Viktoria (Britisch Columbia), 29. Aug. Präsident Wheeler von der Universität California hielt eine Ansprache, in der er anregte, daß der Nobelpreis dem deutschen Kaiser verliehen werde, der die deutsche Armee, einen machtvollen Faktor des Friedens, W Jahre hindurch ausgebaut habe, ohne sich ihrer zum Kriege zu bedienen.
Vermischtes.
Flugblatts um Schutze der Säuglinge!
(Ratschläge für die heißen Monate; bearbeitet im Kaiserin-Auguste-Victoria-Haus zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit im Deutschen Reiche.)
Wir werden um Veröffentlichung nachstehender Ratschläge für Mütter ersucht:
Mütter! Der größte Feind Eurer Kleinen ist der Sommer mit seiner großen Hitze! Unter den Lebensmitteln verdirbt am leichtesten die Tiermilch. Darum ernährt Eure Kinder an der Brust und setzt nie im Sommer ab. Brustmilch verdirbt nicht! Gebt Euren Kindern alle vier Stunden, d. h. fünfmal des Tages, abwechselnd die rechte und linkeVrust und laßt ihnen nachts die Ruhe. Künstlich ernähren dürft Ihr nur auf Anordnung und unter Aufsicht des Arztes, Ihr müßt dann besonders genau und sauber dabei sein. Ihr müßt jede Flasche nach jeder Mahlzeit sofort mit Wasser füllen und sie mit einer Flaschenbürste und mit Soda, Borax oder Seifenwasser reinigen, mit gekochtem Wasser nachspülen und sie umgekehrt an einen reinen Ort, möglichst in einen reinen Topf stellen. Gebraucht nur Grammflaschen, denn nur mit ihnen könnt ihr die Nahrungsmenge genau bestimmen. Ihr müßt den Sauger nach jedem Gebrauch mit Salz oder Boraxwasser ab- und ausreiben, ihn in einem Topf kochen und in sauberem zugedeckten Gefäß aufbewahren. Am besten ist es, ebensoviel Sauger wie Flaschen zu haben. Verboten ist Euch, die Flaschensauger als Schnuller zu benutzen! Verboten sind Euch Glasröhren oder Gummischläuche als Flaschensauger, ebenso der Zuckerschnuller! Kauft Eure Milch nur in einem Kuhstall, von dessen Sauberkeit Ihr Euch überzeugt habt, am besten fragt Ihr den Arzt oder die Fürsorgestelle, woher Ihr die Milch zu nehmen habt. Ihr dürft die Milch nicht zu Hause herumstehen lassen, müßt sie sofort 3 Minuten in einem reinen Topf kochen, schnell abkühlen, indem Ihr den Tops, mit einem Deckel versehen, in kaltes Wasser setzt und dieses häufig erneuert. Ihr dürft die Milch nach dem Kochen nicht in andere Töpfe gießen, sondern müßt sie solange in dem kühl aufbewahrten Topf lassen, bis Ihr sie unmittelbar vor dem Gebrauch in vorgeschriebener Menge in die Flasche füllt. Stehen Euch fünf Flaschen zur Verfügung, was natürlich am besten ist, so müßt Ihr die Milch sofort nach dem Kochen in vorgeschriebener Menge in Flaschen füllen und sie verschlossen an einem kühlen Platz, am besten in einem Eisschrank, aufbewahren. Habt Ihr keinen Eisschrank, so könnt Ihr Euch selbst mit ganz geringen Kosten einen solchen Herstellen. Ihr holt Euch vom Kaufmann eine Holzkiste, bestreut den Boden mit Sägespänen, setzt zwei Eimer von verschiedener Größe ineinander hinein und füllt bis zum oberen Rjande des größeren Eimers mit Sägespänen nach. In den kleineren Eimer werden die Flaschen mit Nahrung, umgeben von einigen Eisstückchen, gesetzt und mit dem Deckel des Eimers zugedeckt. Der Deckel der Kiste wird mit einer Lage Zeitungspapier beklebt. Ihr müßt beim Flaschenkinde besonders die Vorschriften des Arztes befolgen, niemals öfter als verordnet die Flasche geben. Lieber
