Bewegung hervorgernfen. Die Angelegenheit wird zweifellos auch den preußischen Landtag beschäftigen. Im Zusammenhang mit diesen Dingen ist auch viel über die Rede gesprochen worden, die der Gesandte bei der Kurt? Herr v. Mühlberg beim Festmahl verdeutschen Prälatur in Rom am Geburtstage des Kaisers gehalten hat. Diese Ansprache des Ge sandten hat sich nur mit der Vergangenheit beschäf tigl und in keiner Weise der Behandlung der aus dem Briefe des Papstes an den Kardinal Fstcher und aus der sonstigen Haltung des Vatikans s ch ergebenden Schwierigkeiten vorgegriffen. Als der Papst von einer Kundgebung der Professoren der theologischen Fakultät in Münster hörte, sagte er laut „Tag" zu seiner Umgebung, man sähe daraus, wel cher Geist hochmütiger Widersetzlichkeit in deutschen Professorenkreisen zu finden sei. Er werde aber, wie einst Bonifazins, die Art an den deutschen Gifrbaum des Unglaubens legen.
Mirttemvergischer Landtag.
Stuttgart, 4. Februar.
Die zweite Kammer führte heute die Generaldebatte zum Etat zu Ende. Finanzminister v. Gest ler betonte, noch nie sei vom Etat selbst so wenig gesprochen worden, als wie in dieser Aussprache. Das Tempo in den Ausgaben für Kulturaufgaben müsse den Kräften des Staates entsprechend verlangsamt werden. Der Etat sei nicht so kulturfeindlich, wie man mehrfach behauptet habe. Der-Frage einer mäßigen Lohnerhöhung für die Waldarbeiter werde er näher treten. Er sei ein überzeugter Anhänger der Erbschaftssteuer für Deszendenten, doch sei eine solche Slener im gegenwärtigen Aug-n blick nicht opportun. Andre 'Ztr. verteidigte die Wirtschaftspolitik des Reiches sowie die Neichssiuauz reform und wandte sich dabei insbesondere gegen die Sozialdemokratie, der es nur um die Volksver- hetzung zu tun sei. Die deutsche Volkswirtschaft habe unter unserem Schutzzollsystem einen kolossalen Aufschwung genommen. ' Die christliche Arbeiterbewegung werde trotz des soz. Terrorismus vorwärts kommen. Große Unruhe entstand im Hause, als der Redner der Sozialdemokratie die Ablehnung zahl reicher Lupus und Besitzsteue-.il verhielt, wie Eham pagner . Tan.leinen , Börsen , Automobilsten«'- u'w. Im Zentrum wurde jede dieser Steuern mit dem Zuruf.- Arbeitersteuern begleitet. Der Redner kriti sierte schließlich die Vorgänge bei der Wahl der Arbeitervertreter zur Versicherungsanstalt Württemberg. sowie zum Beirat, der Vcrkehrsanstatten und verlangte, daß hierbei nicht bloß auf die sozialdemokratischen Gewerkschaften, sondern auch auf die übrigen Arbeiterorganisationen Rücksicht genommen werde. Ministerpräsident Dr. v. Weizsäcker antwortete. er werde nach den Vorgängen sehen lassen. Der Wahlwedus mime jedenfalls geändert werden. Reichel Soz. wandte sich gegen Andre, gegen die ungerechte Würdigung der Tätigkeit der Gewerkschaften durch den Minister des Innern und insbesondere gegen den Vorwurf des Terrorismus. Minister ch Schmidlin wies nach, daß Württemberg in der Gesamtzahl der Verhaftungen durchaus nicht all der Spitze stehe. Rach Annahme eines Schlußantrags
Neklamezvdringlichkeit.
OLKi Mit einem freundlichen, vielgereisten Herrn fuhr ich im Bahnwagen von Dresden nach dem oberen Elbgrunde, in die herrliche, lockende Sächsische Schweiz hinein. — Rießner- Oefen! — Leibnitz-Cakes — Hotel Bikloria -- Wanderer- Fahrräder — so und immer weiter so ähnlich schwamm es draußen vor den Augen auf. Wo man hinsah und das Auge ein wenig ruhen wollie, im leuchtenden Grün, tauchte so eine riesige viereckige Bretter- oder Papierfläche auf und machte uns auf etwas aufmerksam, was uns unbedingt noch fehlte zum vollkommenen Genuß des Lebens.
