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Ausgabe in Alteusteig-Stadt.

Mittwoch, ds« 14. Jrmi.

Amtsblatt sLr Psalrgrafeumetter.

1911

Die Ametter-KataftrHhe ini Taabergcdiet.

Im Flußgebiet der Tauber hat kürzlich eiu fürchterlicher Wolkenbruch, verbunden mit Hagel­schlag, eine ernste Katastrophe verursacht, die Men­schenleben forderte und ungeheuren Schaden brachte. Die Tragweite und die Last des Unglücks im Un- tertaubergebiet ist vom übrigen Deutschland an­fangs kaum in ihrer ganzen Wucht erkannt worden. Unbilden der Witterung, dachte man; verhagelte Aecker und Gärten, überschwemmte Wiesen im engen Gebirgstal, - nun, die Sonne scheint wieder, und die Wasser verlaufen sich. Erst als die Nachricht kam. daß an dem Unglückstag über ein Dutzend Men­schen das Leben verloren hatten, und daß der Hilssausschuß, dessen Gewissenhaftigkeit und Sachkunde durch seine Zusammensetzung verbürgt ist, den Gesamtschaden auf acht Millionen Mark schätzte, da fragte das erschreckte Mitgefühl nach den näheren Umständen. Die Frankfurter Ztg. hat einen Berichterstatter in die so schwer vom Un­glück heimgesuchte Gegend gesandt. Seinem Bericht aus Tauberbischofsheim vom l 2. Juni entnehmen wir folgende Ausführungen:

Wir fahren die Straße nach Jmpsingen tauber- abwärts. Von den Schlamm- und Stein-Lawinen ist sie gereinigt, aber die Hagelspuren begleiten den ganzen Weg, rechts und links: entlaubte Obst­bäume, die aussehen, als wollten sie erst grünen. Diese kahlgeschlagenen Kronen tragen nichts mehr. Was fruchtbar war, ist nun der Frucht Lar. Der Obstsegen aber ist ein wichtiger Teil des Landbaus an der Tauber, sein Ausfall reißt Löcher in die Geld­beutel der Landwirte und in die Gemeindesäckell Der Hagel war unglaublich grob. Die Schlossen, keine Körner, sondern Brocken, unregelmäßiger Form, zusammeugefrorene Eisstücke, prasselten schier 'unauf­hörlich wie Maschinengewehrfeuer. Stundenlang kieselte" es, wie der Franke sagt. Auf den Berg­kuppen lag es wie Neuschnee, und dann strömte das Wasser wolkenbruchweise nach. Das Tal ist mulden­förmig, meist sanft geschwungen, stellenweise aber auch sehr steilwandig, und von der Hochebene tre­ten die Seitentäler mit sehr raschem Gefäll schlucht­artig an die schmale Flußebene. Das Gebirge steigt bis auf 300 und 400 Meter Seehöhe; der Tau­berspiegel hat hier 170 bis 180 Meter über Null; es bleibt ein Höhenunterschied von etwa 200 Metern auf vielleicht einen Kilometer Grundlinie, sodaß Nei­gungen von etwa 20 Grad dem abfließenden Wasser die reißende Kraft geben. In Jmpsingen ist denn auch an einer tiefen Stelle, wo zwei Straßen abwärts auf einem kleinen Platz münden, eine Scheuer von der Flut eingedrückt worden, mit einer Steinmauer­wand von Mannsdicke. Das Wohnhaus daneben ist nur stehen geblieben, weil die Scheuer nachgab, so daß die Woge weiterbrausen konnte; es ist im Fun­dament angewäschen und sieht nun recht wacklig drein. In Werbach, dem nächsten Ort, wo der Welzbach mündet, hat es ausgedehnten Flurschaden gegeben, aber wenigstens keine Ruinen. Das Bachbett leitete den Zustrom einigermaßen ab. Wir kommen über Niklashausen, das der Hagelstrich verschont hat, nach Gamburg am linken Ufer, einem der schönsten Punkte der Gegend, überrragt vom alten Schloß und beliebt als Sommerfrische. Hier hat Hagelschlag und Wolkenbruch Fluren und Weinberge heftig angegriffen. Am grimmigsten aber offenbart sich die Unwettergewalt an der Dorfmühle, wo der bescheidene, flinke, den Mühlwerken und der Wasserleitung dienstwillige Meisenbach in die Tauber läuft. Oh weh, wie schaut es hier aus! Das Ge­wässer, von den schweren Wolkengüssen auf den Höhen über Eiersheim und Uissigheim zu einer toben­den Springflut angeschwellt, brachte einen förmlichen Belagerungspark von Steinklötzen bis zu Hundert­zentnergewicht mit sich, griff die Meisenbacher Mühle an und legte ihr Triebwerk still, riß aus der Bim- steinfabrik weiter unten Steinwalzenblöcke und schwere Mühlsteine kollernd mit, nahm Balken und Bäume dazu und berannte nun wie mit einer gan­zen Herde von Sturmböcken die arme Dorfmühle. Zwei Scheunen hatten den ersten Anprall auszu­

