Aegrrndet

1877.

s i: TageSauSgabe 'k ir, vierteljährlich im Bezirk Nagold und Nachbarortsverkehr Mk. INS

außerhalb Mk. 1.35.

Die Wochenausgabe (Schwarzwälber Sonntagsblatt) kostet vierteljährlich 50 ^fg.

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Unparteiische Tageszeitung und Anzeigeblatt, verbriet in den Gberamtsbezirken Nagold, FreuSsnstadt, Lalw u. Neuenbürg

x. 30

Verlag u. Druck der W. Rieker'schen Buchdruckerei (L. Lauk), Altensteig.

Montag, ds« 6 Februar.

Amtliches.

Lehrwerkstätle für das Gerber eigen erbe in Metzingen.

Die Lehrwerkstätte ist eine staatliche Unlerrichlsanstalt, die der K. Zentralstelle für Gewerbe und Handel unterstellt ist. Sie ist eingegliedert in den Betrieb des Gerbermeisters Robert Bräuchle in Metzingen. Ordentliche Schüler können solche junge Leute werden, die das 14. Lebensjahr zurückgelegt haben oder noch im Jahre ihres Eintritts zu­rücklegen und in der Lehrwerkstätte eine dreijährige Lehrzeit durchmachen wollen. Als außerordentliche Schüler können, soweit es der Raum gestaltet, junge Leute (insbesondere Gerbersöhne) zugelassen werden, die nur 1 oder 2 Jahre die Anstalt besuchen wollen. . Das Schulgeld beträgt für ordentliche Schüler jährlich 25 Mark, für außerordentliche 40 Mk. Unbemittelten kann es teilweise oder ganz erlassen werden. Als Vergütung für ihre Arbeitsleistung in dem Betriebe erhalten die Schüler vom Betrie rsinhaber im ersten Jahr wöchentlich 5 Mark, im zweiten Jahre 6 Mark und im dritten Jahre 7 Mark. Für Wohnung und Verköstigung sorgt der Betriebsinhaber in passenden Häusern. Das neue Schuljahr beginnt am 1. Mai d. I. Anfragen und An­meldungen nehmen die Zentralstelle und der Betriebsinhaber entgegen.

Elsch-LolhNW«.

Zwei Tage hat der Reichstag der l. Lesung der Vorlage über sie Verfassung Elsaß Lothringens u. das Wahlrecht gewidmet. Die Debatte ist sehr grüud lich und zeitweise auch recht lebhaft gewesen. Aber eine Klärung dieser für das Reichsland wie für das Deutsche Reich außerordentlich wichtigen Frage ha! sie keineswegs gebracht, konnte sie auch nach Lage der Dinge kaum bringen, und auch das Schick­sal der Verfassungsreform ist ungewiß geblieben, wenngleich kaum zu bezweifeln ist, daß sie schließ lich zustande kommen wird. Diese Zuversicht gründet sich namentlich auf die Haltung des Zentrums, das sich durch den Mund seines diplomatischen Lpre chers Frhrn. v. Hertling zwar im einzelnen mir einer der Gewohnheit des Zentrums entsprechenden Zurückhaltung, aber doch im Ganzen recht freund lich äußerte und zu erkennen gab, daß es der Ne form zur Annahme verhelfen will. Diese Haluing des Zentrnms ist um deswillen sehr wichtig, weil die Berfassungsvorlage bei der Rechten erheblichen Widerstand findet. Den Konservativen gehen die Zu geständnisse an die Wünsche der Elsaß Lothringer viel zu weit. Sie halten die Elsässer noch nicht für reif", ihre inneren Angelegenheiten selbst und nn abhängig vom Reichstage und dem Bundesrate zu besorgen, und sie ziehen aus gewissen uuerfreu-' lichen Vorkommnissen der neueren Zeit und aus den nationalistischen, franzvselndeu Strömungen den Schluß, daß die Bewohner Elsaß-Lotbriugens sich in der großen Mehrheit nicht in dem Maße als Glieder des Deutschen Reichs betrachten, daß ihnen ohne Ge fährdung der Lebensinteressen des Deutschen Reichs eine so weitgehende. Freiheit und Selbstbestimmung gewährt werden könnte. Vor allein aber ist den Konservativen das Wahlrecht anstößig, das Elsaß- Lothringen bekommen soll. Es ist zwar nicht etiva das Reichstagswahlrecht aber doch immerhin, wenn es auch mit Zusatzstimmen für die höheren Lebens alter und mit einer Wohnsitzklausel ausgestattet ist, einigermaßen demokratisch, und so etwas ist in Wahl rechtssachen den Konservative.', erst recht zuwider, schon deshalb, weil sie eine Rückwirkung auf Preu ßen fürchten. Es kann mit Recht gesagt werden, und es ist schon vielfach gesagt worden, daß nicht einznsehen ist. warum den Preußen das vorent- Hallen bleiben soll, was die Elsaß Lothringer nun auch erhalten sollen, denn schließlich leben in Preu ßen keine Botokuden, sondern Menschen, die Po lilisch genau soreif" sind, wie andere. Der Reichs kanzler v. Bekhmann Hollweg hak zwar für diesen Widerspruch eine Erklärung und Aufklärung gefun du». Er setzte in seiner Red" die er hierüber im Reichstage hielt, auseinander, daß man in Elsaß Lothringen sich bei der Gestattung des Wahlrechts