Ich bin sonst ein ruhiger, still veranlagter Mensch Aber ich konnte diesmal doch nur mit Mühe einen Fluch unterdrücken, so oft mich die gleiche Erscheinung schon an anderen Bahnstrecken und in der Nähe anderer Städte genarrt hatte.
Mein Reisegenosse lachte ein wenig verlegen. Denn er hatte mir vorher so viel Schönes von der Großstadt am Elbestrand erzählt und nun mochte er, befürchten, daß der neue häßliche Eindruck mich irre machen möchte an dem vielgerühmten Schönheitssinn, der in der sächsischen Residenz regiert.
„Hinter Bärne wird's schon besser", meinte er tröstend: „machen wir einfach so lange die Vorhänge herab I" Und er tat demgemäß. Dann erzählte xr.
Und zwar etwa folgendermaßen:
Bor ungefähr einem halben Jahre mußte ich in dringenden Geschäften nach Paris. Es ist ja nicht alles glänzend auf den französischen Bahnen: außerdem war ich müde und habe im Zug geschlafen bis so etwa sin halbes Dutzend Schnellzugsstationen vor meinem Ziel.
Da ärgerte ich mich, als ich aufwach-e. Denn es war doch das erstemal, daß ich in Paris gewesen war, und da besieht man sich doch gern ein wenig die Landschaft, durch die man fährt. Ich sah also hinaus. Zuerst links. Da
und mehreren persönlichen Bemerkungen wurde der Aul rag auf Verweisung des Etats an den Finanz ansschuß angenvmmen. Dienstag nachmittag: An kauf des alten Schlachthauses in Stuttgart, Darlehen für Böhmenkirch und die Weingärtner, Aufhebung des Geh. Rats.
LandesnachrichLen.
AN«,? «ig, 6. Februar.
* Frachtermäßigung für Saatkartoffeln. Für
Sendungen für Saatkartoffeln, die als Frachtgut -Sttdckgnk und Wagenladungen bis Ende April Illlt auf Stationen der Preußisch hessischen und olden bnrgischen Staatsbahnen und der Militärbahn nach württ. Stationen aufgetiefert werden, wird mit sofortiger Gültigkeit die tarifmäßige Fracht, und zwar vorläufig für die Strecken der württ, Staatsbahnen um die Hätfie ermäßigt.
Der Bunbeswettlaus des Schwäbischen Schncc- fchuhbnndes, der gestern und vorgestern in Baiers bronn stattfand, brachte einen ungeheuren Verkehr in das Murgtat und besonders auch nach Freuden stadt und die verschiedenen Eisenbahnstationen, wie Hvchdvrf w. Die große Teilnahme an dem Wett- lanf und der großartige Verlauf der Veranstaltung war ein glänzender Beweis dafür, wie-die Sache des Schneefchuhspvrtes auch bei uns im Schwarzwald immer mehr Freunde findet und volkstümlicher wird,
Ealw, tz, Febr, iIvrrZ In der Nacht vom/ letzten Samstag auf Sonntag ist im Pfarrhause und einer daneben gelegenen Evnditvrei hier «ungebrochen und l l ll Mark gestohlen worden. Die Täter find entkommen. Es handelt sich hier offenbar auch um eine Diebesbande, die es, 'wie in Oberndorf und Rottweil, auf Pfarrhäuser abgesehen hat,
Ealw, ö, Febr. Heute früh um halb drei Uhr und um 4 Uhr wurde» iu der Bahnhofstrnße 2 Einbrü ch e verübt. Im Hause von Konditor Hauß- ler stieg der Dieb durch die Küche ein, erbrach iu der Ladenstube mit einem Stemmeisen den Sekretär und entwendete IG> Mark, Im katholischen Stadtpfarrhause war der Einbrecher bereits in den Abort eiugestiegeu: der Hund machte aber Lärm und so wurde der Dieb durch die'erwachten Hausbewohner verjagt. Die Polizei ließ den Polizeihund Sberlock kommen, um mit Hilfe dessen die Spur der Einbrecher zu verfolgen. Der Hund nahm die Spur auch sofort auf und ging von beiden, Häusern aus dem Bahnhof zu, wo die Spur endete. Wahrscheinlich hat der Einbrecher, der jedenfalls beide Einbrüche vemlbt hat, mit einem Frühzug das Weiw gesucht, und seinen Raub in Sicherheit gebracht, Die Ankunft und der Spürsinn des Hundes wurde von einer großen Menschenmenge mit Spannung beobachtet,
4 In Schramberg kamen Leim S'ammholz- schleifen am Holzschlag des Wilhelm Kopp drei Stämme ins Rollen und trafen an der Berneckstraße vorübergehende Kinder. Eines davon wurde schwer, die andern unbedeutend verletzt,
4 Lmdelfingen, ö. Febr. Ein hiesiger He »Händler war mit einer hvchträchtigen Stute nach Stuttgart gefahren. Auf der Heimfahrt abends wurde
das arme Tier vor dein Fuhrwerk von Mutterfreuden überrascht und brachte trotz Eis und Schnee ein Fohlen zur Welt. Beide Tiere sind noch gut dnrch- gekommen. Der Vorfall ereignete sich in der Nähe der hiesigen Viehweide.