halten, und sie hielten ihn aus. Der Stoß des Ge­rölls traf die massiven Sandsteingebäude über Eck und brach sich, das Steingeröll und das Holzwerk staute sich, der Lchlammstrom stürzte drüber weg und erstickte den Garten der Dorfmühle, der freundlich und gepflegt angelegt war. Der Rand eines Spring­brunnenbeckens und die Oberkante der Gartenhecken ragen noch aus dem wie mit Zement ausgegossenen Garten hervor. Der braven alten Müllerin flössen die Hellen Tränen über das Gesicht, als sie uns erzählte, wie die Vernichtung hereinbrach, und nie­mand konnte ihr ungerührt zuhören. Der Müller wollte grad die Tür zum Mühlkeller versperren, als auch schon das Wasser hereingurgelte, den Mann zurückschwemmte, sodaß er nur noch mit genauer Not, von seinen Kindern unterstützt, über eine Stiege am Mahlgang nach oben flüchten konnte. Die Mühle war im Nu gelähmt, in den Ställen ertranken die Schweine, der Mühlkanal wurde in seiner ganzen Länge völlig verschüttet, die Leute können nicht ar­beiten, haben kein Mehl für sich selbst, kein Futter für ihr Vieh. Dabei fleißige, tüchtige Menschen, die nicht etwa nach Geld jammern, die einzig bitten, daß man ihnen voran helfe, damit sie sich selbst weiter helfen können. Der Meisenbach hatte zu­gleich die Wasserleitung für Gamburg zerstört, er mußte, um sie wicderherzurichten, abgeleitet wer­den, und zwar durch das Gelände der Dorfmühle. So bekamen die Müllersleute zehn Tage lang noch ein künstliches Hochwasser in ihr Gehöft, statt daß ihnen Hilfe zuteil wurde. Wir meinen und fühlen uns verpflichtet, es auch hier zu sagen, daß die Bezirksamtmannschaft von Wertheim und die Ge­meindeverwaltung von Gamburg nunmehr schleu­nigst alles aufbieten müßten, um die Dorfmühle wieder betriebsfähig zu machen. Man hat gesagt, in Paimar und Grünsfeld sei es schlimmer noch, aber dies Elend hier in der Dorfmühle läßt sich desto leichter lindern und hat Anspruch daraus. Die Mühle braucht militärische Ärbeitshilfe, weun andere Arbeiter nicht zu haben sind. Mit bloßen Vernunft­gründen und mit Vertröstungen ist nicht geholfen. Werktätige Unterstützung muß herbei.

Unterhalb Uissigheim und Eiersheim, wo überall der Flurschaden groß ist, geht die Fahrstraße nach Hochhausen zum Fluß zurück. Von der Höhe gesehen ein Prachtbild, trotz der Schutthalden und der blei­chen Getreideäcker. Weite Hügel umrahmen den Kes­sel mit den schmucken Ortschaften im alten, sorg­fältig aufgeteilten und angebauten Kulturland, die Felder, sauber zerlegt, ziehen bis auf alle Höhen, und das Gefühl will wiederkommen, als sei in die­sem stillen Erdenabschnitt alles geborgen und wohl- bestellt. Taubertal, Zaubertal. Drüben am rechten Ufer drängt sich bald mit gesteigerter Kraft der dunkle Schatten ins sonnige Bild. Bei Werbachhausen geht abermals der trostlose Hagelunsegen an. Die Felder sind wie gedroschene Tennen. Ebenso in Brunntal, und gar in Großrinderfeld, auf der Hoch­ebene. Niedergelegte Mauern, bis zur Baufälligkeit ausgewaschene Häuser, vermuhrte Gärten.Ich bin nur ein geringer Bauer", klagt uns einer der Geschä­digten,aber ich habe tausend Mark Schaden, da können Sie nun denken wie Sie wollen; und ich soll Abgaben zahlen und woher nehmen?" Eine Loko­mobile in der Straße hat das Wasser meterweit quer beiseite geschoben; man sah kopfschüttelnd die tiefe Räderspur im Straßendamm. Uebel mitgespielt hat die Flut an der Straße nach Tauberbischofsheim der Brücke, wo die neue Straße nach Paimar ab­zweigt. Es ist eine neue Brücke, gewiß gut gemeint gewesen und solid genug, aber mit einem engen Durchlaß, der nur dem normalen Verlauf genügt. Diesmal hat der Bach sich zehnfach verbreitert, die trutzige Briicke ließ sich nicht gleich werfen, so packte er den Straßenkörper, einen Wall von zwei bis drei Metern Höhe und fünf bis acht Metern Breite und spülte ihn auf zehn, fünfzehn Meter Länge rest­los weg. Die standhafte Brücke wird nun doch fallen müssen, mindestens wird die Zufahrtstraße in der ganzen Bachbettbreite durchtunnelt werden müssen, sonst reißt der nächste Schwall abermals den ge­samten Kunstbau um und um. (Schluß folgt.)