an das Vorhandene und historisch Gewordene hatten müsse, und nicht ein beliebiges Wahlrecht dorthin verpflanzen könne. Ueberhaupt sollte man in die­sen Dingen nicht eine Doktrin, sondern die Indivi­dualität der Länder und Völker maßgebend sein lassen. Aus diesen Standpunkt stelle er sich auch iu der preußischen Wahlrechtsfrage. Im Hinblick auf die Aufgaben, die Preußen im Reiche überlra geu werden, sei es ganz unmöglich, Preußen mit einen, Wahlrecht auszurüsten, daß den Massen die Herrschaft über das Parlament und daun auch über die Regierung auslieferte. Das würde zu einer Des organisation des deutsche» Reichs führen. Preußen werde daher sein Wahlrecht nach seinem eigenen Bedürfnis und nicht nach den, Muster anderer Bun- desstacuen so gestalten, daß es eine konstante, staats- erhalteude Reichspvlitik führen köunw Das ist zwar in, Grunde genommen sehr anfechtbar, aber es er­klärt wenigstens, wie Herr v. Bekhmann Hollweg seine Stellung in der elsässischen Wahlrechrsfrage ausgenommen wissen will. Im Uebrigen setzte der Reichskanzler auseinander, daß es nicht länger au gehe, Elsaß-Lothringen ein Maß von Selbständig keit, das mit den deutschen Interessen verträglich iei, vorzueuthalteu: darin läßt er sich durch gewisse Erscheinungen nicht irre machen. Ihnen gegenüber hat er den Mut der Kaltblütigkeit: er ließ zugleich mit der größte» Entschiedenheit erkennen, daß Aufwieglern und Friedensstörern mit aller Schärfe begegnet werden wird. Es in der Tat nötig, iu dieser Pezielmug energische Hand zu zei­gen denn das Treiben der Französlinge ist nach­gerade zu bunt geworden. Bemerkenswert war, was der Reichskanzler über die iu der letzten Zeit in der Oeffeuttichkeit aufgeworfene Frage einer Einver­leibung Elsaß Lothringens in Preußen sagte. Es ging daraus hervor, daß auch hinter den Kulis­sen und anscheinend von einflußreichen Kreisen dar­auf hin gearbeitet worden ist. Herr v. Bekhmann Hollweg lehn! indessen die Einverleibung mir vol lem Recht unbedingt ab: ehedem Härte mau jo etwas vielleicht machen können, aber jetzt ist es ganz nn möglich. Aucb die Gewährung einer ftimmberech tigieu Vertretung Elsaß Lothringens im Bundesrate, erklärte der Reichskanzler, wie es schon der Staats­sekretär Delbrück iu seiner einleitenden Rede ge­tan harte, für unmöglich, auch in der Beschränk kuug auf die rein wirtschaftlichen Angelegenheiten. Gerade dieser Punk: aber ist es, auf den die El­sässer das größte Gewicht legen. Sie erblicken in der Versagung der Stimmen im Bundesrate eine Degradierung und einen Beweis dafür, daß das Reichsland auch künftig nicht als ein vollberechtigtes Glied des Deutschen Reichs, sondern als ein er­obertes Land betrachtet werde. Es ist in der Tat nicht zu verkennen, daß das Fehlen elsäisischer Bin, desratsstimmen ein schwerer Mangel der Verfassung ist, allein inan muß zugeben, daß die Schwierig­keiten, die den, entgegenstehen, so groß sind, daß sie zur Zeit nicht überwunden werden können. Spä­ter wird den Wünschen Elsaß Lothringens wohl auch hier Erfüllung zuteil werden: sie finden dafür viel Verständnis, nicht nur im Reichstage, sondern auch in der Regierung: und sie selbst können viel dazu tun, nn, die Erreichung dieses Ziels zu befehlen ingen. EinUnannehmbar" setzte der Reichskanz ler und auch der 'Staatssekretär der Forderung nach Verzicht ans das Zweikammersystem entgegen. Die erste Kammer soll ein Bollwerk sein, das eine deutsche Politik im Reichslande verbürgt. Man muß einränmen, daß ein solches «ach Lage der Dinge nicht entbehrt werden kann, denn die Verhältnisse im Neichsland und die Stimmungen der Elsaß Lothringer sind noch viel zu unsicher und viel zu unberechenbar, als daß ihnen die Gesetzgebung und Verwaltung ohne weiteres preisgegeben werden könnten. In der Debatte marschierten die Elsässer und Lothringer in einer langen Reihe ans, und sie sind ja auch d'ie nächsten dazu. Die einen der werfen die Vorlage mit mehr oder weniger Heftig keit in Bausch und Bogen, di? anderen, die so weit, nicht gingen, waren weit entfernt, irgendwie zu