weniger Nahrung in der heißen Zeit geben, als zuviel. Tritt Durchfall ein, so laßt die Milch fort, gebt Tee (Fenchel-, Lindenblüten-, Pfefferminz-, einfachen Tee) ohne Milch, bis ein Arzt zu erreichen ist, aber nicht länger als 12 Stunden. In der heißen Jahreszeit hat der Säugling wie der Erwachsene Durst. Gebt ihm dann — er zeigt seinen Durst durch große Unruhe — abgekochtes Wasser oder dünnen Tee, möglichst ohne Zucker. Auch zu warmes Einpacken, oder ein überhitzter Raum machen den Säugling krank, daher weg mit allen Federbetten und dicken Wickeltüchern, weg mit der Gummiunterlage! Ihr könnt im Sommer Euer Kleines fast nackt im Bettchen oder Korb strampeln lassen, eine leichte dünne Decke genügt zum Zudecken! Ihr müßt Eure Kinder vor den sie quälenden Fliegen schützen, indem Ihr einen leichten Schleier über Bettchen oder Korb legt. Das beste und kühlste, häufig gelüftete Zimmer Eurer Wohnung ist für Euer Kind das geeignetste. Dieses Zimmer könnt Ihr noch kühler machen, wenn Ihr die Fensterscheiben häufig mit möglichst kühlem Wasser besprengt! Ihr dürft das Kind nicht in der heißen, feuchten Küche stehen haben!' Hat Eure Wohnung kein kühles, schattiges Plätzchen, so versucht im Hause ein solches ausfindig zu machen (Keller), dort stellt Euer Kidn hin. Könnt Ihr auch im Hause kein solches Plätzchen finden, so bringt das Kind möglichst viel an einen schattigen, nicht schwülen Ort im Freien, auch da darf es bloß liegen. Geringe Zugluft schadet Eurem Kinde im Sommer nickcks! Ihr müßt Euer Kind im Sommer mindestens einmal täglich baden, oder öfters mit kühlem Wasser waschen! Geeignete Nahrung, Sauberkeit und frische Luft sind zum Gedeihen des Kindes unbedingt erforderlich! — (Verlag von Georg Stilke, Hofbuchhändler. Berlin 7.' Preis 6 Pfg., 100 Expl. Mk. 2.—, 1000 Mk. 16.—, 5000 Mk. 13.— p. Tausend Flugbl.)
Schwarzer Klee. Eine auffallende und weitverbreitete Erscheinung ist diesenSommer das „Schwarzwerden" des zweiten Klees. Die Landwirte glauben vielfach, die Kleepflanzen leiden an den Verletzungen des teilweise niedergegangenen Hagels. Untersuchungen eingesandter Kleepflanzen durch die K. Württ. Anstalt für Pflanzenschutz in Hohenheim haben nun ergeben, daß die Kleepflanzen stark vom sog. Stockälchen (Tvlsuobus äipsaoi) befallen sind. Es ist dies ein winziges mit dem bloßen Auge kaum wahrnehmbares Würmchen, das sich in dem Gewebe der Pflanzen in großer Zahl aufhält, diese zum Verkümmern und schließlich zum Absterben bringt. Die Krankheit tritt anfangs meist fleckenweise auf und breitet sich dann immer mehr aus. Eine Vernichtung der Aelchen ist mit großen Umständen und Kosten verknüpft, sodaß man praktisch sich nur durch geeigneten Fruchtwechsel und Düngung etwas helfen kann. Beim ersten Auftreten der Krankheit empfiehlt sich im Frühling eine starke Kalkung der Felder, sowie eine Kräftigung der Pflanzen durch Düngung mit Thomasmehl oder Superphosphat und Kainit. Wo die Krankheit stärker auftritt, empfiehlt obengenannte Anstalt den Anbau von Futtergemischen anstatt Klee.
