Leitung der Herren Haager und Haug. Verschiedene hiesige Kurgäste und auswärtige Kräfte hatten sich in gütigster Weise in den Dienst der Sache gestellt. Den Höhepunkt des Abends bildeten die Rezitationen des Kgl. Sächs. Hofschauspielers Herrn Träger. In formvollendeter Weise brachte er unter großem Beifall verschiedene Gedichte ernsten und heiteren Inhalts zum Vortrage. Frl. Seeber (Frankfurt a. M.) sang mit künstlerischem Ausdruck und wohlklingender Stimme 3 Lieder für Sopran und 2 Soli mit Violine und Klavierbegleitung. Die Violinbegleitung hatte Herr Stadel mann (Wildbad) übernommen, der noch in 2 weiteren Stücken (Klavierbegleitung Frl. Seeber) künstlerische Fertigkeit zeigte. Frl. Weilheimer (Sopran) sang ebenfalls unter großem Beifall 2 Lieder und 1 Melodrama. 3 Lieder für Tenor brachte Herr O. Lindemann (München) wirkungsvoll zum Ausdruck, der ferner mit einem Lied für Guitarre in plattdeutscher Mundart eine dankbare Zuhörerschaft fand. Herr Fridetzky (Pforzheim) rief mit Spässen und Couplets allgemeine Heiterkeit hervor und erntete mit einem ,Sopransolo' (Viljalied) rauschenden Beifall. Den Anfang des Abends bildeten die von Frl. Seeber und Herrn Haug flott gespielte Ouvertüre „Zampa" von Herold. Die Klavierbegleitung zu den Soli lag bei Herrn Haug in sicheren Händen. Besonderen Beifall ernteten auch die Vorträge des hiesigen Liederkranzes, der unter Leitung von Herrn Haug in 5 Chören gute Schulung zeigte. Den beiden mitwirkenden Damen wurden prächtige Blumensträuße überreicht und zum Schlüsse des Abends überreichte Herr Haager im Namen der Kurverwaltung sämtlichen Mitwirkenden ein wertvolles Geschenk. Den Schluß bildete ein allgemeiner Tanz.
Nagold, 29. Aug. Ein hübsches Beispiel von Submissionsblüten kann berichtet werden. Der hiesige Cemeinderat hatte eine Lieferung von 80 Zentimeter hohen Waldgrenzsteinen zu vergeben. Die eingeholten Offerten lauteten aus 85 Pfg., 1 Mk., 1,20 Mk., 1,40 Mk., 1,70 Mk., 1,75 Mk.,'2,40 Mk., 2,49 Mk., 2,80 Mk. und 3,40 Mk. pro Stück, also eine Schwankung um rund 400 Prozent.
Calmbach, 29. Aug. Durch Architekt Karl Junge in Eßlingen läßt Alfred Eauthier hier einen auf 100000 Mk. zu stehen kommenden Fabrikneubau erstellen.
Württemberg.
Stuttgart» 28. Aug. Ein Beweis dafür, daß die Werber für die französische Fremdenlegion eifrig an der Arbeit sind, ist, daß innerhalb weniger Wochen in Württemberg drei junge Leute zum Eintritt in die Fremdenlegion sich verführen ließen.
Tübingen, 29. Aug. Das anhaltend schlechte Wetter hat hier eine seltsame Erscheinung gezeitigt: Dem Publikum wird von amtswegen kund und zu wissen getan, daß die städtische Badeanstalt „bis auf weiteres" — geschlossen wird. Wozu braucht der Mensch auch baden, wenns den ganzen Tag — regnet.
Schramberg, 29. Aug. Beim Rangieren auf dem Schiltacher Bahnhof wurden fünf Güterwagen auf bis jetzt unerklärliche Ursache aus dem Geleise gehoben und fuhren auf die Bahnhofschankstelle auf, die vollständig demoliert wurde. Zum Glück sind keine Menschen ums Leben gekommen. Der Materialschaden ist bedeutend.
Laichingen, 29. Aug. Ein Regimentsbefehl der hier einquartierten Artilleriebatterien hat angeord
net, daß die Soldaten bei der Einbringung der Ernte den Einwohnern Hilfe leisten. Die Arbeit geht jetzt „wie geschmiert".