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frieden zu sein. Von altdeutschen Rednern übte der Abg. Nanu,an» als Sprecher der Fortschrittlichen Volks)>artei an der Vorlage und der ganzen Be­handlung der reichsländischen Fragen eine scharfe und teilweise erheblich über das Ziel schießende Kri­tik. Freundlich äußerte sich hingegen der national- liberale Führer Nasser,nanu, wenngleich auch er ver­schiedene Wünsche hatte. Die Frage wird nun sein, welche Gestalt die Vorlage in der Kommission be­komm:. Es wird gewiß mancherlei Aenderungen ge­ben, die hoffentlich zugleich Verbesserungen bedeu­ten. Und i», Ganzen wird wohl schließlich etwas zu- standekommen, das den Elsässern, wenn sie auch nicht zufrieden sind, inehr bietet, als sie noch vor nicht langer Zeit irgendwie hoffen zu können glaubten.

Tagespolitik.

Weniger K o n l r o l l v e rs a m mlnnge n ? Die genaue Listenführnng aller Waffenfähigen bei den Bezirkstvmmandos ist bekanntlich die Grundlage der deutschen Mobilmachung, und die in, Frühjahr und Herbstabgehaltenen Kontrollversammlungen bil­den die Probe auf die Listen. Um die Nachteile der zweimaligen Abhaltung von Kontrollversamm- lun,gen in Gestalt von Lohnvertust und entgehendem Arbeitsverdienst zu mildern, ist nun einmal an­geregt. nicht nur die Kontrollplätze so einznrichten bezw. soweit zu vermehren, daß Hin- und Rückweg für den am entferntesten wohnenden Wehrmann und Reservisten nicht mehr als Kilometer ans- machen, sondern auch für die Reservisten künftig blos noch eine Kvntrollversammlnng in, Jahre ab- znhalten. In letzterer Hinsicht ist aber nicht viel zu erhoffen. Dagegen scheint ein Kompromiß angängig, wonach die Reservisten, die zu einer Uebnng einbe­rufen sind in den, betreffenden Jahre nur zu einer Konlrollversammluiig herangezvgen werden sollen.

Die Nordd. Allgem. Ztg. schreibt in ihrer Wo- chenrundscl>an über das Exposee des Grasen A ehre n t h a l im Ausschuß der österreichischen De­legation für auswärtige Angelegenheiten und über die später folgenden Darlegungen des Ministers: Die Erklärungen des Grafen Aehrenthal haben hier bei der Regierung und auch bei der öffentlichen Mei­nung eine sympathische Aufnahme gefunden. Der günstige. Eindruck seiner Ausführungen beruht aus der Festigkeit und Klarheit, mit der der leitende Staatsmann Oesterreich Ungarns die schwebenden Fragen der äußeren Politik behandelt hat. Nament­lich gilt dies von der unumwundenen Zustimmung zu der Veränderung, die durch die Potsdamer Mv- narchenbegegnnng und im Anschluß daran in den deutsch-russischen Beziehungen eingctreten ist. Graf Aehrenthal sprach mit lebhafter Genugtuung über die Erklärungen und Ausschlüsse, die der Reichskanz­ler v. Bekhmann Hollweg im Reichstag gegeben hat und stellte die Uebereinstimmung des österreich- ungarischen Programms mit den in Potsdam und Berlin bekräftigten Grundsätzen über die Gestaltung der europäischen Polilk im Sinne der Aufrechterhal- tnng des statns qno im nahen Orient fest. Mit aufrichtiger Befriedigung sind bei uns die Mitteilun gen des österreich ungarischen Staatsmannes ausge­nommen worden, ans denen hervorgeht, daß die Beziehungen Oesterreich Ungarns und Rußlands zu einander sich in fortschreitender friedlicher EntwÄ- lnng befinden. An, Schlüsse seines Exposees wies Graf Aehrenthal auf die Notwendigkeit hin, Heer und Flotte schlagfertig zu erhalten, damit die Habs bnrgiscbe Monarchie in ihrer auswärtigen Politik für ihre Interessen und für den Frieden erfolgreich ein treten könne. Auch dieser Gedanke findet bei uns volles Verständnis.

Die Veröffentlichung des päpstlichen Schreibens an den Erzbischof von Köln hat, so schreibt dieNordd. Allg. ZtgR, eine neue