! I Stuttgart, 4. Febr. Der E n g e r eAus j ch u ß der ivürrtembergischen Fortschrittlichen Volkspartei hat sich laut „Beobachter" gestern abend konstituiert. Zum Vorsitzenden wurde wieder Prof. L.- Hoffman», zum Stellvertreter Ehefredaktenr K. Schmidt, zum Schriftführer Rechtsanwalt Fr. Payer II, zum Kassier Gemeinderat I. Fischer gewühlt. Nach den neuen Satzungen der Partei, die Kooptationsrecht «Zuwahl vorsehen, wurden in den Engeren Ausschuß kooptiert: C, Reif, Vorstand der Fortschritttichen Volkspartei Stuttgart, und Postsek- retär Kübler-Geistingen a. ->st.
4 Stuttgart, 4. Febr. Auf dem stillen Heslacher Friedhof fand heute nachmittag anläßlich der Enthüllung des von Bildhauer Fyemd geschaffenen bronzenen Reliefbildes Friedrich Hauß- m a n n s eine schlichte S ? düch in isfei e r statt, an der außer den Familienangehörigen, zahlreichen polnischen Freunden des Verstorbenen, Parlamentariern Generalintendant Baron von Pntlitz, Ober--, konsistorialpräsidenl a. D. Freiherr von Gemmingen und Oberbürgermeister v. Gauß teilnahrnen. Nach dein Vortrag des Liedes: ,,Jm schönsten Wiesengrunde" durch den Knabenchor „Hymnus" trat Kammerpräsident Friedr. v. Payer an die reichgeschmückte Ruhestätte, an der nachstehender Vers in Goldschrift eingetragen ist: „Ach, unser Ziel, das Ferne, das immerdar unerreichte. Ewig heischt es die Kraft, Immer versagt es den Lohn", und richtete eine tiefempfundene Ansprache an die Versammlung, Seit dem Tode Friedrich Hanßmanns habe keine politische Versammlung stattgefunden, ans der man nicht seiner gedachte und sich erinnerte, was der Verstorbene uns gewesen. Seine Tatkraft, sein froher Mut und seine Lebensklugheit habe oft gefehlt. Mau sei seit seinem Tode ein gilt Stück vorwärts gekommen und stets habe mau sich vor großen Entscheidungen die Frage vorgelegt, was Friedrich Haußmaul' dazu deukcu und sprechen würde. Wie werde er seinen Freunden fehlen in den zu erwartenden Kämpfen der nächsten Monate und Jahre, wer werde die Wahlvorbereitungen über Berg und Tal jetzt einleiten, wie er es getan: der durch die Kraft seiner Persönlichkeit uns den rechten Weg gewiesen hat. Die jetzt durch das Bürgertum gehende Knmpfesstim- mnng wäre eine Lebenslust für ihn gewesen. Schmerzlich sei es. daß gerade der Vorkämpfer des Lichtes die erwachende Morgenröte einer besseren Zukunft nicht mehr sehe. Für die Freunde bedürfe es keines Denksteins, aber das demokratische würt- tembergische Volk wünsche, daß das Gedächtnis an seinen Liebling und Führer dauernd bewahrt bleibe, gleichzeitig an die bedeutungsvollen Kämpfe, die es um die Freiheit seiner Verfassung geführt Hatz DaS Denkmal solle weiter ein Zeichen des endlichen rühmlichen Sieges des demokratischen Gedankens sein, ein Altar, an dem die Freunde des Dahingegangenen geloben, in seinem Geiste weiterzustreben und weiterzukämpfen. Edel und Hoch gesinnt, mutig und fest, weise und gerecht hat er gelebt, Im Dienst? seines Volkes ist er gestorben.
kamen solche Tafeln, wie wir sie eben gesehen haben. Dutzendweise hintereinander.