Ulm, 29. Aug. Beim Schießen um den Königspreis ging in diesem Jahr die 12. Kompagnie des Jnf.-Reg. 120 (Hauptmann Weeber) als Sieger hervor. Die Kompagnie gewann den Preis schon zum zweitenmal, das Regiment stellte bereits sechsmal die Preisträger.
Jllertissen, 29. Aug. Der 60 Jahre alte Taglöhner Jakob Dengler wurde auf einem Acker in der Nähe von Herstetten in erstarrtem Zustand aufgefunden. Im August!
Waldsee, 29. Aug. In einer Landschule wurde kürzlich in der Oberklasse zur Freibearbeitung der Aufsatz gegeben: „Der Soldat". Der Lehrer hatte es hauptsächlich auf die Buben und ihre Auffassung abgesehen. Eine originelle Arbeit hat er nachher dem „Waldseer Wochenblatt" gegeben. Der künftige Vaterlandsverteidiger schrieb also: Der Soldat ist jung und kräftig. Anfangs ist er Rekrut. Im Herbste rückt er ein, da singt er noch. In der Kaserne erhält er einen Anzug mit glanzigen Knöpfen. Das ist die Uniform. Der weiße Anzug ist aus Tuch, diesen muß er alle Samstag waschen. Der Soldat erhält am Tag 22 Pfg. Lohn, Brot und das Essen. Der Soldat hat auch ein Gewehr. Dieses mag er nicht gerne putzen. Im Manöver muß er stramm exerzieren, das schlaucht ihn. Wenn man! zum Kriege bläst, muß er das Vaterland verteidigen. Der preußische Soldat hat an der Mütze einen Totenkopf. Dies bedeutet Sieg oder Tod.
Aus Welt und Zeit.
München, 29. Aug. In den „Münchener Neuesten Nachrichten" schildert der Münchener Rechtsanwalt Weinberger seine Erlebnisse in Marokko. Er hatte seinen Bruder, welcher in der Fremdenlegion dient, befreien wollen und war am 19. Mai d. I. auf dem Bahnhof in Sidi-bel-Abbes verhaftet worden, als er mit seinem Bruder den Zug erwartete, der sie nach der Küste bringen sollte. Der Rechtsanwalt ist erst vorigen Samstag nach München zurückgekehrt. Solange haben ihn die Franzosen zurückbehalten. Sie behandelten den Mann, der sich doch nur von menschlich begreiflichen Beweggründen leiten ließ, wie einen Verbrecher und machten Fingerabdrücke von ihm, als ob es sich um einen Raubmörder handelte. Am 13. Juni wurde er wegen Anreizung zur Fahnenflucht und wegen verbotenen Waffentragens — er trug als guter Bayer ein Stilett — zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Der französische Staatsanwalt hatte sogar ein Jahr beantragt. Großmütig erlaubte man dem Gefangenen, der wohlweislich auf Berufung verzichtet hatte, sich täglich für 12 Sous Speisen und Getränke zu kaufen. Außerdem durfte er, um sich die Zeit zu vertreiben, Seile aus Alsagras flechten. Bei fleißiger Arbeit konnte er es auf einen Tagesverdienst von 7 Centimes bringen und sich so mit Zucker zum Kaffee das Leben wenigstens etwas versüßen. Zudem hatte er eine schöne Hoffnung: das Gnadengesuch an den Präsidenten der Republik, das allerdings fünf Tage vor der Entlassung mit ablehnendem Bescheide zurück kam. Am 20. August schlug die Erlösungsstunde. Sein Bruder, der mit 30 Tagen davonzukommen hoffte, wurde dank dem besondern Wohlwollen seines Kapitäns auf sechs bis neun Monate in die Arbeitsabteilung ein- gereiht. Dann muß er noch weitere vier Jahre
auf Afrikas heißer Erde dienen — für die fürstliche Tageslöhnung von einem Sous. Zum mindesten naiv muß man die jungen Leute nennen, die trotz abschreckender Beispiele und öffentlicher Warnungen immer wieder sich von den Lockrufen der Fremdenlegion betören lassen.