-b Vom Pilzsammeln. Die Pilzernte ist da und immer wieder kommen Vergiftungen vor, die auf Unkenntnis der Sammler zurückzuführen sind. Es erscheint demgemäß angezeigt, Berhaltungsregeln für das Sammeln aufzustellen. Womöglich soll man ein Pilzbüchlein in die Wälder mitnehmen. Steht ein solches nicht zur Verfügung, so beachte man als Regel, daß alle Röhrlinge mit Ringen eßbar sind,
auch diejenigen ringlosen, deren Hutunterseite oder Stielnetz nicht rot ist und deren Fleisch sich beim Anbrechen nicht augenblicklich rot, blau oder grün färbt. Eßbar sind von den Blätterpilzen diejenigen, die einen angenehmen Geruch haben. Die Pilze, die nach Mehl, Obst, Anis, Nelken, Birnblüten, Nußkern schmecken, sind Speisepilze. Alle Staub-, Trüffel-, Keulen-, Stachelpilze sind eßbar, nur der Kartoffelbovist ist schädlich. Sein widriger Fleischgeruch warnt übrigens schon vor dem Genuß. Ein ganz untrügliches Zeichen der Ungenießbarkeit von Pilzen ist ihr Aroma. Alle Pilze, die eckelig, faulig, scharf, fade, brandig, betäubend, widrig duften, sind unbrauchbar. Beim Sammeln nehme man nur frische Pilze, keine alten, abgestandenen, von Schnecken und Würmern angefressenen Exemplare. Man kann sich auch nach dem Verbrauch in der Gegend richten. Pilze, die als Speisepilze bekannt sind, und von den Leuten häufig gegessen werden, sind nicht leicht zu verwechseln. Wenn ein wichtiges Nahrungsmittel, wie das Fleisch, für die arbeitenden Klassen wegen seiner Teuerung kaum mehr zu beschaffen ist, so sieht man sich nach billigem Ersatz um und greift gerne zu den' Speisepilzen. Darum gehört Aufklärung durch Schule und Presse her, um dem Volk diese billige Nahrung mundgerecht machen und ohne Schädigung zuführen zu können.
Letzte Nachrichten und Telegramme.
Sulz, 30. Aug. (Teleph.) In Rosenfeld hatte gestern der Gärtner Frommer von Jsingen, der sich mit seinem Rad auf dem Heimweg befand, das Unglück, auf der Straße von Rosenfeld nach Burg die Frau des Schäfers Schumacher von hier zu überfahren. Die erst seit einem halben Jahr verheiratete Frau erlitt einen Schädelbruch und war eine Viertelstunde darauf tot.
Göppingen, 30. Aug. (Teleph.) Die Rollerinnen und Spulerinnen der Buntweberei von Butz u. Söhne befinden sich seit einiger Zeit wegen Lohndifferenzen in Ausstand, der auch zur Kündigung derjenigen Arbeiter führte, die infolge des Ausstandes nicht mehr beschäftigt werden konnten. Die Firma machte einige Zugeständnisse, die aber vom Textilarbeiterverband, der die Bewegung leitet, nicht für genügend erachtet wurden. Darauf erklärten sich die dem Textilverband angehörigen Arbeitgeber der übrigen hiesigen Buntwebereien solidarisch mit Butz u. Söhne und gaben durch Anschlag in den Fabriken bekannt, daß allen Arbeitern gekündigt sei und die Aussperrung so lange daure, bis die Ausständigen in der Butzschen Buntweberei die Arbeit wieder ausgenommen haben. Eine Weiterbeschäftigung der Nichtorganisierten behalten sich die Firmen, den Verhältnissen entsprechend, vor; ebenso ihre Entschädigung, falls die Kündigung aufrechterhalten werden muß. Im ganzen sind von der Bewegung 7 Buntwebereien betroffen, die zum Teil mehrere Hundert Arbeiter beschäftigen.
,Jür die Schriftleitung verantwortlich: Paul Kirchner. Druck und Verlag der A. Oelschläger'schen Buchdruckerei.
Gottesdienste.
13. Sonntag nach Trinit., 1 . September. Vom Turm: 3. Vredigllied: 217. 9'/, Uhr: Vorm.-Predigt, Stadtpfarrer
Sck> mid. 1 Uhr: Christenlehre mit den Töchtern. Das Opfer ist für die Kaiser-Wilhelm-Stiftung für deutsche Invaliden bestimmt.
Donnerstag, S. Sept. 8 Uhr abends: Bibelstunde im Vereinshaus, Stadtpfarrer Schmid.
Ratsschreiber, der sich bleich und verstört an seine Seite gedrängt hatte. „Gebt nach! Widerstand kann Euch wenig nützen. Ihr habt es mit dem Truchseß zu tun," flüsterte er heimlicher. „Das ist ein böser Feind, bringt ihn nicht noch ärger gegen Euch auf."
