir gehen und Dir den Myrtenkranz in Dein Haar be­festigen ... Gebe Gott, daß der Kranz Dir nicht zur Dor- renkrone werde ..."

Dann kam der Pfarrer, ein alter, würdiger Geist­licher, dessen Antlitz von langem weißen Haar umrahmt war. Er war sichtlich erschüttert, als er der Braut und dem Bräutigam die Hand reichte.

Auf einem kleinen weißgedeckten Tische erhob sich das schwarze Kruzifix mit dem Bilde des Gekreuzigten neben der heiligen Schrift.

Fortsetzung folgt.