Berlin, 29. Aug. Die „Rhein.-Westf. Ztg." teilt die neuesten Zahlen über die Fahnenflucht im deutschen und französischen Heere im Jahre 1910/11 mit. Danach steigt die Anzahl der Fahnenflüchtigen in Frankreich nicht nur, während sie in Deutschland abnimmt, sondern sie ist auch ganz ungewöhnlich größer als in Deutschland. In Deutschland kommen auf 10000 Heeresangehörige im Durchschnitt 13 Fahnenflüchtige, in Bayern nur 9 und in Sachsen nur 2,4. In Frankreich dagegen kommen schon auf 100 Stellungspflichtige annähernd 6 Fahnenflüchtige, d. h. auf 10000 fast 600. Während also, in Prozent umgerechnet, in Deutschland nur 0,13 Prozent der gesamten Heeresangehörigen, in Bayern nur 0,09 Prozent und in Sachsen nur 0,024 Prozent fahnenflüchtig werden, beträgt der Prozentsatz der Deserteure im französischen Heere nahezu 6 Prozent. In Deutschland hatte die Zahl der Deserteure im Jahre 1901 noch 728 Mann betragen, dann erfolgte ein ständiger regelmäßiger Rückgang. 1903 waren es noch 701, 1904 609, 1906 580 und bis zum Jahre 1909 hatte sich die Zahl bis auf 566 verringert. Fast ebensoviel, nur zwei Fälle weniger, 664 also, waren im Jahre 1910, dem letzten Berichtsjahre zu verzeichnen. In Deutschland wurde also in 10 Jahren ein Rückgang der Fahnenflucht um fast 25 Prozent erreicht. In Frankreich dagegen waren es 1903 1908 Deserteure, 1905 schon 3230, 1907 schon 5200, also mehr als die doppelte Zahl des Jahres 1903, in nur vier Jahren. Das Jahr 1908 brachte gar 11782 Fahnenflüchtige. Und auch diese Zahl wurde vom Jahre 1909 noch um 6000 Mann übertroffen, das die unerhörte Zahl von 17782 Deserteuren auszuweisen hatte.
London, 29. Aug. Heute aus Norwich eingelaufene Berichte schildern den furchtbaren Zustand der Vernichtung und des Elends. Der Eisenbahnverkehr ist vollständig unterbunden. Der Geschäftsverkehr steht still. Tausende von Obdachlosen haben sich in Schulen und Kapellen einquartiert. Ver- schiedenlich ist das Wasser in die Zimmer eingedrungen. Die Polizei rettet in Ruderbooten die Einwohner bedrohter Häuser. Die Beamten der Wasserwerke befürchten, daß Mangel an Trinkwasser eintritt, und haben die Bevölkerung ermahnt, so wenig wie wöglich Wasser zu verbrauchen, da die Pumpwerke durch die Ueberschwemmung außer Betrieb gesetzt sind. Der Schaden an den Gemüsegärten ist ungeheuer. Tausende von Kanarienvögel, deretwegen Norwich berühmt ist, sind umgekommen.
Norwich (Engl. Grafschaft Norfolk), 29. Aug. Die Fluten bedrohen die Stadt noch weiter. Das Wasser, das im Laufe der Nacht gefallen war, ist heute infolge eines neuen heftigen Regengusses wieder gestiegen. Es besteht die Gefahr, daß Trinkwasser und Lebensmittel heute ausgehen. Der Ausbruch einer Seuche wird befürchtet. Heute sind mehr als 10 000 Personen obdachlos. Das kommerzielle Leben in der Sadt ist so gut wie unterbunden. In Hunderten von Läden ist ein Handelsverkehr unmöglich. Viele Gebäude sind eingestürzt. Die Leiche eines ertrunkenen Kindes ist heute gefunden worden. Der Eisenbahnverkehr nach Norwich ist wieder aufgenommen worden.
Lichtenstein.
22) Romantische Sage von Wilhelm Hauff.
„Jeder nach seiner Weise," antwortete Dieterich, „es klingt dies alles recht schön; aber ich für meinen Teil würde mir schon etwas gefallen lassen, um mein Haus anständig und wohnlich wiederherzustellen. — Möget Ihr übrigens Euren Entschluß ändern oder nicht, auf jeden Fall hoffe ich, werdet Ihr es Euch noch einigeTage bei mir gefallen lassen."