Bisquit Olliviere-Bisquil Ollviers-Bisquit Olliviere-
Weiter konnte ich kaum elwas sehen. Ta wendete ich mich zum anderen Fenster.
Bisquit Olliviere-Bisquit Olliviere — — Bisquit Olliviere -
Nun, da bekam ich's allmählich dicke. Jetzt tauchte aber im Hintergrund ein hübsches Wäldchen rmf, da mußte das Auge gewiß einen Ruhepunkt finden. Und wirklich, wir kamen durch. Es tat ordentlich wohl. Leider war es zu rasch vorbeigeflogen. Und da ging's wieder los:
Bisquit Olliviere — Bisquit Olliviere-*
Richtig-auch auf der anderen Seite.
Der Zug fuhr in einen Bahnhof ein. Halboeidroffen blickte ich hinaus — elegante Anzüge, geschmeidiges Benehmen, plapperlustige französische Laute — es war ein hübsches Bild und ich fand wirklich Gefallen daran. In einem seltsamen Kostüm lief ein Mann den ganzen Bahnsteig entlang; ich war, obwohl mich's stichts anging, ordentlich gespannt, wo er hinzielen mochte. Da— „Bisquit Olliviere!" rief er-„Bisquit Olliviere;"--
Der Ruf klang mir noch in den Ohren, als der Zug längst zum Bahnhofe hinausfnhr. Und als er fürs Ohr crstarb, fing er wieder fürs Auge an. Zuweilen gab es eine lichte Stelle, gerade als svllie inan sich da mit neuer Kraft versehen, um die abscheulichen Plakattafeln weiterhin ansehen zu können. Denn sie kamen wieder — links und rechts — ohne Ende.
Auf der Bahnstrecke darf man nicht hinaussehen; da muß man schlafen, sagte ich mir. Aber nun konnte ich nicht mehr: ich hatte mich zu sehr iu den Aerger verbissen.
Endlich winkte die Erlösung; wir nahten Paris. Mit einer Erleichterung ohnegleichen griff ich nach meiner Hand
tasche, und als der Zug kaum ins Halten gekommen war, stürzte ich hinaus.
Auf dem Bahnsteig trat ein sehr anständig und würoig aussehender Herr an mich heran, begrüßte mich und meinte dann ziemlich unvermittelt:
„Aber wie sehen Sie so schlecht aus, verehrter Herr! Mein Gott, aus Ihrem Antlitz weicht ja alle Farbe!"
„Na, das wäre auch gerade kein Wunder", entgegncte ich erbost, „wenn man sich so ärgern muß . . ."
„Gelt, Sie haben sich geärgert!" Nehmen Sie sich nur in acht, daß Sie nicht noch richstg krank werden! Ta kann ich Ihnen ein ganz ausgezeichnetes Mittel empfehlen — sehen Sie, ich habe ein paar Proben davon in der Tasche; das PqFchen kostet i^ur 2 Frank — Bisquit Olliviere..."
Da spürte ich nun, wie urplötzlich Farbe in meine Wangen schoß. Eine Wut kam über mich — ich konnte mir nicht mehr helfen. Im Nu halte ich meinen Spazierstock in der linken Hand und mit der rechten versetzte ich dem Kerl eine Ohrfeige, daß es nur so klatschte.
Der war für den Augenblick erschrocken und ich wollte schon nach einem Wagen Ausschau halten, da ermannte sich der Jammerknopf, rief einen Polizisten an und sagte ihm, ich hätte ihn gesch'agen, er möge meine Personalien feststellen.
Die Sache kam so weit, daß ich 50 Frank Strafe zahlen mußte oder Schmerzensgeld oder wie die Geschichte sonst gemeint war.
Sie können sich denken, daß ich Paris mit Wonne wieder verließ, nachdem meine Geschäfte geregelt waren. Auf der Heimfahrt hütete ich mich ängstlich, auch nur einen Blick zum Fenster hinauszuwerfen, bis ich mich ganz sicher fühlte, daß es nun draußen zu Ende sein würde mit den schauderhaften Anpreisungstafeln für Bisquit Olliviere.. .
Und sehen Sie, da sind wir auch schon an Bärne vorbei; jetzt können wir den Vorhang wieder hinaufziehen.
(A«S der Rheinisch-Westfälischen Zeitung.)