Tagespolitik.

Der Finanzausschuß der Abgeordnetenkammer hat die erste Lesung des Sportelgesetzes zu Ende geführt. Durch einen volksparteilichen Abgeord-, neten wurde eine Anregung übermittelt, eine Spor> tel auf Vornamen einzuführen, sodaß für einen zweiten Vornamen eine Mark, für einen dritten zwei Mark erhoben werden sollen. Wie der Bericht mit­teilt, wird die Regierungin Erwägung darüber eintreten," ob diese, in mancher Hinsicht recht emp­fehlenswerte Sportel nach den Bestimmungen des, Gesetzes über die Personenstandsbeurkundung mög* lich sei.

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Während die letzte Aufstellung des Finanzministe-? riums über die finanzielle Wirkung der Be--, a m ten a u fbes s e r u n g nach dem Vorschlag des; Finanzausschusses bei der Regierungsvorlage die Mehrausgaben 5 095 840 Lezw. 5 070 633 Mark aus­machten, werden sie sich nach den Ausschußbeschlüs­sen auf 5 335 526 bezw. 6 288 299 Mark belaufen. Hiezu kommen dann noch die vom Ausschuß beschlos­senen Aufbesserungen von '350 000 Mark für die Be­diensteten der Verkehrs an stalten, 6000 Mark für Berg- und Hüttenarbeiter und 80 000 Mark für Berg- und Forftarbeiter.

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lieber die Auswanderungsfrage äußerte sich der bekannte Generaldirektor Ballin von der Hamburg-Ainerika-Linie, der kürzlich anläßlich seines 25jährigen Dienstjubiläums große Ehrungen erfuhr, wie folgt:Die Abnahme der Auswanderung nach Amerika wird durch die rigorose Anwendung der Einwanderungsgesetze in den amerikanischen Häfen verursacht. Es ist keine Ilebertreibung, wenn ich sage, daß jeder Auswanderer, der in Amerika aus unerkennbaren Gründen an der Landung verhin­dert wird, Hunderte von Landsleuten veranlaßt, statt nach den Vereinigten Staaten nach irgend einem an­deren Lande anszuwandern. Begreiflicherweise wird das in Amerika bei den Gegnern der Einwande­rung große Genugtuung Hervorrufen, zumal bei der Arbeiterpartei. Aber es darf nicht vergessen wer­den, daß die Vereinigten Staaten auf die Einfuhr von Arbeitskräften angewiesen sind, so lange sie ihre wirtschaftliche Entwicklung nicht beeinträchtigen wollen." Die willkürliche und harte Anwendung der amerikanischen Einwanderungsgesetze ist be­dauerlich. Aber außer den Schiffahrtsgesellschaften bedauert wohl niemand im Jnlande den Rückgang der Auswandererziffer, der zudem sehr klein ist.

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Obwohl es die Franzosen in Marokko noch! ganz anders getrieben haben als die Spanier, so regen sich die Franzosen doch merkwürdig über das Vorgehen Spaniens in Marokko auf. Frankreich möchte eben den fetten marokkanischen Bissen für sich allein haben. Da Frankreich aber die Einmischung anderer Mächte befürchtet, so will es doch nicht zu weit gehen und strebt eine friedliche Verständigung mit den Spaniern an;. Der Minister des Auswärtigen, Cruppi, legte gestern in der Kammerkommission für auswärtige Ange­legenheiten die Notwendigkeit der Expedi­tion nach Fez dar, die der Maghzen ebenso wie die fremden Kolonien und die Konsuln, besonders die von England und Deutschland, gewünscht haben, lieber die gegenwärtige Haltung Sst aniens und die diplomatische Lage kann der Minister, wieder sagte, sich nicht äußern, da sein Geheimnis nicht ihm allein gehöre und er zum Schweigen verpflicht tet sei. Er gab sodann der' Hoffnung AusdrutU daß der Zwischenfall bald in günstigem Sinne erle­digt sein werde.

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