„Ich erkenne Eure Güte," antwortete Georg; „aber Ihr seht, daß ich unter den gegenwärtigen Umständen nichts mehr in dieser Stadt zu tun Habs. Ich gedenke mit Anbruch des Morgens zu reiten."
„Nun, und kann man Euch Grüße mitgeben?" fragte der Ratsschreiber mit überaus schlauem Lächeln. „Ihr reitet doch den nächsten Weg nach Lichtenstein?"
Der junge Mann errötete bis in die Stirne hinauf. Es war zwischen ihm und seinem Gastfreund seit Mariens Abreise dieser Gegenstand noch nicht zur Sprache gekommen; um so mehr überraschte ihn jetzt die schlaue Frage seines Eastfreundes. „Ich sehe," sagte er, „daß Ihr mich noch immer falsch versteht. Ihr glaubt, ich habe dem Bunde nur deswegen den Rücken zugewandt, um mich an die Feinde anzuschließen? Wie möget Ihr nur so schlimm von mir denken!"
„Ach, geht mir doch!" entgegnete der kluge Ratsschreiber. „Niemand anderes als mein reizendes Väschen hat Euch von uns abwendig gemacht. Ihr hättet wohl zu allem, was der Bund getan, ein Auge zugedrückt, wenn der alte Lichtenstein auch mitgemacht hätte. Nun er auf der andern Seite steht, glaubt Ihr auch schnell umsatteln zu müssen!"
Georg mochte sich verteidigen, wie er wollte, der Ratsschreiber war zu fest von seiner eigenen Klugheit überzeugt, als daß er sich diese Meinung hätte ausreden lassen. Er fand diesen Schritt auch ganz natürlich und sah nichts Böses oder Unehrliches darin. Mit einem herzlichen Gruß an die Base in Lichtenstein verließ er das Zimmer seines Gastes. Doch aus der Schwelle wandte er sich noch einmal um. „Fast hätte ich das Wichtigste vergessen," sagte er, „ich begegnete Georg von Frondsberg auf der Straße. Er läßt Euch Litten, heute abend noch zu ihm in sein Haus zu kommen."
Georg hatte sich zwar selbst vorgsstellt, daß ihn Frondsberg nicht ohne Abschied werde ziehen lassen, und doch war ihm bange vor dem Anblick dieses Mannes, der es so gut mit ihm gemeint, und dessen freundliche Pläne er so schnell durchkreuzt hatte. Er schnallte unter den Gedanken an diesen schweren Gang sein Schwert um und wollte eben seinen Mantel zurecht legen, als ein sonderbares Geräusch von der Treppe her seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Schwere Tritte vieler Menschen näherten sich
seiner Türe, er glaubte Schwerter und Hellebarden auf dem Estrich seines Vorsaales klirren zu hören. Er machte schnell einige Schritte gegen die Türe, um sich von dem Grund seiner Vermutung zu überzeugen.
Aber noch ehe er die Türe erreicht hatte, ging diese auf. Das matte Licht einiger Kerzen ließ ihn mehrere bewaffnete Kriegsknechte sehen, die seine Türe umstellt hatten. Jener alte Kriegsmann, der ihn heute vor dem Kriegsrat empfangen hatte, trat aus ihrer Mitte hervor.
„Georg von Sturmfeder!" sprach er zu dem Jüngling, der mit Staunen zurücktrat, „ich nehme Euch auf Befehl eines hohen Vundesrates gefangen."
„Mich? Gefangen?" rief Georg mit Schrecken. „Warum? Wessen beschuldigt man mich denn?"
„Das ist nicht meine Sache," antwortete der Alte mürrisch, „doch wird man Euch vermutlich nicht lange in Ungewißheit lassen. Jetzt aber seid so gut und reicht mir Euer Schwert und folgt mir auf das Rathaus."
„Wie? Euch soll ich mein Schwert geben?" entgegnete der junge Mann mit dem Zorn beleidigten Stolzes. „Wer seid Ihr, daß Ihr mir meine Waffen abfordern könnet? Da muß der Rat ganz andere Leute schicken als Euch, so viel verstehe ich auch von Eurem Handwerk!"
„Um Gottes willen, gebt doch nach," rief der