Der alte Kriegsmann unterbrach die Einflüsterungen des Ratsschreibers. „Es ist wahrscheinlich das erste Mal, Junker," sagte er, „daß Ihr in Haft genommen werdet, deswegen verzeihe ich Euch gerne die unziemlichen Worte gegen einen Mann, der oft in einem Zelt mit Eurem Vater schlief. Euer Schwert möget Ihr auch immerhin behalten. Ich kenne diesen Griff und diese Scheide und habe den Stahl, den sie verschließt, manchen rühmlichen Kampf ausfechten sehen. Es ist löblich, daß Ihr viel darauf haltet und es nicht in jede Hand kommen lassen möget. Aber aufs Rathaus müßt Ihr mit, denn es wäre töricht, wenn Ihr der Gewalt Trotz bieten wolltet."
Der Jüngling, dem alles wie ein Traum erschien, ergab sich schweigend in sein Schicksal, er trug dem Ratsschreiber heimlich auf, zu Frondsberg zu gehen und diesen von seiner Gefangenschaft zu unterrichten. Er wickelte sich tiefer in seinen Mantel, um auf der Straße bei diesem unangenehmen Gang nicht erkannt zu werden, und folgte dem ergrauten Führer und seinen Landsknechten.
11 .
Die Eisentür geht auf, des Kerkers schwarze Wand Erhellt ein blasser Schein, er höret jemand gehen Und stemmt sich auf, und sieht —
Wieland.
Der Trupp, den Gefangenen in der Mitte, bewegte sich schweigend dem Rathaus zu. Nur eine einzige Fackel leuchtete ihnen voran, und Georg dankte dem Himmel, daß sie nur sparsame Helle verbreitete. Denn er glaubte, alle Menschen, die ihm begegneten, müßten ihm ansehen, daß er ins Gefängnis geführt werde. Nächst diesem beschäftigte ihn unterwegs vorzüglich ein Gedanke: Es war das erste Mal in seinem Leben, daß er in ein Gefängnis geführt wurde, er dachte daher nicht ohne Grauen an einen feuchten, unreinlichen Kerker. Das Burgverließ in seinem alten Schlosse, das er als Knabe einmal besucht hatte, kam ihm immer vor das Auge. Er war einigemal im Begriff, seinen Führer darüber zu befragen, doch drängte der Gedanke, man möchte es für kindische Furcht ansehen, seine Frage immer wieder zurück.
Nicht wenig war er daher überrascht, als man ihn in ein geräumiges, schönes Zimmer führte, das zwar nicht sehr wohnlich aussah, denn es enthielt nur eine leere Bettstelle und einen Ungeheuern Kamin, aber in Vergleichung mit den Bildern seiner Phantasie eher einem Prunkgemach als einem Gefängnis glich. Der alte Kriegsmann wünschte
dem Gefangenen gute Nacht und zog sich mit seinen Knechten zurück. Ein kleiner, hagerer, ältlicher Mann trat ein. Der große Schlüsselbund, welcher an seiner Seite hing und jeden seiner Schritte wie mit Kettengerassel bezeichnete, gab ihn als den Ratsdiener oder Schließer kund. Er legte schweigend einige große Scheiter Holz ins Kamin, und bald loderte ein behagliches Feuer auf, das dem jungen Mann in der kalten Märznacht sehr zu statten kam. Auf die Bretter der breiten, leeren Bettstelle breitete der Schließer eine große, wollene Decke, und das erste Wort, das Georg aus seinem Munde hörte, war die freundliche Einladung an den Gefangenen, sich's bequem zu machen. Die harten Brettchen, nur mit einer dünnen Decke überlegt, mochten nun nicht sehr einladend aussehen, doch lobte Georg die Bemühungen des Alten und sein Gefängnis.
„Das ist halt die Ritterhaft," belehrte ihn der Schließer. „Die für den gemeinen Mann ist unter der Erde und nicht so schön, doch ist sie dafür desto besuchter."
„Hier war wohl seit langer Zeit niemand?" fragte Georg, indem er das öde Gemach musterte.
„Der letzte war vor sieben Jahren ein Herr von Berger, er ist in jenem Bett verschieden. Gott sei seiner armen Seele gnädig! Es schien ihm aber hier zu gefallen, denn er ist schon in mancher Mitternacht aus seinem Grab heraufgestiegen, um sein altes Zimmer zu besuchen." (Forts, folgt.)